Beiträge von Marcus Decimus Livianus

    "Ich habe mich auch lange nicht mehr hier in Rom blicken lassen" erwiderte Livianus. Die Beweggründe dafür, der Tod seiner Frau Vespa, waren dem Claudier vermutlich bestens bekannt und so ging er nicht näher darauf ein.


    Ein wenig überrascht oder besser gesagt sogar überrumpelt war er schon ob der recht freundschaftlichen Begrüßung des Claudiers. Doch er empfand es keineswegs als unangenehm oder unangebracht und so tat der Decimer es seinem Gastgeber gleich und erwiderte die freundliche Begrüßung.


    "Lass und ein wenig gehen. Wie läuft dein Consulat?"

    Unter den Gesten befand sich auch Consular Decimus Livianus, der dieser Tage in seiner Funktion als Curator rei publicae in der Gegend rund um Mantua die Finanzlagen einiger kleinerer Städte überprüft und ein Magistratenwahl beaufsichtigt hatte. Die Familie des Annaeus Florus war seit langer Zeit mit den Decimern verbunden. So war Florus selbst der Klient von Livianus Vetter Meridius gewesen und auch er selbst diente gemeinsam mit Florus einige Jahre unter Meridius Kommando in Hispania. Gemeinsam hatten sie damals die Aufstände der Iberer niedergeschlagen und als Livianus nach Rom ging, folgte ihm Florus als Praefectus Castrorum der Legio IX nach. Es war eine abenteuerliche Zeit damals für die jungen Männer. Viele Jahre später führten sie ihre Karrierewege dann auch wieder im römischen Senat zusammen.


    Alles in Allem gute Gründe der Feierlichkeiten zur Volljährigkeit von Florus Sohn beizuwohnen und für Livianus nebenbei noch eine sehr willkommene Abwechslung zum eintönigen Arbeitsalltag hier in diesem Teil der Provinz. So folgte der Consular den bisherigen Riten und viel in den Applaus mit ein, als dem jungen Annaeer die Toga virilis angelegt wurde. :app:

    Der claudische Besucher musste nicht all zu lange warten, da betrat Livianus auch schon das Atrium und steuerte auf den Gast zu.


    "Claudius - Willkommen in der Casa Decima. Ich nehme an dich hat die Nachricht über deine Aufnahme in die Aurata erreicht. Du musst die längere Wartezeit verzeihen, aber ich bin erst gestern von einer längeren dienstlichen Rundreise durch die Provinz in Roma angekommen. Was kann ich für dich tun?"

    Livianus, der gerade hinter seinem Schreibtisch saß und in einen Stapel sich angesammelter Briefe vertieft war, erschrak regelrecht, als die helle und durchaus laute Stimme des Jungen plötzlich durch das Zimmer tönte. Kaum in Rom angekommen hatte sich also bereits herumgesprochen, dass er wieder da war dachte er im ersten Moment bei sich. Aber dann erinnerte er sich an den Namen, den er vor kurzem noch auf einer Urkunde gelesen hatte.


    "Ah! Claudius Gallus.... genau. Ich komme gleich."


    Er las den Brief, den er gerade in seinen Händen hielt noch fertig, erhob sich langsam und machte sich auf den Weg in das Atrium, um den Gast zu empfangen.

    Livianus hatte seinen Diener wieder zurück zur Sänfte geschickt und vertrieb sich die Wartezeit damit, dass prunkvoll ausgestattete Atrium der Villa Claudia zu begutachten. Es war kaum zu glauben, aber trotz all den Jahren die er nun in Roma verbracht hatte, war dies sein aller erster Besuch in der Villa Claudia. Dies lag vermutlich hauptsächlich daran, dass er zu Gens Claudia bisher nie einen engen Kontakt gepflegt hatte - mit Ausnahme von Menecrates. Doch ihre Bekanntschaft basierte auf ihren gemeinsamen militärischen Dienst fernab von Rom. So war es für den Decimer durchaus äußerst interessant und spannend durch diese zum Teil geschichtsträchtigen Räume zu schreiten und einen hauch des alten Prunkes der Patrizier in sich aufzunehmen.

    Vor der Villa Claudia machte eine Sänfte halt, die einen unangekündigten Besucher brachte, der einer viel zu lange aufgeschobenen Einladung nachkommen wollte. Während sich Livianus ein wenig schwerfällig aus der Sänfte hievte, lief ein Diener voraus, um den Consular anzukündigen und nachzufragen, ob denn der amtierende Consul Claudius Menecrates zu Hause war und kurzfristig Zeit hätte, seinen Herrn zu empfangen. Der Decima selbst wartete einstweilen bei seiner Sänfte und vertrat sich die Beine.

    Nach dem plötzlichen und unerwarteten Tod seiner Gemahlin Aelia Vespa hatte sich Livianus fast vollständig aus den gesellschaftlichen Leben Roms zurückgezogen. Er hatte sich in seine Arbeit als Curator Rei Publicae vertieft und war in dieser Funktion quer durch Italia gereist, immer bedacht dabei, einen möglichst weiten Bogen rund um Rom zu machen. Doch irgendwann war der Zeitpunkt erreicht, wo er sich wieder zurücksehnte nach der ewigen Stadt und seinen eigenen Gemächern in der Casa Decima.


    Auf dem Rückweg legte die stattliche Kolonne aus Sänften, Karren und allerhand Begleitern einen Halt südlich von Rom auf der Via Appia ein und Livianus entstieg seiner Sänfte, um das Familiengrabmahl des Gens Deicma zu besuchen, in dem auch seine Geliebte Vespa ihre letzte Ruhe gefunden hatte. Er brachte eine einzelne rote Rose mit, welche er vor dem Grabmal ablegte und dann einige Zeit in völliger Stille und in sich gekehrt verharrte, bevor er wieder langsamen Schrittes zu seiner Sänfte ging und der Tross seinen Weg Richtung Rom fortsetzte.

    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ERNENNE ICH
    GALEO CLAUDIUS GALLUS


    MIT WIRKUNG VOM
    ANTE DIEM XVI KAL MAR DCCCLXVIII A.U.C.
    (14.2.2018/115 n.Chr.)
    .


    ZUM
    SODALIS FACTIO AURATA - FACTIO AURATA


    Marcus Decimus Livianus
    DOMINUS FACTIONIS
    FACTIO AURATA

    In der Tat hatte der Kaiser die Diskussion abgewürgt - zumindest aus der Sicht des alten Decimers. Wirklich schade, da es sich wieder einmal um ein durchaus interessantes Thema gehandelt hatte, das selbst den politikmüden Livianus aus seiner Trägheit herausgerissen hatte. Doch er konnte die Zeichen der Zeit deuten und überließ das Feld wieder einer Generation die sich in ihrer Lethargie durchaus wohlzufühlen schien. Mit einem tiefen seufzen lehnte er sich zurück und überlegte, ob er sich an der nun beantragten Abstimmung überhaupt beteiligen sollte.

    "Auch ich schätze beide Familien und vor allem habe ich die Männer geschätzt und das nicht nur auf Grund ihrer Leistungen. Ich denke daher auch nicht das es mir oder uns zusteht über ihre Taten zu urteilen. Das wird vermutlich die Geschichte übernehmen. Eines Tages wird man wohl genügend Abstand haben um erkennen zu können, ob ihre Taten vielleicht auch ein Opfer waren.


    Aber deine ersten Ansätze stoßen aus meiner Sicht durchaus in die richtige Richtung. Auch mich würden diese Fragen sehr interessieren."


    Damit wandte sich Livianus vom Iulier ab und dem Kaiser zu.


    "Gab es denn im Vorfeld eine Beratung mit den Praefecti Praetorio zu dieser Angelegenheit, verehrter Augustus? Ich nehme doch an du kennst die damaligen Untersuchungsergebnisse, die sich aus meiner Sicht weit über reine Spekulationen hinausgehen? Es gibt vermutlich auch Protokolle, Niederschriften und ganz bestimmt Zeugen."

    Erneut meldete sich Livianus zu Wort.


    "Senator Iulius. Wir sind uns vermutlich darin einig, dass es einen sehr fragwürdigen Beigeschmack hat, wenn sich ein kranker Kaiser samt seiner Familie aus der Öffentlichkeit zurückzieht und plötzlich ein ‚guter Freund‘ auftaucht, der die alleinigen Regierungsgeschäfte übernimmt und den eigentlichen Kaiser weitestgehend abschirmt. Ebenso dubios erscheint auch die Tatsache, dass eben jener kranke Kaiser samt seiner Familie vergiftet wird, damit aus dem Einflussbereich des ‚guten Freundes‘ entfernt werden soll und plötzlich ein weiterer ‚legitimer‘ Thronanwärter aus dem nichts auftaucht.


    Weder Salinator, noch Palma waren die rechtmäßigen Nachfolger des Ulpius Aelianus Valerianus. Dies war einzig und alleine sein legitimer Sohn Publius Ulpius Maioranus. Die beiden anderen haben sich den Thron auf schändliche Art und Weise erschlichen. Der eine durch seinen Einfluss auf den kranken Kaiser, der andere durch Mord der kaiserlichen Familie.


    Und das Senator Iulius geht nicht aus Verlautbarungen und Schmutzkampagnen der Acta Diurna hervor, sondern aus Ermittlungen und Untersuchungsergebnissen der Cohortes Praetoriae. Die Hintergründe, die Namen aller Täter und deren Motive – all das ist seit Jahren bekannt. Man hat es bisher nur vorgezogen es einfach auf sich beruhen zu lassen.


    Die Frage sollte also lauten ob wir bereit sein, wegen der Aufnahme zweier ehemaliger Consulare in das Ulpianum all das wieder aufzurollen. Die Wahrheit würde uns bestimmt vor erheblich größere Probleme stellen, als den Ausschluss dieser beiden Männer aus einer Marmorhalle. Das kann ich dir versichern. Nicht alles kann man immer in schwarz oder weiß einteilen."

    Livianus hatte bisher geschwiegen - ab und an tief durchgeatmet - dann aber doch wieder weiter geschwiegen. Er ließ seinen Blick durch die Runde schweifen und blieb dabei kurz bei Flavius Gracchus hängen, der nun ebenfalls bei ihm in den Reihen der Consulare saß, ehe er sich erhob und selbst zögerlich das Wort ergriff.


    "Ich…. Ich befürworte den Vorschlag des Kaisers noch einmal über Aufrechterhaltung der Nominierung der beiden für das Ulpianum abstimmen zu lassen. Wir sollten die beiden von der Liste streichen und die Vergangenheit auf sich beruhen lassen."


    ‚Andernfalls könnten wir die Büchse der Pandora öffnen.‘ lag ihm noch im Sinne anzufügen, doch er beließ es bei seinem recht wortkargen Ratschlag.

    Während er bei der Antwort betreffend des älteren Gracchus noch interessiert nickte, schlich sich bei der Nachfrage nach seinem Sohn ein breites Lächeln in das Gesicht des Decimers.


    "Nun ich muss ehrlich gestehen, dass ich ihm seit seiner Ernennung zum Prätorianerpräfekten kaum noch zu Gesicht bekommen habe. Er verbringt wohl die meiste Zeit in der Castra Praetoria und ist kaum noch hier im Haus anzutreffen. Hinzu kommt natürlich, dass mich mein eigenes Amt auch einigermaßen in Anspruch nimmt. Ich gehe also davon aus, dass es ihm gut geht und er noch lebt. Wäre es anders, hätte man mich hoffentlich schon informiert."


    Beim letzten, nicht all zu ernst gemeinten Satz lachte Livianus herzhaft auf. Dann prostete er seinem Gast mit dem mittlerweile servierten Becher zu und nahm einen kräftigen Schluck, ehe er sich wieder ganz dem jungen Mann widmete.


    "Du kandidierst also für das Vigintivirat. Schon irgendwelche Vorstellungen?"

    "Nun, dann freut es mich deine persönliche Bekanntschaft zu machen, Flavius." antwortete der alte Decimer lächelnd und deutete auf eine freie Liege. "Bitte nimm doch Platz."


    Dann ließ er sich selbst nieder und deutete einem der Sklaven, dass man auch ihm einen gefüllten Becher bringen sollte, ehe er sich wieder seinem Gast zuwandte.


    "Wie geht es deinem Vater? Ich nehme an er erholt sich von den Strapazen seines Consulats?"

    Am Aushang im Eingangsbereich des Domus der Factio Aurata wurde folgende Mitteilung befestigt


    IN NOMINE IMPERII ROMANI
    ET IMPERATORIS CAESARIS AUGUSTI


    ERNENNE ICH
    MARCUS DECIMUS SCIPIO


    MIT WIRKUNG VOM
    ANTE DIEM VI ID AUG DCCCLXVI A.U.C.
    (8.8.2016/113 n.Chr.)
    .


    ZUM
    VICARIUS DOMINI FACTIONIS - FACTIO AURATA


    Marcus Decimus Livianus
    DOMINUS FACTIONIS
    FACTIO AURATA

    Livianus saß gferade hinter einem Stapel aus Akten und Schriftrollen und war froh über die mehr als willkommene Abwechslung eines Besuchers. An manchen Tagen kam es ihm vor, als wäre seine neue Tätigkeit als Curator Rei Publicae wesentlich anstrengender als sein vorheriges Amt als Stadtpräfekt von Rom. In jedem Fall war es eintöniger.


    Aus dem Inneren des Raumes war jedenfalls ein lautes und kräftiges "HEREIN!" zu hören.

    Womöglich war er heute einfach nur mit dem falschen Fuß aufgestanden oder es lag an dieser blumigen und mitunter langatmigen und damit für manch einen Zuhörer anstrengenden Art zu sprechen, die der junge Flavius mit seinem Vater gemein hatte. Abstreiten konnte der Consular seinen Sprössling allein schon darum nicht. Und bereits beim älteren Flavius hatte Livianus das eine oder andere Mal seine lieben Probleme damit gehabt, den eigentlichen Kern der Aussagen aus seinen Reden hier im Senat herauszuhören. Auf jeden Fall war es mühsam den beiden Flaviern zu folgen. Vielleicht klang es daher unhöflicher, als es tatsächlich gemeint war, als sich der Decimer kurz erhob und ein wenig genervt in Richtung des Iuliers meinte


    "Genau das hat er doch eben gesagt, Senator."


    und die Frage des Iuliers damit vorerst abwürgte um sich selbst, den Gepflogenheiten des Senats folgend, das Rederecht des höherrangigen Senators herauszunehmen.


    "Ich für meinen Teil bin jedenfalls überzeugt davon, dass der junge Flavius bestens für das angestrebte Amt vorbereitet ist und eben auch auf Grund seines familiären Hintergrunds einer der aussichtsreichsten Kandidaten dieses Jahr ist. Ich unterstütze daher seine Kandidatur und wünsche ihm alles Gute für die kommende Wahl."


    Damit nahm er wieder seinen Platz ein und deutete in Richtung des iulischen Senators den er eben unterbrochen hatte, um das Rederecht wieder an ihn abzutreten, falls er noch weitere Fragen an den Kandidaten hatte.

    Livianus hatte die heutige Salutatio gerade hinter sich gebracht und sich bereits in seine Gemächer zurückgezogen, als ihm ein weiterer unerwarteter Besucher angekündigt wurde. In seiner ersten Reaktion wollte er den Besucher auf morgen vertrösten lassen, doch als man ihm mitteilte, dass es sich um den Sohn des bis vor kurzem noch amtierenden Consuls Flavius Gracchus handelte, willigte er ein und ließ sich die gerade abgewickelte Toga von seinen Sklaven erneut anlegen. Kurze Zeit später betrat er das Tablinum, in das man den jungen Mann zwischenzeitlich gebracht hatte.


    "Ich grüße dich in der Casa Decima, Falvius. Verzeih die kurze Wartezeit. Ich habe heute nicht mehr mit Besuch gerechnet."