"...Corona, es wäre mir lieber, du würdest nicht mitkommen. Ich komme alleine zurecht!" hörte man eine herrische Frauenstimme. "Mama, auch mich interessiert ein neuer Iulius in der Casa." widersprach die junge Iulia wehement und dann standen sie auch schon im Atrium.
Pompeia Lucia sah verlegen aus, als sie auf eine Krücke und Wonga gestützt ankam und von ihrer eifrigen Tochter verfolgt wurde. "Centho, sie macht mich wahnsinnig!" meinte Corona zu ihrem Tutor. "Wer ist das?" fragte sie dann mit einem freundlichen Lächeln.
"Gaius Iulius Curio." beantwortete die Pompeia überraschender Weise die Frage. Sie hatte ihn bislang nicht so häufig gesehen und wenn sie ihn irgendwo getroffen hatte, hatte sie ihre Tochter niemals mitgenommen. Das bestgehütetste Geheimnis der Familie, aus Aberglaube gehütet und behütet, konnte nun, da der junge Mann gesund herangewachsen war, wohl endlich aufgedeckt werden. "Das ist Corona. Es wird Zeit, dass du deine Schwester kennen lernst." sprach die Lucia weiter und Corona blickte sie schockiert an.
"Bitte WAS? Mutter! Du... du... du... Ihr habt mich angelogen? Ich hab einen Bruder? Sag mal...! Also... Ich... Mutter!" stammelte die junge Frau aufgebracht und ihre braunen Augen starrten die Frau, die sie vor 16 Jahren geboren hatte, zornig nieder. "Was ist nur in euch gefahren, dass ihr mir das verheimlicht habt! Mutter, wieso erfahre ich erst jetzt davon! Das ist doch... gemein! Mutter!"
"Er war der einzige Knabe, der die erste Zeit überstand. Wir schickten ihn zu Verwandten weg aus dem kalten Germania, damit er behütet und in einem warmen Klima aufwachsen konnte. - Ich war so froh, als ich damals dich bekam und du kerngesund warst und ich dich bei mir behalten durfte. Dein Vater wollte dich damals auch zu ihm schicken. Er hatte Angst, niemals Nachkommen zu haben. Er gedieh gut und... naja... jetzt ist er hier. Ich weiß nur nicht, warum Ciro hier ist. - Curio, wieso bist du hier? Ich freue mich dich zu sehen, aber ich hoffte, dass du erst zu uns stößt, wenn deine Schwester endlich heiratet. Sie wird langsam alt." sprach die Pompeia und wirkte trotz ihres gebrochenen Beines zweifellos sehr matronenhaft.
Corona schmollte und bebte vor Zorn. Sie fühlte sich betrogen, hintergangen, belogen und schlecht behandelt. Wieso hatte man ihr das denn verschwiegen? Sie hatte einen Bruder! Immer hatte sie geglaubt, sie wäre das einzige Kind ihrer Eltern und nun hatte sie einen Bruder! Einen älteren auch noch, wie es wirkte. - Warum war dann Centho ihr Tutor? Das war doch alles eine gemeine Intrige.
"Ich bestehe darauf, dass Centho mein Tutor bleibt!" knurrte sie und verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. "Außer er hat es gewusst! - Centho, hast du das gewusst?"
"Hat er nicht, keiner wusste es! Wir wurden abergläubisch, weil unsere Söhne alle starben, bevor sie das erste Lebensjahr erreichten, wenn sie überhaupt lebend zur Welt kamen. Wir hielten es geheim. - Bis jetzt! Curio, wieso bist du hier? Brauchst du etwas?" mischte sich die Mutter ein.
Der junge Mann wusste sicherlich, dass sein Vater verstorben war, aber mangels Kontakt war die Beziehung nicht so eng gewesen, dass er am Boden zerstört sein könnte.
"Centho?" fragte Corona skeptisch. Ihrer Mutter glaubte sie im Moment kein Wort mehr.