Am Tage nach der Unterredung mit dem Gesandten der Classis Misensis erwachte der Praefectus auf der harten Ruhestätte seiner Wohnung in der Principia, welche sich direkt dem Arbeitszimmer anschloss. Zwar bestand durchaus eine Möglichkeit, die Räumlichkeiten seiner Besitztümer, namentlich des Landhauses, unweit der Stadt Mantua zu nutzen, doch im Laufe der Zeit hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, auf diesen durchaus gehobeneren Lebensstandard zu verzichten. Ohne all' die Strapazen des Drills und der regelmäßigen Übungsmärsche, welche er noch als Centurio oft geleitet hatte, glaubte er, seinen Körper und damit den Geist einer Verweichlichung und Schwäche auszusetzen und dies hielt er als Mensch, welcher seit früher Jugend in den stoischen Lebenshaltungen unterwiesen worden war, für unannehmbar.
So streifte er, dem Bette entstiegen, rasch die Militärtunika über und schnürte sorgfältig die Caligae, von denen er in eben jenem Moment dachte, sie aufgrund ihrer Abnutzungserscheinungen bald austauschen zu müssen. Aus dem kleinen geöffneten Schrank blitzte die eigentliche Uniform hervor: Das Schwert, welches er bereits als Legionär getragen hatte, der Helm mit dem imposanten Busch, eine weitere, sehr viel kostbarere Tunika, ein weiteres Unterhemd und natürlich der reichlich verzierte Brustpanzer. Alle diese Dinge hatte er nur ein einziges Mal getragen - für den täglichen Bürodienst genügte jene einfache Tunika, welche er gerade am Leibe trug, vollkommen.
Einer kleinen Holzschatulle entnahm er schließlich einen kostbaren Prunkpugio, welcher eigentlich nicht zur Standardausrüstung gehörte und den er bei einem kleinen Ausflug auf dem Marktplatz von Mantua erworben hatte.
Er nahm die kostbare, aus Gold und Horn gefertigte Waffe in die Hand und betrachtete sie genau. Auf der Klinge hatte er nachträglich einen Spruch eingravieren lassen:
'Zieh' mich nicht ohne Grund und steck' mich nicht ein ohne Ehre!'
Er schmunzelte kurz und polierte das Stück, dessen representativer Charakter natürlich den Nutzen als Waffe eindeutig übertraf. Sorgfältig verstaute er den Dolch wieder in der kleinen Schatulle und griff nach einem Geldbeutel aus Bronze, den er sogleich am Arm mit einem Lederband befestigte, nachdem er die Münzen darin gezählt hatte. Wie jeden Morgen steckte er sich drei Ringe an: Ein Sigelring, welche das Wappen der Legio I trug, einen weiteren mit dem aurelischen Löwensymbol und einen dritten Schmuckring.
Bevor er das Zimmer verließ und die quietschende Holztüre dazu abriegelte, schloss er den Schrank.
Sein Weg führte ihn zunächst ins angrenzende Arbeitszimmer, wo er zufrieden bemerkte, dass er am Abend zuvor die Arbeiten weitgehend erledigt hatte. Somit trat er auf einen der Flure in der Principia, wo er die bereits anwesenden Wachen und Schreiber jeweils mit einem Kopfnicken begrüßte. Er wollte so recht keinen Hunger haben und beschloss daher, das Früstück zu verschieben. Die Principia zunächst verlassend, schweifte sein Blick über die etwas weiter entfernten Mannschaftsunterkünfte, wo sich bereits seit Morgengrauen alltägliche Szenen im Leben eines römischen Soldaten abspielten; hier und da waren wütende Rufe einiger unzufriedener Centurionen zu vernehmen.
Da es für den geplanten Besuch in der Fabrica noch zu früh am Morgen war, führten ihn die Schritte letztlich in Richtung der Thermen, welche zu so früher Stunde zwar sicherlich kaum beheizt, aber eben doch frei von Legionären und Offizieren waren, welche nicht dem Stab angehörten. Herrliches Wetter herrschte in Mantua; die Frühlingssonne schien auf die Steinbauten des Lagers und ließen keinen Zweifel daran, dass die kalte Hand des Winters aus diesen Landen endgültig vertrieben war...