Beiträge von Appius Decimus Massa

    Der Platz übertraf alles von mir bisher gesehene. Über eine der breiten Straßen die hier winklig und übersichtlich angelegt worden waren erreichte ich ihn. Der Namensgeber ein großer Heerführer und Herrscher, so stellte sich auch der Platz dar. Alexandria sollte seine Hauptstadt, für sein Reich werden.
    Überwältigt ging ich durch einen der riesigen Torbögen, betrat den Platz. Menschen über Menschen. Sie handelten, saßen gemütlich beisammen oder diskutierten hitzig. Ich musste aufpassen nicht gleich an den ersten Ständen meine Sesterzen los zu werden. Die Gerüche, Gewürze, feinstes Gebäck, Parfüme, Weihrauch geschwängerte Luft. Die Augen begannen zu schmerzen, bei dem was es zu sehen gab. Die Anhäufung von fein gearbeiteten Messern, Dolchen, Schwertern, Schilden, ausgeschmückt mit feinsten Einlegarbeiten, Stoffe von grob bis ein, exquisiten Tonwaren, Schmuck aus Gold, Silber, Elfenbein, Perlen, Edelsteinen, Schminke aus bester Herstellung, fein zermahlene Pulver aus Halbedel- und Edelsteinen, in einer Vielzahl von Farben. Das Ausrufen und Anpreisen ihrer Waren. Alles das war außergewöhnlich.


    Eine kleine dunkelhaarige Schönheit winkte mir zu, ich sollte ihr in die Taverne folgen. Kopfschüttelnd lehnte ich mit einem freundlichen Lächeln ab. Eine in schwarz gekleidete Gestalt huschte an mir vorbei. Mir stockte der Atem, war sie es gewesen? Ich wollte hinterher, hatte mich in Bewegung gesetzt. Sie blieb bei einem Händler stehen und lüftete das Tuch. Ich hörte Wortfetzen, sah ein fremdes Gesicht. Was hatte ich mir gedacht. Was um alles in der Welt sollte Neriman hier in Alexandria. Die Stadt, hier wäre sie hoffnungslos verloren.


    Ich verdrängte den Gedanken. Ihr Gesicht ging mir nicht aus den Kopf. Ich glaubte sie mit einem Mal überall zu sehen. Weg hier von den vielen Menschen. Ich überquerte den Platz und verließ ihn auf der gegenüberliegenden Seite durch einen weiteren riesigen Torbogen. In der Richtung lag das Paneion hatte man mir beteuert.

    Das Sonenntor, heute wollte ich in das Zentrum der Stadt. Das erste mal hatte ich es bis zum Hafen und dem Fremdenmarkt geschafft. Das exklusivste Gasthaus hatte ich von innen kennengelernt. Es gab mehr als das und ich wollte mehr davon sehen und erleben. Ich hatte vom Alexanderplatz und dem Paneion gehört. Heute meine zwei Ziele in Alexandria.

    Sein Lachen klang gequält, trocken, so unwirklich. Seine Hand beschwichtigend. Ich nahm es ihm nicht übel. Er war noch nicht genesen. Sein Arm belastete ihn. Es sollte mich beruhigen, von meinen Selbstzweifeln befreien „ Du warst im Sarapeion? Daher das neue Amulett. Sie konnten dir dort nicht helfen?“ Ich war ein bisschen fassungslos. „ Was hast du getan, dass dir die Götter so übel mitspielen. Mit was hast du ihren Zorn erregt.“ Das die Götter auf solche Weise reagieren konnten war neu für mich. Sie verweigerten ihm die fleischliche Lust, das sinnliche Spiel der Liebenden. Hatte er es einem anderen verweigert? Meist wurde gleiches mit gleichem vergolten, rächte man sich durch einen Fluch.


    Schwer für mich alles das nachzuvollziehen. Für uns sollte es keine gemeinsamen, erfüllten Stunden geben. Tief ein und Ausatmend setzte ich mich zu ihm. „ Ich dachte an ein Wiederfinden von uns beiden, das Begraben der Irrtümer.“ Es hatte sich einiges in der Wüste abgespielt, das keiner von uns verleugnen konnte. Oder hatten die Götter anders entschieden. Verweigerten sie ihn mir, weil mir ein anderer Weg vorbestimmt war. Was wusste ich von den Launen und den verschlungenen Wegen der Götter. Ein Besuch im Tempel konnte darüber ein wenig Klarheit bringen.


    „ Nicht du hast so entschieden Faustus.“ Ich erinnerte mich an seine Frage über den Hügel. „ Vielleicht war da oben doch etwas. So etwas wie ein Zeichen, eine Vorwarnung.“ Leise machte sich bei mir Enttäuschung breit. Resigniert sah ich zum Mond. Zwei Smaragde erstrahlten im Licht des Mondes. Ich fuhr über meine Augen, eine Sinnestäuschung. Fing es bei mir auch an. „ Ich brauche einen Schluck Wein.“ Ich griff mir den Schlauch und trank gleich daraus. Wenigstens etwas vom Abend haben, dachte ich und wenn es ein Brummschädel am nächsten Tag war.

    Ein sonniger Tag, wie jeden Tag hier, sonnig, heiß und trocken. Ich betrat den Cursus Publicus. "Einmal nach Rom bitte." Die Papyrus-Rolle auf den Tisch legend. Die 10 Sesterzen zählte ich einzeln auf den Tisch. " Danke und Vale."




    Ad
    Decemvir litibus iudicandis
    Aulus Tiberius Ahala Tiberianus
    Basilica Ulpia Officii Decimv. Lit. Iud.
    Roma – Italia



    Salve Decimvir litibus iudicandis Aulus Tiberius Ahala Tiberianus,



    Danke für deine tröstenden Worte. Ich habe mich entschlossen das Erbe von Titus Decimus Verus anzunehmen.


    Vale


    Appius Decimus Massa



    ANTE DIEM VIII ID IUL DCCCLXI A.U.C. (8.7.2011/108 n.Chr.)





    [Sim-off] bezahlt [/Sim-off]

    Hier lag die Rolle aus Papyrus. Das offizielle Schreiben aus Rom. Sein Onkel hatte eine Erbe hinterlassen. Was für ein Erbe? Ich wusste es nicht, kannte meinen Onkel aus ein, zwei Briefen. Was mich erwartete? Aus dem Papyrus war nichts zu entnehmen.


    Ein Stück Papyrus auf den Tisch, Tinte, ich hielt inne. Warum nicht annehmen? Ich bin mit den Wüstenbarbaren fertig geworden. Das Erbe war dagegen eine Kleinigkeit, gleich was es zu erben gab.
    Die Antwort war formuliert, einrollen und nach Alexandria. Der Termin musste eingehalten werden.

    Schwer wog die Tatsache, dass sich bei ihm nichts regte. Ich begann an meinen Fähigkeiten zu zweifeln. War ich am Ende nicht in der Lage ihm diesen Abend, den lang ersehnten zu erfüllen. Uns eine voluminöse Nacht zu schenken? Er brachte mich bald um den Verstand. Seine Worte, gingen unter die Haut, animierten mich. Mein Atem ging schneller, ich presste die Kiefer aufeinander. Zögerte mein Verlangen nach ihm hinaus. Trotz seiner lüsternen Worte, tat sich bei ihm nichts. Ich verzweifelte langsam. Im Schweiße meines Angesichts. Kaum noch Herr meiner Sinne. So unfähig ...? Es war das Opium, ja das Opium. Aber auch mit, gab es den Moment der aufstrebenden Begierde. Länger konnte ich nicht zurück stecken, wollte zupacken, ihn besitzen.


    Ein Ruck, ich war verwirrt, lag mit meinem Verlangen nach ihm allein gelassen da. Er fluchte, meinte mit Sicherheit mein Unvermögen. Abgewandt von mir, unzufrieden. Nur langsam, es kostete mich viel Kraft, beruhigte sich mein Körper, das Blut floss zurück. Mein Puls raste nicht mehr so sehr. Ich richtete mich auf und lehnte mich an die Verkleidung der Biga. Mein Atem hatte sich normalisiert. Wie entschuldigen? Was sagen? Du hast ihn vor den Kopf gestoßen. Ja. Das Sandkorn war‘s. Nein. Sie hat nichts damit zu tun. Du wolltest zu viel. Nein. Niemals. Was ging in ihm vor?


    Faustus saß mit dem Rücken zu mir. Ich rutschte an ihn heran, lehnte meine Stirn sachte an seinen Rücken. Meine rechte Hand glitt über seine rechte Schulter, blieb auf ihr liegen, übte leichten Druck auf sie aus. „ Kannst du mir verzeihen?“ flüsterte ich.

    Wir folgten ihm in seinen Kunstsaal, wie er es nannte. Zwei Wachen öffneten uns. Ich hatte festgestellt, dass ihre Waffen nicht zur Zierde dienten. Was immer es in diesem Saal gab bedurfte des Schutzes. Ein paar Kostbarkeiten ansichtig zu werden, war mir recht. Die Augen und die Sinne schulen. Das Grobe außen vor lassen. Hinter dem Tribun in den Kunstsaal eintretend, fiel mir ein Gemälde ins Auge, es stellte Perseus dar, der Medusa köpfte. Man sah wie er mit Schwung den Hals durch trennte, spürte die Kraft des Perseus und die Todesangst der Medusa, den Schrecken in ihrem Gesicht. Die anderen genauso ausdrucksstark. „ Wer hat dir die Kunstwerke verschafft. Sie sind lebendig, sehr ausdrucksstark. Wer war der Künstler?“ Ich betrachtete interessiert das nächste mit dem Trojanischen Pferd.

    Eben kurz vor dem Abgrund , bestieg er ohne große Mühen, den Gipfel allen Seins. Steckte mir Leckerbissen zu, die ich genüßlich verspeiste. Die erste Gelüste die sich in meinem Körper ausbreiteten. Die Umgebung hatte ich völlig aus den Augen verloren. Es gab nur einen, der in die Mitte meines Interesses rückte. Es war wie eine unsichtbare Kraft, die mich in seine Richtung zog, stieß und drängte. Eh ich begriff hatte er Energisch, das gesuchte findend, mein Feuer entfacht und mit wenigen Handgriffen zum Lodern gebracht.


    Meine Finger fuhren durch sein kurzes Haar, massierten seinen Nacken. Ich lehnte den Kopf an die Seitenwand, ließ mich fallen. Spürte wie alles Blut nach unten strebte sich anstaute. Mein Atem ging schneller, in meiner Brust fing es an zu beben. Kein Gedanke an irgend etwas, doch an das wilde Spiel in einem Traum, das mich am Morgen mit quälender Anspannung erwachen ließ.


    Angestrengt, im Versuch die Beherrschung nicht zu verlieren, flüstertend. Von dem Jungen mit der Maske des Hyacinthos auf dem Fest des Dionysos, Musik, Wein und Schauspiele. Das hingebungsvolle Spiel auf der Bühne, die sich in Ekstase tanzenden Frauen und Jünglinge. Unser gemeinsamer Reigen, Hyacinthos und ich, die sich immer enger umeinander windenden Körper. Der Morgen der mich Schweiß nass erwachen ließ in voller Kraft und unerfülltem Ende.


    „Aquila, wir sind bis hierher gekommen." keuchte ich "Und immer weiter lassen wir uns treiben, unser Ziel liegt direkt vor uns." Meine Hand griff fester in seinen Nacken, ausgehungert, neben mir das Ziel meiner wachsenden Begierde. Bist du dir sicher, dass er es ist? Jetzt keine Fragen und aufkommenden Zweifel. Ja, lass mich. Er ist es. Das was du gesucht hast? Ist er die Erfüllung deines Traumes? Hör auf, aus dir spricht purer Neid. Oder ist es das Sandkorn aus der Wüste? Ahhh, du erinnerst dich? Ich will mich jetzt nicht erinnern, lass mich.


    Ich verfiel langsam in einen Rausch, gab mich ihm immer mehr hin. Nein nicht..., heute will ich. Zögern, genießen, sich gehen lassen. Ich war mir selbst nicht einig.
    Meine Finger spürten die Kühle der Seide, darunter seine Hitze. Sie suchten, umspielten, eröffneten bei ihm den Reigen, er sollte in Flammen stehen, genauso wie ich. Ich verfiel langsam in einen Rausch, gab mich ihm immer mehr hin.

    „ Medizin...es ist Medizin in der richtigen Dosierung.“ Ich trank. Er war gereizt. War es auf das Zeug zurück zu führen? Den heutigen Abend weiter damit belasten? Ich sollte es lassen und einen geeigneteren Zeitpunkt wählen. Aber wann? Der Biss in die Feige unterbrach sein Aufbrausen. „ Nein, meine Träume habe ich bisher immer ohne Opium geträumt. Sie waren schön, anmutig, bezaubernd, abgrundtief hässlich, abartig, grausam. Immer so, wie ich mich gefühlt habe, so sind sie im Schlaf erscheinen.“


    Meinen Becher hatte ich abgestellt, wischte ihm sanft den Saft vom Kinn. Nahm seine Hand mit der Feige und biss ein Stück davon ab, ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Es reizte mich, seine Aggressivität, sein Aufbegehren gegen meine Vorwürfe. Ich beugte mich zu ihm, leckte ihm zärtlich die Lippen ab, ließ sie miteinander verschmelzen, den Saft der Feige schmeckend, dazu den fruchtigen Geschmack des Weins. Es war angenehm, entspannte die Situation. Ich selber wurde ruhiger. Langsam lösten sich unsere Lippen voneinander, ich sah ihn schmunzelnd an. „ Unser nächtliches Geheimnis und das Wunder dieses im Mondlicht silbern glänzenden See’s. Brauchst du mehr als mich dazu?“ flüster ich ihm zu, als ich mich wieder über ihn beugte. Ein von der Kühle der Nacht hervorgerufenes Zittern, lief durch meinen Körper. Es war sehr frisch geworden. Ich rutsche zu ihm auf die Seite. „ Du hast sicher nichts dagegen.“Halb auf der Kante sitzend, kroch ich wie selbstverständlich mit unter den Mantel. Mir wurde wärmer. Ich lehnte mich an die Kanzel und sah in den Himmel. Die Sterne glitzerten. „ Ein sehr schöner Platz.“ Hier brauchte man kein Opium. Die Stelle hier hatten ihren eignen Reiz, war wunderschön.

    Das hatte ich beim durchwühlen der Sachen übersehen. Den Weinschlauch unter den Arm geklemmt, untersuchte ich das Paket. Beiläufig ging ich auf seine Frage ein. „ Da oben?.. Du meinst auf dem Hügel? Außer dem Wind habe ich nichts gemerkt. War nur eine Sinnestäuschung von dir, weil du halb verdurstet und verhungert bist.“ Ich war der festen Überzeugung, dass es vom Opium kam. Es brachte ihn um den Verstand, schwächte seinen Körper und tötete seinen Geist. Schleichend, von ihm selber unbemerkt. Seine Umgebung nahm es war, zog sich von ihm zurück, wenn er weiter so machte. Alleine würde er dahin siechen. Brachte sich eines Tages selbst um.


    Zwei Becher waren in ein Tuch eingewickelt. Frisches Fladenbrot, Datteln, Feigen, zartes gebratenes Geflügel, packte ich aus. Ein Becher gab ich Faustus in die Hand und schenkte ein. Ein schöner gleichmäßiger Strahl ergoss sich in den Becher, glitzerte im Mondlicht. „ Das Opium bringt dich um. Hör auf damit. Es zerstört dich und nicht nur dich.“ Es war eine Feststellung meinerseits, die er nicht ignorieren konnte. Ich war kein Mensch der mit ansah, wie sich ein anderer zerstörte. Heute Abend, hier unter den Palmen am See, war er kein Tribun. „ Du zerstörst alles um dich.“ Ein Stück gebratenes Geflügelfleisch auf einen Fladen legend. „Wenigstens einen Bissen. Du hast auch nichts gegessen. Das vergisst man schnell bei diesem Zeug. Gewöhne dir das Essen wieder an. Der Medicus hat Mittel, die den Appetit wieder bringen. “ Meinen Becher anstarrend sagte ich leiser. „ Reicht das Sterben nicht fürs erste? Denk an deine Schwester, deinen Vater. Willst du sie im Stich lassen?“ Willst du mich im Stich lassen? hallte es in meinem Kopf. „ Denk an dich, deine Wünsche, deine Träume. Die kannst du dir nur mit eigener Kraft und Stärke erfüllen. Wir säßen heute nicht gemeinsam hier, hättest du in der Wüste nicht gezeigt, dass du sie hast.“

    Der Fahrtwind trieb mir Tränen in die Augen. Ich kniff sie zusammen. Es war herrlich. Ja, wir flogen dahin. Die zwei Schimmel , die weiße Biga, die wilde Fahrt, es musste so sein. Er stachelte die Pferde zu noch schnellerem Lauf an. Ich hielt ihn fester, drückte mich an ihn. Meine Herz pochte vor Aufregung. Vom höchsten Punkt des Sattels sah ich in die Schönheit des Tals hinab. Ein Traum tat sich vor mir auf. Heute war es einer, der in Erfüllung ging. Ich strahlte, war glücklich, ... es fand einen jähen Abbruch.


    Die Pferde! Der Wagen! „ Faustus!“ Er hatte Mühe alles unter Kontrolle zu halten bis wir standen. Ich hielt ihn, ich stützte ihn eher ab. Seine Hand hatte die Zügel fahren lassen, krallte sich in die Umrandung der Biga. „ Faustus! Aquila! Was hast du !“ Er zittterte, seine Stirn von Schweißperlen übersät. Diese elende Zeug. Daran war dieses elende Opium schuld. Ich konnte nicht viel tun. „ Ganz ruhig Faustus. Ich bin bei dir.“ Seine Hand von der Biga lösend , fing ich ihn auf, setzte ihn auf den Boden und legte ihm meinen Paenula um. Es klimperte leise auf seiner Brust. Sie rutschen aus der Tunika. Ein neues Amulett? Im fahlen Licht des Mondes schwer zu erkennen. Es dauerte bis ich es zuordnen konnte. Hastig durchsuchte ich das Gepäck am Wagen. Was ich suchte wusste ich nicht. Eine Decke fiel mir in die Hände. Sie landete auf meinem Paenula und sollte ihn ebenfalls wärmen. Ich wickelte ihn richtig darin ein.


    Zum See, in die Oase, dort gab es Wasser und Menschen. Das hieß für mich die Biga lenken. Trotz der Kälte fing ich an zu schwitzen, ich hatte noch nie die Zügel eines Gespanns in den Händen gehalten. Los, fahr ! Kann ich sie nicht nach unten führen? Das ist ein Wagen, der wird gefahren. Danke das weiß ich. Stell dich nicht so an. Ich stieg auf, stellte mich so, dass ich ausreichend Halt hatte und Faustus vor dem runter fallen bewahrte. Er hatte die Zügel schnalzen lassen. Versuch Nummer eins. Nein, nichts. Versuch Nummer zwei, etwas stärker. Die Stuten waren schnell bei der Sache. „OHHH.“ das ging aber zügig in die Senke. Ich zog an den Zügeln. Gut, das bremste sie ab. Sie rasten nicht mehr, sie rannten nur noch. Mir war nicht wohl, es durfte jetzt nur nichts unvorhersehbares eintreten. Eine halsbrecherische Fahrt. Der See in Sichtweite, eine kleine Palmengruppe. Bremsen gleich ziehen an den Zügeln. Geschafft. Durchgeschwitzt und schwer atmend band ich die Zügel an eine der Palmen. Lehnte mich kurz an, sah nach der Verschnaufpause zu Faustus im Wagen. " Faustus? Wie gehts dir." Meine Hand strich sanft über seine Wange und fühlte die Stirn. Nahm er mich überhaupt war? Ich setze mich auf die Kante der Plattform und überlegte was als nächstes wichtig war.

    Er hatte diesen Lycidas bei irgendwelchen Festspielen entdeckt. Mich wunderte mehr, das er als Lyraspieler, Künstler , gefragt in jeder besseren römischen Villa, hier geblieben ist. Er hätte in Rom mit seinem Spiel, Bewunderung und viel Geld verdienen können. Der Gymnasiarchos war ein Schlitzohr, was hatte er Lycidas geboten, dass dieser freiwillig hier in Alexandria blieb. Einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden war keine Zeit. Die Offenbarung einer Kunstsammlung im Kapeleion verdrängte den Lyraspieler. „ Dein Angebot nehme ich sofort an, Gymnasiarchos. Endlich wieder mal etwas für die Sinne. Als Legionär hat man nicht sehr viele Möglichkeiten und nicht die Zeit, der Künste zu frönen. Rom setzt bei uns andere Prioritäten.“


    Serapio war immer noch in das Spiel der Lyra vertieft. Folgte ich seinem Blick hing er mehr an dem Spieler als an der Lyra. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Man könnte doch... „Sag, Gymnasiarchos, wäre es möglich, dass der junge Künstler, an einem Abend beim Tribun vorstellig werden könnte. Es wäre ihm ganz bestimmt eine Ehre und ein kleiner Obolus als Dank würde dabei auch heraus springen.“ Die Idee war gar nicht so schlecht. Serapio packte hoffentlich zu und nutzte die Gelegenheit. Ich warf ihm einen vielsagenden Blick zu. Greif zu Faustus !

    Die Glückwünsche flogen dem Praefecten nur so entgegen. " Vale, Praefect und die besten Wünsche im neuen Amt." schloss ich mich an. Alles reichlich verwirrend, nicht nur für mich. Die Anwesenden waren erst einmal verstummt.
    Serapio sah mich an, ich ihn, die Augenbrauen hochgezogen und ein leichtes Schulterzucken von mir. Der Lyra Spieler hatte sich von der plötzlichen Verabschiedung nicht stören lassen und sein Spiel unvermindert excellent weitergeführt. Seine beschwingte Melodie versetzte einen ins Träumen.


    " Wo hast du diesen excellenten Lyra-Spieler gefunden, Gymnasiarchos. Ein Edelstein unter Kieseln. Der Wohlklang seines Spiels, betörend. Hat er sein Spiel bei Apollon gelernt?" Scherzte ich. " Es ist für meine Begriffe ausgezeichnet." Das Thema schien mir das angebrachteste in diesem Augenblick und lenkte vom fluchtartigen Verlassen des neuen Prätorianer-Präfecten ab. Was durchaus verständlich war, die neuen Pflichten riefen.

    Was für ein Wagen. Gar nicht zu vergleichen mit denen, die ich bisher bei Wagenrennen zu Gesicht bekommen hatte. Bei den Stuten war ich vorsichtig, diese imposanten Tiere ....Die eine Stute, Quarta, spürte, dass ich sie mehr zurückhaltend ansah. Ja, es ist keine Angst, sagen wir, Respekt vor dem Tier. Ich streckte die Hand aus und wollte sie streicheln... Faustus !! du kannst mir doch nicht... Er stand unternehmungslustig im Wagen. Später liebe Stute. Nun denn, ich sprang zu ihm. War eine wackelige Angelegenheit , ich musste Halt suchen, erfasste den Rand der Kanzel. Kam links hinter ihm zum Stehen. „ Oh, ja wild. Ich bin noch nie mit einem Gespann gefahren, Faustus.“ Rutsche es mir heraus.


    Nach seiner verschwörerischen Aufforderung. Die ich kein zweites Mal abgewartet hätte. Legte mein rechten Arm sich fest um seine Taille, die Handfläche auf seinen flachen Bauch. Seine Hitze schlug durch den Stoff seiner Tunika. Ich schmiegte mich an ihn, hielt mich mit der linken Hand am Rand der Kanzel fest um uns mehr Halt zu geben. Es passte keine mehr Feder zwischen uns. „ Aquila, Faustus.“ Flüsterte ich ihm ins Ohr. Wohin ? Die Qual der Wahl. Ich mochte das Meer, die Wüste an solchen Abenden wie heute, ein See ? An einem See, mit Blumen war ich noch nie. „ Lass uns an den See fahren.“ Ich sah nach vorn. „ Dann in die Wüste und ans Meer !“ Strahlend, mit einem Augenzwinkern, blickte ich ihn an. „ Du bringst mir das fahren bei und ich werde dich wie einen Feldherren über die Ebene lenken. Die Legionen folgen dir begeistert. Auf einem Hügel überblickst du das Schlachtfeld. Und danach fliegt das Gespann, einen Platz zum erholen und verweilen suchend durch die Palmenhaine. Bis zu diesem See..... ich war begeistert, meine Phantasie ging mit mir durch.

    „Jawohl Centurio!“ Ich trat aus der Reihe. „ Milites, state! “ Mein Blick glitt die Reihe entlang. Sahen wir als Neulinge genauso abgehalftert und schmalbrüstig aus, wie diese halben Portionen? „ Abzählen auf 2. Merkt euch die Zahl. Tiro Atius, unus! Durchzählen! Ich ging die Reihe beim Zählen ab. „ Die eins tritt auf meinen Befehl hin einen Schritt nach vorn. Milites, pragredite!“ Das war nicht schwer. Sie hatten es alle verstanden. „ Ausrichten! Milites, aciem dirigite! Das geht jetzt alles ein bisschen schneller! So steht ihr, wenn der Befehl kommt, Milites, in duas ardines venite! Merkt euch euren rechten Nebenmann. Milites, ad dextram!“ Ich stand beim ersten Tiro, sah nach hinten. „ Die Ohren sind warm, das andere erwärmen wir in drei Runden um den campus. Mein Tempo wird gehalten! Milites, cursim pergite! Die erste halbe Runde lief ich langsam, zog das Tempo etwas an. Nach der ersten Runde war Schnaufen aus den Reihen zu hören. Ich drehte mich um, sah den ersten zurück hängen. „ Aufschließen!“ Es ging weiter. „ Tempo halten!“ Ich ließ mich zurück fallen. Drei liefen in Abstand hinter der Truppe her und unterhielten sich. „ Ich mach euch Beine! Los aufschließen! Ihr wärt jetzt Tod!“ Der Optiostab tanzte über ihre Rücken. Wie sie die Füße heben konnten, sieh an. „ Ihr lauft zwei extra Runden!“ Ich schloss wieder nach vorn auf und beendete mit dem Trupp die drei Runden. Schnaufend und stöhnend standen sie da. Die extra Läufer, kamen an, als die zwei Glieder sich ausgerichtet hatten.“ Milites, regredite! State!“

    Seine Antwort auf meine erste Berührung war überschwänglich, Besitz ergreifend. Sie versetzte mich in den ersten Rausch der abrupt endete. Sein Duft, alles was ich von ihm spürte setzte mich in Brand, das Feuer begann zu lodern, fiel sofort wieder in sich zusammen, als er mich frei gab. Sein Lachen fachte es wieder an, hielt es am brennen. Die Sabinerinnen, ging es mir durch den Kopf. Ich lachte leise und ließ mich hinterher ziehen. Unser letztes Zusammentreffen, war es damals nicht auch fast wie eine Entführung gewesen. Der Mond begleitete uns durch den Hain. Serapio wusste genau wohin er wollte, bis wir bei einem Gespann anhielten. Ich atmete tief durch. Noch nie war ich mit einem Gespann gefahren. Heute wird das erste Mal, dazu der Vollmond, Serapio an meiner Seite, die Wüste. Leichte Aufregung macht sich in mir breit, gepaart mit Abenteuerlust, bereit mit ihm hinaus zu fahren.

    Zwei Schritte war ich von ihm entfernt. Zwei Schritte, zwei Wimpernschläge, zwei Ewigkeiten. Gefühlte Zeitalter, verflogener Hauch einer Winzigkeit unserer Existenz im Universum.



    War es der Gang der Dinge, was veranlasste uns hier zu sein, wohin gingen wir? Ich holte tief Luft. Seinen Namen auszusprechen, ein kläglicher Versuch, zum Scheitern verurteilt, das makellose Bild beizubehalten. Die Rettung dieses Augenblicks, ich ging diese zwei Ewigkeiten auf ihn zu, sah ihn im Licht des Mondes in die Augen. Sie glänzten, ein leicht verschleierte Blick, er war nicht frei vom Helfer des Vergessens, des Unterdrückens, des Flüchtens vor der selbst auferlegten Ausweglosigkeit. Er war nicht der Selbe, ich hasste dieses Opium. Es schmerzte mich ihn so zu sehen.


    „ Chaire Aquila.“ Salve klang für diesen Augenblick hart und zerstörend. Ich betrachtete die leuchtende Scheibe.


    „Der Glanz des Mondes, verklärendes Licht, die ewig am nächtlichen Himmel dahin ziehende Göttin Selene. Ein Hauch von Unendlichkeit und doch ist es vergangen, eh wir uns besinnen.“


    Die Worte kamen mir gerade in den Sinn. Ich wandte mich wieder zu Serapio. Meine Hand legte sich seitlich an seinen Hals, die Finger seine Nacken haltend, mit dem Daumen sanft über seine Wange fahrend, hielt ich den Augenblick fest. Ein Lapidares, abgegriffenes „Schön dich zu sehen“ brachte ich nicht über die Lippen. Ich spürte dieses feine Kribbeln auf der Haut.

    Die prüfenden Blicke von Tempsanus, sein zufriedenes Grunsen und die alles Hektische in Frage stellende Ruhe, die er besaß, bestätigten, dass alles so in Ordnung war. Weihrauch, Wein und ein paar Datteln hatte ich mitgenommen.


    Meine Schritte knirschten auf dem Sand. Das Meer schickte unablässig kleine Wellenkämme an den Strand. Das stetige anschwellende und wieder abklingende Rauschen gab der Szenerie etwas beruhigendes. Der Mond schien heute besonders hell, warf Schatten. Das war auch der einzige Begleiter, seit ich einen Fuß auf die Straße nach Taposiros gesetzt hatte. Die Pteruges an meinem cingulum militare schlugen den Takt meines Schrittes an. Das gleichmäßige Klirren war in dieser Nacht weit zu hören. Mein Paenula hatte ich vorsorglich angelegt, es wurde Nachts kalt in der Wüste. Hier in der Nähe des Meeres weniger, frieren wollte dennoch ich nicht. Meine Gedanken eilten zurück , das unbeschwerte erste Aufeinander Treffen in der Wüste. Mit heute würde es nicht gleich zu setzen sein. Die Zeit, die Wüste, alles hatte Einfluss genommen, geändert, Zweifel aufkommen lassen, wieder verworfen. Er hatte sich geändert oder war ich es? Zwiespältige Gefühle. Mach dich frei davon. Nimm den Abend mit all seiner Schönheit in dich auf und schenke ihm den der auf dich wartet. Denk an den Abend des Versprechens zurück und lass es hier in Erfüllung gehen. Er wird warten, du solltest dich beeilen.


    Ich fühlte mich frisch. Das neulich erstandene Öl, sorgsam, wohl dosiert aufgetragen und einmassiert, begann seine Düfte durch die Wärme meines Körpers zu entfalten. Spuren von Sandelholz, Zimt, Zeder und Bergamott. Die frische Tunika nahm den Duft auf und hielt ihn fest. Unbemerkt von mir, in der Eile vergessen. Mein Haar hatte ich mit einem Lederband nach hinten gebunden und nach dem Bad nicht wieder gelöst.


    Ein Hauch vom Meer, ich sah nach vorn. Der Hain, verlassen ? Du irrst dich, er ist da. Spürst du es nicht? Sei still. Warum dieser ewige innerliche Zwist. An eine Palme gelehnt. Ein Bild, in Marmor verewigter Jüngling. Er war da. Ich betrat den Hain schlug den Mantel zurück , blieb unweit von ihm stehen. „ Aquila.“ sprach ich mit gesenkter, ehrfürchtiger Stimme. Den Anblick nicht zu zerstören, der sich mir bot.

    " Optio Decimus Massa, 2. Cohorte, 2. Centurie, meldet sich aus Alexandria zurück." Ich hielt dem Wachhabenden die lukanischen Würste unter die Nase. Ihm lief, deutlich zu sehen, das Wasser im Munde zusammen. Ordnungsgemäß auf der Tafel, vermerkt durfte ich passieren. " Wenn du abgelöst wirst, eine Wurst wartet auf dich." sagte ich beim vorbei gehen. Grinsend nahm er Haltung an.