Beiträge von Marcus Decimus Livianus

    Mit einem Mal schlug die als Begrüßungszeremonie getarnte Befragung um. Natürlich war Livianus bereits vor dem betreten der Basilica klar gewesen, dass man ihn Fragen stellen würde, doch er hatte sich dies in einer gänzlich anderen Art und Weise erwartet. Es herrschte mit einem Mal ein Klima, dass dem früheren Legaten alles andere als zusagte. Einige der anwesenden Senatoren waren ihm eindeutig feindlich gesinnt. Aus welchem Grund dies so war, konnte Livianus noch nicht einschätzen. Den Beginn machte Claudius Menecrates, der früher selbst als Tribun bei der Legio I gedient hatte und Livianus plötzlich mit gleich mehreren Fragen konfrontierte, die der Senat eigentlich bereits im Vorfeld und ohne den Senator hätte klären können – vorausgesetzt irgendjemand hatte sich bisher dafür interessiert. Doch das war anscheinend nicht der Fall.


    Livianus wurde, noch bevor er antworten konnte, von einem neben ihm sitzenden, befreundeten Senator am Ärmel gezogen und beugte sich nach unten. Während er einige leise gesprochene Informationen darüber erhielt, was der Senat bisher in dieser Angelegenheit unternommen hatte, begann eine kurze Diskussion, die sich um die Frage des richtigen oder falschen Verhaltens des früheren Legaten drehte. Der oberste `Ankläger´ war hierbei Flavius Furianus, der ehemalige unrühmliche Proconul von Hispania, der weitere Fragen, oder sollte man sagen Vorwürfe, in den Raum stellte und nun wohl endlich die Gelegenheit gewittert hatte, jemand anderen als negatives Gesprächsthema in den Mittelpunkt stellen zu können.


    Der Decimer hatte Mühe sowohl dem befreundeten Senator, als auch der Diskussion zu folgen und merkte wie zusätzlich Ärger in ihm aufstieg. So hatte er sich diese Begrüßung bestimmt nicht vorgestellt. Dennoch blieb er besonnen und ruhig. Als er sich wieder erhob sah er durch die Runde der Senatoren und überlegte einen Moment, was er nun auf all diese Wortmeldungen erwidern sollte. Das Alles ging ganz klar in eine Richtung – man versuchte den Ruf und die Loyalität des Decimers in Frage zu stellen. Ein Umstand, den Livianus alles andere als Positiv aufnahm und so keinesfalls hinnehmen wollte.


    "Eigentlich hatte mich der Consul heute zu einem Empfang – er nannte es wohl eine Begrüßung durch den Senat - eingeladen. Ich wundere mich nun ehrlich gesagt etwas darüber, wie der Senat seine Mitglieder begrüßt. Aber es kann durchaus sein, dass ich zu lange weg war, um die neuen Sitten und Bräuche nachvollziehen zu können, die in diesen Heiligen Hallen wohl seitdem Einzug gehalten haben."


    Mit einem unfreundlichen Blick bedachte er den Consul, der dieses Kreuzverhör von Anfang an unterbinden hätte müssen. Doch die Sitzung schien ihm bereits lange aus dem Ruder gelaufen zu sein. Dann wandte er sich wieder an die Senatoren.


    "Ich habe nun eher das Gefühl vor einem Gericht zu stehen, das meine Führungsqualität als Legat und meine Loyalität gegenüber dem Kaiser und Rom in Frage stellt. Noch dazu, wo man viele dieser Fragen bereits im Vorfeld abklären hätte können.


    Senatoren Quarto und Menecrates. Hat der Senat nach der Rückkehr der Legio I selbiges Interesse an meinem Verschwinden gezeigt und all diese Fragen meinem damaligen Stellvertreter und heutigen Legaten der Legio I Tiberius Vitamalacus gestellt. Hat der Senat bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Erwägung gezogen, die damals unter mir dienenden Stabsoffiziere zu befragen oder eine Untersuchung in die Wege zu leiten, wenn man Sorge hatte, so wie es mir zumindest im Moment scheint, es könnte sich um eine Verschwörung oder einen absichtlich gelegten Hinterhalt handeln.


    Und Senator Furianus. Wie du selbst richtig sagtest, bist du wahrlich kein Kenner von militärischen Taktiken und hattest, soweit mir bekannt, noch nie selbst ein Kommando inne. Ich denke, wir können daher alle gut auf deine fachmännische Meinung zu diesem Thema verzichten. Außerdem hast du ja gerade selbst von Senator Macer gehört, der hier wohl der kompetenteste Anwesende in militärischen Fragen ist, dass ich durchaus nach den Traditionen der römischen Kriegsführung gehandelt habe."


    Livianus machte eine kurze Pause. Sein Blutdruck hatte sich wieder einigermaßen gesenkt und nach kurzem überlegen sprach er aus, was sich so mancher der Anwesenden vermutlich bereits dachte.


    "Meine Herren, ihr vergesst wohl, dass ein Legatus Legionis einzig und allein dem Kaiser untersteht und auch nur diesem in allen Belangen Rechenschaft schuldig ist. Ich habe daher weder den Wunsch, noch die Absicht mich vor dem Senat in irgendeiner Art und Weise zu rechtfertigen……….und schon gar nicht, bevor ich mit dem Kaiser gesprochen habe."


    Damit war die Sache für Livianus vorher vom Tisch. Keiner der anwesenden Senatoren würde es wagen, sich oder den Senat wichtiger als den Kaiser zu nehmen und auch wenn es so manchen nicht gefallen würde, hatte der Decimer mehr als Recht mit dem was er eben gesagt hatte. Dem Kaiser stand als obersten Feldherrn Roms das alleinige Recht zu, den ehemaligen Legaten all diese Fragen zu stellen. Livianus sah wieder zum Consul und dann zu Quarto. Einer von beiden sollte diese Farce nun endlich beenden, bevor Livianus sich noch entschloss, den Senat einfach zu verlassen und die ganze Sache abzubrechen. Mit einer Begrüßung hatte dieses Schauspiel bereits schon länger nichts mehr zu tun.

    Livianus seufzte. Diese Frage hatte ihn selbst auch lange Zeit beschäftigt und während seiner Gefangenschaft hatte er Zeit genug um sich darüber Gedanken zu machen. Immer wieder und wieder war er die Ereignisse dieses Tages durchgegangen und hatte jede noch so kleine Wahrnehmung in seine Überlegungen mit einbezogen. Wirklich sicher konnte man sich nie sein. Doch letztendlich kam er auch heute zu dem gleichen Entschluss wie damals.


    "Nein. Mein Ausritt war so kurzfristig angesetzt und mit Niemand besprochen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich an den Feind verraten wurde."

    "Schon gut Quarto. Der Senat hat ein Recht darauf es zu erfahren."


    Livianus musste einen Moment lang nachdenken, um sich diese Detail möglichst genau in Erinnerung zu rufen, ehe er eine Antwort geben konnte.


    "Es waren zwanzig Reiter meiner Leibgarde. Sie unterstanden also meinem Befehl. Ausgesuchte, gute Männer. Wie weit wir von Edessa entfernt waren ist schwer zu sagen. Wir sind ungefähr ein bis zwei Stunden geritten und waren vermutlich um die 20-30 km von der eingenommenen Stadt entfernt als es passierte.


    Ob sie uns tatsächlich aufgelauert haben kann ich nicht beantworten. Es kann durchaus sein, dass sie uns bereits vorher schon bemerkt haben und diese Gelegenheit nutzten, um uns anzugreifen. Dennoch war es vermutlich nur Zufall, dass sie ausgerechnet auf uns getroffen sind. Es war ein nicht all zu großer Trupp von Angreifern der uns nur überlegen war, weil wir uns aufgeteilt hatten."

    "Das sind die Anklagepunkte."


    Livianus überreichte seinem Bruder eine Abschrift des Briefes, den er kurz zuvor in die Basilica Ulpia bringen hatte lassen.



    An den Praetor Urbanus
    Basilica Ulpia
    Roma




    Geschätzter Praetor!


    Hiermit erstatte ich, Senator Marcus Decimus Livianus, gemäß Cod Iur § 24 Strafanzeige gegen


    Senator Quintus Germanicus Sedulus


    Die Vorwürfe lauten auf


    § 81 Nötigung und Bedrohung
    (2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahe stehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe von 1 bis 3 Monaten oder mit Geldstrafe von 200 bis 600 Sz. bestraft.


    § 84 Üble Nachrede
    (1) Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe von 1 bis 3 Monaten oder mit Geldstrafe von 200 bis 800 Sz. bestraft.
    (2) Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften eine üble Nachrede aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von 3 bis 5 Monaten oder Geldstrafe von 400 bis 1.600 Sesterzen.


    geschehen während der Senatssitzung zur Kandidatur meiner Person um das Amt des Praetors.


    Ich bitte um Prüfung des Sachverhalts und Aufnahme eines Verfahrens.



    Marcus Decimus Livianus
    Senator




    "Ich überlasse solche Entscheidungen liebend gerne dir. Schließlich bist du der Procurator in unserer Familie. Aber könnten diese Anklagepunkte auch bei einer Anzeige von Amtswegen übernommen werden oder würde sich das dann nur auf § 84 (2) beschränken?"

    "Sehr gut Mattiacus. Ich danke dir."


    LIvianus hatte zwar mit keiner anderen Antwort gerechnet, er konnte schließlich tatsächlich immer auf seine Brüder zählen, doch tat es trotzdem mehr als gut, es immer wieder bewiesen zu bekommen. Er nickte daher dankend und sprach weiter.


    "Ich habe mir mit der Anzeige bis heute Zeit gelassen um die Wahlen nicht zu beeinflussen. Eine Anzeige gegen einen Senator, noch dazu mit diesen Vorwürfen, darf nicht unüberlegt eingereicht werden. Hätte es sich bereits vor den Wahlen herumgesprochen, hätten sich einige der unentschlossenen Senatoren vielleicht letztendlich doch gegen mich entschieden. Doch nun steht dem ganzen nichts mehr im Wege. Da ich zwar gewählt wurde, aber noch nicht im Amt bin, hat sich noch der alte Praetor mit dem Fall zu befassen. Mir ist dabei mehr als wichtig, dass ich mich nicht selbst vertreten muss, sondern das du als mein Anwalt fungierst."

    "Mattiacus. Danke das du so schnell kommen konntest. Bitte setz dich."


    Auch wenn Livianus die Sache vielleicht zwei Mal erklären musste, so war sie zu wichtig, als sich nun lange mit dem üblichen Geplaudere aufzuhalten, bis Serapio eintraf. Er begann daher ohne Umschweife und mit deutlich zu hörenden Ernst in seiner Stimme.


    "Wie dir vielleicht schon zu Ohren gekommen ist, gab es bei meiner Kandidatursrede im Senat einen Eklat mit Senator Germanicus Sedulus. Er hat einige Vorwürfe geäußert, meine Ehre in Frage gestellt und mich schließlich bedroht. Das alles vor den Augen des versammelten Senats.


    Ich habe mich nun entschlossen ein Gerichtsverfahren gegen diesen Senator anzustreben und heute die nötigen Unterlagen an den Praetor übermitteln lassen. Mir wäre dein rechtlicher Beistand in dieser Angelegenheit mehr als wichtig."

    Dieser Consul war der reinste Witz und Livianus war mehr als froh, dass nun Senator Aelius Quarto das Zepter in die Hand nahm und die bisher vermisste Führungsrolle im Senat übernahm. Dem mehrfachen Consular viel dies bestimmt nicht all zu schwer und sein Wort hatte einiges an Gewicht. Livianus wartete daher nicht erst, bis der Consul wieder mühsam nach Worten rang um Quarto letztendlich zuzustimmen sondern nickte Quarto dankend zu und erhob sich wieder. Der Senator versuchte seine Erinnerungen so gut wie möglich wieder zu geben.


    "Nun geschätzte Senatoren. Wo soll ich beginnen……


    Es war kurz nach der Schlacht um Edessa. Die Stadt war gefallen und von unseren Truppen besetzt. Mir war zu diesem Zeitpunkt klar, dass wir die ersten wichtigen Schritte im Feldzug gegen die Parther eingeleitet hatten, aber dass es nun zügig weitergehen musste. Der erste wichtige Sieg bzw. die erste große Niederlage des Feindes ließ die Moral der römischen Truppen sprunghaft ansteigen und ich vermutete, dass die Parther im Gegenzug ihren ersten Schock hinnehmen mussten.


    Früh am Morgen ließ ich einen Reitertrupp bereitstellen. Ich wollte mir ein Bild von der näheren Umgebung machen, um danach die weitere Route besser planen zu können. Seit ich Centurio war habe ich mir immer selbst ein Bild von der Lage gemacht und mich nie auf Landkarten oder Berichte der Meldereiter verlassen. Wir gingen davon aus, dass Rund um Edessa alle Feinde geflohen bzw. zurückgeschlagen waren und dementsprechend keine Gefahr mehr bestand. Dies war wohl eine Fehleinschätzung.


    Nach einer ganzen Weile erreichte mein Trupp einen hügeligen und äußerst unübersichtlichen Streckenteil und der Truppführer gab Zeichen kurz zu pausieren, ehe er den Weg fortsetzen wollte. Ich war damit einverstanden und bestätigte seinen Befehl. Einige Reiter steigen vom Pferd und andere wurden vom Decurio losgeschickt, um den noch vor uns liegenden Weg zu erkunden. Ich selbst schloss zum Decurio auf und stieg schließlich selbst vom Pferd ab.


    Von einen Moment auf den Anderen brach plötzlich die Hölle los. Pfeile schossen durch die Luft und trafen den neben mir stehenden Decurio direkt in die Brust. Auch einige andere Soldaten wurden getroffen. Die verbleibenden Männer versuchten einen Verteidigungsring um mich zu bilden, doch es war vergebens. Ein parthischer Spähtrupp hatte uns anscheinend entdeckt und griff nun von mehreren Seiten an.


    Danach ging alles sehr schnell. Wir versuchten uns zwar Anfangs frei zu kämpfen, doch wurden schließlich überwältigt. Ich bekam im Zweikampf mit einem parthischen Soldaten einen harten Gegenstand, vermutlich einen Schwertgriff über den Kopf gezogen und kam dann erst in einem parthischen Kerker zu mir."

    Livianus erwiderte die überschwängliche Begrüßung seines Bruders. Er freute sich ebenso ihn nach dieser langen Zeit zu sehen und wieder in die Arme schließen zu können. Mittlerweile hatte er auch von der Mission erfahren, auf die Mattiacus und Meridius vom Senat geschickt wurden und erfolglos heimgekehrt waren. Er machte jedoch weder dem einen noch dem anderen Vorwürfe. Sie hatten ihr Bestes gegeben und waren gescheitert. Magnus hatte, Fortuna war dank, mehr Glück mit seiner Suche.


    "Schon gut Mattiacus. Ich bin euch trotzdem sehr dankbar für eure Bemühungen. Hauptsache wir sind nun alle Gesund wieder hier. Ich habe gehört Meridius hat sich nach seiner Rückkehr auf seine Landgüter zurückgezogen?"

    Zitat

    Original von Medicus Germanicus Avarus
    Wie auf Anfrage bestätigt, erschien Senator Germanicus Avarus am Abend vor dem Haus der Decimer. Leider würde er heute nicht seine Frau hier antreffen, wie auch wäre Lucilla in Rom wohnt sie in ihrem 'neuem' Heim, seinem Haus. Trotzdem rang ihm dieser Gedanke ein Seufzen ab, das aber in Hoffnung auf ein extravagantes Mahl schnell verflog. Er hüpfte fast aus der Sänfte -war wohl besser in der Nacht dann sich tragender weis zurück bringen zu lassen- und ließ einen der Begleitsklaven anklopfen.


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    Der Ianitor sah neugierig zu der Sänfte, als er den Sklaven begüßte. Senator Germanicus Avarus war ihm bereits gut bekannt und so erübrigte sich jede weitere Frage. Er war auch bereits darüber informiert, dass er von Senator Livianus erwartet wurde. Mit einer einladenden Geste öffnete er die Türe zur Casa.


    "Dein Herr kann eintreten und im Atrium warten. Ich werde Senator Livianus sofort Bescheid sagen lassen."

    Zitat

    Original von Narrator Italiae
    Ein Mitarbeiter des Praetors klopfte an und verlangte Decimus Livianus zu sprechen.


    [Blockierte Grafik: http://img169.imageshack.us/img169/8343/sklaveianitorfr0rt1.jpg]


    Der Ianitor nickte und verschwand kurz im Inneren der Casa. Wenige Minuten später stand Livianus im Eingangsbereich und grüßte den Beamten.


    "Salve! Ich bin Decimus Livianus. Was kann ich für dich tun?"

    Man konnte deutlich sehen mit welcher Begeisterung der Senator bei diesem Thema dabei war. Er hatte die Schilderungen des Aureliers regelrecht von seinen Lippen abgelesen und zeigte ehrliche Freude über die durchwegs positiven und zukunftsweisenden Berichte. Auch wenn Meridius viel für die Aurata getan hatte und sie ihm viel verdanken konnte, so sah Livianus es alles andere als Negativ, dass endlich neue, jüngere Generationen am Ruder waren und die Geschicke der Factio in eine neue und zukunftsorientierte Richtung leiteten.


    "Das sind wunderbare Neuigkeiten. Ich freue mich, dass die Aurata derzeit wieder einen solchen Aufschwung erlebt. Zu meinen aktiveren Zeiten waren unsere erzielten Ergebnisse leider immer sehr bescheiden. Trotzdem hat es mich nie davon abgehalten der Factio die Treue zu halten."


    Livianus überlegte kurz.


    "Wenn ich irgendetwas für die Factio tun kann, dann halte dich nicht zurück. Es währe mir eine Ehre und Freude."

    Nach dem betretend des Officiums und noch während Livianus sich verbeugte, wurde er vom Kaiser angesprochen. Die Worte des Kaisers, auch wenn sie keineswegs Vorwurfsvoll klangen, trafen den ehemaligen Legaten mitten ins Herz. Wie oft hatte er sich bereits selbst derartige Vorwürfe gemacht. Er hatte nicht mitgezählt. Die Nachricht über den Tod Iulianus hatte ihn damals ebenso hart getroffen und immer wieder kamen in ihm die Gedanken auf, dass es als Legat der Legio Prima seine Aufgabe gewesen wäre, für die Sicherheit des Kaisers zu sorgen. Doch er war nicht da, als der Kaiser starb und er war auch nicht da, um den Feldzug fortzusetzen und den Tod des geliebten Kaisers zu rächen. Nach seinem Verständnis trug er damit ebenso Mitschuld am Tod Iulianus, wie diese verdammten Parther. Der Senator verharrte noch einen kurzen Moment mit zu Boden gerichtetem Blick.


    "Hätte ich Einfluss auf die Entscheidungen der Götter, würde ich ohne zu zögern seinen Platz einnehmen."


    Aus seiner leisen Stimme klang Betroffenheit und Traurigkeit und erst nach Vollendung dieses Satzes hob er langsam seinen Blick und trat die letzten Schritte auf Valerianus zu. Das war er also, der neue Augustus, der Nachfolger seines göttlichen Patrons Iulianus und der Mann über den Livianus seit seiner Rückkehr bereits so viel gehört hatte. Die kaiserlichen Ärzte und Hofdiener hatten ganze Arbeit geleistet. Auch wenn der Kaiser fast statuengleich auf seinem Stuhl saß, so sah man ihm auf den ersten Blick keinerlei Beschwerden an. Wie es ihm tatsächlich ging und ob er Schmerzen empfand, blieb unter seiner würdevollen und fast stoischen Mine verborgen.


    "Ich danke dir, dass du mich trotz der Umstände empfangen hast, mein Kaiser."


    Der Senator nickte dem Mann dankend zu. Auf die Umstände selbst, wollte Livianus nicht direkt eingehen, um das Gesicht des Kaisers zu wahren, aber er wollte dem Ulpier damit zu verstehen geben, dass man in Rom darüber sprach und selbst er, nach seiner erst kürzlichen Rückkehr, davon erfahren hatte. In wie weit der Kaiser im Laufe des Gespräches auch auf seine Krankheit zu sprechen kam, war letztendlich ihm selbst überlassen.

    Für einen kurzen Moment machte sich Livianus tatsächlich Sorgen, dass dieser Aurelier nur wieder ein Sensationslustiger mehr war, der sich die Geschichten des Ex-Legaten anhören wollte. Umso erfreulicher war die Selbsterkenntnis des jungen Mannes und sein Themenwechsel, der dem Senator keine Zeit ließ auf die zuvor kurz angerissene Äußerung zu Livianus Gefangenschaft zu antworten.


    Im nächsten Moment erhellte sich Livianus Gesicht deutlich und ein breites Lächeln trat in sein Gesicht. Der neue Priceps Factionis der Aurata. Ein wahrlich glücklicher Zufall, der die beiden Männer zusammen geführt haben musste.


    "Dann freut es mich natürlich umso mehr dich kennen zu lernen. Ich liebe die Spiele. Vor allem die Wagenrennen…… und bin nach wie vor ein begeisterter Anhänger der Aurata. Auch wenn ich schon lange keine Gelegenheit mehr hatte ein Rennen persönlich zu besuchen. Aber die Atmosphäre an einem Renntag, der Geruch des Circus Maximus, die bunten Fahnen und Farben der verschiedenen Factiones – das vergisst man nicht so schnell."


    Die Augen des Senators leuchteten beim Gedanken daran. Auch wenn sein letzter Besuch bei einem Wagenrennen lange zurück lag, so waren diese Momente als Zuschauer auf den Tribünen immer unvergesslich gewesen.


    "Da Meridius nicht mehr in Rom weilt war es bereits voraus zu sehen, dass es einen neuen Princeps geben muss. Ich hatte bisher jedoch leider nicht ausreichend Zeit mich mit der Factio in Verbindung zu setzen. Und natürlich habe ich nach wie vor großes Interesse an der Aurata. Wie steht es derzeit um sie?"

    "Ich danke dir."


    Livianus nickte dem jungen Mann zu. Eines hatten die beiden Männer jetzt schon gemeinsam. Sie wunderten sich beide über das Ergebnis der Wahl. Doch aus unterschiedlichen Gründen. Anders als der Aurelier hatte Livianus eher aufgrund der Vorwürfe von Sedulus mit mehr Gegenstimmen aus den Reihen der Senatoren gerechnet. An der kurzen Vorbereitungszeit war bestimmt noch nie eine Wahl gescheitert, doch das würde der Aurelier bestimmt noch selbst im Laufe seiner politischen Karriere lernen, die er anscheinend bereits begonnen hatte.


    "Ich habe einfach die Gunst der Stunde genutzt. Wenn ganz Rom über dich spricht, so hat dies durchaus gewisse Vorteile. Zudem war ich ja auch vor dem Feldzug gegen die Parther kein Unbekannter hier in Rom. Viele der älteren Senatoren haben sich wohl auch daran erinnert."


    Warum sollte Livianus einen Hehl daraus machen. Er hatte hoch gepokert und letztendlich die richtigen Entscheidungen getroffen. Natürlich hätte es auch schief gehen können, doch Fortuna war ihm hold und so war es unnötig nun darüber nachzudenken was gewesen wäre, hätten die Senatoren gegen ihn entschieden. Nichts war unüberlegt geschehen und nichts würde auch in Zukunft ohne genaue vorherige Abwägung passieren. Waren die Schritte gesetzt, so konnte man den Rest nur noch seinem Glück überlassen. In Livianus speziellen Fall kam ihn neben seiner momentanen Popularität natürlich auch seine bisherigen Verdienste um Rom und das Reich zu Gute und es war schön zu sehen, dass der Senat nicht darauf vergessen hatte.

    Livianus musste nicht besonders lange warten, bis sich bereits der erste mögliche Gesprächspartner zu ihm gewagt hatte. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen und so musterte er den Mann mit einem freundlichen Gesichtsausdruck, als er von ihm angesprochen wurde. Der Name des Unbekannten, der gute zwanzig Jahre jünger wirkte, war ihn im ersten Moment nicht geläufig, wohl aber dessen Gens. Die Aurelier waren ein alterwürdiges Familiengeschlecht Roms und der Senator hatte bereits im Laufe seines Lebens mit dem Einen oder Anderen von ihnen zu tun gehabt. Kein Wunder also, dass er dem jungen Mann die Bitte nicht abschlug und einladend mit seiner Hand auf einen freien Platz neben ihn deutete.


    "Salve Aurelius. Du darfst. Ich denke wir hatten bisher noch nicht das Vergnügen?"


    Sicherheitshalber fragte er nach. Vielleicht waren sich die beiden Männer schon irgendwo vor langer Zeit über den Weg gelaufen und Livianus konnte sich einfach nur nicht daran erinnern. Sich selbst vorzustellen war wohl auch nicht nötig, da nach den letzten Tagen wohl kaum jemand in Rom nicht wusste, wer Livianus war.

    Wo könnte man besser und schneller den neuesten Tratsch und Klatsch über aktuelle politische Belange und die römische Gesellschaft erfahren, als bei einem entspannenden Bad in den Thermen. Dies hatte sich auch Livianus an diesem wunderschönen Morgen gedacht und kurzerhand beschlossen, die Agrippathermen am Rande des Marsfeldes aufzusuchen. Vielleicht traf man dort das eine oder andere bekannte Gesicht oder auch einen befreundeten Senator, der einen auf den neusten Stand des höchsten politischen Gremiums des Reiches brachte. Vermutlich aber wollte jeder vermeidliche Gesprächspartner mehr von Livianus und über seine Gefangenschaft, die abenteuerliche Flucht und die beschwerliche Rückkehr nach Rom erfahren. Es war abzuwarten ob sich überhaupt ein passender Gesprächspartner fand, dem der Senator seine Aufmerksamkeit schenken wollte.


    Bereits beim Eingang wurde er herzlich von den Angestellten begrüßt und in die Umkleide gebracht. Er brauchte nicht lange um seine Kleider abzulegen und fand sich schließlich im großen Hauptsaal der Therme wieder, die bereits von einigen Männern der unterschiedlichsten Stände und Ränge bevölkert war. Hier und da wurde er gegrüßt und grüßte durch ein paar Worte oder ein freundliches Kopfnicken zurück. Bisher hatte er jedoch noch niemanden entdeckt, mit dem er ein Gespräch beginnen wollte. Sich neugierig umblickend trat er schließlich auf den Beckenrand zu und legte sein Badetuch ab, in das er seinen Körper auf dem Weg hierher gewickelt hatte.


    Die Spuren seiner Gefangenschaft waren nach wie vor deutlich zu erkennen. Zu den alten Narben aus vergangenen Tagen waren frische und noch nicht gänzlich verheilte Narben und verkrustete Wunden hinzugekommen. Bereits in Aegyptus hatte er Ärzte aufgesucht, die alle Wunden ordnungsgemäß säuberten und verarzteten, sodass bis auf den bereits gewohnten Anblick von Narben, in wenigen Wochen nichts mehr an die schrecklichen Geschehnisse erinnern sollten. Auch die vernarbten und unzähligen Spuren der Peitsche, die Livianus mehr als einmal zu spüren bekam, waren deutlich am Rücken zu sehen. Kein besonders schöner Anblick, der viele abschrecken würde. Doch der ehemalige Legat machte sich darüber keine Gedanken. Die Blicke neugierigen war er mittlerweile gewohnt, auch wenn sie sich heute bei den meisten Gaffern mit einer gewissen Erschrockenheit und Entrüstungen vermischten. Vielen der Anwesenden wurde vermutlich heute zum ersten Mal klar, welche Qualen der Senator während seiner Gefangenschaft durchgemacht haben musste. Livianus ließ sich jedoch dadurch nicht verunsichern und stieg in das angenehm warme Wasser.


    Es war mehr als angenehm und zauberte ein genießerisches Schmunzeln auf das Gesicht des Decimers. Er suchte sich ein übersichtliches Plätzchen am Rande des Beckens, von dem aus er die Halle gut überblicken konnte und machte es sich dort bequem.


    Sim-Off:

    falls jemand Lust hat…..:)

    Ein Bote erreichte die Basilica Ulpia und gab einen Brief ab.



    An den Praetor Urbanus
    Basilica Ulpia
    Roma




    Geschätzter Praetor!


    Hiermit erstatte ich, Senator Marcus Decimus Livianus, gemäß Cod Iur § 24 Strafanzeige gegen


    Senator Quintus Germanicus Sedulus


    Die Vorwürfe lauten auf


    § 81 Nötigung und Bedrohung
    (2) Wer einen Menschen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahe stehende Person gerichteten Verbrechens bedroht, wird mit Freiheitsstrafe von 1 bis 3 Monaten oder mit Geldstrafe von 200 bis 600 Sz. bestraft.


    § 84 Üble Nachrede
    (1) Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe von 1 bis 3 Monaten oder mit Geldstrafe von 200 bis 800 Sz. bestraft.
    (2) Wird gegen eine im politischen Leben des Volkes stehende Person öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften eine üble Nachrede aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung des Beleidigten im öffentlichen Leben zusammenhängen, und ist die Tat geeignet, sein öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist die Strafe Freiheitsstrafe von 3 bis 5 Monaten oder Geldstrafe von 400 bis 1.600 Sesterzen.


    geschehen während der Senatssitzung zur Kandidatur meiner Person um das Amt des Praetors.


    Ich bitte um Prüfung des Sachverhalts und Aufnahme eines Verfahrens.



    Marcus Decimus Livianus
    Senator



    Livianus nickte verständnisvoll, auch wenn er mehr als verwundert über die Tatsache war, dass der Kaiser um diese Zeit schlief. Es konnte sich um einen Zufall handeln, oder bereits ein Vorzeichen sein, wie es um die körperlichen Kräfte des Herrschers stand.


    "Vielen Dank. Ich werde im Garten warten wenn es Recht ist."


    Bereits auf der Fahrt hier her hatte der Senator die wunderschöne Umgebung des kaiserlichen Landguts bewundert und so war ihm die Entscheidung nicht sonderlich schwer gefallen, sich für eine Wartezeit im Garten zu entscheiden. Ein kurzer entspannender Spaziergang an diesem angenehmen Tag war genau das Richtige um noch einmal seine Gedanken zu ordnen und sich auf das Aufeinandertreffen mit dem Kaiser vorzubereiten. So folgte er einem Diener in die der Umgebung angepasste Parkanlage, die zudem einen wunderbaren Ausblick auf das Meer bot.

    "Wunderbar! Das sind wunderbare Neuigkeiten."


    Beim hereinkommen klopfte Livianus seinem Scriba dankend auf die Schulter. Er hatte ihm eben zur Kenntnis gebracht, dass die Abstimmung im Senat zu Gunsten des Decimers ausgefallen war und er mit knapp über zwei Drittel Mehrheit zum Praetor gewählt wurde. Livianus strahlte über das ganze Gesicht als er den Raum betrat und nahm die bereits anwesenden Familienmitglieder in seinem Freudentaumel zuerst nicht wahr. Die Germanicer hatten es also nicht geschafft einen Keil zwischen den Senat und Livianus zu treiben. Ein sicheres Zeichen, dass der Senator den richtigen Weg eingeschlagen hatte und es kein Fehler war, sich sofort nach seiner Rückkehr wieder in den Mittelpunkt des öffentlichen Lebens zu rücken. Überschwänglich grüßte er in die Runde.


    "Salvete!"

    Gedankenversunken saß Livianus in seinem alten Officium. Die Sklaven hatten es wieder in Schuss gebracht und in den kommenden Monaten würde es ihm als Ausgangspunkt für die Planung seiner Rückkehr auf die politische und öffentliche Bühne Roms dienen. Bereits jetzt hatte der Senator gemerkt, dass er mit einigen Widerstand rechnen musste und es nicht leicht war, die geplanten Wege immer gradlinig einzuhalten. Den ersten Rückschlag hatte er bei der Kandidatur zum Prätorenamt erlebt. Die Germanicer hatten in dort ordentlich in die Mangel genommen und vor allem die Geschichte mit Sedulus war äußerst unangenehm gewesen. Wie sehr sich das auf die Wahl auswirkte, konnte er noch nicht bemessen. Doch diese Sache lag ihm seitdem im Magen und er konnte und wollte dies nicht einfach so hinnehmen.


    Livianus rief einen Sklaven herbei und ließ ihm nach Mattiacus und Serapio suchen. Sie sollten schnellstmöglich in sein Officium gebracht werden. Es gab einiges zu besprechen.