Beiträge von Marcus Marius Madarus

    Hatte Sönke die Schlacht einigermaßen unbeschadet überstanden (Idiotendusel würden einige dies nennen, so wie er durch das Geschehen gestolpert war), war er aus dem anschließenden Loch des Elends als Zombie geklettert. Nicht nachdenken, stumpf Befehle ausführen... und die eigenen Emotionen ersoffen in dem Meer aus Blut. Auch wenn sich die Rebellen, teilweise mit den Gefangenen Kaiserlichen, zu tausenden damit beschäftigten das Schlachtfeld zumindest einigermaßen aus dem Griff des Todes zu befreien: es war noch überall ersichtlich, dass man sich hier vor Tagen massenhaft gegenseitig massakriert hatte.
    Äußerlich sah Sönke nicht halb so übel zugerichtet aus wie ihr Centurio, doch hatten sich seine Narben eher nach innen gekehrt: viel mit ihm anzufangen war nicht. Alleine die Bestattung von gleich zwei Kameraden aus seinem Contubernium war an ihm vorübergegangen, als hätte er das nur geträumt. Zwei weitere lagen noch im Lazarett, wobei man ihm gesagt hatte, dass einer von ihnen sicherlich nicht in den aktiven Dienst zurückkehren konnte. Helfen tat das nicht, Sönkes Laune pendelte von todfinster zu teilnahmslos.. und als der Centurio ihn und ein paar andere Männer aufforderte ihm zu folgen war es mehr der verinnerlichte Drill, der Sönke gehorchen ließ als irgendwas anderes.


    So stellte Sönke auch keine größeren Gedanken an, als sie dem kleinen Haufen Prätorianern gegenüberstanden.. warum auch immer. Der Centurio sprach, ein Prätorianer antwortete... und wie ein Vollautomat griff Sönke sich eins seiner Pila (war es seins? Er hatte es irgendwo auf dem Schlachtfeld gefunden und wieder einigermaßen gerade getreten), und rammte dem vorlauten Prätorianer dasselbe Griff voran in die Magengrube.
    "Du wirst deine verdammte Zunge im Zaum halten, wenn der Centurio zu dir spricht, Lakai eines Kaisermörders." , schrie Sönke und trat sogar noch einmal nach. Warum er das tat? Wahrscheinlich wusste er das selbst nicht einmal... er mochte ihren Centurio nicht einmal. Aber irgendwas in ihm hatte das schonmal gesehen, und so unbedarft wie Sönke war, machte er das wohl einfach nach.

    Wie lange sie den fliehenden Kaiserlichen hinterhergehetzt waren konnte Sönke nicht einmal rekapitulieren, als sie noch mittendrin gewesen waren. Atemlos hatten sie die Fliehenden verfolgt, sie auf die eine oder andere Art und Weise zu Fall gebracht und ihnen die Feldzeichen entrissen (bis irgendwann die Order zu ihnen durchdrang eben das nicht zu tun).
    Gefühlte Stunden später stand Sönke unschlüssig auf dem Schlachtfeld, weil sich all jene ergeben hatten denen die Flucht nicht gelungen war, und sich das Loch bildete, das die Veteranen dort verorteten wo die Realisierung noch nicht gegriffen hatte, dass man die Schlacht tatsächlich gewonnen hatte... das Tief zwischen Kampf und Siegestaumel, quasi.
    Es kamen keine Befehle, weil irgendwie jeder doch noch irgendwo was hatte womit er sich beschäftigen konnte, und Sönke selbst kam nicht einmal auf die Idee sein Contubernium zu suchen und darauf zu warten sich seiner Centurie anzuschließen, die würde immerhin in direkter Nähe irgendwo was zu tun haben.


    Sein Blick aus dreckverkrustetem Gesicht schweifte über das Schlachtfeld, aus dem die zuvor gigantische Energie gewichen war wie der Wein aus einem undichten Trinkschlauch... wäre nicht das Geschrei der Verwundeten und das Gewimmer der Sterbenden hätte man schon fast von einer unheimlichen Ruhe sprechen können. So aber bekamen die Ohren das zu Hören, was zuvor unter dem Geschrei tausender kampfeswütiger Männer verdeckt geblieben war. An den Gestank hatte er sich schon längst gewöhnt (nicht zuletzt weil seine eigene Kotze auf seinen Füßen ihm da eine prima Starthilfe geleistet hatte). Und wo sich die Augen zuvor auf all jene lebenden konzentrieren mussten, die einen selbst nach Valhall schicken wollten, erblickten sie nun das weite rauchverhangene Elend des Schlachtentods. Verstümmelungen jeder noch so abstrakten Form, der Boden vielerorts rutschig und sumpfen vom vielen Blut... und als krönender Abschluss der Unmenschlichkeit: der blutgewordene Astico.


    Irgendwann erreichte das, was Sönke hörte, roch und sah auch seinen Geist... und es traf ihn wie ein Hammerschlag in die Magengrube: er ließ sich einfach nieder, griff unbeholfen strauchelnd nach hinten, ließ sich an einem zerstörten Geschütz auf den Boden sinken, mitten in die Hinterlassenschaften eines hingemordeten Kaiserlichen, und begann hemmungslos zu heulen.
    Erst waren es nur einzelne Tränen, die Sönke das Sichtfeld verklärten, aber irgendwann regte sich selbst die stundenlang ausdruckslose Maske aus Dreck, Blut und Unrat die sich auf seinem Gesicht niedergelassen hatte, und den ersten Schluchzern folgte bald der erste Heulkrampf.
    Bei all dem jämmerlichen Elend, das Sönke inmitten all der Zerstörung darstellte, war dies doch wohl die ehrlichste Gefühlsregung seit dem Beginn der Schlacht... dabei hatte er es wohl fertiggebracht während des ganzen Getümmels nicht einen einzigen Menschen zu töten.
    Es war nicht so, als würden ihn bestimmte Bilder dazu veranlassen derart zusammen zu brechen.. es war eher, dass sich die schiere Masse an Eindrücken des Tages sich so aufgetürmt hatte, dass sie ihn erdrückte. Ihn niederdrückte, bis er nicht mehr konnte... und die Tränen flossen, jegliche Kontrolle über ihn selbst verloren ging und er nichts anderes war als ein hemmungslos heulendes Häufchen Elend inmitten des Schlachtfelds von Vicetia.

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    Original von Gaius Artorius Regulus & Lucius Helvetius Corvinus
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    "Aber er muss hier sein..." , rief Sönke dem Artorier zu, immernoch vom Schreck benommen Hadamar nicht gefunden zu haben. Natürlich hatte der Artorier recht, sie gehörten hier nicht hin, dies war weder ihre Centurie noch ihr Platz... denn um sie herum tobte immernoch die Schlacht. Der Angreifer, der den Optio bedrängte den Sönke für Hadamar gehalten hatte, brauchte ebenfalls nicht lange um sich dem zuzuwenden der ihn da gerade von den Füßen geholt hatte. Von einem Kameraden gestemmt schob er sich zurück auf die Füße, und ging mit grimmigen Blick nun auf Sönke zu, der den Mann anblickte wie ein Schaf. Was folgte was ein Hagel an Stichen und Schlägen denen Sönke wieder einmal wenig mehr entgegenzusetzen hatte als das unbeholfene Abstottern von monatelang verinnerlichten Paraden und Manövern bis der Mann schließlich selbst niedergeschlagen wurde.. vom Optio, den Sönke gerade noch selbst aus dieser Umklammerung befreit hatte. "Danke.", murrte der Optio noch und meinte offensichtlich die kleine Hilfe, die Sönke ihm unwillentlich zuteil hatte werden lassen. Sönke selbst brachte zum Dank für die gegenseitige Hilfe nur ein ahnungsloses Nicken zustande, dann ging es auch schon weiter... er suchte den Artorier, fand ihn bei sich und durfte sich doch schon dem nächsten Gegner erwehren.
    Dass sie sich jetzt wieder hier im Getümmel der ersten Reihen befanden, die kaum mehr das waren was man als geordnete Schlachtreihe bezeichnen konnte, sondern nurnoch eine mit sehr lockerer Schnur gezogene Anreihung von Einzelkämpfen und Duellen und wilden Schlägereien, war eigentlich so nicht geplant gewesen... und je länger Sönke sich hier erneut irgendwelchen Gegnern erwehrte, desto stärker kroch ihm die Erschöpfung auch in die Glieder.


    Bis sie irgendwann schlichtweg von den Ereignissen überrollt wurden. Von irgendwoher rief jemand etwas... was Sönke erst gar nicht richtig mitbekam, schließlich rief DAUERND irgendjemand etwas. Meistens Flüche und Verwünschungen, oft Kampfschreie für irgendeine Stadt, irgendeinen Gott, irgendeine Frau.
    Aber das hier war anders... denn es wurde öfter gerufen, und von immer mehr Menschen wurde die Meldung durchgegeben: die VIII. Legion rückte vor? Im Sturm? Und drückte den Gegner den Hang herunter?
    Waren das jetzt gute Nachrichten? Der Effekt auf das Kampfgeschehen war fein, aber dennoch auszumachen: die Kämpfe schienen sich zu verlangsamen, weil der Gegner ebenfalls die Lauscher aufsperrte um mitzubekommen was da weiter im Süden vor sich ging.
    Dann auf einmal wurden sie von hinten von ihren eigenen Leuten überrollt, und Sönke fand sich wieder in seiner eigenen Centurie wieder.. angeführt vom humpelnden Centurio, der seine Männer mit Kampfrufen nach vorne peitschte um den Gegner zurück über die Verschanzungen zu drängen.
    "VICTOR SECUNDA!!!" , rief nun auch Sönke, mehr automatisch denn voll bei der Sache, und ging mit seiner Centurie einfach mit... was blieb ihm auch anderes übrig? Der Gegner wich, von dem Vorstoß und den Nachrichten aus dem Süden offensichtlich verunsichert.. aber nicht weit.
    Dort ging alles wieder von vorne los... man hangelte sich von Stich zu Schlag wieder zum Stich, und auch Sönke konnte kaum mehr zählen wie oft er jetzt schon vorne gewesen war. Die Zeit verging einerseits zäh, andererseits stand die Sonne doch jedes Mal wenn er nach oben in den absurd blauen Himmel schaute woanders.


    Und dann geschah irgendwie alles auf einmal und doch in elend langsamer Abfolge... erst brüllte man, die XXIII. würde fliehen, was sämtliche Kämpfe auf einen Schlag beinahe enden ließ, weil die Verunsicherung der Kaiserlichen in der XXV. Legion fast greifbar war. Dann ging es wieder von vorne los, auch wenn die ausgetauschten Feindseligkeiten nun weitaus verhaltener waren... und dann auf einmal tauchten in der südlichen Flanke Feldzeichen der VIII. Legion auf, angeführt von irgendwem auf einem Pferd (ergo Offizier sonstwer), dann im Osten den Hang herunter Reiter, die offensichtlich nicht zum Gegner gehörten... und dann lösten sich die feindlichen Formationen Stück für Stück auf, Männer und Offiziere schrien durcheinander und immer mehr Kaiserliche lösten sich aus der Frontlinie um nicht doch noch am Ende umzukommen. Schließlich standen die verdutzten Männer der zweiten Legion vor einem Flickwerk, dass vor wenigen Moment noch eine penibel durchorganisierte Legion gewesen war... und schließlich zur Gänze auseinanderbrach.


    Sönke, dem noch nicht im geringsten aufging, dass sie die Schlacht tatsächlich gewonnen hatten (und er folglich überlebt hatte), hätte dem Ganzen wohl den ganzen Tag lang zusehen können, wäre da nicht einer seiner Centurie gewesen und hätte ihn am Kragen gepackt um ihn hinter dem Centurio herzuschleppen.
    "Was machen wir denn nun?" , fragte Sönke nahezu hilflos, schließlich hatte man ihnen lange eingebläut wie man sich in der Schlachtreihe zu verhalten hatte... aber nicht, wie man sich verhielt wenn der Feind floh.

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    Original von Gaius Artorius Regulus und Lucius Duccius Ferox



    Wie lange hatte er in dem Graben gelegen? War es überhaupt ein Graben, und nicht der Wall in einer seltsam verformten Welt? Sönke wusste, dass er nicht wach war, weil sämtliche Geräusche und selbst die Bilder vor seinen Augen sich fremd und unwirklich anfühlten.. und so wie im einen Moment seine Sinne schwanden, kehrten sie im nächsten mit doppelter Schärfe zurück. Es stank entsetzlich nach Erbrochenem, Pisse und schlimmerem was Verletzte und Sterbende in den schlimmsten und letzten Momenten ihres Lebens so von sich gaben. Das Gebrüll der Kämpfenden war er gewohnt, aber hier unten im Graben war die Welt erfüllt vom Wimmern und Röcheln all jener, die schon verloren hatten. Einem, der schon seinen letzten Atemzug getan hatte, entwich noch einmal auf abstrakte Art und Weise quietschend ein Schrei als einer der Lebenden sich den Weg mit stampfenden Schritten über den Toten hinweg auf den Wall und darüber hinaus bahnte. Ein entsetzlich Zugerichteter zog sich mit schwachen Regungen unglaublich langsam an und über Sönke hinweg, der in seinem Beobachten nicht einmal die Frage stellte ob er selbst schon tot war oder noch lebte. Es fühlte sich an wie eine halbe Ewigkeit, bis die Bewegungen des Mannes, der seinen Helm schon lange verloren hatte, schließlich immer schwächer wurden... und Sönke sah mit innerem Schrecken und äußerer Regungslosigkeit an den Augen des Mannes seinen ersten Menschen sterben.


    Als er schließlich gepackt und zurück den Wall herauf geschleift wurde, war Sönke immernoch nicht klar, dass er überhaupt noch lebte.. doch zu krass war der Kontrast aus dem Reich der Toten und Sterbenden unten im Wall, aus dem man ihn riss, als dass er sich der Brutalität der Lebenden lange entziehen konnte. Schreie, klirrendes Metal, das stumpfe Donnern der Scuta, das Kreischen der Ausrüstung wenn Mann auf Mann traf.. und immer wieder das Wimmern jener, die dorthin abstiegen aus dem man Sönke gerade erst entrissen hatte. Auch in dem Delirium, in dem er sich gerade befand kam Sönke nicht umhin festzustellen: sie wurden an der Stelle des Einbruchs gerade nach Strich und Faden von den Kaiserlichen auseinandergehauen.
    Das nächste, was er mitbekam war die Ohrfeige des Artoriers, und auch wenn er die ganze Zeit über geatmet hatte... der jetzige Zug der mit Staub, Rauch und viel Gestank erfüllten Luft tat so weh als wäre es der erste seines Lebens.
    "ICH BIN DA!!!" , schrie er auf, und stemmte sich wie zum Beweis nach oben, "ICH BIN... DA."
    Seine Lungen waren jedoch nicht das einzige, die sich scheinbar erst wieder daran gewöhnen mussten doch nicht den Löffel abzugeben, denn sein Magen meldete sich ebenso wieder... und ebenso schmerzhaft ließ Sönke sich wieder zurück auf die Seite fallen und erbrach sich erneut geräuschvoll und äußerst jämmerlich auf den Boden neben dem Artorier.
    Vollkommen erschöpft, obwohl er wohl nicht halb so viel geleistet hatte wie andere, erfolgreichere Kämpfer, stemmte Sönke sich wieder mit den Ellenbogen ab und blickte vollkommen verloren nach oben... "Danke, Mann. Wie steht..?" , wollte Sönke gerade fragen. Ihm ging auf, dass sich der Rest ihrer kompletten Centurie auf dem Rückweg befand, weil er einige ihrer Leute um sie herum sitzen, hocken und stehen sah... nicht einer, der nicht eine zerknirschte, zerschundene oder einfach nur ausdruckslose Mienen zeigte. Den Centurio sah er nicht, genauso wenig ihren Optio.. wen er aber sah, das war Hadamar. Nur einen Augenblick, einen Herzschlag lang. In der seiner Meinung nach vollkommen falschen Richtung.
    Es war nicht dessen Schrei gewesen, der ihn nach vorne hatte blicken lassen, denn hier schrien TAUSENDE um sie herum einen ganz ähnlichen Schrei. Warum auch immer er just in dem Moment nach vorne blickte, konnte er nicht sagen, er tat es einfach... und dieser Moment reichte aus, ihm zu zeigen wie Hadamar (der mal vom Gewand eines Optios abgesehen aussah wie hunderte andere auch auf dem Schlachtfeld) gerade drauf und dran war sich selbst umzubringen. Beziehungsweise: sich umbringen zu lassen.


    Und auch wenn Sönke gerade so etwas wie ein zartes Gefühl des Glücks entwickelte, die Hölle vorne am Wall überlebt zu haben, dieser Anblick ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Wegen weil: früher. Man muss das Stakkato an Gedanken nicht näher beschreiben, es war einfach: früher.
    Früher ließ ihn sich unbeholfen aufrichten, langsam nach seinem Gladius (oder dem, was er für sein Gladius hielt) greifen und einen Schritt nach vorne taumeln... bevor er den Artorier an den Schulterplatten seiner Lorica ergriff und ihn ebenfalls hochzog. Hochziehen wollte... denn besonders stark war Sönke immernoch nicht.. jetzt weniger denn je.
    "Komm schon... wir müssen zu ihm!" , stammelte Sönke, wenig darauf bedacht dabei ernsthaft dreinzuschauen... der Mix aus Dreck, Blut, Speichel und Erbrochenem auf seinem Gesicht machte zusammen mit einem Blick, den man ohne weitere Probleme als wahnsinnig bezeichnen konnte, sicherlich einen besonderen Eindruck.
    Darauf konnte er allerdings keine Rücksicht nehmen, denn er hatte etwas vor.. auch wenn ihn kein wirklicher Wille mehr trieb, sondern nur noch jahrelanger Reflex: eben früher. So ließ es ihn auch nicht weiter darauf achten, ob der Artorier wirklich mitkam.. Sönke taumelte einfach voran, griff sich irgendwo ein zersplittertes Scutum, drängte sich zwischen den an der Front immer dichter stehenden Kämpfern durch bis er schließlich den Helmbusch eines Optios ausmachte und sich mit lautem Gebrüll auf dessen Gegner warf: "HADAMAAAAAAAAR!!!!!!!!!"
    Nicht in perfekt eintrainierter Manier, nein: Sönke verwendete sich einfach samt Scutum als lebenden Rammbock und holte den Typen wie auch immer von den Füßen.
    Als er sich mit einem grenzdebil wirkenden Grinsen Hadamar zuwenden sollte, erstarrte seine Miene noch bevor er den Mund für einen flappsigen Spruch öffnen konnte: das war gar nicht Hadamar.

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    Original von Lucius Helvetius Corvinus
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    Original von Gaius Artorius Regulus
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    Auch wenn der Kelch der ersten Reihe bisher an ihm vorübergegangen war: das Töten und Sterben, das direkt vor seinen Augen statt fand, schockierte ihn zutiefest... und letztlich waren es nur die Befehle, die ihm von links und rechts in sein Ohr gebrüllt wurden, die ihn weitermachen ließen. Sönke Hartwigssohn war in diesen Momenten nicht mehr als ein vollkommen verstörtes Bündel Reflexe.. es waren die wenigen Jahre des Trainings, die ihn hier nicht zusammenbrechen ließen. Noch.


    Scuta anreichen, verletzte Kameraden nach hinten schleppen und solche, von denen er sich statthaft einbildete, sie wären nur verletzt und ohnmächtig (selbst bei jenen, die man sich nur mit viel Fantasie und hinzugedachten Körperteilen ins Land der Lebenden zurückdenken konnte)... eigentlich tat Sönke so ziemlich alles um nicht nach ganz vorne geschickt zu werden. Und dann deutete der verdammte Centurio auf ihn, und raubte ihm damit jede Möglichkeit sich weiterhin vor dem zu drücken was letztlich doch unvermeidlich war. Freilich folgte Sönke der Order, wenn er auch nicht die geringste Ahnung hatte WARUM er das tat... und trat mit den anderen Männern hinter dem Centurio in das Getümmel, wobei er sich tiefer kaum hinter seinem Scutum verstecken konnte... dennoch sah er, wo der Centurio sie gerade eigentlich reinschickte! Er hatte vorher nicht einmal mitbekommen, dass wenige Schritte weiter die Verschanzungen überrannt worden waren, und nun stürzte der Centurio sie mitten in dieses Getümmel und Sönke sah bereits den eigenen Tod vor Augen.. beziehungsweise in den Augen des Mannes, der sich gerade auf den Wall schob und ihm entgegentrat.


    Alles, was darauf folgte war das Ringen der Ungleichen... auf jeden schnellen Stich des Mannes folgte eine unbeholfene Bewegung Sönkes mit dem Schild, auf jeden Schlag mit dem Scutum des Kaiserlichen zuckte er zusammen wie unter einem Hammerschlag, jedem Ausfallschritt des Gegners folgte ein Zurückweichen Sönkes. War im Blick des Kaiserlichen routinierte Entschlossenheit, hatte Sönkes Mimik im Moment wenig mehr zu bieten als stumpfe Angst.. was seinen Gegner dazu animierte Sönke eine gefühlte Meile zurückzutreiben. In Wirklichkeit hatte Sönkes hilfloses Zurücktaumeln nach ein paar Schritten ein abruptes Ende, weil er mit dem Rücken an den Anfang der bis dahin abgerissenen Verschanzung stieß. Den winzigen Moment, den Sönkes das aus dem Konzept brachte, reichte dem Kaiserlichen vollkommen um einen krachenden Treffer auf Sönkes Helm zu landen, der den germanischen Rebellen nur noch Sterne sehen ließ... dass er dabei stumpf zur Seite kippte, mitten in den mit Verschanzungsresten, zerstörter Ausrüstung und Toten beider Seiten gefüllten Graben.

    Mit Tränen in den Augen von der nicht unerheblichen Anstrengung des Kotzens raffte Sönke sich wieder auf als ihm einer seiner Mitsoldaten an die Schulter packte... er bekam es gerade noch hin dem Evocatus halbwegs dankbar zuzunicken, dann ging alles auch schon auf einen einzigen Schlag los: der Legat hielt eine Rede (bekam er kaum mit), der Tribun ebenso (kaum zu verfehlen) und der Feind krachte mit einer Gewalt an ihre Verschanzungen, dass selbst einige Reihen weiter hinten Sönke erschrocken zusammenfuhr. Schreckstarr blickte er nach vorne und sah, wie die Soldaten oben auf dem Wall Pilum um Pilum ins nicht zu erblickende Heer des Gegners warfen, und kurz danach tauchten auch liensten auch schon die ersten Köpfe, die eindeutig nicht zu ihnen gehörten (weil sie in die falsche Richtung guckten) zwischen den Scuta hervor.
    Die ersten Schmerzensschreie gehörten den Göttern sei dank dem Gegner, allerdings ließ es nicht lange auf sich warten und der erste Mann ihrer Centurie kippte wortlos nach hinten und verschwand zwischen den ihn umgebenden Männern... aus denen sofort einer nach oben trat, gestützt und gedeckt von einem seiner Hintermänner.


    Hatte Sönkes Geist gerade noch schiere Angst erfüllt, verfiel er nunmehr in eine Art regungsloses Staunen. Erst als der Artorier neben ihm sich zu Wort meldete, durch das Geschrei und den Krach vorne an der Front kaum zu verstehen, wandte Sönke sich diesem mit offen stehendem Mund und blickte ihn an, als hätte er den Verstand verloren: "Ich will aber nicht sterben."
    Sowieso: so einen Spruch hätte er von einem Veteran wie dem Centurio (immernoch ein Arsch, auch wenn einer, der sie am Leben zu halten hatte!) erwartet, aber nicht von einem Frischling wie dem Artorier. Wo der das her hatte? Sönke hatte nicht einmal die Muse sich darüber gedanken zu machen, zu sehr war er damit beschäftigt durch gegnerische Pila unbrauchbar gemachte Scuta von diesen zu befreien und wieder nach vorne zu reichen.
    "Das hast du schon, Barbarensohn...", grinste einer der älteren, betont raubeinigen Veteranen zu ihm herüber, bevor er ihm ein verbogenes Pilum reichte, "...du bist gestorben, als du in die Legion eingetreten bist. Und je schneller du das einsiehst, desto einfacher wird es hier für dich... hier, nimm das und tritt es gerade.."
    Immernoch ziemlich dumm dreinschauend und mit offenem Mund nahm Sönke das Pilum an, hielt es so, dass der Bogen nach oben schaute und trat ohne nachzudenken mehrere Male drauf. Dann wurde er nach vorne geschoben... weil wieder einer ihrer Leute wieder in einem erstickten Schrei umfiel und von seinen Kameraden nach hinten gezogen wurde. "Ich soll hier nur die Pila geradetreten..." , entwich es Sönkes Mund bevor er wusste was er da eigentlich sagte, "...ich soll da eigentlich gar nicht hin."

    Als der Centurio waghalsig die Verschanzung hinaufkletterte, und sich vollkommen unbeeindruckt von dem umherschwirrenden Blei gab, starrte Sönke den Mann an als hätte er vollkommen den Verstand verloren. Wie wahnsinnig musste man sein, um sich freiwillig dem Beschuss durch die gegnerischen Funditores auszusetzen, die da unten am Fuß der Hügelkette umherkreuchten und immer wieder ihre tödlichen Ladungen nach oben spuckten? Auch wenn ihm dabei noch flauer in der Magengegend wurde, lenkte es ihn doch letztlich davon ab, was ihn während des Wartens an den Verschanzungen die ganze Zeit beschäftigte: sie würden alle sterben. Dessen war er sich mittlerweile sicher, auch wenn der Schlachtenlärm aus dem Norden nurmehr dumpf und verfälscht zu ihnen herüberwehte. Das war verdammt viel Armee da unten... mindestens eine komplette Legion mehr als sie waren. Und dabei auch noch die Prätorianer, die jetzt wahrscheinlich im Norden kräftig einheizten!


    Just als er diesen Gedanken zuende gebracht hatte, wendeten sich auch immer mehr Köpfe in ihrer Centurie den Hügel hinauf... als Sönke es seinen Leuten gleichtat, erfasste er mit Schrecken, dass sich gleich zwei ganze Cohorten in den Wald auf dem Hügelkamm aufmachten, und schließlich in diesem verschwanden. Sorgenvoller Gemurmel tat sich in ihrer Centurie auf, und auch als Sönke sah, dass die anderen sie umgebenden Centurien sehr viel lockerer mit dem Verschwinden gleich zweier Cohortes umgingen, mochte ihn das nicht beruhigen... die folgende Rede des Centurios mochte seinen vor Nervosität nur so rebellierenden Magen dann auch kaum mehr beruhigen, und sein 'ROMA VICTOR' war vielmehr ein elendes Krächzen als ein voll überzeugtes Brüllen. Und dann ging das Geschepper los... der Klang von vielen tausenden Schwertern die auf viele tausende Schilde prallten waberte den Hügel hinauf wie eine ebenso tausendfache unheilvolle Prophezeiung. Die Beleidigungen, die die Männer von der VIII. Legion den Gegnern entgegenbrüllten mochte ihn auch nicht mehr retten: als ein verirrtes Bleigeschoss eine Lücke in ihrer Verschanzung fand, am Centurio vorbeisauste und letztlich kraftlos an Sönkes Scutum abprallte, war es vorbei mit ihm: auf einen Schlag verkampfte sich sein Magen, saurer Geschmack breitete sich in seinem Mund aus und mit einem Mal zog sich sein ganzer Oberkörper nach unten, der Kopf mit dem Helm stieß klangvoll gegen die Oberkante seines Scutums... und Sönke kotzte sich in einer Ausgeburt an Angst und Nervosität einfach nur noch hemmungslos auf die eigenen Füße.

    Zwar hatte Sönke als Reinprovinzler nicht die geringste Ahnung, warum das mit dem König ein solches Problem war, dass gleich die ganze Legion ihrer Ablehnung lauthals Luft machte, aber der Rest der Ansprache des imposanten Legaten aus Untergermanien packte ihn dann doch. Das vor allem, weil es eine willkommene Ablenkung vom Fels in seiner Magengegend war, der sich seit einiger Zeit dort breitmachte und mit jeder Stunde des Wartens wuchs. Die Erschöpfung des gestrigen Abends war gewichen, nachdem sie ihn nach dem Schanzen in einen traumlosen Schlaf geschickt hatte, aber die Aufregung ließ ihn jetzt keinen Deut zur Ruhe kommen. Wie die Veteranen es schafften, sich in der Abwesenheit der Offiziere im zunehmenden Tagesverlauf wollte sich ihm beim besten Willen nicht erschließen. Sönke stand mit den Leuten seiner Centuria an der Verschanzung und kam sich reichlich dämlich vor, weil er kaum die Augen von den Hügeln lassen konnte, hinter denen das feindliche Heer steckte.
    Als es sich dann endlich zeigte, rutschte ihm sofort das Herz in die Hose.. das waren verdammt viele. VERDAMMT viele. Und die Prätorianer gleich mit dabei... deren schwarze Kluft sich weithin bemerkbar machte. Da wollte es ihn kaum beruhigen, dass die Veteranen die Nachricht verbreiteten, die Prätorianer wären die Nacht durchmarschiert und damit wohl alles andere als fit... es waren Prätorianer! Sönke hatte zwar nicht die geringste Ahnung, was Prätorianer jetzt eigentlich waren, aber die Geschichten die im Lager kursierten pendelten zwischen unbesiegbaren Kampfmaschinen zu Muttersöhnchen, die sich in Rom nur ihr Sitzfleisch wundsäßen und sonst zu wenig zu gebrauchen waren. Er hoffte auf letzteres...


    Kaum war das gegnerische Heer die Straße auf Augenhöhe hochmarschiert, kam auch schon der Befehl etwa eine Meile weiter gen Norden zu marschieren um die Stellungen zu besetzen die die Prima gerade erst geräumt hatte. Also aufrücken... hier und da machte es PLING als ein bleiernes Wurfgeschoss auf die eigenen gepanzerten Reihen traf, oder ein hohles TOCK wenn ein Schild getroffen wurde, und als der erste Schmerzensschrei ertönte zuckte Sönke unweigerlich zusammen, und bekam dafür von hinten gleich was auf den Deckel. "Reiss dich zusammen, Sönke... noch geht es nicht los...", wurde gezischt, das war allerdings leichter gesagt als getan.
    An ihrer neuen Position ging das gleiche wieder von vorne los... die Cohortes wurden tief den Hügel hinauf gestaffelt, die Scorpiones und sonstige leichte Artillerie wurde aufgestellt... und natürlich die Schilde, um von den wiederholt auftauchenden Funditores Deckung zu bieten. Dann hieß es wieder: warten. Dieses Mal im Angesicht des Feindes...

    "Grooter Theiwaz..", begann auch Sönke sein persönliches Gebet an den Kriegsgott, während die großen Obermotze im Improvisationstempel ihre eigene kleine Privatshow abzogen, und murmelte möglichst leise in der Sprache seiner Väter vor sich hin, wie er es auch als kleiner Junge immer getan hatte bevor er sich in die Schlacht gegen imaginäre Gegner (wahlweise Römer oder Barbaren, wobei er mit Barbaren eher gerechnet hatte... und nun das!) warf, was seinen Vater regelmäßig zur Weißglut getrieben hatte, der der Meinung gewesen war, er hätte eher den Erntegöttern opfern sollen. Nun aber hatte er jeden Grund der Welt... und eine seiner selbstgeschnitzten Figuren lag im Tempel bei all den anderen. "..ett is no e heel lang tiet her, datt ik to di spraaken heb. Watt nu niet meent, datt ik di vargotten het, ou so.. ik ben di teiwohl danklich, datt ju hest maakt, datt ik inne Legio kunn. Nu aer issat wat anners... wi du weest, trecken wi morn inne Slacht. Un... et döt mi liad, aer... ik heb heel en Bammel vor de Slacht. Ik wull niet krepiern, wenne weest, watt ik meen. Un... ik wod ju heel danklich sin, wenne mi da fidel dorchtrecks... so met all de Gliedr un so.. Arme, Beine... un mine Kopp... ik bruk mine Kopp. Aso.. Theiwaz, o grooter Vadder vonne Kriechsvolk, grooter Theiwaz.. wenne mi doa dorchbrings, da stell ik di een Stin op, wiu die Römersleut datt ook make... anne Stell vonne Slacht, doa geb ik ju watt druff. Janz seer. Janz. Bidde, Theiwaz... laat mi doa druten niet stern." Einen Moment der Stille hielt Sönke inne, bis er sich noch einer Sache entsann und im Zwiegespräch mit dem Kriegsgott doch nochmal nachhakte: "..un wenn ju mi unbedingt wuss stern laate, da giff mi een faste Dot. Sou wiu ik min Fiend faste döten wull... wenn ik i doten kunn, hees datt. Aso.. bidde, o grooter Vadder vonne Kriechsleut, bidde."
    Just in dem Moment, in dem er sein kleines Gebet beendet hatte, kamen auch die Offiziere wieder hervor, und das große Hauptopfer wurde durchgeführt... ebenso wie alle anderen wartete Sönke darauf, dass man ihnen mitteilte wie es ausgegangen war... viele Hoffnungen waren damit verbunden. Verdammt viele.

    Sönke hätte sich bei Erreichen des Umlandes von Vicetia am liebsten vor Sorge in die Hosen gemacht, die er nicht trug. Die Hügel die sich vor ihnen auftürmten hatten schließlich keine schlechten Chancen der Platz zu werden, an dem er ins Gras biss.
    Allerdings war er bei Erreichen des Hügels viel zu sehr damit beschäftigt, nicht seine Lunge auf die Straße zu kotzen und nach dem Gewaltmarsch einfach zusammen zu brechen. Vor allem Legionsneulinge wie er hatten unter dem Marsch gelitten, da konnte auch die Kondition nichts dran ändern, die ihm von seinem Centurio und dem Optio in den Monaten seines Legionärsdaseins in den Leib geprügelt worden waren. Als sie dann noch den Hügel hinaufmussten, war das nurnoch ein Tropfen auf den siedendheißen Stein.


    Oben angekommen war ihm die Aussicht in das Tal erst einmal scheissegal, weil der Centurio sie nach wenigen Minuten Verschnaufpause gleich wieder loshetzte um mit das Schanzwerkzeug herbeizuschaffen... was Sönke nach einem Zuneigungskuss mit dem Vitis dann auch gleich machte, wenn er auch den gewissen Elan vermissen ließ. Vom Marschgepäck befreit fiel Sönke auf, dass seine Klamotte (vor vier Tagen erst gewaschen, also quasi frisch!) klatschnass vor Schweiß war.


    Mit einem Dolabrae in der Hand kam er mit den anderen seines Contuberniums dann auch beim Centurio an und übte sich fleissig darin nicht allzu erschöpft auszusehen... auch wenn er am liebsten hier und gleich zu Boden sinken würde um einfach mal tagelang liegen zu bleiben.

    Drei... vier... fünf... sechs... sieben... acht... neun... zehn...elf. Und jetzt zwölf nach links. Eins...zwei...drei...vier...fünf...sechs...sieben...acht...neun...zehn...elf...zwölf. Und dann dreizehn Schritte, diesmal nach rechts.


    Sönke versuchte sich haargenau einzuprägen, wo er sich gerade befand... indem er die Schritte zählte, die er von eins bis dreizehn aufwärts in wechselnder Richtung im Halbdunkel des Abends im schmalen Streifen zwischen den riesigen Lager und den Stadtmauern tat. Dreizehn nicht etwa, weil es eine für ihn besonders bedeutsame Zahl war... es war einfach die letzte Zahl, bis zu welcher er zählen konnte. Als Ausgangspunkt hatte er einen der kleinen hölzernen Wachtürme auserkoren, die das Tor gen Verona markierten. Das würde er sich merken können, hoffte er. Und dann einfach einen Schritt nach links.. dann zwei nach rechts... drei wieder nach links... und so weiter. Irgendwann stand Sönke mitten im Feld... direkt neben einem Baum.


    "Na, dann halt so..." , murrte Sönke bei sich und begann mit seinem Pugio ein kleines armlanges Loch zwischen die Wurzeln des Baumes zu graben, sich dabei immer wieder misstrauisch umsehend, ob er bei seinem Treiben nicht doch beobachtet wurde. Als er schließlich bis über seinen Ellenbogen in das Loch hineingreifen konnte, löste er den mitgebrachten Beutel von seinem Gürtel und ließ ihn mit einem kleinen Stoßgebet gen Asgard in das Loch hinab. Zwanzig Denare enthielt der Beutel, fast das komplette Donativum das sie mittags bekommen hatten und seine Ersparnisse von zuvor. So er die Schlacht überlebte würde er zurückkommen und das Geld holen. Besser, als wenn es während des Kampfes verloren ging, oder so.


    Der Gedanke an den kommenden Kampf bedrückte Sönke sehr... bisher waren sie immer nur munter durch die Gegend marschiert, hatten Lager errichtet und ihre Ausrüstung instand gehalten. Und jetzt sah es tatsächlich danach aus, als würden sie in den nächsten Tagen tatsächlich auf den Gegner treffen... und je mehr Sönke darüber nachdachte, desto mehr drückte ihm das mit eiserner Faust die Bauchgegend zusammen.


    Erst nach einigen Momenten fiel Sönke auf, dass er immer noch am Boden hockte und in das Loch glotzte in dem seine Münzen lagen. Es war bereits deutlich dunkler geworden, und Sönke hatte keine Lust sich noch am letzten Abend hier in Verona Ärger einzufangen... da war die treudoofe Manier des Marius doch mächtiger als die Angst vor dem Ungewiss des Kampfes. So fügte er das Loch wieder zu, trat es platt und streute etwas Gras und Moos darüber... dann raffte Sönke sich auf, schüttelte sich einmal kurz als wollte er die Kälte des Winters aus den Gliedern vertreiben und machte sich auf zurück zu seinen Kameraden, die gerade dabei waren das letzte Korn zu vermahlen um in den ungewissen kommenden Tagen nicht in die Verlegenheit zu kommen während des Getümmels keine Zeit für's Essen zu haben.

    'Marcus Marius Madarus, Legionarius fünfte Cohors zweite Centuria der Legio Secunda...' , meldete Sönke sich an als er nach gefühlten Stunden endlich an der Reihe war, und musste noch einen Moment warten bis man ihn auf irgendeiner Liste gestrichen hatte. Als er schließlich die Münzen in die Hand gedrückt bekam und irgendwo sein X machte, fing es hinter ihnen schon an zu rumoren...


    "Was genau issn Patavium?" , fragte er als einer derjenigen vollkommen Ahnungslosen, die ihre germanische Heimat im Leben noch kein einziges Mal verlassen hatten... und sich demzufolge nicht mit der norditalischen Kulturlandschaft auskannten. Anstelle einer Antwort brachen kleine Tumulte aus, in denen die Leute wild durcheinanderschrien und Salinator (ein Name den Sönke schon auswendig gelernt hatte, weil jemand sagte man würde mit Gold überhäuft wenn man den Typen zu fassen bekäme) die Pest an den Hals wünschten. Also war irgendwas schlimmes passiert... nur hatte Sönke keine Ahnung was.


    "Eh, du da..." , sprach er wahllos einen der Soldaten an, die schon am Anfang mit ihm in der Schlange gestanden hatten, "...was issn nu passiert?"

    "Beim Prätorium gibt's Kohle!", brüllte einer in das Zelt, in dem Sönke sich zu einem kurzen Nickerchen eingefunden hatte, und das einzige was dem schlafverhangenen Germanen dazu einfiel war: "Wieso? Haben wir keine mehr?"
    "Hornochse, Sönke, es gibt Geld! Bare Münze! Man sagt sogar mit unserer Legion drauf! Sieh zu, dass du rauskommst...", lachte der Mann, ließ das Leder des Zelteingangs wieder zufallen und machte sich daran die nächsten auf die frohe Gabe aufmerksam zu machen. Sönke lag noch zwei Momente im Halbschlaf auf seinem Fell, bis zwei verschlafene Hirnzellen miteinander kolliditierten und sich im Schock des Aufpralls zu einer Erkenntnis zusammentaten. Sie bekamen Geld! Einfach so!
    Augenblick stand Sönke in seinem normalen Kittel vor dem Zelt und lief in Richtung des Prätoriums, das in der Mitte des riesigen Lagers die Bereiche aller fünf Legionen miteinander verband. Natürlich waren schon einige andere da, und Sönke hatte auf dem Weg das eine oder andere Gerücht aufgeschnappt, der Bereich summte nur so von den Stimmen hunderter Männer die sich ihren Bonus abholen wollten... zwischendurch unterbrochen von den Rufen einiger Centuriones, die verzweifelt versuchten die verschiedenen Soldaten in Reihen zu zwingen.. mit mehr oder eher minderem Erfolg.


    "Wieviel gibt's denn?" , fragte er einen der nahe stehenden Soldaten.

    Rein zufällig, also wirklich nur rein zufällig hatte Sönke heute Wache an einem der mit jedem Tag stärker befestigten Tore der riesigen Castra... denn es standen fast 20.000 Mann zur Auswahl, die in diesem Moment ebenso hier hätten stehen können wie er selbst. Taten sie aber nicht, so war es also Sönke der dem Neuankömmling bei der Stadt-an-der-Stadt winkte vom Pferd zu steigen. Er hatte so gut wie keine Ahnung von den verschiedenen Familiae und Gentes der römischen Nobilitas, aber in Sachen Tiberius klingelte was in seinen Ohren... auch wenn es gefühlte Ewigkeiten her war, seit ein Tiberius von gewisser Bedeutung seinen Fuß auf germanischen Boden gesetzt hatte.


    Erst wollte er ihn routiniert untersuchen, um dann einen flüchtigen Blick auf den Siegelring (den er hätte ohnehin nicht identifizieren können) zu werfen.. aber jetzt wo der Mann den Mund aufmachte, sah er die perfekte Gelegenheit die Arbeit auf wen anderes abzuwälzen: "Der Legat der Prima befindet sich gerade in Verona selbst, die hohen Tiere haben da irgendwas großartig zu besprechen..."
    Kaum hatte er die Worte gesprochen, da klingelte sein Helm wie eine Glocke als ihm einer seiner Kameraden mit einem Stock über denselben fuhr: "Du Hornochse! Erzähl ihm am besten noch wieviele Wachen dort anwesend sind, und wie er am besten unentdeckt reinkommt..."
    "Autsch!" , beschwerte Sönke sich und rieb sich prophylaktisch am wenig schmerzenden Helm, "Aber ich dachte das wüsste eh jeder!"
    "Ein barbarischer Vollhonk des größten Ausmaßes bist du, Sönke Barbarensohn!", keifte man zurück, "Du siehst jetzt zu, dass der Kerl keine Dummheiten macht und sich ordentlich bei der Curia anmeldet..."
    "Och mann... das ist mindestens eine Leuga von hier! Der Mann sitzt auf nem Pferd, der kann das auch alleine..." , versuchte Sönke sich im letzten Protest.
    "TUE ES!", gab sein Oberer sich unerbittlich und deutete mit dem Stock in Richtung der entfernter liegenden Stadtmauern, "Und versuch gar nicht erst danach nen Abstecher ins Lupanar zu machen. Du schuldest mir immernoch drei Denare!"
    "Tue ich nicht... du da, einfach mitkommen." , zog Sönke schmollend von dannen und winkte dem Neuankömmling ihm zu folgen, warf aber noch einen kritischen Blick auf jenen, "..ist ja nicht so, als würden sich Attentäter mittlerweile ordentlich am Tor anmelden... ist es doch nicht, oder?"

    TOCK TOCK TOCK TOCK TOCK machte es vor den Zelten, die sein Contubernium und Sönke selbst bewohnten, als Sönke mit verbissenem Blick mit einem Hammer auf die Sohle seiner Caligae einschlug. Zuletzt hatte er bei Como die Nagelung seiner Stiefel nachgebessert, doch der Gewaltmarsch von dort hierhin nach Verona hatte eben seinen Tribut gefordert. Aber nicht nur in der Substanz ihres Laufwerks, auch die Stimmung war noch dezent gedrückt weil jedem die Glieder weh taten. Hatten sie vorher noch geglaubt, dass sie hierher gehetzt worden waren weil der Feind direkt vor den Toren Veronas stand (oder oder oder), hatten sie nachher einerseits erleichtert, andererseits enttäuscht erlebt, dass dem eben nicht so war.
    Jetzt, wo das Lager aufgebaut war und der Kelch der Lagerwache an ihnen vorübergegangen war, hatten sie etwas Zeit für Müßiggang... beziehungsweise das, was man halt so tat wenn man keine Plackerei von oben aufgedrückt bekam. Und das beinhaltete: Instandsetzung. Sönke war heute mit dem Nageln dran, weshalb er auch die stinkenden Stiefel seiner Kameraden bearbeiten durfte.
    Mit einem steten Seitenblick auf den Pott, der in ihrer kleinen Feuerstelle stand und die letzten Reste ihres Gruppenproviants zu einem undefinierbaren Einmach aus Speck, Linsen, Gerstenkörner, Erbsen, Zwiebeln und anderen Dingen verkochte (die Sönke teilweise nicht einmal wissen wollte, weil seine Kameraden einen seltsamen Hang zum Improvisieren von Zutaten hatten) setzte Sönke Nagel für Nagel an und klopfte bedächtig auf die Sohlen ein.
    Seine Kameraden sahen, ebenfalls alle mit Seitenblick auf die vor sich hinköchelnde Mahlzeit, in einem Halbkreis um die Feuerstelle herum und gingen ihren eigenen Dingen nach... der eine polierte seine Rüstung, die in den Alpen durch die starken Temperaturwechsel einiges an Rost angesetzt hatte, der andere schärfte seinen Pugio mit einem Lederriemen, wieder ein anderer mahlte das restliche Getreide vor der neuen Ausgabe im Feldlager, damit sie im Fall der Fälle mit Stücken Brot ins Feld zogen... und nicht mit ner Hand voll Getreide.
    Und dann verlor Sönke einen Nagel. Laut fluchend packte er sein ganzes Werk zur Seite und suchte akribisch den ganzen Platz ab, aber der Nagel wollte einfach nicht wieder auftauchen. Das Gespött seiner Kameraden war er ja mittlerweile gewohnt... aber die Aussicht darauf den Nagel selbst mit der eigenen Fußsohle wiederzufinden war dann doch wenig reizvoll für ihn. Weshalb er das Ganze gleich nocheinmal wiederholte... aber wieder ohne Ergebnis.
    "Irgendwer wird den schon wiederfinden, Sönke...", brummte einer seiner Kameraden mit schiefem Grinsen, "...und wenn es in zweitausend Jahren ist, den findet mit Sicherheit irgendjemand wieder."

    Hatte Sönke die Götter noch gepriesen, als sie die steinernen Ungebilde der Alpen bei Como einen Tagesmarsch südlich von Como hinter sich gelassen hatten, so hatte er sie gleich darauf wieder verflucht als der Tribun ihrer Cohors vorbeigeritten kam und den Centuriones einbläute, dass sie ihre Männer zur Eile zu gemahnen hatten. Verona, was und wo auch immer dies war, lag nicht mehr fern. Das war es dann auch... Sönke bekam vor lauter Gewaltmarsch beinahe gar nicht mit, wie sich um sie herum die Landschaft änderte. Und vor allem wie sich diese von seiner Heimat unterschied. Seiner Heimat, der er noch nie so fern gewesen war wie heute... Borbetomagus, ja, das war das fernste, was er bisher von zuhause weggewesen war. Einmal bisher hatte er nur in der Halle einer fremden Sippe nächtigen müssen, einmal nur. Und jetzt das... tagelang, wochenlang, fast monatelang mit seinen Kameraden in einem Zelt unter fremdem Himmel. Durch ein Gebirge das mit schlafenden Giganten gefüllt war und auch ohne dass sich diese rührten einige seiner Kameraden verschlang. Und jetzt hier, offensichtlich in Oberitalia, das sich von seiner Heimat derart unterschied... noch nie hatte er eine derart unbewaldetete Gegend gesehen. Seine Heimat war gefüllt gewesen mit Wald.. nur hier und da hatte sich eine Villa Rustica oder ein kleineres Gehöft mühsam Platz für Felder und Weiden abschmarotzt, aber das hier... das war ein ganz anderes Kaliber.
    Natürlich gab es in Oberitalia noch jede Menge Wald zu dieser Zeit.. allerdings zeigte sich die Kultur der Römer auch in der Landschaft.. viele Latifundien in Germania hatten gerade ein paar mehr heredia, sehr wenige sogar ganze centuria an Wirtschaftsfläche. Doch je weiter sie sich von Como entfernten, desto größer wurden die Flächen die sie durchquerten.. staunte Sönke schon dabei als er zum ersten Mal eine Weide fand die so groß war, dass die Schafe auf dieser am anderen Ende winzig klein erschienen... so war der Anblick der ersten Fläche bei Verona, die kein Ende zu haben schien quasi schockierend für jemanden, der bisher nur auf iugeria gearbeitet hatte.
    Von seinem Contubernium stammte auch niemand aus Italia, aber einer hatte den Aufstand in Hispania mitgemacht und konnte auch von dort von Ebenen erzählen, die sich so weit erstreckten wie das Auge blicken konnte.
    Sönke war das ein wenig unheimlich.. und es wäre ihm noch unheimlicher gewesen, hätten sie nicht bis zuletzt ein enormes Tempo angehalten um für-was-auch-immer rechtzeitig in Verona anzukommen. Verona war wohl eine Stadt, soviel war dann irgendwann klar... und sie würden die Jungs aus Untergermania dort treffen, das auch. Aber warum genau sie sich so beeilen mussten war wiederrum nicht klar. Gerüchte machten die Runde, man wolle nicht zu spät zur Schlacht kommen.. oder man müsse sich mit der ersten Legion um die besten Plätze kloppen.. oder die Prima würde gar nicht kommen, oder der Feind war schon da... oder oder...


    Als sie schließlich den letzten Hügel überquerten, blieb Sönke gelinde gesagt die Spucke weg. Italia wartete nur mit Superlativen auf ihn! Hatte er zuvor Mogontiacum für eine große Stadt gehalten (sie beinhaltete immerhin mehr als zehntausend Seelen), so war Verona sicherlich ein gutes Stück größer... vier- oder neunmal so groß.
    In direkter Nähe erstreckte sich ein riesiges Feldlager, (das laut Sönke die ebenfalls die Bevölkerung Mogontiacums mindestens um das zwanzigfache überstieg) und auch wenn Sönke selbst nach seiner Zeit in der Legion militärisches absolut unbedarft war, rechnete er damit, dass dies das angepriesene Lager war in dem sie sich erholen konnten. Er HOFFTE es zumindest.
    Die letzten paar Leugae fielen deshalb umso leichter... und als man in das Lager marschierte, freute man sich ebenso über die frohen Gesichter der Kameraden die bereits vor einigen Tagen eingerückt waren. Sie waren da... endlich.


    Als sie in das Lager einzogen winkten sie den sie begrüßenden Kameraden und stimmten ein Lied an, damit auch jeder mitbekam woher sie überhaupt kamen:


    Natürlich sind die andern alle grösser als wir,
    doch ehrlich gesagt, wen intressiert das hier?
    Wir brauchen keine Illyrer und nichts aus Dacia,
    wir haben die 2er, das ist wunderbar!
    die aller besten seit geraumer Zeit,
    Italia, es ist soweit!
    wir kommen über euch und ihr werdet sehn
    unsre Art zu leben werdet ihr verstehn.
    Ihr könnt alle kommen, doch seid bitte so nett,
    fahrt dann ins Elysium, in euer Totenbett!!


    Nur eine Kleinigkeit die ist hier verdreht,
    dass in Verona noch nicht unser Signum steht!


    Wir alle sind Mogontiner... oooohooohoohh...
    das alles sind wir... oohoohooooh...
    uns gibt es nirgend wo anders
    nur hier, nur hier


    Wir alle sind Mogontiner,
    das alles sind wir
    wir leben und wir kämpfen hier!


    Es bilden sich viele was auf Apulum ein,
    und manche findens geil aus Aquincum zu sein.
    jeder tut uns Leid, dem das widerfährt
    doch kein echter Mogontiner genau dorthin!


    Wir lieben unsre Legion mehr als unsre Frauen,
    denn der Legio Zwo können wir vertrauen.
    Mars hat die Erde nur einmal geküsst,
    genau an dieser Stelle wo das Castellum ist.


    Wir alle sind Mogontiner... oooohooohoohh...
    das alles sind wir... oohoohooooh...
    uns gibt es nirgend wo anders
    nur hier, nur hier


    Wir alle sind Mogontiner,
    das alles sind wir
    wir leben und wir kämpfen hier!

    "Uhhhm... schulligung." , war Sönkes einzige Reaktion auf die Schelte des duccischen Tribuns, die ihm siedendheiß das Blut ins Gesicht schießen und ihn unwillkürlich den Kopf einziehen ließ. Was allerdings nichts daran änderte, dass er zwischendurch immer wieder mal zulangte und sich verschämt ein Stück zwischen die Zähne schob: dazu war es dann doch zu lecker und reichhaltig, als dass er es einfach liegen lassen konnte.
    Zur Sache, die sie eigentlich in dieses Zelt befördert hatte, hatte Sönke hingegen wenig zu sagen: er verstand die Brisanz der Situation einfach nicht. Ihm wollte partout nicht aufgehen, warum es ein Problem sein sollte, dass der Legat der Prima nicht so angesehen war wie man meinen konnte... Sönkes Universum hatte bisher an den Grenzen der mogontinischen Civitas Halt gemacht, jetzt war er dutzende Tagesmärsche darüber hinaus. Nee, keine Chance. Sönke verstand nichts und versuchte dies durch interessiertes aber letztlich vollkommen ahnungsloses Dreinschauen zu kaschieren.


    Als Hadamar dann irgendwie darauf kam, dass sie irgendwen auf ihre Seite ziehen sollten, verstand Sönke noch weniger: wen? Auf wessen Seite? Sie standen doch alle auf derselben... oder? Hatte das etwas mit den seltsamen Zetteln zu tun, die sie vor Wochen in Curia gefunden hatten? Oder mit dem toten Tribun? Waren etwa Feinde unter ihnen? Das beunruhigte Sönke dann doch ungemein, und für einen Moment hörte er sogar auf sich mit dem Essen des Tribuns vollzustopfen.. die Aussicht darauf bald in Valhalla zu sein war dann in seinem Alter doch nicht allzu verlockend. Zu feige nachzufragen war er dann doch... noch einmal in Grund und Boden gestarrt werden wollte er jetzt auch nicht unbedingt. Sollte Hadamar ihm später einfach nochmal alles erklären...

    Im Gegensatz zu Hadamar hatte Sönke einen Bärenhunger, der sich auch nicht vom unheilvollen Schwadronieren des duccischen Tribuns stören ließ. Schweinefleisch! Wann hatte er überhaupt zuletzt Fleisch gehabt... außer gefangenen Nagetieren wie Ratten oder mageren Kaninchen? Na gut.. vor einer Woche hatte er einen Vogel gefangen, den er nicht kannte, aber so gut oder schlecht schmeckte wie jeder andere auch. Und sobald sie den See verließen und wieder an einem Fluss campierten würde er sich sofort einen Speer basteln um 'angeln' zu gehen. Aber das hier war SCHWEINEFLEISCH. Das war nicht nur eine Liga über dem normalen Speiseplan, den man selbst im Lager in Mogontiacum genoss. Und dazu richtige Oliven...
    Kurzum: Sönke langte kräftig zu, als Hadamar ihm die Arbeit abnahm und sich einfach hinsetzte. Er musste nicht einmal mehr höflich tun..
    Da drangen die Worte des Duccius, dessen Stellung deutlich durch das Essen sowohl gelitten als auch gewonnen hatte, nur bruchstückchenhaft zu ihm durch. Ahja, sie bekamen nen neuen Tribun.. einen grünen noch dazu, wobei Sönke sich zwischen zwei Bissen fragte wie der Mann zu der Farbe gekommen war und wie die Männer auf jemanden dieser Coleur reagieren würden. Und der neue Tribun war ein Freund des Duccius. Soweit, so gut... erst als zu ihm durchdrang, dass sowohl der Aurelius als auch der Claudius sie alle umbringen wollten, blieb Sönke ein Stück im Halse stecken... und es dauerte eine ganze Weile, bis er es unter heftigem Würgen und Keuchen zurück auf die Tischplatte befördert hatte: "ARGH... nu hat ma watt a... watt is nu? Wö wud us keele?"

    Bei den Erzählungen des Mannes fühlte Sönke sich nach Hause zurückversetzt... an die alljährlichen Diskussionen seines Vaters mit Lando, später mit Witjon, wenn es um die Ernte und die daraus einzuteilenden Rationen ging. Anfangs hatte Sönke das Gejammer seines Vaters während der Verhandlungen wirklich mitgenommen, und er hatte sich nach der Ernte stets elend gefühlt, weil es seiner Familie so schlecht ging. Später war ihm irgendwann aufgefallen, dass sein Vater bei der Ernte in Jubel ausbrechen konnte (im übertragenen Sinn, eigentlich war er einfach nur weniger mürrisch als sonst) um dann später bei Witjon wieder rumzuheulen, dass die Ernte so gering ausgefallen sein. Irgendwann hatte er verstanden, dass Bauernwerk vor allem Rumjammern war.. eine Tatsache die bei hörigen Muntlingen wohl zu den wenigen Mitteln gehörte, die man einbringen konnte um die Einteilung der Ernte zu eigenen Gunsten zu verschieben.


    Entsprechend skeptisch hörte Sönke sich das Palawer des alten Mannes an... auch wenn er sich eingestehen musste: geschlagen hatte sein Vater sich mit Witjon noch nie. Gerade weil die Dorfleute es gewagt hatten sich mit einem riesigen Heer anzulegen, konnte also doch gut und gerne was an der Geschichte dran sein.


    Die Einschätzung zur Kampfstärke des Dorfs trieb dann aber doch Sönkes Augenbraue in die Höhe, noch ungläubiger allerdings schaute er drein, als der Artorier die Einschätzung auch noch unterstrich.
    "Eh.." , räusperte sich der junge Soldat, schüttelte sachte den Kopf, "..auf einen Kämpfer in einem Vicus oder Oppidum kommen normalerweise drei bis vier Nichtkämpfer... Frauen, Kinder, Alte. Bei zweihundert Kämpfern wären das... verdammt viele... schon eine Stadt."
    Sönke hatte es schwer mit Zahlen: er mochte sie nicht, und sie mochten ihn nicht. Bei ihm lief es irgendwo immer auf Größenordnungen heraus. Bei zweihundert war er sich ziemlich sicher, dass das verdammt viele waren.. beinahe so viele wie in einem Vicus. Zu ihrer Zeit bestanden Siedlungen vor allem aus Vici, die manchmal nur fünfzig Menschen beherbergten.. und eintausend Mann waren definitiv genug, um eine Stadt zu füllen.


    "Ich glaube, es sind bedeutend weniger.." , versuchte sich Sönke zaghaft an einer eigenen Einschätzung der Lage, "..ich denke, es sind nur fünfhundert. Achthundert? Nein... vierzig."