Beiträge von Marcus Decimus Livianus

    „Nun Senator! Vielleicht hätte ich auch kein Verständnis dafür, wenn ich selbst einem uralten und traditionsreichen römischen Geschlecht wie das der Aelia angehören und in einem eigenen Trakt des kaiserlichen Palastes wohnen würde. Ich kann dir aber versichern, dass das Leben in den Provinzen anders aussieht, als in deinem Palast. Und so wie du dir deiner römischen Wurzeln bewusst und darauf stolz bist, sind die Iberer, Lustianer, Cantabrier oder Asturer es auch auf die ihren.


    Lass dir eines gesagt sein Aelius Quarto..... wir können die Völker dieser Welt vielleicht unterwerfen, aber wir können ihnen nicht ihre Vergangenheit nehmen.“

    Es folgte eine abwertende Handbewegung in Quartos Richtung.


    „Ich bitte dich! Genauso gut könntest du die Frage stellen, warum wir uns in der Hauptstadt des römischen Reiches mit einer hohen Kriminalitätsrate konfrontiert sehen und man manche Stadtteile am besten gar nicht erst betreten sollte. Und dennoch würdest du nie auf die Idee kommen, die Bürger Roms als kriminelles Pack zu bezeichnen. Also wie kommst du auf darauf eine ganze Volksgruppe für einen Aufstand verantwortlich zu machen, die von einer vergleichsmäßig mickrigen Gruppe von Personen ausgeht.


    Auch wenn du nicht direkt abfällig oder verurteilend über die Iberer oder ihre Vorfahren gesprochen hast, so hat dies die Acta Sehrwohl getan und du hast sie eben mit deiner Rede darin bestätigt. Und auch deine letzte Frage zeigt wieder von deiner Einstellung zu diesem Thema und zu den Iberern.“

    Die bisherigen Wortmeldungen waren in Livianus Ohren eher kleine Geplänkel zwischen Senatoren die nicht einer Meinung waren, als eine wirklich sachliche Diskussion über den Ernst dieser Situation. Die letzte Wortmeldung jedoch, trieb einen Zorn in ihm hoch, was sich jedoch nur durch die leichte Rötung seines Kopfes und einigen herausgetretenen Adern an seiner Schläfe und einer gewissen Bitterkeit in seiner Stimme bemerkbar machte.


    „Senator Quarto! Deine Stellungnahme war eben eindeutig zu verstehen und zeigt, dass du genau wie die Redaktion der Acta, alle NICHTRÖMISCHEN Bürger dieser Provinz in einen Topf mit den Aufständischen wirfst und sie für dich nichts weiter als rechtloser und unterdrückter Abschaum sind.


    Es freut mich für dich, wenn du auf einen unendlich langen Stammbaum an tugendhaften und urrömischen Vorfahren blicken kannst, aber gehe nicht davon aus, dass dies bei jedem Römer der Fall ist. Ich und meine Brüder beispielsweise, sind erst in der zweiten Generation Römer, genauso wie mein Cousin Meridius und dessen Geschwister. Es waren unsere Väter, die durch ihren aufopfernden Dienst und ihren Einsatz im römsichen Reich, das Bürgerrecht verliehen bekamen. Davor waren sie Iberer!


    Iberer denen du und die Acta hier Potential zu Verrat und Missgunst unterstellst! Iberer bei denen sich immer wieder die unheilvolle Abtrünnigkeit an die Oberfläche ihres Denkens und Handelns anbahnt! Iberer die sich laut deinem Verständnis und dem der Acta ohnehin gerade gemeinsam gegen das römsiche Reich auflehnen und am besten von unseren Legionen vom Erdboden getilgt werden sollten!


    Vergiss dabei jedoch nie, dass auch ich heute einer dieser Iberer wäre, wenn mein Vater nicht das römische Bürgerrecht bekommen und an mich weitervererbt hätte. Ich hoffe du siehst die Tatsachen nun klarer Senator!“

    Livianus hatte sich an diesem Tag ebenfalls auf die Rednerliste des Senats setzen lassen und erhob sich, als er an der Reihe war.


    „Ehrenwerte Senatoren!


    Ich bin mir sicher, die meisten von euch haben bereits die aktuelle Ausgabe der Acta gelesen und ich hoffe auch, euch sind dabei die Berichte aus unserer Provinz Hispania in Erinnerung geblieben.“


    Livianus machte eine kurze Pause und sah durch die Runde, um seine Senatskollegen etwas nachdenken zu lassen. Als er einige bestätigende Kopfnicken registrierte, setzte er seine Rede fort.


    „Keine Sorge! Ich werde heute nicht wieder eine erneute Debatte über die Provinz Hispania oder über die dort eingesetzte Regierung vom Zaun brechen. Ganz im Gegenteil!


    Ich möchte über die volksverhetzende und zu tiefst beleidigende Berichterstattung unserer Acta sprechen. Vornweg möchte ich sagen, dass ich bisher weder einen Groll noch irgendeine Art von Feindseligkeit gegen die Acta oder ihre Redakteure gehegt habe, aber das, was ich in der letzten Ausgabe lesen musste, hat meine Meinung über die Redaktion dieser Institution grundlegend verändert. Erlaubt mir, euch die Sätze noch einmal zu zitieren.“


    Livianus nahm einige Notizen zur Hand und begann diese vorzulesen.


    „Die Verschwörung breitet sich weiter in Hispania aus. Schon lange kann man den Eindruck gewinnen, dass in den Iberern das Potential zu Verrat und Missgunst liegt. Denn immer wieder bahnt sich die unheilvolle Abtrünnigkeit dieser Menschen an die Oberfläche ihres Denkens und Handelns. Und obwohl der gerechte Zorn unseres geliebten und weisen Kaisers den Verrätern von Hispania naht, die Praetorianer haben schon längstens die hispanisches Küste erreicht, wagen die Hispanier weiter sich gegen das große Imperium, den Princeps und den Senat zu erheben.“


    Er legte das Pergament wieder zur Seite.


    „Mit jedem weiteren Satz der in diesem Artikel folgt, stimme ich absolut überein. Darüber gibt es keine Diskussion! Dies möchte ich an dieser Stelle besonders betonen. Aber wie ihr eben selbst gehört habt, ist hier keineswegs heraus zu lesen, dass es sich beim Aufstand in Hispania nur um eine kleine Gruppe von Aufwieglern, Verschwörern und Aufständischen handelt, sondern hier ist, vor allem zu Beginn des Artikels, eindeutig die Rede vom iberischen Volk – von dem Hispaniern!


    Die Vorväter vieler hoch geachteter und kaisertreuer Familien unseres Reiches, wie zum Beispiel der Gens Decima, Iunia und Matinia - ja sogar die des Kaisers selbst, sind iberischen Ursprungs und werden durch diesen Artikel auf schändlichste Art und Weise beleidigt und verunglimpft. Einer ganzen Volksgruppe zu unterstellen, dass ihnen das Potential zu Verrat und Missgunst liegt ist ein Affront, den es meines Wissens nach, seit der Gründung der Acta nicht gegeben hat.


    Senatoren! Verzeiht mir bitte meine Befangenheit und meine Emotionalität in dieser Angelegenheit, aber so etwas kann ich einfach nicht akzeptieren. Hier geht es schließlich nicht um ein paar Flugblätter die verteilt werden. Hier geht es um das offizielle Mitteilungsblatt unseres Reiches, dass auch jedem Bürger frei zur Verfügung steht und von diesen auch mit großer Freude gelesen wird. Was ein solcher Volksverhetzender Bericht anrichten kann, brauche ich hier in diesem Gremium wohl nicht erklären.


    Ich fordere daher, dass die Redaktion und der Verfasser dieses Berichtes auf dem schnellsten Wege und nach den Gesetzen unseres Reiches zur Verantwortung gezogen werden und dass eine sofortige Gegendarstellung und Entschuldigung Seitens der Acta veröffentlicht wird.“


    Gespannt wartete Livianus auf erste Reaktionen.

    Livianus sah zu Vinicius Lucianus.


    „Nun! Senator Macer war bestimmt nicht der einzige Befürworter, aber er hat den Auftrag des Quaestors eben auf den Punkt gebracht. Ich wüsste nicht, was man hier noch hinzufügen könnte. Daher unterstütze ich ebenfalls den formulierten Auftrag von Senator Macer.“

    Als Livianus frühere Sklavin hatte es Miriam nicht all zu schwer die Wünsche und Vorlieben ihres früheren Herren zu kennen. Livianus war wirklich schon sehr gespannt, was ihn heute Abend alles erwarten würde und was Miriam vorbereitet hatte. Als sie sich auf die Kline niederließ, kam er nicht drum herum sie dabei zu beobachten. Es war nun schon einige Zeit vergangen, seit sie sich kennen gelernt hatten. Vieles war in dieser Zeit geschehen und auch das eine oder andere Geheimnis verband die beiden. Heute sah er eine andere Miriam vor sich, als jene, die ihm damals von seinem Klienten geschenkt wurde. Sein Blick streifte über Miriams zarten Körper, der heute von einer äußerst hübschen und eng anliegenden Tunika verdeckt wurde. Auch ihr Haar war wunderschön zu einer Hochsteckfrisur zusammen geflochten, die von römischen Frauen sehr oft und gerne getragen wurde. Er lächelte sie freundlich an.


    „Du siehst heute bezaubernd aus Miriam.“


    Als Miriam endgültig Platz genommen hatte, gab Livianus den Sklaven ein Zeichen, dass sie das vorbereitete Mal nun servieren konnten.

    „Nun, ich würde sagen auf diese hier neben mir. Komm!“


    Livianus deutete lächelnd auf die Kline, die direkt neben der seinen stand. Es war zwar normalerweise nicht üblich, dass auch Frauen auf den Klinen Platz nahmen, doch Livianus wollte zu diesem Anlass eine kleine Ausnahme machen. Schließlich war ohnehin keiner da, der sich darüber aufregen konnte.

    Livianus brach das Siegel des Schreibens und überflog es. Während er Zeile für Zeile las und die Bedeutung der Worte langsam in sich aufnahm, verdunkelte sich sein Gesichtsausdruck. Sollten die Anschuldigungen wirklich war sein, dann hatte er einen Hochverräter mitten unter seinen Leuten. Jedoch waren auch viele Fragen offen. Gab es wirklich Beweise? Auf was stützten sie diese Anklagepunkte? Und vor allem, wie stand Aristides mit diesen Aufständischen in Verbindung? Der Brief tat mehr Fragen auf, als er eigentlich beantwortete. Wie sollte es nun weiter gehen? Crassus erwähnte kein Wort darüber, wie sich Livianus gegenüber Aristides verhalten sollte. War er zu verhaften? Seufzed ging er zu einem Kohlebecken, steckte dort den Brief in Brand und sah ihm zu, wie er nach und nach verbrannte. Dann wandte er sich wieder an den Decurio. Vielleicht konnte dieser etwas mehr dazu sagen.


    „Decurio! Kennst du den Inhalt dieses Schreibens? Hat der Praefectus mit dir darüber gesprochen?“

    „Gern!“


    Livianus steuerte auf eine der freien Klinen zu und sah sich immer noch verwundert um. Miriam hatte sich wirklich mühe gegeben, aus dem Raum und diesem Abendessen das best mögliche heraus zu holen. In einem Praetorium eines Legionslagers war dies nicht immer leicht, doch für einen kurzen Moment vergas Livianus, dass er von mehreren tausend Soldaten umgeben war. Als er sich gesetzt hatte, sah er sie erwartungsvoll an.


    „Bitte! Komm heute auch auf eine Kliene.“

    Livianus seufzte.


    „Also gut! Meinet wegen such dir die Pferde selbst aus. Aber kläre es vorher mit Plautius ab. Nicht, dass dieser ebenfalls auf die Idee kommt und Pferde kauft, die wir dann nicht benötigen. Was das Gestüt der Claudia betrifft, solltest du vielleicht einmal mit Tribun Vesuvianus sprechen. Er kann dir da bestimmt die nötigen Kontakte verschaffen. Gibt es sonst noch etwas Tribun?“

    Gleich nachdem der Lagerpräfekt gegangen war, betrat ein Prätorianer das Officium von Livianus. Dieser musterte den ungewöhnlichen Besucher vorerst und nickte ihm begrüßend zu.


    „Salve Prätorianer! Du kommst von Crassus…. Soso! Dann zeig mir mal, was mein alter Waffenbruder geschrieben hat.“

    Livianus schüttelte nur den Kopf, als der Patrizier sich zu Wort meldete. Es war unbeschreiblich, die Gedankengänge mancher Senatoren nachzuvollziehen. Waren sie wirklich so Weltfremd und eingeschränkt, dass man nicht etwas mehr Umsicht erwarten konnte? Auch wenn er solche Diskussionen verabscheute, konnte er nicht anders, als seine Meinung zu dieser Äußerung kund zu tun.


    „Ich verstehe dich also Richtig Senator, dass du eine ordentliche Regelung des Reiseverkehrs bevorzugst und als wichtiger ansiehst, während wir erst vor wenigen Tagen über diese durchaus unangenehme und vielleicht auch folgenreiche Situation gesprochen haben? Wenn dem so ist, dann kann ich mich nur darüber wundern. Aber gut – sollte dem Senat der Reiseverkehr wichtiger sein, als endlich einmal aktiv zu werden und dem Volk zu zeigen, welche weitreichenden Möglichkeiten er in diesen Zeiten noch nutzen kann, dann werde ich mich dieser Entscheidung natürlich beugen müssen. Auch wenn ich selbst dieser Vorgehensweise nichts abgewinnen kann.“

    ANTE DIEM VIII ID FEB DCCCLVII A.U.C. (6.2.2007/104 n.Chr.)



    An Lucius Aelius Quarto
    Domus Aeliana / Palatium Augusti
    Roma, Italia



    Eilbrief



    Geschätzter Quarto!


    Vor kurzem hat sich einer deiner Klienten – Lucius Iunius Silanus – bei mir in Mantua um die ausgeschriebene Stelle des Scriba Personalis beworben. Nach einem längeren Gespräch habe ich dieser Bewerbung zugestimmt und den Iunier in ein Dienstverhältnis genommen. Wie du dir bestimmt vorstellen kannst, ist es in meiner Position wichtig, sich zu hundert Prozent verlassen auf seinen Privatsekretär zu können. Dies ist jedoch nur dann möglich, wenn keinerlei anderweitige Verpflichtungen mehr bestehen. Ich bitte dich daher, Lucius Iunius Silanus aus deinem Patronat zu entlassen und somit den Weg für seine Zukunft im Hause Decima frei zu räumen.


    Ich danke dir und verbleibe im Hoffen auf eine baldige und vor allem positive Antwort