Livianus hatte sich kurz nach der gemeinsamen Ankunft im Castellum entschuldigend zurückgezogen, um einige wichtige Angelegenheiten mit seinem Scriba abzuhandeln. Als Legatus einer Legion war es nicht immer leicht Privates und Dienstliches unter einen Hut zu bekommen. Bisher war dies auch nie ein Problem gewesen, hatte er ja keine privaten Verpflichtungen hier in Germanien. Weder gesellschaftliche Ereignisse, die seine Anwesenheit erforderten, noch Klienten, die jeden Tag ihrem Patron ihre Aufwartung machen und vorsprechen wollten. Doch nun mit zwei so bezaubernden Gästen im Haus, wurde er sich wieder seines derzeitigen eher berufslastigen Lebens bewusst, bei dem er zu jedem Zeitpunkt dienstbereit sein musste. Gerne hätte er die beiden Frauen persönlich durch das Praetorium geführt und ihnen ihr vorübergehendes Heim gezeigt, doch so ging er davon aus, dass sie diese Angelegenheit bereits selbst in die Hand genommen oder einer der Sklaven eine kurze Einweisung vorgenommen hatte. Dennoch wollte er nach den beiden sehen und Fragen, ob sie noch etwas benötigten, oder nur in Ruhe auspacken wollten.
Auf dem Rückweg zu den Gemächern kam er am Hausaltar vorbei, der sich in einem gesonderten, nur durch einen Vorhang getrennten Raum befand. Er selbst hatte sich nie als besondern Gläubig hervorgetan und nahm die religiösen Riten und Traditionen nur sehr selten wahr. Vor allem jetzt wo er alleine in diesem riesigen Haus lebte und sich vor niemanden rechtfertigen musste. Daher viel ihm auch sofort auf, dass sich im sonst leerstehenden Raum etwas tat. Gleichzeitig stieg ein stechender Blütengeruch in seine Nase, der seine Annahme bestätigte. Ab und an nutzten die Sklaven den Raum um den Göttern zu opfern, doch sie achteten meistens sehr strikt darauf einen Zeitpunkt dafür auszuwählen, an dem ihr Herr gerade nicht im Hause war. Um einen Sklaven konnte es sich also nicht handeln. Vielleicht dankten ja die beiden Iulias den Göttern für die gut überstandene problemlose Reise. Neugierig wie er war, schob der Legat also langsam den Vorhang beiseite und trat andächtig in den Raum. Sein erster Blick viel auf den Altar, an dem zwei Kerzen brannten und gleich danach sah er zu Cara, die sich gerade erhob und von der Stufe herabstieg. Anscheinend hatte sie ihre Opferung gerade beendet. Livianus blieb dennoch schweigend im Hintergrund stehen und wartete ab, bis sich die junge Frau ihm zuwandte.