Beiträge von Perisander

    Sim-Off:

    Firas: Ich denke, wir machen den Ankomm-Thread einfach parallel weiter.


    Da er noch keine Aufgaben erhalten hatte, hatte der gelehrte Sklave, nun wieder in anständiger äußerer Verfassung und mit genug Essen im Bauch, etwas Zeit, sich die Bibliothek der Familie anzusehen.


    Zuerst ein wenig Poesie und Dramatik - Ovids metamorphoses und tatsächlich auch die ars amatoria, das einst berüchtigte Werk über die Liebe (ausgezeichnete Bettlektüre). Übersetzungen griechischer Komödien, so etwa die "Wolken" des Aristophanes, aber auch Tragödien, das meiste davon von Euripides und Sophokles.


    Perisander hatte ganz und gar nichts gegen Literatur, er las auch sehr gern vor, nur hatte für ihn die Philosophie größeren Einfluss auf seine Lebensqualität.


    Die Bibliothek war recht gut geordnet, sodass er die Abteilung Philosophie rasch fand. Gleich zuerst entdeckte er sein Lieblingsbuch - die großartige Nikomachische Ethik des Aristoteles! Kurz darauf den Phaidon, dieses Urwerk der Philosophie, der Dialog zwischen Sokrates und dem Namensgeber des Werks, aufgezeichnet von Platon, und einige weitere der Dialoge. Auch die politischen Schriften dieses Philosophen und seines Meisterschülers Aristoteles waren dabei. Perisander erwischte sich schmunzelnd dabei, wie er sich bereits fragte, wie er Archias womöglich diese Inhalte nahebringen konnte.


    Bücher über Haus- und Landwirtschaft sowie das Geldverleiherwesen ignorierte Perisander. Historische Bücher waren schon wieder spannender - G. Julius Caesars wenig bescheidene Werke über sein eigenes Leben zum Beispiel, aber durchaus noch viele mehr.


    Perisander freute sich - diese Bibliothek war ausgezeichnet sortiert. Was immer er in philosophischer oder wissenschaftlicher Hinsicht zu tun haben würde, er konnte es mit diesem Instrumentarium bewältigen, und auch für Unterhaltung konnte er hiermit ohne Mühe sorgen. Ausgezeichnet.

    Perisanders Arme blieben verschränkt. Wenn Archias ein klein wenig verschroben war, hatte dieser conservus eindeutig einen Riss in der Kothurne. Er amüsierte sich darüber, dass man ihm mehrfach bedeutete, er möge Fragen stellen, obwohl er selbst deutlich gemacht hatte, dass er keine hatte. Perisander wollte eigentlich nur baden, sich rasieren und einölen, kurz, einen Menschen aus sich machen. "Keine Fragen. Nur das Bad und danach etwas zu essen, wenn es möglich ist." erklärte er ruhig und noch immer freundlich. Seltsamerweise fühlte er sich keineswegs gestört von den beiden Verschrobenen - wohl weil er den sicheren Eindruck hatte, dass sie wohlwollend waren.

    Perisanders Mundwinkel zuckten belustigt, aber er war nicht ganz sicher, ob er nicht gerade beleidigt worden war - er hatte vor dem Tod seines alten Herrn penibel auf Körperpflege und andere Merkmale von Kultur geachtet. Aber gut, für die Schussligkeit des Archias konnte Firas ja nichts... "Salve, Firas." Er tat gar nicht so, als würde er lächeln - das war nur bei höchst seltenen Gelegenheiten der Fall. "Wo ist das balneum?" fragte er, um die Sache zu beschleunigen - der gute Firas schien ihm, wie Archias, nicht eben der organisierteste aller Menschen zu sein.

    Bei der Nachricht vom Unglück der domina zuckten Perisanders Augenbrauen nach oben. "Ich verstehe, Herr. Ich will versuchen, ihr über den Verlust hinwegzuhelfen oder wenigstens dazu beizutragen."


    Er setzte sich noch etwas gerader auf. "Was gibt es noch, Herr?"

    Perisander sah Axilla hinterher. Sie war ihm wirklich sympathisch. Energie schien vorhanden zu sein, Intelligenz, Bildung... solche Frauen sollte es mehr geben, fand er, insbesondere gesellschaftlich unterhalb der Verwandtschaft des Imperators. "Zu deiner Frage, Archias... ich bin immer erfreut, Neues lernen zu können. Mit deiner Erlaubnis werde ich mich in nächster Zeit mit deiner bibliotheka vertraut machen."


    Wer liebte keine Bücher? Mochten sie auch nicht das höchste der Mittel sein, um Weisheit zu erlangen (wie Platon ganz richtig erkannt hatte), so waren sie doch eine nützliche Hilfe. Aelius Archias musste sehr, sehr vermögend sein, wenn er eine Bibliothek, also viele Bücher, besaß. "Über diesen Kursus über die nomoi des oikos... also, die Gesetze des Wirtschaftens, musst du befinden - uninteressant finde ich ihn gewiss nicht."

    Perisanders Gesicht blieb weitgehend regungslos, aber dennoch konnte man nun das Gefühl bekommen, er empfände etwas Positives. Insbesondere, als die Bildung erwähnt wurde, schien sich sein Gesicht etwas aufzuhellen. "Ich freue mich auf diese Aufgaben, Archias. Zwar kann ich nicht behaupten, in geschäftlichen Dingen sonderlich erfahren zu sein, aber ich bin sicher, mich auch auf diesem Gebiet rasch zurechtzufinden."


    Dann wandte er sich an die Herrin. "Wenn du es wünschst, kann ich stets koiné mit dir sprechen, so bleibst du gewiss in Übung...und ich ebenso."

    Der Redeschwall verstärkte den beginnenden Kopfschmerz, der sich in Perisanders Schläfen ausbreitete. Die beiden schienen irritiert, dass er nicht mehr sprach - aber er war ein kühler Kopf, alles andere als ein Schwätzer... wenn es nichts zu sagen gab, so sagte er nichts.


    "Ich bin in Italia geboren, aber Sohn eines Griechen." stellte er richtig. "Im Moment habe ich keine Fragen."


    Wenn Archais und Axilla etwas verunsichert waren, verschaffte ihm das womöglich mehr Spielraum - den er aber, nach ihrem Auftreten zu schließen, kaum benötigen würde. Allmählich gelangte er zu der Überzeugung, dass es sich um genuin freundliche Menschen handelte. "Eines wüsste ich jedoch gerne... wisst ihr bereits, worin meine Aufgabe bestehen soll?"

    Wieder nahm Perisander sich einen Augenblick Zeit für die Antwort; der Händedruck des Archias erschien ihm ehrlich, sein eigener fiel schwächer aus als sonst, da er überrascht war, so respektvoll begrüßt zu werden.


    Schließlich nickte er: "Du hast mit beidem Recht, Herr." Tatsächlich hatte er seit dem Tag zuvor nicht mehr gegessen als ein Stück Brot am Morgen, das er noch dazu mit einem kranken Mitgefangenen geteilt hatte. Angesichts des Empfangs glaubte er, sich berechtigte Hoffnungen machen zu können, dass solcher Mangel jetzt der Vergangenheit angehörte.

    Perisander nahm Platz und wischte sich möglichst unauffällig mit der Hand über seine schmutzigen Knie. "Ich verstehe, Herrin."


    Seine schäbige äußerliche Verfassung war ihm hochnotpeinlich, nun, da er in den prachtvollen Räumen seiner neuen Besitzer saß. Es war für den Moment wohl nicht mit einer Änderung zu rechnen, somit versuchte er, wie Aristoteles es lehrte, möglichst viel von seiner Umgebung aufzunehmen, um dann die rechten Schlüsse zu ziehen.


    Der erste Eindruck, der zum Beispiel von einer kleinen Unebenheit an einer Marmorplatte herrührte, legte nahe, dass hier keine Pedanterie herrschte - und das konnte Perisander nur recht sein, er war kein Mann, der sich mit solchen Kleinigkeiten abgeben mochte.

    Perisander nickte auf die Ausführungen der jungen Frau - was sollte er auch sagen? Erst kurz bevor sie die Tür erreichten, bemerkte er: "Ein prächtiges Haus, Herrin."


    Achtzehn. Hmhm. Er hatte sie etwas älter geschätzt, aber er hatte schon früher bemerkt, dass er beim Alter von Frauen üblicherweise danebenlag - er hatte einfach noch nicht mit sehr vielen verschiedenen Frauen zu tun gehabt. Nun, Archias war nach ihrer Angabe längst kein Jüngling mehr, sondern ein vir, noch weit entfernt vom senex.


    Er trat hinter Iunia ein - in sein neues Heim, wie er annahm, seine Wirkungsstätte, wie er hoffte...

    Perisander nahm sich einen Augenblick Zeit mit der Antwort; die Iunierin wirkte verunsichert auf ihn - hatte sie Angst in irgendeiner Form? Oder verursachte er selbst diese Unsicherheit? Es wäre nicht völlig abwegig: Gelehrte neigten dazu, andere Menschen nervös zu machen. Er blickte sie mit seinen dunklen Augen unter kräftigen Brauen her an, als läse er in einem Buch.


    Die Zurückhaltung, die er zu erspüren meinte, schob er auf das Verhältnis von Herrin und Sklave, oder alternativ darauf, dass diese Dame einfach so war. Er würde sie aber weiter beobachten: Wenn er sich eine stabile Position sichern wollte, musste er über seine Umwelt informiert zu sein - ganz abgesehen davon, dass das scharfe Beobachten zum Gelehrten im Geiste Aristoteles' einfach dazugehörte.


    "Ich wurde in Tarentum geboren und bin dort aufgewachsen. Ich bin XIV Jahre alt." erklärte er schließlich.

    Perisanders Haltung war tadellos - er vermittelte den Eindruck, er könne jederzeit zu einem Vortrag ansetzen...oder auch zu einem Stadionlauf. Er betrachtete interessant die edle Bauweise der Gebäude - so schöne hatte er noch nicht gesehen.


    Als Axilla ihren Namen nannte, richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die junge Frau. "Mein Name ist Perisander, Herrin." antwortete er in seinem üblichen ruhigen Ton.

    Perisander musterte die Prätorianergarden; zwar hatte er nie kämpfen gelernt, aber Sport hatte er als Junge treiben können, und daher erkannte er einen Mann von guter Konstitution. Die hier waren sichtlich harte Burschen. Das freute ihn - auch er würde hinter diesen prächtigen Mauern sicher sein.


    Langsam trat er von einem Fuß auf den anderen. Der Sklavenhändler war wirklich ein idiota homerischen Ausmaßes. Wahrscheinlich würde er das Geld an Ort und Stelle zählen, und das würde dauern bis zum dies Urbis deletionis, und der, das musste jeder Mensch, der schon einmal eine Karte der Welt gesehen hatte, eingestehen, würde noch auf sich warten lassen. Wenigstens musste Perisander nicht mit dem mercator servorum sprechen und konnte so dem Rat des Aristoteles folgen: Nolite disputare imbecillo! Disputiere nicht mit einem Narren!

    Perisander betrat den Käfig und lehnte sich an eines der Gitter, wie er es sich zur Gewohnheit gemacht hatte. Mit dem Händler hatte er nur das Nötigste gesprochen - das war ein Mann, so fern vom areté, dem aristotelischen Optimalzustand des Menschen, wie es nur ging. Zum Glück hatte es Minerva gefallen, ihren treuen Jünger aus den Fängen dieses imbecillus zu holen.

    Derselbe nahm Namen und Gegenwart seines neuen Besitzers mit einem Neigen des Kopfes zur Kenntnis und nahm Blickkontakt auf. Er wirkte nicht wie jemand, der sich allzu tief in die komplexen Ränkespiele begab, die in der urbs angeblich vorherrschten - gut. Jeder Mensch mit Verstand konnte sich ausdenken, auf wessen Rücken diese "Spiele" ausgetragen wurden.


    Perisander sog die wenig bekömmliche Luft des Marktes tief ein - sie schmeckte schon ganz anders, nun, da er sicher sein konnte, schon heute abend wieder einen gewissen sicheren Status unter den Menschen zu haben. Er fuhr sich durch seine gerade recht strähnigen rotbraunen Haare, dann nahm er die Frau des Archias in Augenschein. Er war zärtlich zu ihr gewesen - wohl auch eher ein gutes denn ein schlechtes Zeichen. Sie selbst hatte noch keinen Ton gesagt, soweit Perisander es wahrgenommen hatte. Aber einen wachen Blick hatte sie, ihr Charakter mochte also zu ihrem Mann passen. Außerdem war es ihm erschienen, als hätte sie das Zitat aus der Apologie durchaus verstanden. Interessant.

    Perisanders Gesicht blieb gleichgültig. Letzten Endes war es völlig bedeutungslos, wo er landete - mochte die Entourage des Senators ihm auch sympathisch gewesen sein, der Ritter würde es auch tun. Der schien zwar in etwa so gebildet zu sein wie una mille passum via imperialis, aber das musste nichts Schlechtes sein. Sein Benehmen wirkte jovial, womöglich ein Hinweis auf einen wohlwollenden Charakter. Bis zum Beweis des Gegenteils, beschloss Perisander, würde er zu Gunsten seines neuen Herrn vom Besten ausgehen.


    Der Gelehrte machte sogleich Platz für das nächste Subjekt dieser Prozedur, um anzuzeigen, dass sie für ihn vorbei war - er war glücklich darum. Es tat nicht gut, den eigenen Wert in argentum zu kennen, denn das verführte dazu, ihn auch so zu rechnen.