Waren die Veränderungen am Äußeren des Gebäudes schon beachtlich gewesen, so hielt Livianus kurz dem Atem an, als er schließlich erneut nach diesen Monaten des Bangens die Haupthalle mit den sechzehn korinthischen Säulen betrat. Ganz gleich in welche Richtung er seinen Blick schweifen ließ, vermittelte die Pracht des Gebäudeinneren einen majestätischen Eindruck, den er wohl nicht mehr so schnell vergessen würde und der dem Herrscherhaus der Ulpier, dem ganz Rom und auch er so viel zu verdanken hatte, mehr als gerecht wurde.
Der schmutzige Steinboden, den er noch von seinem ersten Besuch lebhaft in Erinnerung hatte und nach dessen Begehung ein Sklave stundenlang damit beschäftigt war seine Sandalen zu reinigen, war mittlerweile strahlend polierten Marmorplatten gewichen, in denen sich die darüber aufragende und von den sechzehn Säulen getragene Kuppel widerspiegelte. Die weißen Wände waren mit großflächigen Fresken und Mosaike verziert worden, die teilweise Ereignisse und Schlüsselszenen aus der langen Geschichte Roms zeigten, aber auch auf Ereignisse aus dem Leben und Wirken der ulpischen Kaiser eingingen. Einige davon, wie Szenen die den Feldzug gegen die Parther, den Aufstand in Hispania oder die Germanenkriege zeigten, waren Livianus sehr geläufig, waren sie auch mit seiner Geschichte und der seiner Gens eng verwoben. Fasziniert und von Ehrfurcht ergriffen zugleich, marschierte er an den Wänden entlang und ließ sich jedes der Bilder vom Architekten freimütig erklären, auch wenn er selbst vermutlich zu den meisten mehr erzählen konnte, als der Architekt selbst. Abgerundet wurde das Ganze von wundervollen Stuckarbeiten die teilweise einen Abschluss um die Bilder, aber auch eine wundervolle Umrahmung von leeren Stellen an den Wänden bildeten. An manchen der Bilder waren noch Maler und Mosaikleger fleißig am fertigstellen, doch auch so gab der Raum schon einen kolossales Bild wieder.
Der Weg führte sie in eine der Seitenhallen, die trotz des deutlichen Größenunterschieds zur Haupthalle einen nicht minder prunkvollen Eindruck vermittelte. Dieser Raum widmete sich, anders als die runde Haupthalle, ausschließlich den Ulpiern selbst. An den drei anderen Wänden stand jeweils eine große, ebenfalls aus Marmor gefertigte Statue der ulpischen Kaiser. Den Anfang machte Marcus Ulpius Traianus Optimus Dacicus, der erste Kaiser der ulipischen Herrschergeschlechts, gefolgt von seinem Neffen Lucius Ulpius Iulianus Divi Traiani Filius und dessen Adoptivsohn, dem letzten ulpischen Kaiser, Gaius Ulpius Aelianus Valerianus Divi Iuliani Filius.


Vor allem Iulianus und Valerianus, die Livianus persönlich gekannt hatte, waren seiner laienhaften Meinung nach vom Künstler sehr gut getroffen. Der Consul blieb kurz vor jeder der Statuen stehen, betrachtete sie in aller Ruhe, bezeugte ihnen seinen Respekt durch ein Kopfnicken und geleitete den Architekten schließlich in die zweite Seitenhalle.
Hier war die Ehrengedenkhalle des Ulpianums, in der später die Büsten großer Feldherren, Politiker oder anderer römischer Bürger stehen sollten, die sich im Laufe der langen Geschichte um das Imperium Romanum verdient gemacht hatten. Die Aufnahmekriterien waren bereits vor vielen Jahren im Codex Universalis verankert worden und man konnte bereits jetzt gespannt sein, wem das Consilium Ulpianum, welches der amtierende Kaiser, in diesem Fall Cornelius Palma, nach Fertigstellung des des Ulpianums einberufen musste. Vor allem auch die Frage, wem Palma in das Consilium berufen würde, dass sich den Richtlinien aus zwei Senatoren, einem Eques, einem Patrizier und aus zwei Vertretern des Ordo Plebeius zusammensetzen musste, beschäftigte Livianus, als er die noch leeren Nischen entlang der Wände abschritt.
Als sie schließlich am Ende des Rundgangs angekommen waren, nickte Livianus zufrieden und stellte fest, dass er sowohl dem Senat, als auch Palma bei der nächstbesten Gelegenheit Bericht über die Fortschritte und die zeitnahe Fertigstellung des Ulpianums erstatten würde. Der Consul bedankte sich beim Architekten und ließ sich wieder aus dem Ulpianum begleiten, wo er bereits von seiner Sänfte und seinen Liktoren erwartetet wurde, die ihm zurück zur Casa Decima brachten.