Mit einem Mal schlug die als Begrüßungszeremonie getarnte Befragung um. Natürlich war Livianus bereits vor dem betreten der Basilica klar gewesen, dass man ihn Fragen stellen würde, doch er hatte sich dies in einer gänzlich anderen Art und Weise erwartet. Es herrschte mit einem Mal ein Klima, dass dem früheren Legaten alles andere als zusagte. Einige der anwesenden Senatoren waren ihm eindeutig feindlich gesinnt. Aus welchem Grund dies so war, konnte Livianus noch nicht einschätzen. Den Beginn machte Claudius Menecrates, der früher selbst als Tribun bei der Legio I gedient hatte und Livianus plötzlich mit gleich mehreren Fragen konfrontierte, die der Senat eigentlich bereits im Vorfeld und ohne den Senator hätte klären können – vorausgesetzt irgendjemand hatte sich bisher dafür interessiert. Doch das war anscheinend nicht der Fall.
Livianus wurde, noch bevor er antworten konnte, von einem neben ihm sitzenden, befreundeten Senator am Ärmel gezogen und beugte sich nach unten. Während er einige leise gesprochene Informationen darüber erhielt, was der Senat bisher in dieser Angelegenheit unternommen hatte, begann eine kurze Diskussion, die sich um die Frage des richtigen oder falschen Verhaltens des früheren Legaten drehte. Der oberste `Ankläger´ war hierbei Flavius Furianus, der ehemalige unrühmliche Proconul von Hispania, der weitere Fragen, oder sollte man sagen Vorwürfe, in den Raum stellte und nun wohl endlich die Gelegenheit gewittert hatte, jemand anderen als negatives Gesprächsthema in den Mittelpunkt stellen zu können.
Der Decimer hatte Mühe sowohl dem befreundeten Senator, als auch der Diskussion zu folgen und merkte wie zusätzlich Ärger in ihm aufstieg. So hatte er sich diese Begrüßung bestimmt nicht vorgestellt. Dennoch blieb er besonnen und ruhig. Als er sich wieder erhob sah er durch die Runde der Senatoren und überlegte einen Moment, was er nun auf all diese Wortmeldungen erwidern sollte. Das Alles ging ganz klar in eine Richtung – man versuchte den Ruf und die Loyalität des Decimers in Frage zu stellen. Ein Umstand, den Livianus alles andere als Positiv aufnahm und so keinesfalls hinnehmen wollte.
"Eigentlich hatte mich der Consul heute zu einem Empfang – er nannte es wohl eine Begrüßung durch den Senat - eingeladen. Ich wundere mich nun ehrlich gesagt etwas darüber, wie der Senat seine Mitglieder begrüßt. Aber es kann durchaus sein, dass ich zu lange weg war, um die neuen Sitten und Bräuche nachvollziehen zu können, die in diesen Heiligen Hallen wohl seitdem Einzug gehalten haben."
Mit einem unfreundlichen Blick bedachte er den Consul, der dieses Kreuzverhör von Anfang an unterbinden hätte müssen. Doch die Sitzung schien ihm bereits lange aus dem Ruder gelaufen zu sein. Dann wandte er sich wieder an die Senatoren.
"Ich habe nun eher das Gefühl vor einem Gericht zu stehen, das meine Führungsqualität als Legat und meine Loyalität gegenüber dem Kaiser und Rom in Frage stellt. Noch dazu, wo man viele dieser Fragen bereits im Vorfeld abklären hätte können.
Senatoren Quarto und Menecrates. Hat der Senat nach der Rückkehr der Legio I selbiges Interesse an meinem Verschwinden gezeigt und all diese Fragen meinem damaligen Stellvertreter und heutigen Legaten der Legio I Tiberius Vitamalacus gestellt. Hat der Senat bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Erwägung gezogen, die damals unter mir dienenden Stabsoffiziere zu befragen oder eine Untersuchung in die Wege zu leiten, wenn man Sorge hatte, so wie es mir zumindest im Moment scheint, es könnte sich um eine Verschwörung oder einen absichtlich gelegten Hinterhalt handeln.
Und Senator Furianus. Wie du selbst richtig sagtest, bist du wahrlich kein Kenner von militärischen Taktiken und hattest, soweit mir bekannt, noch nie selbst ein Kommando inne. Ich denke, wir können daher alle gut auf deine fachmännische Meinung zu diesem Thema verzichten. Außerdem hast du ja gerade selbst von Senator Macer gehört, der hier wohl der kompetenteste Anwesende in militärischen Fragen ist, dass ich durchaus nach den Traditionen der römischen Kriegsführung gehandelt habe."
Livianus machte eine kurze Pause. Sein Blutdruck hatte sich wieder einigermaßen gesenkt und nach kurzem überlegen sprach er aus, was sich so mancher der Anwesenden vermutlich bereits dachte.
"Meine Herren, ihr vergesst wohl, dass ein Legatus Legionis einzig und allein dem Kaiser untersteht und auch nur diesem in allen Belangen Rechenschaft schuldig ist. Ich habe daher weder den Wunsch, noch die Absicht mich vor dem Senat in irgendeiner Art und Weise zu rechtfertigen……….und schon gar nicht, bevor ich mit dem Kaiser gesprochen habe."
Damit war die Sache für Livianus vorher vom Tisch. Keiner der anwesenden Senatoren würde es wagen, sich oder den Senat wichtiger als den Kaiser zu nehmen und auch wenn es so manchen nicht gefallen würde, hatte der Decimer mehr als Recht mit dem was er eben gesagt hatte. Dem Kaiser stand als obersten Feldherrn Roms das alleinige Recht zu, den ehemaligen Legaten all diese Fragen zu stellen. Livianus sah wieder zum Consul und dann zu Quarto. Einer von beiden sollte diese Farce nun endlich beenden, bevor Livianus sich noch entschloss, den Senat einfach zu verlassen und die ganze Sache abzubrechen. Mit einer Begrüßung hatte dieses Schauspiel bereits schon länger nichts mehr zu tun.