Beiträge von Flavius Aurelius Sophus

    Sophus konnte sich da nur auf die Einschätzungen seiner Techniker verlassen, war jedoch mit dem genannten Termin zufrieden - immerhin hätte es nicht viel länger gedauert, bis in sämtlichen Bauabschnitten das Erdgeschoss soweit errichtet worden wäre. Wenn das Theatrum noch vor Wintereinbruch vollendet werden sollte, mussten sich die Männer gerade jetzt im Frühjahr ranhalten, denn der Praefectus befürchtete, dass die Verkleidungsarbeiten an der Fassade und diverse innenarchitektonische Ausgestaltungsprozesse weitaus mehr Zeit in Anspruch nehmen könnten, als dies momentan absehbar war. Er folgte dem Blick des Architekten, musterte ebenfalls das kritische Objekt und meinte in Richtung des Baumeisters schließlich:


    "Ich bin sicher, du wirst Erfolg haben. Im Notfall könnten wir ja noch einige Tage entbehren. Lieber etwas langsamer arbeiten, dafür aber gewissenhaft. Benötigst du für die kommenden Wochen noch Unterstützung, was Material und Männer angeht?"


    Beim letzten Punkt nickte er dem Tribunen zu, welchen er anschließend über die Leistungsfähigkeit der einzelnen Bauabschnitte und Einheiten befragen wollte, wobei sicher auch die schludrige Ausführung des Betongewölbes zur Sprache kommen würde.

    "Durchaus, ja. Ich werde das einfach mal in Anwesenheit des Legaten zur Sprache bringen. Er soll entscheiden.", meinte Aurelius und verscheuchte eine Mücke, die gerade fröhlich über den Bauplan marschierte.


    "Wann glaubst du - ausgehend von der bisherigen Begutachtung der vorhandenen Bausubstanz - wann mit Phase II der Bauarbeiten begonnen werden kann?"


    Das interessierte nun wiederum den Tribun, der während der Diskussionen um die geeignetste Säulenform etwas abwesend gewirkt hatte.

    Der Praefectus musste unweigerlich schmunzeln, kannte er doch besonders den korinthischen Stil aus seinen Studien in Griechenland.


    "Das ist wohl eine Frage des Gesamteindrucks.", meinte er grinsend, blickte auf die Baustelle und dann wieder auf die Skizze. "Mir persönlich gefällt beispielsweise der korinthische Typus ausnehmend gut, aber er scheint mir hier wohl eher deplaziert. Aber ich bitte, dich, Claudius - wo bleibt der Witz, der Esprit einer dorischen Säule?", fragte er lachend und untermalte seinen gespielt entrüsteten Ausruf mit einer karikierenden Geste. In der Tat tendierte der Präfekt in dieser Frage in Richtung der ionischen Säule: Sie war nicht zu schlicht und nicht zu fragil.

    Mit einem etwas verstaubten Mantel und einer Fülle neuer Informationen vom Bauplatz führte Aurelius den geplanten Besuch in den Lagerwerkstätten durch, deren Räumlichkeiten auch jetzt wieder gut gefüllt waren und den Eindruck einer regelrechten Manufaktur verbreiteten: Obwohl ein nicht unbedeutender Teil der Warenproduktion für die Baumaßnahmen ausgelagert worden war - beispielsweise ließen sich Holzbearbeitungsmaßnahmen an dezentralen provisorischen Überdachungen mit wesentlich geringerem Lieferweg bequemer und praktikabler herstellen (von der Tonziegelherstellung ganz zu schweigen) - mussten die Fabricae natürlich weiterhin ihren Beitrag zu einem reibungslosen Ablauf des Lagerlebens leisten. Ein Inventarprüfer aus der Rüstkammer orderte Rüstungsteile für Legionäre an, ein Centurio bestellte lange Pfosten, denn er beabsichtigte, die teilweise morschen pila muralia seiner Einheit vor einer Probatio zu erneuern; die Schanzpfähle hierzu sollten die Probati gleich selbst herstellen lernen. Schreiner untersuchten einen beschädigten Transportkarren, welcher auf der Strecke von Cremona nach Mantua verunglückt war, die in der Nähe beschäftigten Schmiede waren sowieso mit den permanenten Bestellungen bezüglich neuer Waffen und Rüstungen gänzlich ausgelastet und auch Seiler waren durch den versärkten Bedarf an Gerüsten und Kränen kräftig bei der Arbeit.
    Bei Septimus, einem Centurio supernumerarius Liefen alle Fäden zusammen, er fasste die Notizen zahlreicher Immunes und Optiones zusammen und händigte dem Präfekten mindest jeden Monat eine entsprechende Bedarfsgüterliste aus, bei besonderer Beanspruchung der Handwerksstätte, wie es nun der Fall war, kamen derlei Absprachen selbstverständlich öfters vor. Der Praefectus Castrorum überflog die Liste rasch und steckte sie in den Lederbeutel, welcher bereits zahlreiche Baupläne des Amphitheaters enthielt und war erleichtert, in Anbetracht der zunehmend schrumpfenden Eisenvorräte bereits mit der misenischen Flotte in Kontakt getreten zu sein. Nach einem kurzen Plausch mit Septimus verließ er den Gebäudekomplex, hier und da einen ihm bekannten Offizier grüßend. Der Tag würde sich in einigen Stunden seinem Ende zuneigen. Bis dahin galt es, die Liste des Centurionen sorgfältig zu überprüfen und die geforderten Waren unter Berücksichtigung der finanziellen Kapazitäten der Legion größtenteils bei Vertragshändlern abzukaufen. Aurelius' rechnerische Fähigkeiten würden nunmehr verstärkt gefragt sein, denn für den morgigen Tag hatte er sich die routinemäßige Überprüfung der Lebensmittelversorgung vorgenommen.

    Der Präfekt wölbte etwas skeptisch die Augenbraue. Für ihn klangen die Schilderungen des Architekten eher nach dem Bauplan eines kaiserlichen Palastes. Die kleineren Theateranlagen, welche man oft in der Nähe von Standlagern der Armee antreffen konnte, waren in der Regel eher schlicht gehalten, häufig wiesen sie gar keine Marmorfassade und nur spärliche Mosaiken auf, waren im Grunde auf solide Ziegelmauerarbeiten beschränkt, doch in Anbetracht der Tatsache, dass auch die Stadt Mantua ein reges Interesse am Theater als Blickfang und Prestigeprojekt bekundet hatte, musste da wohl ein prunkvollerer Bau her, wenngleich der Präfekt bestimmte Vorstellungen des Architekten von Beginn an einschränken musste. Beispielsweise war Hispania nicht einmal in die groben Planungsvorbereitungen einbezogen worden, hinsichtlich des Granits wollte er sich auf italisches Gestein konzentrieren, dessen Herkunft sich aufgrund der Lage Mantuas natürlich auf Förderungsgebiete in Nähe der Alpen beschränken würde. Was diverse Ausgestaltungsmaßnahmen durch Mosaikleger anging, musste er wohl früher oder später nach geeigneten Werkstätten Ausschau halten.
    Er kannte bereits Motive aus dem Theater in Verona, welche sich im Grunde auf die Darstellung von Gladiatoren spezialisiert hatten; ein echter Publikumsliebling wurde sogar häufig mit Namen und Herkunft vermerkt. Vorsichtshalber notierte Aurelius erst einmal alle Wünsche und Planungen des Architekten, die seinem Geschmack nach jedoch eindeutig zu extravagant ausgefallen waren.


    "Hm, ich werde sehen, was sich machen lässt.", brummte er dann, keinen Zweifel an seinem Vorhaben lassend, kräftige Abstriche machen zu wollen.

    Die zahlreichen Dirnen, welche an jeder zweiten Straßenecke zu finden waren, schienen heute ein großes Geschäft zu wittern und warben bedeutend freizügiger um ihre Dienste als sie es ansonsten taten. Amüsiert über das bunte Treiben des einfachen Volkes schlenderte Aurelius durch die Menge, dann und wann eine Nuss als kleine Wegzehrung vertilgend. Unter dem makellos blauen Frühlingshimmel herrschten beinahe schon sommerliche Temperaturen, als er in einiger Entfernung eine auffälligere Ansammlung von Menschen erblickte, welche offenbar die Ankunft der Priester und Opferhelfer begutachteten. Da die anstehende Bittopferung Grund seiner Anwesenheit gewesen war, steuerte er gemächlichen Schrittes auf die Gruppierung zu, darauf bedacht, die blütenweiße Toga möglichst nicht allzu kühn über den von allerlei Unrat bedeckten Straßenbelag zu führen. Einen Moment blieb er unschlüssig stehen und rätselte, ob die Zeremonie damit bereits begonnen hatte und ob es angebracht sei, das Haupt zu verhüllen, verzichtete jedoch angesichts des eindeutigen Verhaltens der umstehenden Bürger vorerst darauf.

    "Abgeschlossen? Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Immerhin hinkt seit einigen Tagen ein Bauabschnitt durch einen Unfall hinterher, einige sind noch immer nicht im Soll und dieser Baupfusch da scheint das Fortkommen des Projekts ja nicht unbedingt zu beschleunigen."


    Der Präfekt versuchte, die einzelnen Abschnitte per Augenmaß auf der Karte zu identifizieren, was gar nicht so leicht war, denn Hilfskonstruktionen der Holzabteilung, Kräne und schließlich das permanente Gewusel erschwerten die Sicht von einem nicht eben übersichtlichen Standpunkt aus. Als der Techniker auf die oberen Stockwerke zu sprechen kam, wechselte er die Karte, welche auch von Tribun Lepidus interessiert beobachtet wurde.


    http://home.arcor.de/de_la_cha…mphitheater%20schnitt.gif


    Man konnte sofort erkennen, dass die Gerüstbauten noch zu klein waren und erst einmal kräftig aufgestockt werden müssten.


    Zitat

    "Auf jeden Fall sind die folgenden Geschosse deutlich kleiner, was sowohl einen geringeren Material- als auch Zeitaufwand bedeutet. Es werden also recht bald die dekorativen Säulen für den oberen abschließenden Säulengang, sowie erste Mosaike für die Gestaltung der Böden und dünne Marmorplatten für die Verkleidung der Nutzsäulen und gemauerten Wände in den unteren Geschossen benötigt werden. Im Anschluss daran käme bereits die Montage der Sitzbänke."


    Der Präfekt nickte.
    "Da wird nun verstärkt Carrara gefragt sein. Hast du im Bauplan die Innengestaltung bereits detailliert durchdacht, nicht nur was Typus der Säulen und Mosaikmuster angeht, sondern auch die Materialien und deren benötigte Menge?"

    Am Tage nach der Baustelleninspektion nutzte Aurelius kurzerhand die sich bietende Gelegenheit, ließ sich auf seinem Landgut mit einer schweren Toga bekleiden und erschien etwas später in den Gassen Mantuas, dem er schon lange keinen rechten Besuch mehr abgestattet hatte. Seit den Feierlichkeiten zu Ehren der Göttin Ops hatte er stets versucht, über das religiöse Leben in der Stadt auf dem Laufenden zu bleiben - es war daher nur konsequent, als gläubiger Mensch dem geplanten Ritus beizuwohnen. Hier und da meinte er, einen Angehörigen der Legio I identifizieren zu können, schmunzelte jedoch nur - er gönnte den Männern etwas Spaß unter dem Eindruck der schweren Arbeiten am Theaterprojekt...

    Nach seinem Inspektionsbesuch auf der Baustelle kehrte Sophus in das Arbeitszimmer in der Principia zurück, wo er einige Berichte der Legionsreiterei in Empfang nahm, welche auf den Wegabschnitten zwischen den regelrecht aufgesplitterten Truppenkörpern der Legion in Cremona, Aquilea, Verona, Carrara und Mantua den wichtigen Meldedienst übernahmen. Auf diese Weise erfuhr der Präfekt vom Zustand einiger wichtiger Transportwege, welche er als Organisator eines möglichst reibungslosen Verkehrswesens selbstverständlich ebenso zu überwachen hatte wie die Vollständigkeit der Magazine und die Produktivität der Werkstätten. Offenbar hatte der Winter einige Spuren in Form der üblichen Frostschäden hinterlassen und ein Straßenabschnitt einige Meilen von Cremona entfernt war aufgrund eines heftigen Unwetters per Erdrutsch teilweise begraben worden. Nicht, dass solche Unpässlichkeiten nicht in der ursprünglichen Kalkulation des Präfekten aufgetaucht wären, doch die Schäden mussten eben behoben werden. Er entschied, dass es vollkommen ausreichte, diese Routinearbeiten im Frühjahr mit einer Handvoll Männer abwickeln zu können und erstellte einen entsprechenden Marschbefehl für einige Contubernia aus den Steinbrüchen von Cremona selbst, welcher sogleich von einem Meldereiter in Empfang genommen und auf schnellstem Wege zur betreffenden Einheit gebracht wurde.

    Der Präfekt schüttelte etwas verständnislos das Haupt, denn als Organisator hauptsächlich des Transports konnte er nicht nachvollziehen, wie selbst nachweislich erfahrenen Technikern derartige Nachlässigkeiten unterliefen.


    "Dann hast du darin ja bereits eine neue Aufgabe. Sieh zu, dass solcherlei Mängel möglichst rasch behoben werden und vergewissere dich, soweit es eben geht, ob in den bisherigen Bauphasen derlei schlechte Arbeit noch häufiger anzutreffen ist. Jene Versäumnisse in der Gründlichkeit kosten uns nur wertvolle Zeit hinsichtlich der weiteren Bauschritte.", meinte er denn zum Architekten Claudius, stieg vom Ross, führte es mit der Hand etwas näher zum Baugrund hin und kramte dann aus einem Lederbeutel einige Karten hervor, die bereits während der Planungen des Baus zum Einsatz gekommen waren.


    http://home.arcor.de/de_la_cha…m/Amphitheater%20plan.jpg


    "Nun, Techniker, könntest du jetzt den konkreten kurz- und mittelfristigen Bauverlauf skizzieren?"
    Aurelius war bereits über die unmittelbar anstehenden Bauvorhaben informiert worden und hatte entsprechende Planungen bereits vor Wochen begonnen, womit eine ausreichende Versorgung an Baumaterialien gewährleistet worden war. Die mittelfristige Planung jedoch stand noch nicht, weshalb er bereits auf entsprechende Informationen drängte.

    Es war bereits spät am Abend, als der Präfekt die Stube erreichte. Nach Thermenbesuch am Morgen, Bauinspektion am Mittag und Werkstättenbesuch gegen Abend hatte er doch einigermaßen geplättet kleine Teile des mittlerweile gigantischen ;) Privatpoststapels durchgelesen und nach Lektüre eines Briefes aus Rom rasch auf ein Wachstäfelchen gekritzelt, welches er auch beim Schreiberling abgab:



    Mein Legatus Legionis!


    Ich bitte um kurzzeitige Freistellung vom Dienst für den ANTE DIEM IV ID MAI DCCCLVI A.U.C. (12.5.2006/103 n.Chr.) für eine Reise nach Roma.


    Der Praefectus Castrorum.


    Nach einem kurzen Schwätzchen mit dem Scriba verließ er das Officium und machte sich denn schleunigst auf den Weg zu seiner Unterkunft, wo er wenige Augenblicke später in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.

    Wenn es ihm passend erschien, kommentierte der Tribun einige Szenarien, erklärte, dass die Bogenarbeiten abgeschlossen und zu welchem Grad die Mauerarbeiten beendet seien. Für den Präfekten waren solcherlei technische Erläuterungen von etwas geringerer Bedeutung - ganz im Gegensatz zum Architekten, auf dessen Betreiben hin die Stabsoffiziere zu besagtem Gewölbe ritten. Nichtsdestotrotz imponierten ihm die mittlerweile recht stattlichen Mauerabschnitte und die grundsoliden Leistungen römischer Baukunst.

    Über die Hauptlagerstraße erreichten drei Reiter, namentlich Tribun Lepidus, Architekt Claudius und der Praefecuts die Porta Praetoria und schwenkten mit ihren Rössern auf den linken Straßenzug ein.
    Nach wenigen hundert Doppelschritten eröffnete sich den Offizieren auf der rechten Seite das ausgedehnte zentrale Baustofflager, dessen weitaus größte Fläche von witterungsresisten Materialen, also vorwiegend Steinblöcken, bedeckt war. Wie jeden Tag herrschte das gröbste Gewusel auf einem etwas größeren, geschotterten Platz in Front einiger überdachter Lagerstätten. Der Lärmpegel übertraf sogar noch jenen in den Fabricae und wer ein unbeteiligter Betrachter der Szenerie war, musste in höchstem Erstauenen zur Kenntnis nehmen, wie die Techniker, Schreiber und Optiones im scheinbaren Wirrwar den Überblick behielten.
    Blickte man etwas nach links, konnten einige dezentrale Sammellager der Holzabteilung ausgemacht werden, während zwei Tonmeiler, deren Präsenz man sich noch vor wenigen Augenblicken hatte vergewissern können, waren inzwischen hinter einem kleinen Wäldchen verschwunden, von denen es jetzt nicht mehr viele gab: Der Holzverbrauch war enorm und die Legionäre hatten an vielen Stellen oft nur karge Baumstümpfe verbleiben lassen.
    An schweren Holzkarren vorbei, welche von kräftigen Ochsen gezogen wurden, erreichte man unter dem Schnauben der Pferde, Meckern störrischer Maultiere, Rufen und Gesprächen der Legionäre die Behelfsstraße, welche direkt zum Baugrund führte und einmal durch ein echtes Straßenpflaster abgelöst werden sollte. Nach und nach, zunächst noch von einem Waldausläufer verdeckt, kam das eigentliche Baugelände in Sicht...

    Der Praefectus nickte mit dem Kopf. Er wollte ja ohnehin noch das Frühstück beenden.


    "Selbstverständlich. Nur keine Eile."


    So nahm er den Löffel wieder in die Hand und leerte den zweiten Teller Puls. Die Lippen tupfte er mit einem Tuch ab und wandte sich an den Scriba, welcher im Hintergrund wartete.


    "Schreiber, unterrichte die Wachen, dass sie den Tribun von unserer Inspektion in Kenntnis versetzen mögen. Und es sollen drei Pferde zur Verfügung gestellt werden."


    Angesprochener verließ mit einem knappen "Jawohl!" das Officium, während Sophus nochmals in seine Wohnung ging und einen leichten Mantel hervorkramte.

    Zitat

    Original von Herius Claudius Vesuvianus
    "Schieben wir es auf den Vinum", schlug Claudius vor, obwohl er sich sowohl dieses Vorschubs als auch der Tatsache bewusst war, dass die Lagerluft keineswegs zur Besserung beitragen konnte, hatte er doch das Ende seiner Amtszeit förmlich herbeigesehnt, ihn aber gleichzeitig seine Angeschlagenheit unvermittelt getroffen.


    Claudius schüttelte den Kopf, als die Frage nach einer bereits erfolgten Unterredung mit seinem Optio kam.


    "Ich wollte mir zunächst einen Einblick in den Dienstplan verschaffen, um darauf basierend, sogleich Anweisungen erteilen zu können."



    "Der Dienstplan ist da eindeutig. Deine Centuria ist nach wie vor natürlich fester Bestandteil des Bautrupps am Amphitheater."


    Daran würde sich so schnell auch nichts ändern, denn der Praefectus hatte die Erfahrung gemacht, wie effizient eingearbeitete Bautrupps mit einer gewissen Erfahrung im Vergleich zu regelrechten Frischlingen arbeiteten. Der Einsatz altgedienter Mannschaften sparte Zeit, Nerven und aufgrund der wesentlich geringeren Pfuschquote letztlich auch Material und damit bares Geld.


    "Soweit mir bekannt ist, wurden die Säulen- und Bögenarbeiten in deinem Arbeitsbereich abgeschlossen und ich gehe davon aus, dass andere Centuriae nicht wesentlich langsamer gearbeitet haben, wenngleich der Einsturz eines Gerüstabschnittes das Vorankommen stellenweise behindert haben dürfte. Das hat dich als Architekt, nicht aber als Centurio zu kümmern. Ich rechne mit einem Gleichziehen aller Bauabschnitte im Laufe der noch verbleibenden Woche und schlage vor, dass du die Leitung der Quarta de facto zunächst deinem Optio überlässt, denn momentan sind deine Fähigkeiten als Architekt und Konstrukteur dieser Anlage von erheblich größerem Nutzen. So rasch als irgend möglich sollten wir gemeinsam mit Tribunus Lepidus die Baustelle inspizieren, denn ich möchte darüber informiert werden, welche Bauphasen mittelfristig anstehen, um entsprechende Vorbereitungen im organisatorischen Bereich treffen zu können. Meinetwegen können wir gleich heute damit beginnen."

    Aurelius war höchst amüsiert über Claudius' offensichtlich strapaziöse Odysee durch die römischen Westprovinzen.


    "Hispania? Dann war es wohl der saure Vinum, welcher zur nachhaltigen Erblassung deines Antlitzes führte? Wobei - liebreizendere Anblicke als die Beinhaare des Prokonsuls kann ich mir durchaus vorstellen."


    Beim Versuch, sich jene Szenerie im Geiste auszumalen, musste Sophus jede Anstrengung aufbringen, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Er fühlte durchaus mit dem Mann, war doch seine eigene Amtszeit als Quaestor nicht viel erquicklicher gewesen. Schließlich winkte er ab, um einen ernsthafteren Gesichtsausdruck bemüht.


    "Wie dem auch sei - ein paar Tage Lagerluft und du bist wieder auf dem Damm, hat bei mir immer geholfen."


    Der Praefectus murmelte ein leises "Ah ja!", zog eines der Wachstäfelchen aus dem Stapel und überflog kurz den Inhalt.


    "Bist du von Optio Priscus bereits über den Stand der Arbeiten deiner Centurie in Kenntnis versetzt worden?"

    Der Praefectus, gerade von den Thermen zurückgekehrt, saß gerade - trotz der angebrochenen Mittagszeit - beim etwas aufgeschobenen Frühstück. Es störte ihn nicht, kurz dabei unterbrochen zu werden, weshalb er den Schreiber im Vorzimmer auch nicht darüber informiert hatte. Aurelius spülte einen Bissen Käse, der für seinen Geschmack entschieden zu trocken war, mit einem kräftigen Schluck Posca hinunter.


    "Potzblitz! Wenn das mal nicht unser Quaestor ist. Ave, Claudius!", sagte der Stabsoffizier lachend und bot dem Centurio einen Platz an.


    Er schob den Teller Puls zur Seite, um Platz für einen ganzen Stapel von Wachstafeln zu schaffen. Während er nach Vesuvianus' Einheit suchte, musterte er den gewesenen Träger des Ehrenamtes.


    "Siehst nicht gut aus. Ganz blass. Hat Roma diesen ungesunden Teint verschuldet? Warum gehst du nicht in die Thermen? Ein Besuch im Schwitzbad kann bisweilen wahre Wunder bewirken."

    Nach einem solchen Moment stiller Gemütsruhe stieg Aurelius aus dem kleinen Becken und lief über den schmalen Flur zurück ins Hauptgebäude. Zunächst Caldarium und Tepidarium betretend, erreichte er schließlich das Frigidarium, welches in der Breite etwas knapper bemessen war als das Laubad, dafür aber eindeutig die größte Längsseite vorzuweisen hatte.
    Bereits wenige Wochen nach seiner Ernennung zum Präfekten und Schreibtischtäter hatte Sophus feststellen müssen, viel von der ehemaligen Fitness verloren zu haben - einen Übungsmarsch, wie er ihn noch als Centurio regelmäßig im Rahmen der Probationes durchgeführt hatte, würde ihn nun gewiss erschlagen. Auch ein Schwert hatte er seit Monaten nicht einmal mehr berührt, weshalb er beschlossen hatte, wenigstens etwas Beweglichkeit zu erhalten.
    Manche Beugung und Renkung machte er durch, bevor er ins kalte Becken stieg. Es kostete zwar einige Überwindung, in das kühle Nass gänzlich einzugleiten, doch einmal darinnen, gewöhnte sich der erhitzte Körper sehr schnell daran. Das längliche Becken eignete sich hervorragend für echte Schwimmzüge und so trieb der Praefectus durch jene sportliche Betätigung den Puls nach oben. Schwimmen ermattete den Körper erfahrungsgemäß viel schneller als das gewohnte Marschieren und so verließ er das Frigidarium nach insgesamt zwei Stunden recht schwer atmend. Zur völligen Ermattung des Körpers hätte noch eine ermüdende Massage gefehlt, doch in Anbetracht seiner heutigen Vorhaben verzichtete Aurelius darauf. Als er, zurück im Apodyterium, Tunika und Caligae anlegte, stellte er zufrieden fest, dass er nun wirklich Hunger hatte und gegen ein echtes Frühstück nichts einzuwenden sei. Die Hauptmahlzeit des Tages nahm er in der Principia in Form zweier Teller lauwarmen Pulses ein. Er gönnte sich auch etwas Dörrobst und ein Stück Käse.

    Ein altes Soldatenlied pfeifend, hier und da einige Verse leise summend, fand der Praefectus die Badeanlage erwartungsgemäß geöffnet. Im Castellum beschäftigte Sklaven, aber auch einige Probati wischten den Steinboden des schmalen Eingangsbereichs. Über eine von zahlreichen Einkerbungen und Schnitzereien gezeichneten Porta gelangte der Praefectus bald in den Auskleideraum, in dem er Tunika auszog und die Caligae gegen die in Thermen durchaus nicht unüblichen Holzsandalen tauschte. Die Sachen legte er in ein Fach und vertraute darauf, dass nichts geklaut wurde.
    Wie erwartet, fand er Laconium und Caldarium nur lauwarm vor, weshalb er einen Blick in das kleine Offiziersbad riskierte, welches etwas abseits des eigentlichen Hauptgebäudes lag und über einen schmalen Gang zu erreichen war. Dieser Teil des Balneas schien besser oder zumindest länger beheizt worden zu sein und so stieg der Präfekt hinein. Das verhältnismäßig kleine Becken mochte vielleicht sechzehn Quadratmeter messen, sein wässriger Inhalt strahlte eine gemütliche Wärme aus.
    Sophus streckte den Kopf unter Wasser und erreichte, da echte Schwimmzüge im ansonsten leeren Becken nicht möglich waren, den Rand, welcher zugleich als Armstütze diente. Einige Momente in dieser Haltung verweilend, konnte sich der Offizier allerlei erbauliche Gedanken machen, etwa über sein Leben nachdem er den Schwingen des Legionsadlers entfleucht sein würde.
    Mit geschlossenen Augen dachte er daran, ein Weib zu nehmen und vielleicht eine kleine Landwirtschaft aufzubauen, Getreide zu ernten, Schweine, Ziegen und Schafe zu züchten und vielleicht einen kleinen Olivenhain zu pflegen. Die Möglichkeiten dazu waren immerhin vorhanden: Sein Landhaus unweit Mantuas hatte bereits in früheren Zeiten zu einem großen Latifundium gehört und mit etwas Pflege des umliegenden ungenutzten Landes wäre eine sinnvolle Bewirtschaftung sicher denkbar - freilich nicht um den Gewinn einer prallen Geldbörse, wohl aber einer Form des Ausgleichs hinsichtlich der auch dann betriebenen Studien. Ja, das würde ihm gefallen! Auch die Bienenzucht kam Aurelius in den Sinn, denn immerhin schätzten gebildete Griechen ihre emsigen Honiglieferanten höher als so machen Sklaven. A propos Sklaven - mit Sicherheit müsste er noch einige davon erwerben, wollte er einen funktionierenden, Freude schenkenden Bauernhof errichten. Wie es seinem Wesen entsprach, begann er, die ganze Angelegenheit im Geiste einmal durchzurechnen.

    Am Tage nach der Unterredung mit dem Gesandten der Classis Misensis erwachte der Praefectus auf der harten Ruhestätte seiner Wohnung in der Principia, welche sich direkt dem Arbeitszimmer anschloss. Zwar bestand durchaus eine Möglichkeit, die Räumlichkeiten seiner Besitztümer, namentlich des Landhauses, unweit der Stadt Mantua zu nutzen, doch im Laufe der Zeit hatte er es sich zur Gewohnheit gemacht, auf diesen durchaus gehobeneren Lebensstandard zu verzichten. Ohne all' die Strapazen des Drills und der regelmäßigen Übungsmärsche, welche er noch als Centurio oft geleitet hatte, glaubte er, seinen Körper und damit den Geist einer Verweichlichung und Schwäche auszusetzen und dies hielt er als Mensch, welcher seit früher Jugend in den stoischen Lebenshaltungen unterwiesen worden war, für unannehmbar.
    So streifte er, dem Bette entstiegen, rasch die Militärtunika über und schnürte sorgfältig die Caligae, von denen er in eben jenem Moment dachte, sie aufgrund ihrer Abnutzungserscheinungen bald austauschen zu müssen. Aus dem kleinen geöffneten Schrank blitzte die eigentliche Uniform hervor: Das Schwert, welches er bereits als Legionär getragen hatte, der Helm mit dem imposanten Busch, eine weitere, sehr viel kostbarere Tunika, ein weiteres Unterhemd und natürlich der reichlich verzierte Brustpanzer. Alle diese Dinge hatte er nur ein einziges Mal getragen - für den täglichen Bürodienst genügte jene einfache Tunika, welche er gerade am Leibe trug, vollkommen.
    Einer kleinen Holzschatulle entnahm er schließlich einen kostbaren Prunkpugio, welcher eigentlich nicht zur Standardausrüstung gehörte und den er bei einem kleinen Ausflug auf dem Marktplatz von Mantua erworben hatte.
    Er nahm die kostbare, aus Gold und Horn gefertigte Waffe in die Hand und betrachtete sie genau. Auf der Klinge hatte er nachträglich einen Spruch eingravieren lassen:


    'Zieh' mich nicht ohne Grund und steck' mich nicht ein ohne Ehre!'


    Er schmunzelte kurz und polierte das Stück, dessen representativer Charakter natürlich den Nutzen als Waffe eindeutig übertraf. Sorgfältig verstaute er den Dolch wieder in der kleinen Schatulle und griff nach einem Geldbeutel aus Bronze, den er sogleich am Arm mit einem Lederband befestigte, nachdem er die Münzen darin gezählt hatte. Wie jeden Morgen steckte er sich drei Ringe an: Ein Sigelring, welche das Wappen der Legio I trug, einen weiteren mit dem aurelischen Löwensymbol und einen dritten Schmuckring.
    Bevor er das Zimmer verließ und die quietschende Holztüre dazu abriegelte, schloss er den Schrank.
    Sein Weg führte ihn zunächst ins angrenzende Arbeitszimmer, wo er zufrieden bemerkte, dass er am Abend zuvor die Arbeiten weitgehend erledigt hatte. Somit trat er auf einen der Flure in der Principia, wo er die bereits anwesenden Wachen und Schreiber jeweils mit einem Kopfnicken begrüßte. Er wollte so recht keinen Hunger haben und beschloss daher, das Früstück zu verschieben. Die Principia zunächst verlassend, schweifte sein Blick über die etwas weiter entfernten Mannschaftsunterkünfte, wo sich bereits seit Morgengrauen alltägliche Szenen im Leben eines römischen Soldaten abspielten; hier und da waren wütende Rufe einiger unzufriedener Centurionen zu vernehmen.
    Da es für den geplanten Besuch in der Fabrica noch zu früh am Morgen war, führten ihn die Schritte letztlich in Richtung der Thermen, welche zu so früher Stunde zwar sicherlich kaum beheizt, aber eben doch frei von Legionären und Offizieren waren, welche nicht dem Stab angehörten. Herrliches Wetter herrschte in Mantua; die Frühlingssonne schien auf die Steinbauten des Lagers und ließen keinen Zweifel daran, dass die kalte Hand des Winters aus diesen Landen endgültig vertrieben war...