Beiträge von Marcus Marius Madarus

    "Von den Gipfeln in die Weite

    Schweifen unsre Blicke hin

    Wo in ungemeß´ner Breite

    Hügel ihre Wellen ziehn.

    Lieblich wechseln Wälder. Wiesen,

    Dörfchen schmiegen sich hinein,

    und ob all den Paradiesen

    Lacht der goldne Sonnenschein.


    Säuselte Sönke ein Lied aus seiner Heimat vor sich hin, weil ihn mal wieder das Heimweh gepackt hatte.. und das, obwohl hier eigentlich alles drunter und drüber ging. Hier Verhaftungen, da niedergeschlagene Gegenwehr, dort die Plünderung vescularischer oder auch nur pro-vescularischer Habe. Und doch merkte Sönke, wie fremd sich das alles anfühlte. Sein Puls war zwar durch all die Ereignisse auf einem konstanten Hoch, aber sobald er auch nur zwei Sekunden zum Durchatmen bekam, erschlug ihn wieder die Größe dieser Stadt. Alleine der Circus Maximus war GIGANTISCH. G-I-G-A-N-T-I-S-C-H. Noch nie in seinem Leben hatte er so etwas großes gesehen... okay, die Alpes... aber das hier war von Menschenhand geschaffen. Unglaublich!
    Je größer die Eindrücke wurden, desto prägnanter stach die Erinnerung an Mogontiacum. Und nun lagerten sie hier, und warteten darauf den Kaiserpalast stürmen zu können. Den Kaiserpalast. Stürmen.
    Wenn er nach Hause kam, würde ihm das kein Mensch glauben...

    Im Bauch der Casa Decima gefangen wuchs die Nervosität eines der Legionäre stetig weiter. Argwöhnisch betrachtete er jeden derer, die sich im Atrium befanden, und noch viel argwöhnisch jene, welche erst hinzukamen. Die Knöchel seiner Hand traten schon weiß hervor, so fest hielt er den Holzknüppel in seiner Hand im Griff. Wenn man es genau nahm, war das hier nichts weiter als ein Haufen verkappter Usurpatorengünstlinge... ergo diejenigen, die dafür gesorgt hatten, dass der ganze Scheiss überhaupt anfing. Dass sie Mogontiacum verlassen hatten. Sich in Vicetia mit weiteren Usurpatorengünstlingen prügelten, und dabei ein Blutbad anrichteten, dass Sönke heute noch verfolgte. Und jetzt, wo der ganze Spuk vorbei war und ihr Kaiser kurz davor stand zu gewinnen, auch noch flapsige Sprüche raushauten.
    Sönke fühlte sich auf einmal verdammt alleine... weit von zuhause entfernt, beladen mit den Erinnerungen an eine Schlacht die nicht jeder einfach so herunterschluckte, und nun in einer Stadt voller Feinde, Schreie und Gefahr. Es war ein Strudel der aufkommenden Verzweiflung, der ihn versuchte niederzuziehen, aber Sönke durfte das nicht geschehen lassen... nicht jetzt, nicht hier.. also klammerte er sich an das einzige, was ihm noch eine gewisse Konstante gab: den Feind. Und das waren die Leute in dieser Casa... ein Feind, den es zu hassen galt. Also beschloss Sönke, diese Menschen zu hassen. Und wahrlich, es klappte sehr viel besser. Diese Menschen waren schuld daran, dass sie hier waren, diese Menschen verdienten es einfach gehasst zu werden. Und bestraft.


    Sein Centurio versuchte sich derweil im Gequatsche. Sönke, verfolgte irritiert, wie der Helvetier irgendwas von niedergemachten Brüdern bei Vicetia erzählte. Hatte er das mitbekommen? Das wäre doch aufgefallen, wenn ein Centurio die eigenen Leute niedermacht. Dabei war der doch ausgezeichnet worden für seine Taten. Oder meinte er den Feind? Warum bei Loki sollten das Brüder sein?
    Aber nicht nur das, auch die Art des Gesprächs war ihm suspekt... immerhin waren das hier Feinde, und der Helvetier schien sich auf ner Kaffeefahrt zu fühlen. Dass er dabei den Arsch seiner Männer riskierte, schien ihm überhaupt nicht aufzufallen... also sah Sönke es als seine Pflicht an, doppelt wachsam zu sein, falls die Schergen des Vesculariers doch noch irgendeine hinterhältige Sache planten... oder sich auch nur aufmüpfig gaben. Konnte ja immer vorkommen, mit diesem Pack.


    So weit weg...

    Sönke war aufgekratzt, um nicht zu sagen: zunehmend auf Krawall gebürstet. Diese Stadt innert der Mauern strafte jede Beschreibung Lügen der Untertreibung, fassungslos hatte er beobachtete wie die Superlative des äußeren Rings durch die Superlative des inneren Stadtkerns übertroffen wurden... was vor allem auf die Dichte und Größe der Insulae betraf. So viele Menschen! So verdammt viele Menschen... und was ein Chaos.
    Bei all dem Geschrei, Herumgerenne und den Schlägereien auf den Straßen hatte er größte Mühe nicht vollkommen von den Eindrücken übermannt zu werden die sich ihm hier boten. Wenigstens lenkte all das vom Gestank ab, der auf den Straßen lag wie der Nebel auf den Wegen Mogontiacums. Überall konnten Leute vorpreschen und auf sie einschlagen... sie, die sie mit nicht mehr bewaffnet waren als Dolchen und Knüppeln aus Holz. Er fühlte sich so schutzlos... und das machte ihn nervös.


    Alles in allem ein Cocktail, der Sönkes Puls konstant hoch hielt... als sie schließlich ihr Ziel erreicht hatten, trippelte er nervös von einem Bein auf's andere, weil die Unruhe sich nicht länger nur in seinem Innern aufhalten wollte... und als die Tür geöffnet wurde, machte sein Herz schon fast einen Sprung. Misstrauisch beäugte er die Konversation, als rechne er jeden Moment damit einen abgestochenen Centurio vor sich zu sehen (und dieses Mal nicht nur in den Arsch) und eine Horde wilder Römer aus der Porta stürmen.
    Aber nichts dergleichen geschah... der Türöffner erlaubte sich nur einen flappsigen Spruch gegenüber seinem Centurio, für den Sönke ihn am liebsten gleich die Zähne aus der Visage getreten hätte. Als sie die Casa schließlich betraten, warf Sönke noch einen nervösen Blick aus der Tür hinaus bevor die Gewölbe des Anwesens auch ihn verschluckten.

    Schelmisch grinsend nahm Sönke den Schlag auf's eigene Haupt hin, und rieb sich denselben während er dem Artorier verschwörerisch zuzwinkerte bevor sie sich daran machten das Tor auseinander zu nehmen. Seile wurden auseinandergeschnitten, eingezogene Pfähle aus dem Grund gerissen und Verstrebungen herausgebrochen während der Centurio seinen kleinen Plausch mit dem Tribun abhielt. Als ersterer wieder bei ihnen auftauchte, war klar: rein ging es für sie, rein, und nur rein.
    Allerdings ohne Waffen, warum auch immer. Etwas ungläubig schaute Sönke schon drein, als die älteren Veteranen ihrer Truppe, die Rom bereits kannten einfach angingen ihre Gladii abzulegen und zu sammeln. Was war das denn jetzt? Und dann auch noch das Plünderungsverbot... wo blieb denn da der ganze Spaß?
    "Das ist ja wohl nicht deren Ernst.." , brummte Sönke missmutig, der sich um seine erlagerte Belohnung gebracht sah, musste allerdings grinsen als Regulus sich ein Stück Holz packte und ihm einen Spruch an den Kopf warf, den Sönke gleich mit einem Griff in seinen Schritt quittierte: "Für Weiber hab ich nen anderen Prügel, und der ist genauso lang und noch viel härter! Aber der bringt sie erst so richtig zum Schreien..."
    Sich selbst einen Knüppel verschafft, folgte er seiner Truppe in die Stadt hinein...

    Zitat

    Original von Gaius Artorius Regulus
    Sie bewegten sich auf die Verschanzungen zu... nur noch ein paar Meter... würden sie hier so einfach so durchkommen? War Rom schon so gut wie in ihrer Hand?



    Mit dem Schild in der einen und dem Gladius in der anderen Hand marschierte Sönke zusammen mit seinen Kameraden auf die jenseitigen Verschanzungen zu, die deutlich besser in Schuss waren als ihre eigenen... immerhin hatten die Vescularianer deutlich mehr Zeit gehabt sich hier einzugraben. Mit jedem Schritt, den sie über die Brücke taten, schien sein Herz schneller zu schlagen, immerhin war dies eine klassische Kampfsituation. Doch auf der anderen Seite tat sich nichts... keine Pila flogen auf sie zu, als sie die Verschanzungen schon fast erreicht hatte, auch keine Steine oder sonstwas. Es tat sich: rein garnichts.


    Hinter den Holzaufbauten rührte sich überhaupt nichts, und so war es auch Sönke, den Loki geritten hatte, der als einer der ersten Scutum und Gladius wegwarf und sich seinen Pugio zwischen die Zähne klemmte um damit die Verschanzung emporzuklettern. Warum er das tat wusste er nicht, aber er stellte sich auch nicht mehr die Frage nach dem warum... er tat es einfach. Schon bei Vicetia hatte sich sämtliche Hinterfragung aus seinem Denken verabschiedet, das ohnehin nicht das komplexeste war.
    Als er oben angelangt und über die Brüstung lugte, erkannte er, dass die Wehraufbauten komplett verlassen war, und so schob er sich rüber und ließ sich auf den primitiven Wehrgang fallen, um gleich darauf Meldung nach unten durchzugeben: "Hier ist niemand, Centurio!"
    Ohne auf Antwort zu warten zog er einen weiteren Kameraden hoch der ebenfalls hochgeklettert kam, und machte sich mit ihm auf zum ebenfalls deutlich primitiven Tor, welches er mit den Kameraden aufzerrte und den auf der anderen Seite wartenden Kameraden zugrinste: "ROM! EINTRITT FREI! Aber nur für Veteranen Vicetias!"

    Zitat


    Original von Lucius Helvetius Corvinus

    ...



    Üüs Taachten hual´ jit fast omslüngen
    Wat üüs fan litj ap wert en lef
    Üüs Terp, hur wü tö Skuul jens gingen
    Üüs Mark, üüs Hiir´, di Wai bi Klef
    Ark Stich, hur wü üs Jungen ronen
    Ark Stegelk, diar aur Eeker gair
    Di Hooger, hur wü Biike bronen
    Hat es jit ales üp sin Stair



    Sang Sönke ein Lied, dass er zuhause einmal gelernt hatte, während er hinter der Barrikade hockte und mit einem Stück Leder auf seinem Helm rubbelte. Den Dreck von Vicetia würde er wohl nie wieder zur Gänze abbekommen. Andererseits würde er genug Zeit haben es zu versuchen, denn hier tat sich rein garnix. Wie lange hatte er hier nun rumgestanden und über den Tiber gestarrt, in der Hoffnung dass sich etwas tat? Zu lange... und ebenso zu lange hatte er auf seiner Ausrüstung herumgeschrubbt. Und das Würfeln erst... wenn das so weiterging, würde er seinen Sold und seine Beute des ganzen Feldzugs verspielt haben bevor sie wieder zurück nach Hause kamen. Dabei wollte er seinen Eltern doch gut was davon abgeben, damit sie sahen wieviel er jetzt verdiente. Und dann... naja, der erste Freigang, die Tabernae hier in Rom sollten ja auch nicht von schlechten Eltern sein, und die Weiber erst..
    Bevor er sich allerdings an den Gedanken an die römische Weiblichkeit ergötzen konnte, riss ihn ein Signal aus den Gedanken... der Cornicen machte sich in aller Deutlichkeit bemerkbar. Erst hielt Sönke das nur für eine Übung, doch als er die ersten flitzen sah, fiel auch bei ihm der Dupondius: Ernstfall! Sammeln! Bewaffnen! ALLES! LOS!


    Sönkes Körper reagierte bevor sein Geist es tun konnte: der Lederlappen wurde achtlos beiseite geworfen, der Helm auf den Kopf gedrückt und die nahebei liegenden Scutum und der Gladius gepackt um sich noch im Rennen zum Centurio in Ordnung zu bringen. Es war die mittlerweile x-fach geübte Routine, die ihn sofort seinen Platz in der angetretenen Centurie finden ließ. Erwartungsvoll glotzte er zusammen mit den anderen den Centurio an... und wie viele andere hoffte er jetzt darauf, dass das bloß kein Scherz war.

    "Na, wenn wir schon hier sind..." , murrte Sönke, der nur ein paar Schritte vom Artorier und vom Centurio entfernt stand und gerade eine kleine Truhe auf eine der Barrikaden warf, "..sollten wir auch nicht mit leeren Händen wieder weggehen. Ich hab ja keine Ahnung, wie die Römer so ticken.. aber dieser Vesgularius wird doch sicher einige Freunde da drinnen haben, oder?"
    Mit einem breiten Grinsen im Gesicht wandte er sich dem Artorier zu und rieb Daumen und Zeigefinger vor seinem Gesicht aneinander.
    "Wenn das hier gut läuft, kommen wir nach Hause, und du kannst dir schon vor deinen fünfundzwanzig Jahren ein kleines Stück Land kaufen. Das wär doch was!"

    Zitat

    Original von Lucius Duccius Ferox


    "Ik.. mot togebn..", lallte Sönke, der sich durchaus bewusst war, dass er gerade alles andere als nüchtern war, "...datt et watt schwör wern kunn.. aba ik kreg datt hin. Sou beduselt kunn ik garniet sin, datt ik di niet verkloppen kunn."
    Hadamars Ausspruch, dass sie beide die Schlacht überlebt hatten ließ für einen langen Augenblick Sönkes Gesichtszüge entgleisen, ebenfalls schlichtweg dem Alkohol geschuldet.. ob er sich nun freute oder ihr Überleben bedauerte konnte wahrscheinlich nicht einmal er selbst deuten.
    "Iaaaah... wi twee... wi ham das överleebt." , fiel Sönke in einen Singsang, "...und nu sin wia Vederaanen de Slacht vun Vigetia! Vederaaanen.... Heldn vunne Kriech. Un... un weesu no, vunn frör? Da hem wi twee jespielt, wi wärn Heldn vunne Kriech.. het hat sik doll anjeföhlt... Un.. nu sinn wi Heldn... un et FULT SIK DEPPERT AN!!!! BEKACKT! ET ISS SCHEIT, EEN HELD VUNNE KRIECH TO SIN!!!!!"

    "Beim Lichte Baldurs..." , hatte Sönke geächzt, als zum ersten Mal die riesige Fläche der Stadt Rom in Sicht gekommen war, "...ist diese Stadt groß." Alleine die schieren Ausmaße wirkten aus der Ferne beeindruckend. Vor allem, dass sich die ewige Stadt nicht wie Mogontiacum zwischen die Hügel einbettete, sondern diese regelrecht überwuchert hatte. Verona war ja schon gigantisch gewesen im Vergleich zu der wenige zehntausend Seelen beherbergenden Civitas Mogontiacum... aber Rom? Je näher sie der Stadt kamen, desto klarer wurde dem kleinen Provinzlicht Sönke, dass Rom jeden Superlativ lächerlich klein erschienen ließ.
    Als sie schließlich in die Stadt einmarschierten, wurde ihnen vom Centurio 'Loch-im-Arsch' Wachsamkeit eingebläut, schließlich betraten sie Feindesterritorium. Aber noch bevor klar wurde, dass sie hier in Rom vor allem Eierschaukeln würden, übermannte Sönke das blanke Staunen. Die Stadt war nicht nur in der Fläche mehr als gigantisch... Sönke hatte auch noch nie so HOHE Gebäude gesehen. Als sie über das Marsfeld schritten konnte er sich die ganze Namen der Gebäude, die die anderen Veteranen und ehemals Italia-Ansässigen so fallen ließen, garnicht alle merken.


    So war es auch recht mühselig ausgefallen, ihn aus dem Glotzen herauszureißen und die Routine greifen zu lassen: sie belagerten die Stadt. Treudoof folgten sie dem Centurio und besetzten eine der Tiberbrücken (unglaublich groß im Vergleich zu der in Mogontiacum). Das erste Problem war die Acquise von Baumaterial für die Barrikaden... in Vicetia hatten sich zwanzigtausend Mann größte Mühe gegeben einen ganzen Wald abzuholzen, nur war hier kein Wald gegeben. Also requirierten sie das Baumaterial einfach aus den umgebenden Häusern.. was dazu führte, dass seine Kameraden und Sönke sich bald hinter alten Möbeln und anderem Holzrat verstecken.
    Und dann ging es wieder von vorne los: "Scheisse, ist diese Stadt groß.. und scheisse, wie diese Stadt stinkt!"

    Sönke hatte keine Probleme mit dem Nachdenken. Er versuchte es fürderhin tunlichst zu vermeiden, weil sich seine Gedanken sonst in Richtung Schlacht bewegten... und auf das, was er da gesehen hatte kam er noch nicht wirklich klar. Dementspreche hüllte sich sein Geist während des Marsches gen Süden (den er nicht hinterfragte) in stumpfe Dunkelheit (die für ihn kein Problem war). Aufstehen, Frühstücken, Lager abbrechen, Marschieren, Lager aufbauen, Abendessen, Schlafen. Jeden Tag.
    Achja, und: die Gefangenen bewachen. Warum man das gerade ihrer Centuria aufgetragen hatte wusste er nicht: er machte es einfach, wie er ALLES einfach machte. Er war Soldat, und wurde für's Kämpfen bezahlt, nicht für's Nachdenken. Dummerweise hielten seine Gedanken überhaupt nichts von dieser Einstellung, und so tauchten immer wieder mal Bilder vor seinem inneren Auge auf, die er da nicht haben wollte: Sterbende. Verstümmelte. Tote. Sterbende Verstümmelte. Verstümmelte Tote. Sterbende Tote. Immer wieder... besonders angetan hatte es Sönke offenbar das Bild eines kaiserlichen Legionärs, der quasi direkt vor seinen Augen vom Bolzen eines Scorpions durchschlagen wurde. Er wusste wie sich Knochen anhörten die brachen, immerhin gehörte zu den Aufgaben auf dem Hof zuhause auch das Schlachten von Vieh. Das Problem an dem Bolzentreffer war, dass es nicht knackte. Es hatte einfach nur geflutscht. Der Typ hatte erst realisiert, dass es ihn erwischt hatte als Sönke vollkommen entgeistert auf das Loch in dessen Brust starrte. Dann wurde sein Blick auf einen Schlag glasig... und er fiel irgendwie nicht um, oder so... nein, er klappte einfach zusammen.
    Und das war nur eine von dutzenden Todesarten, wie Sönke sie bei Vicetia gesehen hatte. Und sie hatten sich offensichtlich vorgenommen, ihn bis nach Rom zu verfolgen.

    Mit dem Gesicht unten im Dreck liegend, rührte Sönke sich derart angesprochen erstmal garnicht... das Schluchzen verstummte, und ein Moment stille kehrte ein... dann hob sich sein linker Arm und hielt den Weinschlauch in Richtung des Typen, der ihn gerade angesprochen hatte.
    "Sauffff, yu Sauhund!", nuschelte er in den Dreck, "Suns klopp ik je watt förn Baazi uffe Snuut."
    Drei Momente später schien ihm aufzugehen, dass es doch unvorteilhafte mit dem Gesicht nach unten ein Gespräch zu führen, doch als er die Hände in den Dreck stemmte und sich nach oben drückte, gaben seine unkontrollierbaren Arme nach und beförderten Sönke Visage voran erneut in den Dreck.
    "Daff heff oom ffa beffer klapf..", spuckte Sönke Dreck, als er sich entschied doch einfach liegen zu bleiben und sich einfach ein Stück weiter tiefer rollen zu lassen... bis er auf dem Rücken lag: "Heel, nu... dat issn Hemmel."
    Während im Halbdunkel der Dämmerung die ersten spärlich leuchtenden Sterne auftauchten, ruckte Sönkes Arm nach oben und deutete auf die einzelnen Sterne: "Kieks dor hok, da has de Funke vo Muspelheem. Un Omd för Omd wördens jümmer mer, und Morjen för Morjen wörns jümmer minn. As wi in Mogondiace wesen sin', da sin wi ook jümmer mehr worn.. un' nu...", brach sich in Sönkes Stimme wieder ein Schluchzen breit, "..nu sin' wi nu no een betken. Nu no een betken... so viu doot... so viu...."

    "ISCH HAAAAAAAAAAAAAAAAA EEEEENEEEE KAMERADN!!!!" , tönte auf dem Schlachtfeld vor dem Lager der zweiten Legion eine quäkende Stimme, die immer wieder von einem ziellosen Lallen in ein herzzerreissendes Schluchzen abdriftete. Ab und zu unterbrochen von einem tiefen Schluck aus dem Weinschlauch hockte im Halbdunkel der Dämmerung ein recht junger Legionär, der nach dem fröhlichen Rausch während der Plünderung des Gegnerlagers beim Anblick des Schlachtfeldes in ein tiefes Loch gefallen war.
    Erst hatte er nur stumpf den Hügel hinaufgeglotzt, an dem immernoch alles zertreten, zertrampelt und zerstört aussah... natürlich. Zwar waren die meisten Leichen bereits weggeschafft und verbrannt, aber dafür hatten die vielen Scheiterhaufen einen weiteren Aspekt zur düsteren Trostlosigkeit des Schlachtfelds beigetragen. Als Sönke dann anfing den Hügel hinaufzulaufen, und seine im Rausch verdrehten Gedanken an seine gefallenen Kameraden herauszukrächzen, war es vorbei mit ihm: irgendwann brach er zusammen, lehnte sich in eine mit blutigem Matsch verkrustete Mulde und stimmte das traurigste Lied an, dass ihm einer der Gefallenen noch vor der Schlacht beigebracht hatte:


    "ISCH... ISCH HAAAAAAAAAAAAAAAAA EEEEEEEEN KAMARAAAADN....
    EEEEEN BESSSRNNNN FINDSCH UUU NIIIIIEEEEEET....
    DÄÄÄ CORNIKKN BLAAAASCHT ZOM SCHTREEEEEITE...
    ÄÄÄ GINGGGG AN MIEEEEENE SCHEEEEEITE....
    IMMMMM GLAAAACHEN SCHRITTTTT UNNNN TRITTTT...."
    , ging ihm die erste Strophe äußerst kläglich über die Lippen, und auch hier musste er natürlich mit einem ordentlichen Schluck aus dem erbeuteten Weinschlauch nachtanken... bis er sich verschluckte, die Hälfte wieder auskotzte und einige Minuten hemmungslos heulend liegen blieb... dann, als wäre nichts gewesen, raffte er sich wieder in sitzende Position und fuhr mit der zweiten Strophe fort:


    "A BOLZN KAAAAAHAAM GEFLOGGGGN...
    GILT Ä MIA OA GILDED Ä DIA??
    IIIIIHHHHH HAAAATSSS WESCHJERISSN..
    Ä LIEEEECHT MIA VO DE FÜÜÜßN..
    AS WORS EEEN STUCK VO MIAAAAAAAAAAAA...."
    , heulte Sönke in die Nacht hinein... immer wieder unterbrochen von lauten Schluchzern und unverständlichen Gejammer, was entstand als ihm sowohl Stimme als auch Gesicht im Suff den Dienst versagten.


    "WIIIIHIIILLLLLL MIA DE HAAAAANNNNNN NO REEEICHN..
    DEWEIIIIHIIIIIILLL ISCH EBN DE SCOPPPIOO LAAAAHAAAAADDD....
    KANNNNN DIA DIE HAAAAND NIET GEBN...
    BLEIBSCH UUU IM ÄÄÄÄWGEEMMM LEBN...
    MEEEEEEIN GUUUUUUTRRRR KAMARAAAAAAAAAD......"
    , krächzte es schließlich aus ihm heraus, bis Sönke wieder in einem Heulkrampf auf den Boden sank...

    Der Centurio war immernoch ein Arschloch. Zumindest Sönkes Auffassung nach.. natürlich hatte das Bild des Rundum-ohneFrage-Arschlochs deutlich gelitten, schließlich werden inmitten eines riesigen Gemetzels gewisse Anti- und Sympathien grundlegend nach dem Schema 'Der sieht nett aus... TÖTET IHN!' in Frage gestellt. Aber ganz konnte der Helvetier seinen Ruf doch nicht abstreifen. Jetzt war er nurmehr ein selbst geschundener Arsch... mit einer Krone auf'm Kopp. War das nun gut oder schlecht? Es war immerhin ihre Centurie gewesen, die den Wall zurückerobert hatte, auch wenn Sönke sich nicht daran erinnern konnte auch nur einen Deut mehr dazu beigetragen zu haben als dabeigewesen zu sein.
    Was ihn wieder zu den Gedanken brachte, mit denen er sich weniger gerne beschäftigte... aber immernoch lieber als mit der großen schwarzen Leere, die die Schlacht dort hatte entstehen lassen wo vorher noch jugendlicher Übermut und bare Faszination für Ehren- und Heldenhaftigkeit gewesen war. Ehrenhaft war Sönke sicher nicht in der Schlacht gewesen... heldenhaft noch weniger... und der eine Moment des Übermuts hatte ihm offensichtlich das eingebracht, was gerade um seine Handgelenke baumerte: bronzene Armillae.


    Als sein Name gerufen wurde, hatte Sönke nur einen Moment lang ungläubig geglotzt.. bis er schließlich von einem anderen der Ausgezeichneten (war es Regulus, der junge Hund?) mit nach vorne gezerrt wurde. Salutieren, Arme ausstrecken, Armillae umlegen lassen, nochmal salutieren... zurück ins Glied. So lief das ab.
    Sönke fand sich also schneller wieder zurück in seiner Centurie, bevor er wirklich realisieren konnte was da gerade passiert war.. und auf das väterliche Schulterklopfen eines der Veteranen konnte er nur ungläubig und mit einem großen Fragezeichen in den Augen zurückglotzen. Warum?
    Es dauerte einen Moment, bis ihm jemand den Moment in Erinnerung rief, den Sönke schon wie die ganze Schlacht in eine Schublade gesteckt hatte die ganz unten war... aber hemmungslos um Öffnung rüttelte. Er hatte einen Optio gerettet? Welchen Optio?
    Ach, den, den er für Hadamar gehalten hatte? Beinahe hätte Sönke gelacht... aber nur beinahe. Er hätte sich dabei beinahe selbst umgebracht, nicht einmal das erreicht, was er mit der Irrsinnsaktion... und jetzt bekam er Armillae dafür? Das Leben hatte eine seltsame Art von Humor. Aber beschweren würde er sich sicherlich nicht. Armillae... das war doch was. Jetzt war er kein Jungspund mehr, keiner der grünen Hunde... er war Veteran der Schlacht von Vicetia. AUSGEZEICHNETER Veteran der Schlacht von Vicetia.
    Alleine der Klang der Worte fühlte sich absurd und unreal an. Andererseits: so fühlte sich in Sönke so ziemlich alles an, seit er erleben durfte, wie fünfundzwanzigtausend Mann aufmarschierten um ihn und seine Leute zu Kleinholz zu verarbeiten.

    http://upload.wikimedia.org/wi…_Weihestein_aus_Pesch.jpg
    Sönke musste dringend zählen lernen. DRINGEND. Hatte sich früher für ihn nie die Notwendigkeit ergeben, weil alles Rechnungswesen in der Schaltzentrale der Casa Duccia vorgegangen war, blieb Sönke hier auf sich allein gestellt. Das stellte sich vor allem heraus, als er die ersten Teile des Beuteguts aus dem Lager der Kaiserlichen im wiederbelebten Vicetia an den Mann bringen wollte (man konnte kaum glauben wie schnell die Stadt mit Händlern gefüllt war, fast schien es so, als hätten sie quasi nur darauf gewartet, dass die Schlacht vorüber war). So liefen die ersten Dialoge, die Sönke auf dem Markt führte in etwa wie folgt ab:
    "Heldenhafter Soldat des ruhmreichen Cornelius, komm her! Ich biete dir beste Preise!", winkte ihn ein Händler herbei.. und treudoof wie Sönke nunmal war, folgte er natürlich der erstbesten Einladung. Er hatte nicht alle Beutestücke mitgenommen, weil man ihm riet den Großteil in der nächstgrößeren Stadt zu verticken, und nicht in einem Nest wie Vicetia. Allerdings brauchte er Geld für ein bestimmes Vorhaben...
    "Salve.., grüßte Sönke den Mann verhalten, und zeigte ihm zwei Armreifen aus schwarzem Leder mit je einem Skorpion aus Silber, "Da, gehörte wohl mal einem Prätorianer. Nun gehört es mir... und vielleicht dir?"
    Der Händler beäugte das Beutestück kritisch, hielt es hoch, befühlte es fachmännisch, und grummelte schließlich eine Zahl heraus: "Ein schönes Stück, aber nicht sehr selten... ich gebe dir fünfzig Sesterzen für beide."
    Sönke dachte einen Moment angestrengt nach: "Nein, das ist mir zu wenig... ich will vierzig Sesterzen!"
    "Ah, ich sehe, ein Könner im Feilschen.", zuckte der Händler nicht einmal mit den Wimpern, "Gut, weil du es bist und mitgeholfen hast uns von der grässlichen Plage der Lakaien des Vesculariers zu befreien... biete ich dir FÜNFUNDDREISSIG SESTERZEN für beide!"
    "Ist das mehr?", fragte Sönke, einen Moment lang ratlos dreinschauend.
    "Das ist mehr.", verkündete der Händler, als hätte er gerade erklärt das Wasser nass ist.
    "DANN sind wir im Geschäft.", meinte Sönke feierlich.
    "Ist mir immer wieder eine Freude mit so herausfordernden Handelspartnern wie dir zu feilschen", trällerte der Händler, als er in seinen Beutel griff, zwanzig Sesterzen rauskramte und sie Sönke in die Hand drückte... welcher sie akribisch nachzählte, und fair wie er war dem Händler drei Sesterzen zurückgab, weil dieser sich wohl verzählt hatte.


    Etwa zehn Minuten später gab es den ersten Tumult des Markttages, als der Händler nicht früh genug bemerkte, dass Sönke mit hochrotem Kopf und vier Kameraden im Gepäck (unter ihnen einen, der bis hundert zählen konnte) wieder auftauchte... und ihn in der Folge zu Brei schlug.


    Etwas später feilschte Sönke mit einem Steinmetz, der ihm versprach für nicht einmal zweihundert Sesterzen einen Weihestein an Mars an die Via nach Patavium zu setzen.. groß genug, dass man ihn selbst vom Olymp sehen konnte und kein lebender Mann auf einem Pferd ihn überragte.
    Das Resultat würde Sönke freilich nicht sehen können, immerhin drohte ihr Abmarsch quasi jeden Tag. Also steckte Sönke einen Großteil seiner Beute in diesen Weihestein... der, zwei Wochen später aufgestellt, binnen weniger Wochen vom Gras überwuchert würde.





    MARTI·SACR
    M·MARIUS·MADARUS·
    FIL·HARTWIG·MOGO
    NTIACO·MIL·LEG·II·G
    ERM·COH·II·CEN·IV·S
    TIP·IV·AN·XIX·P·CLAD
    ·VICETIA·
    V·S·L·L·M






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    Frei und ohne Anspruch auf absolute Korrektheit:
    Dem Mars
    Marcus Marius Madarus, Sohn Hartwigs, aus Mogontiacum, Soldat der 2. Legion Germanica, aus der 2. Kohorte, fünfte Centurie, im vierten Dienstjahr, im Alter von 19 Jahren, nach der Schlacht von Vicetia
    löste das Gelübde gern und nach Gebühr ein

    "Ooooooooooohhhhhhh.....", klang es mitleidvoll aus den Kehlen der Männer, als der alte Evocatus sich mit seiner Puppe verdrückte, und erneut brandete schallendes Gelächter auf.


    "Na kommt, dann gehen wir uns eben woanders Spaß holen...", rief einer, und die Meute machte sich auf genau das woanders zu tun. Sönke legte dabei seinen Arm um den Artorier, und flößte ihm erneut einen großen Schwall Wein ein: "Hier, trink du Hund... du lebst! Das gehört gefeiert..."
    Wenig später waren die Männer in einer anderen Ecke des Lagers verschwunden, und hatten den Wagen vollkommen vergessen.

    Da keiner von ihnen eine Ahnung hatte, was letztlich in dem Wagen überhaupt zu finden gewesen war, ließ Sönke sich auch willfährig von dem Artorier wegführen... griff den Faden mit dem Evocatus aber auf eine Art auf, die eher dem Wein entsprach als echtem Nachdenken: "JUNGS!!! JUNGS!! Nu hört doch mal zu... JUNGS!! Der olle Burdo steckt da drinnen gerade einen weg!"
    Lautes Gelächter und noch lauteres Gejohle folgte von der Meute, ein paar stießen auch auf das Liebesglück des alten Mannes an, bevor Sönke sich rufend wieder Gehör verschaffte: "Ich glaube, der alte Mann schafft das nicht alleine! Wir müssen ihn UNTERSTÜTZEN!!" Noch lauteres Gejohle, die Männer feierten lauthals den alten Mann und begannen ihn anzufeuern:
    "MACH SIE FERTIG, OPI!!!!", rief da einer...
    "BESORGS IHR SO RICHTIG!", ein anderer
    "ZEIG IHR MAL WAS IN SO ALTEN KLÖTEN NOCH STECKT!!", brachte einer das Gelächter der gesamten Truppe auf seine Seite.
    "REIN! RAUS!! REIN!! RAUS!!!", gab schließlich einer den Takt vor, in den alle grölend einstimmten.


    Sönke griff sich den Weinschlauch wieder und nahm selbst einen kräftigen Schluck, bevor er ihn dem Artorier wieder in die Hand drückte, und lachte laut "Deine Saufstärke wäre dann noch zu beweisen, hah!" , bevor er zum Takt des Rein-Raus-Rein-Raus ein neues Lied anstimmte:


    Ein Kesselflicker, dem´s gut geht
    Verdient sein täglich Brot
    Wenn er sein Handwerk nur versteht
    So leid´t er keine Not
    Und er macht sich gar nichts draus
    Tra tri trallalla
    Und flickt alle Pfannen aus
    Tra tri juchhe


    Einst kam er auf der Wanderschaft
    Wohl an ein großes Haus
    Da schaut in voller Jugendkraft
    Ein schönes Weib heraus.
    Kesselflicker komm herein,
    Tra tri trallalla,
    Hier wird was zu flicken sein!
    Tra tri juchhe


    Sie reicht ihm ihre Kupferpfannen
    Rabenschwarz von Ruß
    Da schob er einen Bolzen rein
    Hei, da lob ich mir den Mann
    Tra tri trallalla
    Der barbarisch flicken kann.
    Tra tri juchhe


    Und als die Arbeit war getan,
    Die Pfanne war geflickt
    Da hat sie ihm in jeder Hand
    Ein Talerstück gedrückt.
    Kehre wieder bei mir ein,
    Tra tri trallalla,
    Stets wird was zu flicken sein
    Tra tri juchhe

    ...


    Es ritten bei Aquileia zur Grenze herein - oho
    Salinators Schergen, die sahen gar gruselig drein - so, so
    Sie dachten, hier scheint es uns gerade recht
    Ein bißchen Plündern ist auch nicht schlecht
    So, so - so, so - so so!
    Die Legionäre des Palma sind auch noch do


    Und links aus goldnem Getreidefeld - nanu
    ein Bolzenschuss und dann noch einer fällt - puh, puh
    Die haben paar Sättel leer gemacht
    da sind die Schergen davongejagt
    Nunau - nanu - nanu
    Was lauft ihr denn immerzu

    Und als die Moeser genommen reißaus - naja
    da hoben sich aus dem Getreide heraus - naha
    Drei Mogontiner, die haben sich totgelacht
    daß sie gewonnen die große Schlacht
    Haha - haha - haha
    das sind ja Tausendsassa

    Wo wird, so hat wohl mancher gefragt - jaja
    wo wird geschlagen die erste Schlacht - hurra
    O Vicetia, dich hat das Schicksal begabt
    du hast ja die dicksten Hügel gehabt
    Jaja - haha- hurra
    Die Männer des Palma sind immer noch da



    ..schallte es aus mehreren Kehlen, als sich das Contubnerium Sönkes mit ein paar anderen Männern, die genug geplündert hatten, schwankend der Stelle näherte an der sich der Wagen befand. Schon aus einiger Entfernung hatten sie gesehen, wie sich mehrere Legionäre darin zu schaffen machten, und die Neugier hatte sie hergetrieben.
    "Moooohltiet.." , grüßte er die anderen Legionäre, als sie erkannten, dass es Leute von ihnen waren... sogar aus ihrer eigenen Centuria. Irgendjemand hinter ihm rief etwas, aber Sönke verstand es nicht... noch klingelte das Geschrei des Weibs in seinen Ohren, das es nicht geschafft hatte sich aus ihrem Griff zu winden wie das zuvor. Dafür hatte sie doppelt so laut geschrien... und gebissen. Sönke war zwar selbst nicht zum Schuss gekommen (wahrscheinlich weil die Furie ihn gebissen hatte), aber ein Andenken im Arm hatte er trotzdem davon getragen. Selbst dann hatte er es nicht fertig gebracht sie zu schlagen, so wie sein Kamerad es vorher getan hatte.. was ihm dann doch eher seltsam vorkam, immerhin hatte er sie vorher festgehalten. Und dabei nicht das geringste verspürt... nahezu losgelöst von sich selbst hatte er beobachtet, wie er sich als willfähriger Scherge bei einer Vergewaltigung verhielt. Und nicht den geringsten Gedanken darüber anstellte, ob das nun richtig oder falsch war...


    "Was habtn ihr do faanes?", fragte einer der anderen Legionäre in Sönkes Gruppe, die eigentlich gerade auf dem Weg aus dem Lager heraus war.. vielleicht würde man ja schon heute einen guten Preis in Vicetia für das Beutegut erhalten. Auch wenn das meißte schlichte Bronze war: Sönke hatte einen ganzen Beutel voll mit schönen Dingen, für die er sicher gutes Geld bekommen würde. Er hatte sogar zwei Phalerae aus Silber und eine Armillae aus Gold abgestaubt. Die andere hatte er nach kurzem Streit dem Veteran ihrer Truppe abgeben müssen. Dafür hatten sie Leckereien gefunden... und Wein! Dementsprechend blau war die Truppe.. und in Feierlaune! Sie hatten gute Beute gemacht! Sie hatten die Schlacht überlebt! Wenn das kein Grund zu feiern war...
    Bevor jemand antworten konnte, reichte Sönke auch schon einen Weinschlauch in den Wagen hinein: "Doa, proscht!"

    Mit Regulus auf den renitenten Prätorianercenturio gehetzt, griff Sönke sich ein paar der mitgebrachten Ketten und packte sich zusammen mit dem Artorier den Iunier. Als ersterer letzterem dann auch noch einen Spruch reindrückte, und letzterer dann antwortete, hätte Sönke sich am liebsten auf die Stirn geklatscht vor lauter Irrsinn, den er hier erleben durfte.
    "Ist ja gut jetzt.." , ächzte er, weil er nicht glaubte noch mehr von dem Gequatsche aushalten zu können ohne jemanden für seine Dummheit mit dem Tod zu bestrafen, "..du bist ja das hübscheste Mädchen im Dorf und hast einen Schwanz von hier bis nach Vicetia. Zufrieden? Danke, Maul halten."
    Nach getaner Arbeit ließen sie den Centurio einfach dort in Ketten stehen wo er war, und stapften zurück zu ihren Kameraden: "Wenn die alle so drauf sind, wundert es mich kein Stück, dass sie die Schlacht verloren haben." , murrte Sönke, griff sich seine Trinkflasche mit Posca und reichte sie dem Artorier. Er hatte schon jetzt eine Ahnung wie sehr ihn derlei verbale Schwanzvergleiche später langweilen würden..

    Mit zunehmender Verständnislosigkeit erlebte Sönke, wie sich seine Vorstellung von einer einfachen Gefangenenregistratur in Luft auflöste. Es gab sicherlich einiges was hier geschah, was er in einer solchen Situation nicht erwarten würde.. sowohl das sture Verhalten der Prätorianer als auch sein Centurio, der lieber diskutierte als den Auftrag zu erfüllen irritierte ihn zutiefst. Als schließlich ein weiterer Prätorianer ausrastete und sie zuerst vollkommen überrumpelte, dann aber eine öffentliche Demütigung ertragen musste, fragte Sönke sich schon was das für Männer waren, die man für die Prätorianer rekrutierte, wenn sie erstens nicht über die eigene Armlänge blicken konnten um zu erkennen, dass ihre Position nicht die beste für derlei Gerede war... und sich stellvertretend nicht nur für eine Familia, aber gleich für die ganze Gens beleidigt fühlten. Die Antwort kam ihm wie ein kalter Schauer: Prätorianer waren offensichtlich nix anderes als Berserkr. Effektive, wilde und gefürchtete Krieger in der Schlacht... aber davor und danach für nix zu gebrauchen.


    Das änderte Sönkes Wahrnehmung der Prätorianer grundlegend. Hatte er vorher damit gerechnet, es mit einem geschlagenen Haufen zu tun zu haben, deren Erfassung nur eine Lapalie war, konnte er sich jetzt nix anderes vorstellen, als dass die Meute der Prätorianer dumm genug war auf sie loszugehen. Natürlich würden die dann allesamt draufgehen, immerhin waren sie wenige inmitten des Heeres der Anhänger des Cornelius Palma.. aber der helvetische Centurio würde draufgehen. Regulus würde draufgehen... ER würde draufgehen.


    Vor der Schlacht hatte Sönke der Gedanke noch schreckliche Angst gemacht... nach der Schlacht war es für ihn eher abstrakter, überhaupt noch am Leben zu sein nach all dem was sie an dem Tag erlebt hatten. Und immer wieder hallten die Worte des Veteranen in seinem Schädel nach.
    Was ihn folgsam dazu brachte, die Hand ans Gladius zu legen.. und den ersten dieser Irren abzustechen, der ihnen zu nahe kam. Zuhause war es eine Ehre einen Berserkr umzubringen... und hier gab es einige zur Auswahl.

    Wenn überhaupt Diskussionen aufkamen, ob sie nun an den Plünderungen teilnehmen sollten oder nicht, so waren es recht kurze gewesen... aus denen Sönke sich schon VOR der Schlacht rausgehalten hatte. Zwar hatte er immer ein recht ideales Bild vom Legionärsleben, in denen Tapferkeit und Ehre größte Rollen spielten, allerdings war die Plünderung der gegnerischen Habe nach einer gewonnenen Schlacht immer wie selbstverständlich... nicht nur im römischen Raum war es nahezu verbrieftes Recht des Stärkeren sich an der Habe des Unterlegenen zu bereichern.
    Nach der Schlacht waren die Diskussionen nahezu verstummt... zuviel Blut war auf ihrer Seite durch die Hand der Kaiserlichen geflossen, als dass man dort noch großartig Rücksicht nehmen wollte... oder konnte. So stand auch Sönke, den die Erlebnisse der Schlacht mit Hochgeschwindigkeit vor eine mentale Mauer hatten rauschen lassen, mit dullem Kopf vor der Bewehrung des feindlichen Lagers nachdem man sie in ihrem eigenen von der Kette gelassen hatte.
    Ihr Centurio hatte sich entschlossen, wohl ob seiner Verletzung, nicht an der Plünderung teilzunehmen.. und so war es ihr Optio der für Ordnung in der Gruppe ihrer Centurie sorgte während sie mit wachsamen Blick in das Lager der Kaiserlichen eindrangen. Gedanken machte er sich keine... er tat einfach das, was die anderen um ihn herum für richtig hielten, allen voran die Veteranen. Und die bläuten ihnen, bei aller Vorfreude, gewisse Regeln ein um Stress mit den Oberen zu vermeiden: die Offizierszelte galten den Offizieren, Legionäre plünderten den ganzen Rest. Laut Erklärung seiner Begleiter gab es auch da genug zu holen... und je näher sie den Zelten kamen, desto höher rauschte auch der Puls ob der ganzen Aufregung. Es gab ganze Gruppen der Masse an Rebellen, die sich gegenseitig aufputschten und für die Plünderung heiser schrien oder sangen.. fast als wäre dies ein großer Ausflug mit dem Ziel der Bereicherung auf Kosten anderer.


    Sönke hielt sich einfach stumpf an sein Contubernium.. von denen sich alle vier aufgemacht hatten um sich und den im Lazarett liegenden Kameraden die Taschen zu füllen. Einer der Veteranen zog sie an den ersten Zelten vorbei, weiter in Richtung Mitte des Lagers... 'Die äußeren Bezirke sind bald überrannt, holt euch dort etwas wo weniger von uns rumstreunen...', gab er ihnen zu verstehen, und so tingelte das Quartett mit wachsamen Blick und düsteren Blicken durch das Lager immer weiter Richtung Prätorium. Sönke wollte schon auf eins der größeren Zelte zusteuern, da hielt ihn derselbe Veteran am Arm und schüttelte nur den Kopf: "Sicherlich das eines Tribuns oder schlimmer... nicht für uns, gibt nur Ärger. Da, dort weiter... da fangen wir an."
    Hinter ihnen erschollen bald Schreie, auch von Frauen... wohl Trossweiber, die sich entschlossen haben zu bleiben, warum auch immer. Aber auch Männerschreie waren zu hören, Schmerzensschreie... irgendwem kochte wohl gerade das Blut erneut über, oder jemand wollte sich fahrlässigerweise nicht von seiner Habe trennen und wurde mit Gewalt an den Ausgang der Schlacht erinnert. Das alles ging an Sönke vorbei, ihn kümmerte seit der Schlacht schon keine Gefühlsregung mehr.
    Das Zelt, das ihnen von ihrem erfahreneren Kameraden angedeutet wurde, wurde mit gezogenem Gladius geöffnet, sicher war sicher... doch es war leer. Schon rauschten die vier Männer hinein und machten sich an den Lagerstätten von gefallenen oder gefangenen Kaiserlichen zu schaffen.
    Sönke stürzte sich, dem Vorbild der anderen folgend, auf eine Lagerstatt und durchwühlte unbeholfen die dort herumliegenden Sachen... bis ihn einer seiner Kameraden, wohl schon erfahrener in der eiligen Suche nach Wertsachen, zeigte wie er selbst vorging: "Lass den ganzen Plunder hier liegen.. das braucht kein Mensch. Je schneller wir hier raus sind, desto schneller können wir uns ein anderes vornehmen... also: Geld, Schmuck, Edelmetall. Lass den Rest einfach bleiben.. das kostet nur Zeit... und jetzt sieh zu Sönke."
    So auf ein Beuteschema gepresst, dauerte es nicht lange: der Soldat den Sönke gerade beraubte hatte nicht viel. Eine Brosche aus Bronze, vierzehn Sesterzen, das war's. Bevor er sich darüber beklagen konnte, rauschten seine Kameraden schon aus dem Zelt und zum nächsten.. wo ein lauter Frauenschrei erklang. Als Sönke aus dem Zelt trat sah er, wie einer seiner Kameraden eine weinende Frau, wohl noch keine zwanzig Jahre alt, an den Haaren aus dem Zelt zog und ihr einen Tritt versetzte: "Halt deinen Mund geschlossen, und wir werden deine Beine nicht öffnen..."
    "Wieso eigentlich nicht?", wandte ein anderer ein, der Blick plötzlich von geifernder Lust erfüllt. Die ganze Gruppe hielt auf einmal inne und betrachtete die Frau, die sie mit angstgeweiteten Augen anblickte und sich so klein zusammenzukauern schien, als wollte sie verschwinden ohne davonzulaufen.
    "Naaaaa...", wandte der ältere Veteran ein, "...kostet zuviel Zeit. Mit dem Zeug was ich währenddessen abstaube kann ich mir später zehn Lupae leisten, und die schreien dann auch auf die richtige Art und Weise dabei."
    "Was ist aber, wenn ich JETZT ficken will?", entgegnete der andere ohne den Blick von der Frau abzuwenden, "Komm schon... Sönke, halt sie fest und sieh zu, dass sie mich nicht kratzt..."
    Bevor Sönke nachdenken konnte, hockte er auch schon am Boden, riss die Arme der Frau auseinander und drückte sie nieder. Ob er überhaupt nachdenken hätte können war im Moment keine Frage... er tat es einfach. Das Weib begann sofort lauthals zu schreien und um sich zu treten, und sein Kamerad musste kräftig zupacken um ihre Beine überhaupt in den Griff zu bekommen. Doch bevor er sie auseinanderdrücken konnte, entglitt ihm ihr linkes Bein, welches sofort zuschnellte und ihm mit Smackes zwischen die eigenen Beine trat. Der Mann ging mit einem Jaulen nieder, dass das der Frau um Längen übertönte... und vor Schreck sah Sönke nicht, wie die Frau sich zusammenkrümmte und ihm ihr Knie entgegensausen ließ. Einen Moment lang sah er nur Sterne.. doch er hörte nur Gelächter. Schallendes Gelächter.
    "HAH!! BEI IUNOS TITTEN, IST DAS ZU FASSEN?", lachte der Veteran mit tiefem Barriton, "Da lassen sich zwei Veteranen der Schlacht von Vicetia von einem Weibsbild übertölpeln... oh, danke Bacchus, dass du mich das noch hast erleben lassen. Jetzt kann ich in Ruhe... WEITERPLÜNDERN! Seht zu ihr beiden Ochsen, dass ihr hochkommt... wir haben noch viel zu tun..."
    Sönke rieb sich die nun schon an zweiter Stelle geplatzte Lippen, besah sich die Finger und sah Blut. Er fluchte leise über diese Torheit, und trat dem immernoch mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden kauernden Möchtegern-Vergewaltiger in den Hintern: "Festhalten, sagt er.. dass sie dich nicht kratzt, sagt er... vielleicht hätte er mal selber festhalten sollen, verdammter Idiot."
    Mit diesem Fluch spuckte Sönke noch einmal aus, bevor er sich zu den anderen in das Zelt begab um zuzusehen, dass er heute zumindest etwas reicher aus dem Lager der Kaiserlichen kam als er es betreten hatte.