Beiträge von Flavius Aurelius Sophus

    "Hm."


    Aurelius schmunzelte.


    "Alles verläuft im Rahmen des Lageralltags recht geruhsam - Mantua ist ein schöner Flecken Erde und, um ehrlich zu sein, ich kann mir gut vorstellen, nach meiner Dienstzeit als Großgrundbesitzer dort zu leben. Es ist, so könnte man anmerken, der ewigen Stadt an Größe und Bedeutung auf dem Erdenkreis unterlegen, doch findet sich dort noch jene Verehrung für die Mores maiorum, die ich im mir fremd gewordenen Rom vermisse. Jüngst, zu den Opalia, feierte meine Legion ein Fest zu Ehren der römischen Schutzgöttin. Du hättest sehen sollen, mit welcher Inbrunst und Begeisterung die Bürger jene Verehrung teilten. Hier in Rom wäre das undenkbar."


    Sophus nippte an dem Wein.


    "Und wie geht es Dir? Zieht es einen Soldaten nicht zurück in die Zelte der Armee?"

    Sophus nickte.


    "Ja, das kannst du. Obwohl wir keinen besonderen Zeitdruck haben, möge man mich rechtzeitig informieren, denn die Legion gibt mir ungern kurzfristig Urlaub. Kann ich - sollte es denn schon jetzt absehbar sein - mit noch mehr dienen als mit meiner Anwesenheit?"

    Ein Sklave brachte den Wein und füllte zwei Becher.


    "Natürlich war ich kein politischer Weggefährte von ihm und auch seinen Aufstieg zum Staatsmann habe ich nicht miterlebt, doch wenn es angebracht erscheint, sehe ich es als meine Pflicht an, seiner zu gedenken. Die Veranstaltung wird hier in Rom stattfinden? Gibt es bereits einen Termin?"

    Während die beiden Männer durch den Korridor schritten, schweiften auch die Blicke des Sophus über die kostbaren Malereien.


    "Sie wurden noch von meinem Großvater Cotta, Richter und Liebhaber der griechischen Künste, in Auftrag gegeben; fast ein Jahrhundert ist das jetzt her. Laut Signatur wurden sie von einem gewissen Nonius aus Syracus entworfen. Fast befürchte ich, dass solche Arbeiten heutzutage in Italia recht selten geworden sind."


    Aurelius musste lächeln.

    "Oh, das überrascht mich keineswegs - immerhin hast du lange Jahre bei den spanischen Truppen gedient. Nun, als Senator und Aedil wirst du wohl länger in der ewigen Stadt verweilen - sei dir meiner Versicherung gewiss, dass dir die Pforten meiner Villen jederzeit offen stehen...bitte."


    Aurelius deutete in Richtung eines mit Mosaiken und Wandmalereien reich geschmückten Korridors, der in zahlreiche Wohn- und Speisezimmer führte.

    Als ein Sklave Sophus über den eingetroffenen Besuch informiert hatte, schritt der Hausherr in blütenweiser Toga nach dem Senator. Nur das Klappern der Sandalen erzeugte in den alten Hallen ein seltsam hallendes Geräusch; ansonsten herrschte Totenstille.
    Nahe eines Freskos im Empfangsraum - es stellte Szenen aus der griechischen Mythologie dar - erblickte er ihn und grüßte mit der Hand.


    "Senator, es ist mir Freude und Ehre zugleich, dich in dieser Wohnstätte anzutreffen."


    Auf einen Wink des Aurelius eilten einige Sklaven herbei, um dem Besucher den schweren Reisemantel abzunehmen.

    Nachdem die Legio in ihr Kastell zurückgekehrt war, schritt ein erleichterter Centurio in Richtung der Offizierswohnungen nahe der Principia. Mit Ausnahme der Wachsoldaten und einiger Versorgungseinheiten, die Viehherden überwachten und sich um die Pferde kümmerten, hatte fast die ganze Truppe frei.
    Aurelius legte, in seiner Lagerbehausung angekommen, Paradeuniform und Waffen ab und streifte eine Tunika über.
    Einen Moment überlegte er, ob Besuch seiner Villa in Frage käme, verwarf den Gedanken allerdings schnell wieder - es wartete ja ohnehin niemand auf ihn; die ganze Familie weilte in Rom, Ostia oder gar anderen Provinzen. So beschloss er, den Feiertag so zu verbringen, wie er sie meist verbachte: In einer Huldigung an den Weingott, dessen Jünger - es waren stets die selben - in den Versammlungsräumen der Offiziere zahlreich angetroffen werden konnten.
    Dort kannte man sich natürlich. Sogleich wurden Hände geschüttelt und Becher in jene gedrückt...

    Zwar waren die eigentlichen Brandopfer mit der bereits vollzogenen Einäscherung der Eingeweide abgeschlossen, doch auch Verteilung und Verzehr des Fleisches war noch immer Bestandteil des Ritus und wurde nun von fröhlicheren Weisen der Musikanten begleitet, denn im familiären Kreis würden die Festlichkeiten bis in die Abendstunden fortgeführt werden.
    Als von den Hostiae nur noch Knochen übrig waren, wurden auch diese an die Opferdiener zum Dank gegeben - ihnen sollte das Mark gehören.
    Die an der Opferung beteiligten Victimarii wuschen sich nun die Hände, während der Aquilifer der Legio I von der Tribüne abstieg, mit Hilfe eines Trossknechtes auf sein Pferd kletterte und vor dem ebenfalls berittenen Kommandostab Aufstellung nahm.
    Musiker, Opferdiener und Zivilisten aller Art verließen ebenfalls das Holzpodest und bildeten die Spitze eines singenden Zuges, welcher ganz langsam über Felder und Weideflächen, die so gesegnet werden sollten, Richtung Mantua zog.
    Etwa zeitglich schallte der Ruf der Cornicen erneut:
    Die Legio I marschierte ins heimatliche Lager zurück.

    Ruhig stand Centurio Aurelius den Reihen der vierten Centurie voran.
    Wie sich aus den Rauchsäulen des Altars blitzend der Adler, Wappentier der ersten Legion, herauswand, war es ihm, als hallte sein stolzer Ruf über die Lande, weithin über die Alpen - in die Geister der Gefallenen und Herzen der Kameraden.

    Als die Opfergaben verbrannt und alle Gebete gesprochen waren, hielt man es unter den Soldaten für angebracht, gemeinsam den Eid auf den römischen Kaiser, den Senat und das Vaterland feierlich zu erneuern. So erschall ein ob der Feier ermutigtes und kraftvolles Gelübde:


    "IURANT AUTEM MILITES OMNIA SE STRENUE FACTUROS QUAE PRAECEPERIT IMPERATOR CAESAR AUGUSTUS, NUMQUAM DESERTUROS MILITIAM NEC MORTEM RECUSATUROS PRO ROMANA REPUBLICA."


    Wenige Augebblicke später gaben die Hornbläser einigen Zenturien den Befehl, einen Durchlass zur Tribüne zu schaffen, denn traditionell wurde das nicht verbrannte Opferfleisch von den pragmatischen Römern sogleich gegessen.
    Der Stier war von einem reichen Privatmann finanziert worden, das Lamm war ein Geschenk der mantuanischen Priesterschaft und das Schwein stammte aus den Viehbeständen der Legio I.


    So strömten denn viele Bürger an den Altar, um in den Genuss des heiligen Opferfleisches zu gelangen, das später zu Hause und im Kreise der Familie zubereitet wurde.
    Unentwegt trennten Opferhelfer mit Äxten Fleischstücke von den Opfertieren ab. Auch Lamm und Schwein wurden gegessen - allerdings gaben hier die Bürger gerne einige Sesterzen dafür in die Legionskasse bzw. der Priesterschaft ab, welche bei Gelegenheit vom Aquilifer verwaltet wurde.

    Schön gerade stieg der Rauch in den Himmel und niemand zweifelte daran, dass die gütige Ops das Voropfer annehmen würde.
    Nachdem die Brandopfer beendet waren, führten Popae die drei Hostiae an den Altar heran.
    Drei Opferdiener traten hervor und beträufelten die Stirn von Stier, Schwein und Lamm mit einer Mischung aus Wein, Speltschrot und Mola salsa.
    Bereits jetzt waren viele der Anwesenden in ein Gebet an Ops vertieft. Auch der Legat sprach uralte, religiöse Worte, um die Annahme des Opfers zu sichern.
    Besonders beteten die Soldaten um Auszug der Kriegsgöttin, um die Legionen des Kaisers mit der Kraft eines Stieres zu versehen.


    Ein vierter Opferdiener nahm einen Knüppel und schlug zunächst mehrfach auf den Schädel des Stieres ein, welcher unter einigen Zuckungen kurz darauf zusammenbrach. Auch Schwein und Lamm betäubte er mit geübten und gezielten Schlägen.
    Anschließend wurden alle drei Tiere nacheinander vom cultarius, dem Opferstecher, getötet.
    Vorsichtig öffnete man die Leiber der Tiere und entnahm ihnen die Exta.
    Geübte Eingeweidenschauer untersuchten sorgfältig und lange die Innereien der Tiere: Waren sie gesund gewachsen? Waren sie gut genug, um sie den Göttern zu opfern?
    Nach einer Weile nickte ein alter Seher zufrieden, packte blutige Gedärme, Herz, Nieren, Lungen und andere Innereien auf verschiedene Opferschalen und gab sie zusammen mit ausgesuchten Fleischstücken, welche mit der Securis abgetrennt worden waren, dem Legaten. Dieser stellte alle Innereien auf den Altar, wo sie schließlich als Brandopfer eingeäschert wurden.

    Unter den Klängen der Musiker bezogen die wichtigsten Persönlichkeiten Mantuas und dessen Stadtvertreter an den Seiten der Tribüne Aufstellung.
    Nun zogen endlich zwei Camilli auf den Schauplatz und stellten sich zu beiden Seiten des Altars im Hintergrund hin. Einer der beiden sehr jungen Opferdiener trug die Acerra, ein Weihrauchkästchen, der andere eine Gutta.
    Es folgte ein weiterer Opferdiener, welcher mit einer Axt in der Hand hinter dem Altar zum Stehen kam.
    Ferner betrat der Aquilifer der Legio I die Bühne und reckte voller Stolz eines der heiligen Feldzeichen empor.


    Wie die Opferhandlungen begannen, herrschte bald eine gespannte Ruhe. Andächtig verfolgten Soldaten wie Zivilisten die alte Zeremonie.


    Als vollkommene Ruhe eingekehrt war, stieg der Legatus Legionis der Ersten von seinem Pferd ab, übergab es einem Trossknecht und verhüllte sein Haupt mit dem traditionellen Priestergewand.
    Capite velato schritt er langsam die hölzernen Stufen zum Altar hinauf und wartete, mit dem Gesicht zur Menge hin, auf weitere Opferdiener, welche zahlreiche Schalen mit allerlei Feldfrüchten herbeibrachten. Immerhin war Ops auch Göttin der Fruchtbarkeit und des Überflusses; so achteten natürlich insbesondere die Bauern genau darauf, mit Opfergaben deren Wohlwollen zu erhalten. Gerade jetzt im Sommer wollte man für die Einbringung des Getreides danken, während im Dezember feierlich der Abschluss der Olivenernte gefeiert wurde.


    Nun war es am Legaten, das Voropfer zu vollbringen. Erst reichte ihm ein Diener Honig. Spurius Purgitius Macer hob die Schale in die Höhe und rief der Menge zu:


    "CONCORDIA !"


    Anschließend stellte er die Schale auf den Altar und nahm eine Weinkanne entgegen, welche erneut der Menge präsentiert wurde:


    "HONOS !"


    Beim Fleisch rief er:


    "SALUS !"


    Und als Zeichen des Lebenslaufes beim mythologisch enorm wichtigen Getreide:


    "SPES !"


    Schließlich entzündete er in einer Opferschale Weihrauch, hielt die qualmende Opferschale in die Höhe und proklamierte:


    "VIRTUS !"


    Als alle Schalen auf dem Altar versammelt waren, vollführte er mit Unterstützung der Popae das Brandopfer...

    Schon lange vor Eintreffen der ersten militärischen Einheiten hatten sich die Bewohner Mantuas um einen gebührenden Altarschmuck bemüht. Ebenfalls hatten wohlhabendere Bürger als Zeichen ihrer Pietas Geld für Opfergaben gespendet und am heiligen Ort zusammentragen lassen - auf einem kleineren Weihestein wurden die Namen der Geldgeber verewigt.


    Unmittelbar auf dem freien Feld vor der Holztribüne setzte die Reiterei ihr Manöver fort: In verwirrenden Bahnen umkreisten sich die verschiedenen Turmae, um schließlich doch wieder in geordneten Reihen stehen zu bleiben.
    Während der herrlichen Reitervorführungen waren zahlreiche Bürger bereits in die Nähe des Opferplatzes geströmt.
    Von Osten her stieß wenig später auch die restliche Legio I mit fast 5500 Mann hinzu: Aquilifer und Legatus erkannte man sofort - zumal dieser zu einem solch festlichen Anlass den strahlend roten Paludamentum angelegt hatte.


    Während die Legion anrückte, spielten die üblichen Musiker auf Lyrae und Flöten alte religiöse Weisen. Große Aufmerksamkeit wurde auch den nun eintreffenden Opfertieren geschenkt: Beinahe fühlte sich der Betrachter in die Zeit Suovetaurilia versetzt, denn Victimarii aus Mantua führten einen sehr kräftigen Stier, einen Schafbock und ein fettes Schwein an die Tribüne zum großen Weihestein, der gleichzeitig als eine Art Altar fungierte.


    In erstaunlich kurzer Zeit hatte die ganze Legion ordnungsgemäß Aufstellung genommen und bildete optisch zweifellos den Höhepunkt der Veranstaltung.


    "Magistratus, das Opfer wird sogleich beginnen.", sagte Lemonia zu Sabbatius und bedeutete dem Magistraten gemeinsam mit den anderen Honorationen der Stadt auf die Tribüne zu kommen...

    An jenen Stellen, welche der Reiterzug bereits passiert hatte, zogen sich die wachhabenden Infanteristen allmählich, dem Zug nachfolgend, zurück, um somit die Hauptstrasse nach und nach wieder für die Schaulustigen freizugeben, welche natürlich das Opfer nicht verpassen wollten und daher der Parade folgten.


    Erste Reiter und damit auch Tribun Lemonia, sowie Magistrat Publius Sabbatius Marcellus, hatten bereits das Nordtor passiert. Zeit, um mit den eigentlichen Manövern zu beginnen, welche auch außerhalb der Stadt von jubelnden Bürgern verfolgt wurden.


    Der ritterliche Tribun erhob zum Zeichen für den Cornicen die Hand. Dieser nickte dem Stabsoffizier sofort zu und gab das zuvor vereinbarte Signal heraus, welches von nachfolgenden Signalgebern umgehend nachgespielt wurde, um jeden Decurionen über die bevorstehenden Formationsmanöver zu unterrichten.
    Kaum waren die Signale verhallt, preschten im Schweinsgalopp zur rechten und linken Flanke des Hauptzuges zwei Unteroffiziere mit den entsprechenden Vexilla vor. Die zugehörigen Turmae taten es ihnen gleich und bald hatten sich vor dem kommandierenden Tribunen etwa sechzig Mann unter der Führung zweier Decurionen eingefunden.
    Auf Kommando des Tribunen preschten die beiden Feldzeichenträger erneut einige Meter vor, um den hinter ihnen liegenden Reitern mehr Raum für ihre Manöver zu geben:
    Dieses bestand zunächst in der Bildung eines Keils, wobei die beiden Vorderseiten durch eine Turma und eine nachfolgende, normal ausgerichtete Reihe durch die zweite Turma gebildet wurden.


    In weiter Ferne erkannten die ersten Reiter bereits die Opferstätte...

    Als der Magistratus Mantuas demonstrativ an der Seite des hochdekorierten Tribunen Lemonia den Zug der Reiter anführte, ging für wenige Augenblicke ein erstauntes Raunen durch die laut feiernde Menschenmenge, hatte doch niemand erwartet, dass einem Zivilisten eine solch hervorragende Position zuteil geworden wäre.
    Tribun und Magistrat folgten nunmehr etwa fünfhundert herausgeputzte Reiter in Gardeuniformen mit ihren Offizieren unter hellem Schall der Signalbläser.
    Stolz zeigten die Soldaten der Ala Hastae und Feldzeichen.