Tribunus Angusticlavus Faustus Decimus Serapio, Legio XXII Deiotariana, Nikopolis, Alexandria et Aegyptus
Gruß und Heil dir, geliebter Heroe unter ferner Sonne, carbunculus meus!
Das Herz zerreißt es mir, deine Worte zu vernehmen, wieder und wieder ihren süßen Klang mir einzuverleiben, mit allen Sinnen sie zu verschlingen, in ihnen zu wiegen meinen Geist, zu wälzen meinen Verstand im kläglichen Versuche deiner habhaft zu werden, ein wenig der devastativen Sehnsucht nach dir zu mindern, welche tagtäglich mich in ihrer bittersüßen Qual gefangen hält. Von Wahn schreibst du, von Raserei, welche dich umtreibt, und auch ich bin längst dem unbändigen Taumel der Sinne erlegen, der unser beider Leben eint. Mehr und mehr glaube ich an die Wahrheit der alten Weise, welche in Platons Symposion Aristophanes erzählt, dass der Mensch dereinst zweigesichtig, vierarmig und vierfüßig war, und nun nach der Dissoziation durch die Götter in sein jetziges Abbild stets sehnsuchtsvoll seinem Gegenpart entgegenstrebt. Wer, wenn nicht du, könnte zu einem vollständigen Wesen mich komplettieren, wie sonst sollte dies ungebärdige Sehnen, dies torquierende Drängen zu erklären sein, wenn nicht um zu einen, was zusammen gehört? Könnte ich nur einen Hauch deinerselbst atmen, könnte ich ein Bruchstück deines Leibes spüren neben mir, könnte ich ein Flüstern deines Herzschlages vernehmen, nimmermehr wollte ich ein halber Mensch nur sein!
So ich meine Augen schließe kann ich wahrhaft im Geiste vor mir sehen, wie du den wilden Acephali in der Wüste entgegentrittst, und so du über dies adventuröse Unterfangen berichten möchtest, werde ich an jedem deiner Worte begierig hängen. Zweifle indes nicht an deinen Befähigungen, denn selbst so deine Vorväter die Tatkraft und Kühnheit deiner Familie bereits sollten aufgebraucht haben - woran ich mir gestatte, Zweifel zu hegen -, so bleibt dir doch deine Besonnenheit und Leidenschaft, welche wohl einem Kommandanten der römischen Legion weit besser zu Gesichte stehen, wiewohl Fortuna und Mars zweifelsohne auch über euch werden wachen, die ihr keinem gewaltigen Heer gegenüber steht, denn mag es Ruhm, Ehre und Reichtum schaffen, neue Gebiete dem Imperium einzuverleiben, so ist es doch ebenso essentiell, wenn nicht gar weitaus bedeutsamer, und überaus lobesam den Frieden an seinen Grenzen zu schützen, um Beständigkeit und Sicherheit zu gewährleisten.
Manches mal wünschte ich, auch die innere Stabilität des Reiches könnte auf solch offensive Art gefestigt werden, doch weder ist der Feind im Inneren des Staates derart offensichtlich zu detektieren, noch wünsche ich uns selbstredend in die Zeit der Bürgerkriege und Proskriptionslisten zurück - und dies nicht nur aus eigennützigen Interessen, da es aus Gründen historischer Gegebenheiten durchaus wäre erdenklich, dass der Name meiner Familie darauf würde aufscheinen. Manches mal indes halte ich es ohnehin für Wahn, den inneren Feind zu vermuten, hervorgerufenen aus der bedeutungslosen Monotonie, welche in Ermangelung tatsächlich gegenwärtiger Feindesbilder uns bisweilen überfällt, allfällig auch ob der Absenz des Imperators aus Rom, ob deren wir uns gegenseitig mit tiefem Argwohn mustern, in unserem Gegenüber die eigene Gier zu erkennen glauben, obgleich auch in diesem nur unsere eigene Feigheit schlummert. Mag es mir nicht zur Ehre gereichen, doch ich bin nicht geschaffen für diese Art von Spiel, sehe keinen Nutzen darin, dass es gegenwärtig anders sollte sein als es ist, und wenn es das Ziel der Bestrebung eines mächtigen Mannes muss sein mit einem Messer im Rücken zu enden – oder auch zweiundvierzig –, so fehlt mir gänzlich der Wille zur Macht, über deren Relevanz und Charakteristikum ich ohnehin stets uneins bin.
Vermutlich hast du bereits vernommen, dass vor dem Iudicium Publicum eine Anklage gegen deinen Vater verhandelt wird ob juristischer Fehler bezüglich zweier Adoptionen während seiner Praetur. Der Praetor urbanus hat mich als Iudex bestimmt, was ich selbstredend nicht konnte ablehnen – zu spät wurde mir gewahr, dass Senator Decimus dein Vater ist, und erst hernach offenbarte sich, dass dich selbst diese Causa tangiert –, und bisherig wurden nur Formalitäten der Anklage und Verteidigung behandelt, wiewohl die erste Anhörung vernommen. Indes kannst du dir gewiss sein, dass ich persönlich keinerlei politische Interessen diesbezüglich verfolge – weder der Senator selbst, noch deine Familie im Allgemeinen haben mir je Anlass dazu gegeben, ihr mit Apathie zu begegnen –, so dass einzig der Iustitia genüge getan werden muss, gleichsam weder Anklage, noch Verteidigung sonderlich elaboriert sich darstellen, wiewohl eine etwaige Strafe wohl mehr eine Formalität wird sein, handelt es sich wenn überhaupt doch um ein recht belangloses Vergehen.
Wie sehr ich auch brenne in Verlangen, es streckt der Alltag doch stets erneut seine Klauen nach mir aus, und ich frage mich, wie das Leben wohl wäre im Ansinnen, der Begierde nur nachzugeben – kurz und heftig, oder endlos erfüllt? –, wiewohl ich doch bezweifle jemals die Kühnheit aufzubringen, dies zu eruieren. So hehr ist deine Meinung über meinen Geist, dass gerade darin wohl die Antwort muss liegen, dass die Tiefe des Lebens mir auf ewig wird verborgen bleiben. Oh, Faustus-Hephaistion, errette mich aus dieser trübseligen Ödnis, schwinge dein leuchtend Schwert diese Dunkelheit zu vertreiben, diesen verworrenen Geist in Flammen zu setzen, denn selbst so es nur kurz und heftig mag sein, wie glühender wäre doch dies Leben statt lang und vergebens!
Ein wenig verblasst scheinen mir schon deine Worte, da ich so oft an dem sie tragenden Papyrus gerochen, deine Küsse aus dem trockenen Grunde gesogen und sie an meinen Wangen habe gerieben, mich in Erinnerung an jene wonnevollen Stunden habe verloren, so dass ich dich bitte – gar flehentlich ersuche –, mehr Worte mir zu senden, mit deinen Küssen bedeckt, dass ich darin versinken kann.
Möge Fortuna dir gewogen sein in der Ferne, möge Mars dir beistehen im Kampfe, und möge Eros alsbald dich zurückbringen in meine Arme!
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