Beiträge von Baalberith

    In Alexandria hatte Baalberith eine Nachricht erhalten. Dass Cleopatra zurück in Rom war. Von einem kleinen, verlotterten Mädchen. Das für ihn ein bisschen spioniert hatte. Er hatte sie bezahlt. Er hatte es sich leisten können. Er hatte seinen Lohn gespart. Der war gut gewesen. Mehr als gut.
    Zurück in Rom war sein Auftrag beendet. Der Vogelmann brauchte ihn derzeit nicht. Es gab niemanden mehr der ihn bezahlte. Baalberith langweilte sich. Und verspielte sein Geld. Auch das, das er nicht hatte.


    Baalberith blieb nichts übirg. Als Crinon seine Schulden einforderte. Er musste sich den Straßendieben anschließen. Crinon, Bagoas und Trawin. Sie waren eine unbedeutende Bande. Zu feige für die Nacht. Die gehörte größeren Gruppen. Also jagten sie bei Tag. In der Subura. Oder Tanstiberim. Sie überfielen einfache Beamte. Unbedeutende Handwerker. Trunksüchtige Tagelöhner. Sklaven auf Botengang. Jeden, bei dem Aussicht bestand. Dass er ein paar Münzen mitführte.


    Wie bei dem blonden. Ein Beutel baumelte an seinem Gürtel. Seine Tunika war schlicht. Aber hochwertig. Kein Saum war ausgefranst. Kein Loch darin. Sie war sauber. Genau wie er. Er passte nicht in die schäbige Gegend. Leichte Beute also. Bagoas und Trawin hefteten sich an seine Fersen. Crinon und Baablerith schlugen einen Bogen. Bis sie vor ihm waren. Dann traten sie auf den Weg.


    Crinon grinste breit. "Ich glaube, du hast da meinen Beutel an deinem Gürtel." Bagoas lachte kehlig. Crinon sprach weiter. "Besser du gibst ihm mir zurück. Oder wir holen ihn uns." Sie hatten keine Messer. Die bei Tag in der Stadt verboten waren. Aber Knüppel leisteten eben so gute Dienste. Baalberith hob das Holz und entblößte seine Zähne. Die gelb und schief waren.

    Längst war die Legion aus der Wüste zurückgekehrt. Für Baalberith erleichterte das einiges. Er brauchte nur an das Tor der Deiotariana zu kommen. Und seine Nachricht abzugeben. Man würde ihn sowieso nicht weiter hinein lassen. Danach kehrte er zurück in die Taberna. Nach Rhakotis. Um zu warten.


    Tribunus Angusticlavus Faustus Decimus Serapio, Legio XXII Deiotariana, Nikopolis, Alexandria et Aegyptus


    Geliebter Faustus,


    niemand ist ohne Fehl, dies solltest du stets bei allem Vorwurfe beachten, nicht dein Vater, und weit weniger noch ich selbst. Hätte ich vor Beginn geahnt, worum es bei diesem Prozess geht, so hätte ich das mir angetragene Amt abgelehnt, doch als der Name deiner Familie fiel, war es bereits zu spät. Ich kann und will indes nicht meine Handlung vor dir rechtfertigen, denn es sollten Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe ebenbürtig nebeneinander stehen, und nicht das eine das andere negieren. Dennoch - gegen meine eigene Überzeugung - suchte ich das Strafmaß des Urteiles zu euren Gunsten zu beeinflussen, wiewohl meine Stimme nur eine von dreien war.


    Die Politik des Imperium Romanum ist längst ein weit tieferer Moloch als sie es in den letzten Jahrzehnten je gewesen ist, es reicht längst nicht mehr aus eigener Kraft darin zu schwimmen, und wer nicht auf eines der Boote der Mächtigen sich emporziehen lässt, wird gnadenlos von der Charybdis verschlungen, welche am Grunde lauert - so wie es deinem Vater geschehen ist, denn die Politik ist keine Schlacht, bei welcher man genau weiß, wer der Gegner ist und wo er wartet. Ich habe stets versucht zu schwimmen, mich aus eigener Kraft auf den Fluten zu halten, doch letztlich bin ich kein Kämpfer, noch ein großer Politiker - und obgleich es mich schmerzt, dies eingestehen zu müssen, so hast du vermutlich recht - letztlich bin auch ich nicht mehr als ein willfähriger Handlager politischer Macht.


    Ich bedaure, dass ich dich dazu verleitet habe, mehr in mir zu sehen als ich bin, und ich versichere dir, dass dies niemals in meiner Absicht lag, denn kaum wohl jemand ist sich meiner Defizite und Mängel mehr bewusst als ich selbst. Es war dieses Sehnen ein Trug, welchem wir augenscheinlich beide erlagen, jene Verblendung, welche Amor bisweilen geneigt ist zu gewähren, und welche wir geneigt waren anzunehmen, welche ich dirbezüglich in trügerischer Hoffnung allfällig zudem gewillt war, weiter zu steigern, um nicht selbst erkennen zu müssen, wie vergebens dies Bemühen ist. Ich bedaure keinen Augenblick jene kostbare Zeit, welche ich mit dir durfte verbringen, nicht einen Augenblick jene wohlige Sehnsucht, welcher ich erlegen war, doch es dauert mich, dich dieser vergeblichen Hoffnung preisgegeben zu haben, da ich von Beginn an mir ihres Scheiterns hätte bewusst sein müssen - denn ich war niemals auch nur annähernd Aton.


    Allerdings scheint es, auch du hast dies längst schon herausgefunden, da du dich neuen Ufern hast zugewandt. Bei der Wahrheit will ich bleiben, so dass ich zugeben muss, deinem Freund ich dich mehr als nur neide, und ich hoffe, er ist sich seines Glückes bewusst und weiß dies zu schätzen.


    Nur ein Desideratum will ich noch von dir erflehen - bitte gib mein Herz frei. Dir indes wünsche ich weit mehr als alles Glück dieser Welt und das Wohl aller Götter.


    Lebe wohl,
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    Es dauerte nicht lange. Bis wieder eine Nachricht kam. Es hätte mehr Zeit verstreichen können. Bis zur nächsten Reise. Wäre es nach Baalberith gegangen. Doch nach Baalberith ging es nie. Also brach er auf. Zurück nach Alexandria. Beinahe schien es im als würde er dort schon mehr Zeit verbringen als in Rom. Und wer wusste es schon, vielleicht würde er sich irgendwann tatsächlich dort niederlassen. Wenn er genug Geld verdient hatte. Oder wenn es keine Antwort mehr von Cleopatra gab.

    Die Winden standen günstig. Die See war ruhig. So dass auch die Überfahrt von Alexandria ruhig verlief. In Rom war es angenehm kühl. Verglichen mit der drückenden Hitze in Aegyptus. Baalberith übergab die Nachricht an die Männer des Vogelmannes. Diese würden sie weiter zu ihrem Ziel bringen.

    Der Wirt wusste nicht, wie viele Sesterzen er bei der letzten Lieferung bekommen hatte. Er bekam zu viele Lieferungen. Außerdem wurde er von beiden Seiten bezahlt. So dass auch diese Nachricht bei Baalberith ankam. Baalberith kümmerte sich um einen Platz auf einem Schiff. Richtung Rom. Und verließ Alexandria am nächsten Morgen.

    Baalberith erreichte Alexandria. Die Legio XXII war auf dem Weg zurück. So dass er sich den Weg durch die Wüste sparen konnte. Er quartierte sich in der Taberna zur lachenden Hyäne ein. Wartete noch einige Tage. Darauf, dass die Legion näher kam. Die Nachricht trug er immer bei sich. Ehe er sie schließlich wortlos am Haupttor der Legio in Nikopolis abgab.




    Tribunus Angusticlavus Faustus Decimus Serapio, Legio XXII Deiotariana, Nikopolis, Alexandria et Aegyptus



    Kein Wort mag beschreiben
    die Leere in meinen Sinnen,
    kein Wort die Pein in meinem Herz.
    In mir devastierte Welten,
    in mir ein Feuer aus Schmerz.
    Ein Meer aus Tränen
    umspült meine Seele,
    eine Ödnis aus Reue ist mir Pein,
    und ich wage nicht von dir zu erflehen
    der verzeihenden Liebe Schein.


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    Baalberith hatte gewartet. Er hatte nicht nur gewartet. Er hatte auch andere Aufgaben erledigt. Die der Vogelmann ihm aufgetragen hatte. Aber trotzdem war er jederzeit bereit. Zu einer weiteren Reise nach Alexandria. Das Pergament steckte in einer Lederhülle. Diese trug er unter der Tunika. Baalberith hatte keine Angst vor der Dunkelheit. Darum reiste er noch in der Nacht ab. Erst Richtung Ostia. Von dort aus über's Meer.

    Es war tiefe Nacht. Beinahe Neumond. Lautlos schlichen die Schatten aus dem Reich des Vogelmannes durch Rom. In der Stadt herrschte Wahlkampf. Doch es gab auch andere Themen. Riskantere. Die mehr Sesterzen einbrachten.


    Sie waren zu viert. Zwei standen Schmiere. Einer hielt die Lampe. Baalberith malte. Er war kein Künstler. Seine Zeichnungen stümperhaft. Aber darauf kam es nicht an. Er konnte schreiben. Darauf kam es an. An einer passenden Wand angekommen schlug er den dunklen Mantel zurück. Darunter hatte er einen kleinen Tontopf und den Pinsel verborgen. Ein anderer entzündete die Lampe. Viel zu hell war mit einem mal die Szenerie. Aber ohne Licht war es zu dunkel. Die zwei anderen postierten sich in der Straße. Beim geringsten Anzeichen würden sie türmen. Unter den Straßen Roms lachte der Vogelmann lauthals über den Praefectus Urbi. Aber auf den Straßen Roms herrschten andere Gesetze.


    Baalberith kritzelte rasch sein Bild. Er hatte wenig Phantasie. Aber seine Anweisungen waren genau. Als er fertig war, blies der Lampenträger das Licht aus. Dann pfiff er durch die Zähne. Sie trennten sich. Zwei in die eine Richtung. Zwei in die andere. Das Bild verschluckte die dunkle Nacht. Und gab es erst am Morgen wieder frei.



    Sim-Off:

    *Was sind Gesetze ohne Moral?

    Schon längere Zeit prangte ein Graffiti an einer Mauer am Rand der Subura. Es zitierte den Lieblingsspruch eines Paedagogus. Ein paar genervte Schüler hatten es spät Abends hinterlassen. Irgendwann entdeckten es die Schatten aus dem vergessenen Reich. Und fanden Verwendung für ihre eigenen Zwecke. Später kam irgendjemand. Korrigierte die Grammatik. Und fügte seinen Anteil hinzu.





    Sim-Off:

    *Was Jupiter erlaubt ist, ist einem Ochsen noch lange nicht erlaubt.

    Rom erwachte langsam aus dem Winterschlaf. Doch unter Rom gab es keine Jahreszeiten. Die Natur hatte dort ihren eigenen Rhythmus. Wie auch die Bewohner. Baalberith kehrte zurück in die Dunkelheit. Und vermisste Alexandria. Er flüchtete sich in Wein und Würfelspiel. Nachdem er die Nachricht abgegeben hatte. Sie würde ohne ihn das letzte Stück ihres Wegs finden. Er kannte den Empfänger sowieso nicht.

    Die Zeit in Aegyptus war wie Urlaub. Baalberith wurde bezahlt. Nur für das Warten. Er begann sich die Stadt anzusehen. Ein wenig Geld auszugeben. Ohne zu vergessen, wer er war. Ohne zu vergessen, woher er kam. Ohne zu vergessen, was seine Aufgabe war. Jeden Abend fragte er den Wirt, ob eine Nachricht angekommen sei. Er wartete auf eine Nachricht aus Rom. Dass der Empfänger der Briefe in der Wüste gefallen sei und er zurück kehren solle. Oder auf eine Nachricht aus der Wüste. Letztere kam zuerst.


    Am nächsten Morgen hatte Baalberith einen Platz auf einem Schiff nach Rom. Er wusste immer, welche Schiffe im Hafen lagen

    Baalberith war in Nikopolis gewesen. Doch der Tribun Decimus war nicht dort. Auf einem Feldzug sei er. Sagte der Legionär am Tor der Zweiundzwanzigsten. Also brachte Baalberith in Erfahrung, wohin die Legion ausgezogen war. Und folgte ihr. Er brauchte sich nur an einen Boten der kaiserlichen Post zu hängen. Das war nicht schwer. Die Reise war nicht ungefährlich. Baalberith war es gewöhnt. Irgendwo in der Wüste hatte die Legion ein Lager aufgebaut. Dieser Ort hatte keinen Namen. Baalberith gab seine Nachricht gemeinsam mit dem Boten des Cursus Publicus ab. So fand sie ihren Weg in die Feldpost.


    Tribunus Angusticlavus Faustus Decimus Serapio, Legio XXII Deiotariana, Nikopolis, Alexandria et Aegyptus



    Gruß und Heil dir, geliebter Heroe unter ferner Sonne, carbunculus meus!


    Das Herz zerreißt es mir, deine Worte zu vernehmen, wieder und wieder ihren süßen Klang mir einzuverleiben, mit allen Sinnen sie zu verschlingen, in ihnen zu wiegen meinen Geist, zu wälzen meinen Verstand im kläglichen Versuche deiner habhaft zu werden, ein wenig der devastativen Sehnsucht nach dir zu mindern, welche tagtäglich mich in ihrer bittersüßen Qual gefangen hält. Von Wahn schreibst du, von Raserei, welche dich umtreibt, und auch ich bin längst dem unbändigen Taumel der Sinne erlegen, der unser beider Leben eint. Mehr und mehr glaube ich an die Wahrheit der alten Weise, welche in Platons Symposion Aristophanes erzählt, dass der Mensch dereinst zweigesichtig, vierarmig und vierfüßig war, und nun nach der Dissoziation durch die Götter in sein jetziges Abbild stets sehnsuchtsvoll seinem Gegenpart entgegenstrebt. Wer, wenn nicht du, könnte zu einem vollständigen Wesen mich komplettieren, wie sonst sollte dies ungebärdige Sehnen, dies torquierende Drängen zu erklären sein, wenn nicht um zu einen, was zusammen gehört? Könnte ich nur einen Hauch deinerselbst atmen, könnte ich ein Bruchstück deines Leibes spüren neben mir, könnte ich ein Flüstern deines Herzschlages vernehmen, nimmermehr wollte ich ein halber Mensch nur sein!


    So ich meine Augen schließe kann ich wahrhaft im Geiste vor mir sehen, wie du den wilden Acephali in der Wüste entgegentrittst, und so du über dies adventuröse Unterfangen berichten möchtest, werde ich an jedem deiner Worte begierig hängen. Zweifle indes nicht an deinen Befähigungen, denn selbst so deine Vorväter die Tatkraft und Kühnheit deiner Familie bereits sollten aufgebraucht haben - woran ich mir gestatte, Zweifel zu hegen -, so bleibt dir doch deine Besonnenheit und Leidenschaft, welche wohl einem Kommandanten der römischen Legion weit besser zu Gesichte stehen, wiewohl Fortuna und Mars zweifelsohne auch über euch werden wachen, die ihr keinem gewaltigen Heer gegenüber steht, denn mag es Ruhm, Ehre und Reichtum schaffen, neue Gebiete dem Imperium einzuverleiben, so ist es doch ebenso essentiell, wenn nicht gar weitaus bedeutsamer, und überaus lobesam den Frieden an seinen Grenzen zu schützen, um Beständigkeit und Sicherheit zu gewährleisten.


    Manches mal wünschte ich, auch die innere Stabilität des Reiches könnte auf solch offensive Art gefestigt werden, doch weder ist der Feind im Inneren des Staates derart offensichtlich zu detektieren, noch wünsche ich uns selbstredend in die Zeit der Bürgerkriege und Proskriptionslisten zurück - und dies nicht nur aus eigennützigen Interessen, da es aus Gründen historischer Gegebenheiten durchaus wäre erdenklich, dass der Name meiner Familie darauf würde aufscheinen. Manches mal indes halte ich es ohnehin für Wahn, den inneren Feind zu vermuten, hervorgerufenen aus der bedeutungslosen Monotonie, welche in Ermangelung tatsächlich gegenwärtiger Feindesbilder uns bisweilen überfällt, allfällig auch ob der Absenz des Imperators aus Rom, ob deren wir uns gegenseitig mit tiefem Argwohn mustern, in unserem Gegenüber die eigene Gier zu erkennen glauben, obgleich auch in diesem nur unsere eigene Feigheit schlummert. Mag es mir nicht zur Ehre gereichen, doch ich bin nicht geschaffen für diese Art von Spiel, sehe keinen Nutzen darin, dass es gegenwärtig anders sollte sein als es ist, und wenn es das Ziel der Bestrebung eines mächtigen Mannes muss sein mit einem Messer im Rücken zu enden – oder auch zweiundvierzig –, so fehlt mir gänzlich der Wille zur Macht, über deren Relevanz und Charakteristikum ich ohnehin stets uneins bin.


    Vermutlich hast du bereits vernommen, dass vor dem Iudicium Publicum eine Anklage gegen deinen Vater verhandelt wird ob juristischer Fehler bezüglich zweier Adoptionen während seiner Praetur. Der Praetor urbanus hat mich als Iudex bestimmt, was ich selbstredend nicht konnte ablehnen – zu spät wurde mir gewahr, dass Senator Decimus dein Vater ist, und erst hernach offenbarte sich, dass dich selbst diese Causa tangiert –, und bisherig wurden nur Formalitäten der Anklage und Verteidigung behandelt, wiewohl die erste Anhörung vernommen. Indes kannst du dir gewiss sein, dass ich persönlich keinerlei politische Interessen diesbezüglich verfolge – weder der Senator selbst, noch deine Familie im Allgemeinen haben mir je Anlass dazu gegeben, ihr mit Apathie zu begegnen –, so dass einzig der Iustitia genüge getan werden muss, gleichsam weder Anklage, noch Verteidigung sonderlich elaboriert sich darstellen, wiewohl eine etwaige Strafe wohl mehr eine Formalität wird sein, handelt es sich wenn überhaupt doch um ein recht belangloses Vergehen.


    Wie sehr ich auch brenne in Verlangen, es streckt der Alltag doch stets erneut seine Klauen nach mir aus, und ich frage mich, wie das Leben wohl wäre im Ansinnen, der Begierde nur nachzugeben – kurz und heftig, oder endlos erfüllt? –, wiewohl ich doch bezweifle jemals die Kühnheit aufzubringen, dies zu eruieren. So hehr ist deine Meinung über meinen Geist, dass gerade darin wohl die Antwort muss liegen, dass die Tiefe des Lebens mir auf ewig wird verborgen bleiben. Oh, Faustus-Hephaistion, errette mich aus dieser trübseligen Ödnis, schwinge dein leuchtend Schwert diese Dunkelheit zu vertreiben, diesen verworrenen Geist in Flammen zu setzen, denn selbst so es nur kurz und heftig mag sein, wie glühender wäre doch dies Leben statt lang und vergebens!


    Ein wenig verblasst scheinen mir schon deine Worte, da ich so oft an dem sie tragenden Papyrus gerochen, deine Küsse aus dem trockenen Grunde gesogen und sie an meinen Wangen habe gerieben, mich in Erinnerung an jene wonnevollen Stunden habe verloren, so dass ich dich bitte – gar flehentlich ersuche –, mehr Worte mir zu senden, mit deinen Küssen bedeckt, dass ich darin versinken kann.


    Möge Fortuna dir gewogen sein in der Ferne, möge Mars dir beistehen im Kampfe, und möge Eros alsbald dich zurückbringen in meine Arme!



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    Eingeschlossen in das erste Pergament verbarg sich ein weiteres.


    Zu fern deiner Augen Glühen
    gleich nächtlichem Sternenglanz.
    Zu fern deiner Stimme Lachen
    gleich der Wolken Sturmesklang.
    Nah an meinem Herzen nur Sehnsucht,
    Erinnerung an den Meditrinalientanz,
    Sehnen nach deines Leibes Feuer,
    entzündet an der Satyren Gesang.


    Deinen Nektar wollte ich kosten,
    dich mit Haut und Haaren verspeisen.
    In deinen Sinnen wollt' ich ertrinken,
    so unendlich war meine Gier!
    Nun hält dich die Ferne gefangen
    und das Herz will mir zerreißen.
    Nun muss ich elendig verdursten
    und sterbe an Hunger nach dir!



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    In dieses Pergament wiederum eingeschlossen lag ein Stück weiches Leder. Es war etwa so groß wie der Handteller eines Mannes. Auf der glatten Oberfläche des Leders war ein Bild gemalt. Material und Größe berücksichtigend war es durchaus gelungen. Das Abbild eines dunkelhaarigen Mannes. Sein Lächeln zog sich über die linke Hälfte des Gesichtes. Ganz so als sei er uneins mit sich selbst, ob es überhaupt zu ihm gehöre oder nicht. Man mochte durchaus Quintus Tullius oder Flavius Gracchus darin zu erkennen glauben. Wenn man einen von beiden kannte. Und wenn man erwartete, einen von beiden hier vorzufinden.

    Baalberith hatte gewartet. Viele Tage. Es störte ihn nicht. Er wurde für's Warten bezahlt. Er aß. Er trank. Er schlief. Er würfelte. Er vergnügte sich in den Bordellen. Er ging in die Thermen. Er ging zu den Wagenrennen. Er fühlte sich beinah wie ein Römer. Und war doch nur ein Schatten.


    Als das neue Lied durch die Gewölbe hallte war er bereit. Er hatte kein Gepäck. Er hatte nur ein Ziel. In Rom war es noch dunkel wie unter Rom als er aufbrauch. Als die Sonne hoch am Himmel stand hatte er Italia bereits verlassen.

    Kleine Schmierereien und Botschaften zierten die Wandfläche von Marcus' Backstube. Doch in dieser Nacht wurde das meiste davon überpinselt. Der Urheber dessen arbeitete flink. Und gründlich. Am nächsten Morgen stand groß an der Wand geschrieben:



    Für mehr Niveau in der Politik:
    AULUS FLAVIUS PISO
    - der Quaestor deines Vertrauens!

    In Alexandria im Sommer herrschte trockene Hitze. Auf dem Mare internum im Sommer ein lauer Wind. In Rom im Sommer staute sich schwüle Luft. Doch unter Rom war es kühl. Beinahe wie im Winter. Und Dunkel. Wie in ewiger Nacht.


    Baalberith brauchte kein Licht. Er kannte das unterirdische Labyrinth wie sein Zuhause. Es war sein Zuhause. Zielsicher lenkten ihn seine Schritte bis in die Höhle des Königs. Dort übergab er Cleopatras Lied. Sein Auftrag war damit beendet. Bis zur nächsten Nachricht nach Aegyptus.


    Ein anderer Bote des Vogelmannes brach auf. Er brachte den Brief bis zur Villa Flavia.

    Der Wirt nickte wortlos. In einer Welt aus Lug und Trug, aus Hinterlist und Täuschung war sein Geschäft Vertrauen und Verlässlichkeit. Er war der Fels in der Brandung. Ein Schieber, auf den kein Verlass war, war in dieser Welt so überflüssig wie eine tote Schmeißfliege in einer Schüssel voll Puls. Er verwahrte die Nachricht des Fremden bis Baalberith am Abend in den Schankraum kam. Auch von diesem erhielt der Wirt noch einige Münzen. Nicht nur für die Botschaft. Auch für die Zukunft.


    Früh am nächsten Morgen bestieg Baalberith ein Schiff Richtung Rom.

    Botschaften gab es viele in der Lachenden Hyäne. Sie waren eine Ware wie vieles. Der Wirt hatte darum ein Gedächtnis wie eine Elefant. Er vergaß keinen Namen. Er vergaß keine Losung. Und er vergaß kein Gesicht.


    "Läufer der Sonne ..." Der Wirt zog die Nase hoch und wischte sie an seinem Ärmel ab. Über den Mann vor ihm bildete er sich kein Urteil. Der Wirt urteilte nicht über seine Kunden. Das war schlecht für's Geschäft. "Kannst sie mir geben, er kommt später wieder." Er wusste nicht, ob Baalberith sein winziges Zimmer im oberen Stock verlassen hatte oder dort hockte. Doch er wusste, dass er irgendwann am Tag wieder kam.

    Unter Rom roch die Luft nach feuchtem Stein und nach Heimat. In Rom roch die Luft nach Stadt und nach Macht. Um Rom roch die Luft nach Land und nach Nahrung. In Ostia roch die Luft nach Salz und nach Fisch. Auf dem Meer roch die Luft nach Freiheit und Tod. In Alexandria roch die Luft nach Fremde und nach exotischen Waren. In Rhakotis roch die Luft nach Schatten und Armut.


    Die Luft in der lachenden Hyäne war mit nichts davon vergleichbar. Nicht einmal mit Luft an sich. Es war eine zähflüssige Masse. Ein Brei aus schlechtem Atem und der Ausdünstung ungewaschener Körper. Aus dem sauren Bouquet abgestandenen Weines und dem miefigen Geruch nach gammeligem Essen. Aus den Duftwolken billigen Parfüms und dem Aroma nach langer Zeche Erbrochenes. Aus dem Odeur ängstlichen Schweißes und dem Duft skrupelloser Habgier.


    Baalberith verschmolz mit der Masse. Niemand beachtete ihn. Er beobachtete alle. Und wartete. Nachdem er den ersten Teil seines Auftrags erfüllt hatte, gab es für ihn nichts mehr zu tun. Der Wirt hatte von ihm eine Nachricht und einige Münzen erhalten. Den Rest würde die Zeit besorgen.

    Als gewöhnlicher Bote kam Baalberith an das Tor der Legionsstadt. Er sprach kein Wort. Er gab nur seine Nachricht ab. So war es ihm aufgetragen worden.


    Tribunus Angusticlavus Faustus Decimus Serapio, Legio XXII Deiotariana, Nikopolis, Alexandria et Aegyptus



    Gruß und Heil dir, prächtiger Heroe unter ferner Sonne, carbunculus meus!


    Hinfortgeweht waren alle Worte, war alles Fühlen und Denken in jenem Augenblicke, da deine klandestinen Worte in meine Sinne troffen, jede Freude hinfort rissen mit sich, jede Hoffnung, Sehnsucht und Leidenschaft raubten, als wäre die Welt für immer um sie betrogen, als könnten nie wieder das Leben sie bereichern. Fahl und blass blieb zurück mein eigenes Sein, gleich dem Antlitz des Mondes in Winternacht, und wie diesem unmöglich schien es auch mir, je wieder das Leuchten der Sonne zu blicken. Fahl und blass scheinen mir noch immer die Tage, da längst jener Zeitpunkt verronnen, der so süße Wonne versprach, so flammendes Feuer, doch gleichsam ward ich erinnert an die Glut unserer Vereinigung, war doch nicht jeder Funke erloschen, glomm die Sehnsucht zu tief in meinem Herz.


    Dir meine Zeilen zu senden batest du mich, doch wie soll in Schrift ich fassen, für was selbst Worte zu gering sind, wie soll in die Grenzen dieses Pergamentes ich zwingen, was grenzenlos, was endlos mir scheint? So will ich dir nicht schreiben über das Sehnen, welches in mir erwächst, nicht über drängendes Verlangen, hoffnungsloses Begehren und verzehrende Sehnsucht, so will ich dir nur berichten über Rom und die Welt, die dir nun so fern ist.


    Endlich, nach diesem viel zu kalten, viel zu trostlos kargen Winter, endlich nach diesen blassen und unscheinbaren Anfängen des Frühlings, weht vom Meer her der sanfte Hauch der Wärme und umhüllt die Stadt mit seinem lieblichen Atem, lockt den Schleier der Wolkenfetzen hinfort, dass die zarten Strahlen der Sonne die Welt können umfassen, Terras Schoß lockend liebkosen, dass diese ihre Sprösslinge ziehen lässt und das Antlitz Floras endlich wieder die Natur einkleidet. Im Garten vor dem Fenster recken die Äste eines wundervollen Mandelbaumes sich dem Himmel entgegen - er steht seit Jahrzehnten dort, bereits in meinen Kindertagen suchte ich des Sommers seinen Schatten, erfreute mich an der rauen Rinde seines Stammes, welcher in seiner natürlichen Härte meinem jungen Leib stets Halt bot -, und jeden Tag öffnen sich mehr seiner Knospen, entfalten mehr der roséfarbenen Blüten ihren Zauber, verströmen ein Meer aus zartem Odeur nach himmlischer Vergessenheit, auf deren Wogen treibend nichts mehr von Bedeutung scheint, nichts noch Bangen und Zaudern anrühren kann.


    Unbezweifelt hast du auch im fernen Aegyptus längst die Ergebnisse der Wahlen zum Cursus Honorum vernommen, an deren Spitze nun mein Vetter steht - welcher eigentlich mein Neffe ist, doch sträubt in mir sich stets alles dagegen, ihn derart zu titulieren, ist er doch um einige Jahre älter als ich -, was einerseits selbstredend überaus erfreulich ist, bringt es doch unserer Gens Prestige und unbezweifelt auch Vorteile, andererseits mir die eigenen Erwartungen vor Augen führt. Es ist dies ein Teil jener Mauern, welche die Sonne in meinem Innersten gefangen hält, dass mir dies durch meine Herkunft bestimmt ist - gleichsam gibt es nicht viel, was mir mühseliger, lästiger, wiewohl abominabler scheint denn die Politik, und nur wenig, was seinem Ideal ferner strebt. Ist die Lüge hässlich gleich dem Verrat, ist Narzissmus schändlich wie Täuschung, so scheint es mir kaum etwas zu geben, das die Seele mehr könnte torquieren als Politik.

    Allmählich entschwindet der Duft nach Mandelessenz, haben doch die Blüten ihre zarten Blätter ineinander gelegt, da die Nacht über Rom aufzieht, so plötzlich scheint mir dies indes, dass sie jeden Abend auf ein Neues mich mit ihrer Anwesenheit gänzlich überrascht. Darob will ich nun meinen Leib betten in weiche Kissen, dass mein Geist ausziehen kann, die traumsandige Wüste zu durchstreifen und deiner zu harren - darum bleibe wachsam des Nachts, hehrer Hephaistion, halte die Augen offen und Ausschau nach mir, dass unsere Lippen sich können berühren in den süßen Landen aus Traumgeflecht, in welchen Entfernung keinerlei Bedeutung hat.


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    In den äußeren Brief war ein weiteres Pergament eingeschlagen. Es war in etwas kleinerem, doch sonst gleichem Schriftbild verfasst.

    Da mein Herr es als zu unsicher erachtet, seine Worte in diesem speziellen Fall den kaiserlichen Postreitern anzuvertrauen, überbringt dies ein privater Bote. Jener Bote wird in der Taberna Zur lachenden Hyäne in Rhakotis in der Chora tes Alexandreias auf deine Antwort warten, gleichgültig wie lange dies dauern mag, um sie mit nach Rom zurück zu nehmen. Lasse deine Nachricht dem Wirt der Taberna zukommen mit der Weisung, sie an den Läufer der Sonne zu übergeben. Der Name meines Herrn braucht auf der äußeren Seite keine Erwähnung zu finden, der Bote kennt sein Ziel.