Beiträge von Galeo Claudius Gallus

    Der Magister hörte, wie alle anderen Salii, aufmerksam zu und nickte, als Claudius Felix geendet hatte.


    "Das sind große Ziele, Claudius. Es ist gut, wenn man Ziele vor Augen hat, und noch besser ist es, wenn man sie strebsam verfolgt. Wir begrüßen strebsame und erfolgreiche Männer gerne in unseren Reihen, weil es das Ansehen des Kollegiums steigert. Das erfolgreiche Ablegen eines Studiums ist ein erster nennenswerter Erfolg."

    Der Magister wusste von der ersten Bewerbung bei den Palatini, aber er wollte diesen Punkt nicht erörtern. Vielmehr interessierte ihn der Kandidat selbst.


    "Claudius Felix, uns interessiert noch mehr über deine Person. Die Empfehlungen deines Vaters haben dir dieses Vorstellungsgespräch verschafft. Wir wissen von ihm bereits deine Tugenden. Nun möchten die anderen Mitglieder außerdem wissen, was dich darüber hinaus ausmacht. Schätzt du einen Gott im Besonderen? Wie viel Zeit möchtest du in dieses Kollegium investieren? Hast du dich schon einmal in Tanzschritten geübt? Besitzt du den Mut, die Interessen des Collegiums nach außen hin zu vertreten. Oder gehörst du zu den Menschen, die sich besonders gut in eine Gruppe integrieren können, aber nicht hervortun?"

    Beides besaß Vorteile, eine Gewichtung legte der Magister nicht in die Alternativen.

    Galeo verdrehte die Augen, als er die unlogischen Erwiderungen des claudischen Grünschnabels hörte. "Sag mal, wie viel Restalkohol hast du heute Mittag noch im Blut, dass du meinen Worten nicht mehr folgen kannst?!" Zwar als Frage formuliert, doch als Vorwurf hörte sich die Bemerkung an. Und doch blieb Galeo ruhig, es lohnte nicht, sich aufzuregen. Er schlug sich allerdings vor die Stirn bei den nächsten Worten, weil er über so viele Fehldeutungen nur noch den Kopf schütteln konnte. "Hat dir der Wein bereits einen Großteil deiner Gehirnzellen verklebt? Kein Wunder, dass du es zu nichts bringst, wenn du so viel Blödsinn laberst."


    Er wies auf den fast geleerten Teller, damit nachgelegt wurde. Dann steckte er sich eine Traube in den Mund, die er genüsslich kaute.


    "Wir brauche übrigens keine Mehrung unseres Familiennamens auf sportlicher Ebene. Was ist das denn für ein Quatsch? Warum verdingst du dich nicht gleich als Gladiator oder Ruderer. Du bist nichts weiter als ein Schmarotzer, der des Namens seiner Ahnen nicht würdig ist. Fleiß und Strebsamkeit sind dir fremde Werte."


    Galeo blickte in die Runde.


    "Weiß jemand, ob der nächste Tunichtgut inzwischen aus dem Bett gefunden hat?" Er meinte Iavolenus.

    Nachdem sich die Mitglieder der Salii versammelt hatten, erhob sich, Servius Macentius Florus.


    "Ich begrüße euch zu unserer heutigen Sitzung. Auf der Tagesordnung stehen heute neben verschiedenen Absprachen zu den anstehenden festen die Neubesetzung unseres frei gewordenen Platzes durch das Ausscheiden von Caius Aemilia Lenticulus. Einer der Vorschläge für die Neubesetzung kam durch unser ehrenwertes Mitglied Claudius Gallus. Es handelt sich um Claudius Felix, der sich uns anschließend vorstellen wird. Wir haben dann darüber zu befinden, ob wir ihn für würdig und passend finden, ihn bei uns zu kooptieren.


    Ich erteile hiermit Claudius Felix das Wort und bitte ihn, sich zunächst mit den Eckdaten kurz vorzustellen und anschließend über seine Ansichten und Ziele zu berichten, damit wir ihn kennenlernen."



    Nach einer einladenden Geste setzte sich der Magister und schaute erwartungsvoll zu dem geladenen Gast.

    Galeo fühlte sich schon oft von der verzogenen Göre, die sich sein Halbbruder nannte, genervt - heute umso mehr. Als der jedoch von Handeltreiben palaverte, legte Galeo entnervt die Stirn in die Handfläche, rieb zweimal , als ob er Kopfschmerzen verspürte, dann richtete er den Kopf wieder auf, ohne die Liegeposition zu verändern. Hoffentlich schwang Brutus in Anwesenheit gensfremder Personen bessere Reden, hier, wenn sie unter sich waren, konnte man darüber noch hinwegsehen. Seine Unwissenheit in Bezug auf die Gensgeschäfte zeigte, wie wenig sich Brutus für die Familie, seine Verwandten und letztlich das eigene Fortkommen interessierte.


    "Und ob es mich angeht, wie du dein Leben führst!", erwiderte Galeo, als er sich mit etwas eingelegtem Obst selbst milde gestimmt hatte. "So wenig Ahnung wie du von meinen Geschäften hast, so wenig Erfolg zeigt sich in deinen Betätigungen." Selbstverständlich betrieb Galeo keinen Handel, aber das zu erwähnen, war der Mühe nicht wert. "Als du gemerkt hast, dass dein Priesteramt mit Arbeit zusammengehängt, hast du es ganz schnell aufgegeben. Wollen wir dazu mal Romana befragen?" Galeo konnte sich an viele abfälligen Bemerkungen seiner Schwester erinnern. "Selbst ein Peregrinus kann Aeditus werden!", fügte er verächtlich an.


    Er griff zu einem Brötchen, weil er sich mit Kauen ablenken wollte, aber es gelang nicht gut.


    "Welche angesehene Tätigkeit strebst du also demnächst an?" Auch Galeo konnte kalt und sogar böse blicken, was er in diesem Moment tat.


    "Und ja, natürlich weiß ich vom Wirken eines Salinators. Deswegen weiche ich doch nicht zurück. Ich mehre unseren Landbesitz und damit unsere Macht. Was will er uns? Wir waren noch nie von ihm abhängig und werden es auch zukünftig nicht sein. Es ist lächerlich, sich darüber Gedanken zu machen."

    Während Galeo den Auskünften dieses Luca folgte, zogen sich gequält seine Brauen zusammen. Nicht genug, dass ihn die Nachrichten über seine Verwandtschaft am ersten Tag seines Aufenthalts in Rom sorgten, nun gab es auch noch innerhalb der sonst gut funktionieren Sklavenschar einen Unfähigen. Vielleicht fehlte ihm jedoch die notwendige Einweisung.


    "Schaff einer diesen Besen samt Sklaven fort und gebe man beiden ein sinnvolles Betätigungsfeld", sagte Galeo mit immer noch gequältem Gesichtsausdruck. Glücklicherweise dachte einer der Sklaven, Delon, mit und schenkte ihm Wein ein, allerdings mit Wasser gemischt, so wie es sich gehörte. Galeo kam es entgegen, dass das Mischungsverhältnis weniger wässrig ausfiel. Er leerte den Becher und hielt ihn nochmals hoch, damit er nachgefüllt werden konnte.


    Aus Lepidus war nichts Genaueres herauszubekommen, denn natürlich hatte Galeo die Nachfrage extra gestellt und nicht, weil er angeblich die erste Auskunft nicht verstanden hatte. Galeo schlussfolgerte, dass es nichts Konkretes zu berichten gab, weil Lepidus Müßiggang betrieb. Genau das gleiche erwartete Galeo von Brutus, der sich der Runde hinzugesellte.
    "Ich hörte von durchzechten Abenden, von Tatenlosigkeit und Dekadenz, Brutus." Galeos Augenbrauen zogen sich zusammen und bildeten eine Doppelfalte zwischen sich. "Wie vereinbarst du diesen Lebenswandel mit deinem Gewissen? Oder besitzt du keins?"


    Bevor Brutus antworten konnte, beugte sich Galeo zu seiner Tochter. "Wie stellst du dir ein Kennenlernen von diesem Lupus vor? Eine Einladung kommt nicht infrage, nach der Schilderung von eben. Oder wie siehst du das, Felix?"

    Galeo blieb längere Zeit stumm. Der Bericht seines Sohnes musste ihm die Sprache verschlagen haben, anders ließ sich das Schweigen nicht erklären. Offensichtlich dachte er nicht einmal mehr an die lecker duftenden Brötchen. Die Zeit tröpfelte dahin, und Lepidus' Antwort rauschte an ihm vorbei, nur Wortfetzen drangen in sein Ohr.
    Endlich regte er sich, indem er langsam anfing, den Kopf zu schütteln.
    "Das ist unglaublich", murmelte er. "Ich brauche jetzt einen Wein." Er blickte zu seinem Sohn. "Ich kenne diesen Lupus gar nicht? Was macht er?"


    Als sich Galeo nach dem Weineinschenker umsah, fiel sein Blick auf Luca. Dann entdeckte er den Besen.
    "Warum, um alles im Imperium, wird während dem Essen und in einer Familienbesprechung ein Sklave für die Reinigung eingeteilt? Wer bist du überhaupt? Gehörst du etwa zu den beiden Neuen?" Er musterte den Mann, den er - wie andere auch - noch nie zuvor in der Villa gesehen hatte. Sogleich fiel ihm ein Essen während des letzten Heimaufenthalts ein, bei dem eine - ebenfalls ungeschickte - Sklavin die gesamte Stimmung verdorben hatte.
    Das fing ja wieder einmal gut an. Aber Aufregen half wenig und verstärkte nur die Magenkrämpfe, unter denen er ohnehin in letzter Zeit öfters litt. "Wo - bleibt - mein - Wein?", wiederholte er - bemüht, eine gemäßigte Tonart zu finden.


    "Und entschuldige, Lepidus. Deine Antwort ist jetzt leider völlig untergegangen. Was für einen Spruch meinst du? Einen Richterspruch? Um was ging es?"

    Während Galeo auf die Speisen wartete, hörte er seinem Sohn auf das Genaueste zu. Er sprach sein Vorhaben, für den Cursus Honorum zu kandidieren an, das Galeo kannte. Neu war der Zeitpunkt der Bewerbung.
    "Es ist klug, noch eine Legislaturperiode zu warten. Das Abwarten eröffnet nicht nur die Chance, sich noch bekannter zu machen, sondern auch die Möglichkeit, sich einen verdienten Namen zu machen, Erfolge vorzuweisen. Natürlich kann ein Claudius nicht irgendeinen Posten annehmen, das macht es schwerer. Aber Engagement in einer lobenswerten Sache oder eine mitreißende Rede auf der Rostra können auch Eindruck hinterlassen."


    Überaschend schnell kam das Frühstück, dem Galeo nunmehr seine Aufmerksamkeit zuwandte. Leckerer Früchteduft zog durch den Raum, sodass Galeo das Wasser im Mund zusammenlief.
    "Von jeder Frucht zwei Stück", wies er die Sklavin an, die mit dem Teller bereitstand. "Bist du hier die Neue?", fragte er neugierig, weil er inzwischen von den zwei neuen Sklaven wusste. Er kannte den Haushalt viel zu wenig, um erkennen zu können, wer neu war oder wen er einfach noch nicht gesehen hatte.
    Dann lenkte ihn ein Klötern ab und sein Blick richtete sich auf den Türbereich, um die Ursache zu erkunden. In diesem Moment nieste auch noch jemand unverschämt. Der Übeltäter konnte sich nicht verstecken, dafür ragte er zu weit über die anderen hinaus.
    "Hey, du da." Galeo blickte den lächelnden Hünen an. "Komm her, ich liebe keinen Unfug beim Essen."

    Galeo wandte sich wieder seinem Sohn zu, während er auf den gefüllten Früchteteller und den ungeschickten Sklaven wartete.
    "Du kannst mit dieser Cena unmöglich warten, bis Großvater aus Germanien zurückkommt. Das kann Jahre dauern, aber wenn ich dich richtig verstanden habe, möchtest du in absehbarer Zeit kandidieren und brauchst den Kontakt zu Senatoren."
    Er signalisierte seinem Sohn, ruhig weitersprechen zu können und der berichtete alsdann von dem Aufnahmegesuch bei den Salii Palatini. Er unterbrach ihn nicht, obwohl er Mühe hatte, sich alles zu merken, aber er spürte, das Ereignis musste Felix sehr beeindruckt haben, weil er sich viel von der Seele redete.


    "Das ist eindrucksvoll", erwiderte Galeo, als Felix geendet hatte. Man sah ihm an, dass es in ihm arbeitete, er aber noch nicht sprechbereit war.

    Gemächlichkeit lag Galeo nicht im Blut, er kannte keine Rast. Daher beschloss er, auch wenn noch geladene Familienmitglied fehlten, zum Grund dieses Beisammenseins zu kommen. Für den nötigen Treibstoff mussten die Sklaven noch sorgen, denn wenn sein Tatendrang auf Hochtouren lief, forderte der Körper stets die Nahrungszufuhr. Wie selbstverständlich nahm er an, dass alle anderen längst gefrühstückt hatten, dementsprechend reduziert fiel seine Bestellung aus.


    "Mir ist heute nach einem süßen Frühstück. Helle Backwaren, etwas Honig, süße Früchte." Wer auch immer sich von den Sklaven angesprochen fühlte, er blickte niemand direkt an. Aber eine Bemerkung schob er hinterher.


    "Wenn alle in diesem Haus so gut funktionieren würden wie die Sklaven, würde es längst wieder einen Kaiser Claudius geben." Das Lob für die Dienerschaft und der Tadel für die Verwandtschaft befreiten ihn von einem Teil des Frusts. Er wandte sich an Felix und betrachtete dessen Antlitz. Der knabenhafte Gesichtsausdruck wich sichtlich männlicheren Zügen. Galeo setzte Hoffnungen in seinen Sohn und es wäre ihm lieb, wenn er später ein ruhmreiches Beispiel den trägen und nichtsnutzen Verwandten präsentieren konnte.
    "Erzähl mir etwas über deine Pläne", forderte er ihn auf.


    "Und du, Lepidus, welchen Ruhm häufst du im Augenblick an?" Er nahm sich das Recht des Älteren heraus, seinen Cousin zu diesem Thema zu befragen. Man konnte die Nachfrage als höfliche Konversation betrachten. Den Hintergedanken behielt er zunächst für sich.

    Der erste Tag verlief anders als geplant. Anstatt lange schlafen zu können, wurde Galeo geweckt, vor dem Frühstück gab es Ärger und so sank die Laune des Heimkehrers bereits auf null, noch bevor er seine Familie begrüßen konnte. Fluchend stapfte er Richtung Tablinum. "Völlig unfähig in der Erziehung von Kindern! Immer nur die Legion und die Karriere im Kopf! Und was kommt dabei raus? Lauter dümpelnde Schmarotzer!" Galeo vergaß, dass er selbst Sohn jenes Mannes war, den er soeben beschimpfte. Er besaß jedoch den Vorteil, bis zum Mannesalter eine sorgende Mutter an der Seite gehabt zu haben, worauf ein Teil der Claudier verzichten musste, wie sein jüngerer Neffe und sein Halbbruder. Nicht eben wohlwollend brauste Galeo in das Tablinium, so schnell das bei seiner wohlgeformten Figur ging. Ihm fehlte die körperliche Ertüchtigung, um so passabel wie sein Vater auszusehen. Immer wieder siegte die Esslust über das Körperbewusstsein, und auch jetzt verspürte er gewaltigen Hunger.


    In der Erwartung, nur die Faulenzer im Tablinium vorzufinden, setzte er eine grimmige Miene auf. Stattdessen erblickte er als erstes seine Tochter Livineia. Seine Miene taute auf und er blieb abrupt stehen. Unweit von ihr lag Felix, sein Sohn. Dann erfasste sein Blick Lepidus, der im Raum stand, und nach seiner bisherigen Kenntnis nicht der schlimmste aller Faulenzer der Claudier war.


    "Guten Morgen", grüßte er, ohne sich bewusst zu sein, dass die Sonne bereits die Hälfte der Bahn zurückgelegt hatte. Sein Tag begann erst vor wenigen Minuten. "Lepidus." Er nickte während dem Gruß, dann trat er auf Livineia zu, die er gern in den Arm schließen wollte. "Na, mein Schmetterling."


    Im Anschluss daran legte er sich auf die Kline neben Felix. "Wie geht es, Felix?" Zum stillen Gruß legte er die Hand auf das Handgelenk seines Sohnes.


    Dann jedoch blickte er auf und sah zu Morrigan. "Liegt der Rest noch in den Federn?" Sein Blick verdunkelte sich.

    Die kulinarische Versorgung und selbst die hygienische durch Kustav gestaltete sich angenehmer als erwartet. Galeo vergaß den Alten regelrecht, während er sich mit Morrigan unterhielt.


    "Das ist typisch. Wie kann man nur so blind sein und nicht merken, wenn Verwandte herumlungern anstatt einer ehrbaren Tätigkeit nachzugehen?" Er stand so ungestüm auf, dass Kustav das Gleichgewicht verlor.


    "Denen müsste man ein Schuljahr auf einem geruderten Schiff verordnen", brauste Galeo auf. "Und nicht genug: das Geld entziehen und ihren Lebensunterhalt selbst verdienen lassen." Nur zur Hälfte angekleidet stampfte Galeo auf. Das gestiegene Vermögen der Claudier basierte zu einem beträchtlichen Teil auf klugen Geschäften, für die sich Galeo seit Jahren, fast schon Jahrzehnten, die Hacken im Imperium ablief - wenn er nicht in Sänften getragen wurde. Und er hasste Schmarotzer.


    "Ich will eine Aussprache. Hau die faulen Säcke aus dem Bett, falls sie dort noch drin liegen. Ich erwarte sie noch vor dem Frühstück im Tablinum. Hungrig bin ich besonders ungenießbar."


    Er richtete den Blick auf Kustav. "Sieh zu, dass ich fertig werde." Der ersehnte Heimaturlaub fing ja "gut" an.

    Normalerweise müsste sich Galeo an dieses Gesicht erinnern, wenn es schon seit Jahren durch die Villa Claudia geisterte, aber es kam ihm fremd vor.


    "Nun ja, auch Trampeln zerstört Lautlosigkeit. Dann hoffe ich einmal, dass er umfänglich lautlos ist, was natürlich seine Vorteile hat." Galeo drehte sich und streckte die Beine aus dem Bett. Er beobachtete, wie Kustav hantierte. Und würde gewiss bei Unzufriedenheit nicht hinter dem Berg halten. Ohne den Blick zu wenden streckte in Richtung Morrigan die Hand aus, um sich essbare Kleinigkeiten reichen zu lassen.


    "Die Herrschaften treiben sich nachts in den Gassen Roms herum?" Galeo glaubte, sich verhört zu haben, dann aber kam die Bestätigung durch den Augenzeugenbericht. "Ist mit Lokal ein Bordell gemeint?!" Das Entsetzen wuchs. "Ja, und hat denn mein Vater beide zur Rechenschaft gezogen?"

    Auf Mansuris Bericht antwortete Galeo mit "Aha." oder "Hmhm." Dass sein Vater nach Germania abgerufen wurde, hatte er bereits durch Musas Brief erfahren, ebenso die Ankunft zweier seiner Kinder. Die beiden Neffen ließen sich also nicht mehr oft blicken. Galeo stützte die Fäuste neben sich in die Matraze und stemmte sich hoch. Nun saß er bequem, den Rücken in das Kissen gedrückt.


    "Haben sie denn ein Amt inne, das sie von der Anwesenheit hier abhält?" Für ihn war das die einzig denkbare Erklärung, weil er von sich ausging. Er legte das claudische Vermögen in fremden Provinzen an, überwachte die dort ansässigen Betriebe und mehrte somit Einfluss und Vermögen seiner Familie.


    Noch bevor Mansuri antworten konnte, trat ein älterer Sklave ins Cubiculum.


    "Ist das etwa einer der neuen Sklaven?", fragte er überrascht und blickte Mansuri an, bevor er sich den Sklaven näher betrachtete.


    "Komm her. Wo liegen deine Fähigkeiten? In der Wohltat für Aug, Nase und Ohr scheinen sie nicht zu liegen." Alles kam auf das Auftreten des Sklaven an. Sein Fortbestand im claudischen Sklavenpool befand auf dem Prüfstand.

    Vogelgezwitscher oder leiser Gesang wären Galeo zum Wachwerden lieber gewesen. Das unsanfte Wecken zog aber keine schlechte Laune nach sich, denn Galeo fühlte sich tatsächlich ausgeschlafen, wenn auch noch nicht vollkommen wach. Zum Augenaufschlagen fühlte er sich aber noch nicht in der Lage. Er streckte sich geräuschvoll, bevor er antwortete.


    "Ich hatte auch noch nie eine so anstrengende lange Reise hinter mir." Schon alleine das erklärte den erhöhten Schlafbedarf. Außerdem brach für ihn in diesem Moment der wohlverdiente Urlaub von der Arbeit an.
    Er knurrte, als Mansuri erklärte, Wasser und Tücher seinen bereit. Sollte er sich etwa alleine waschen?
    "Ein Wunsch? Wenn ihr mich schon weckt, dann kleidet mich auch an, oder meinetwegen schickt jemanden dafür." Endlich schlug Galeo die Augen auf. "Schön, mal wieder zu Hause zu sein", seufzte er. "Was gibt es Neues?"

    Galeo träumte von seiner Reise, von Wind und Meeresrauschen, vom Schiffskoch, der ihm den frischsten Fisch seines Lebens servierte, und auch von Wolkenbergen größer als die Hügel Roms. Die Schiffsbohlen knarrten, während er das Salz schmeckte. Sein Blick erfasste einen vorwitzigen Sonnenstrahl, der durch die Wolkendecke drang. Irgendetwas klapperte neben ihm, es mussten die Ruder oder die Takelage sein. Er grunzte hörbar, drehte sich vom Rücken auf die Seite und beobachtete weiter den Flug der Wolken an bedeckten Himmel.
    Plötzlich blendete ihn ein Lichtstrahl. Seine verblitzten Augen wähnten Iuppiter zu sehen, der einen Blitz auf das Meer entsandte, aber stattdessen erklang eine Frauenstimme.


    "Häh? Was?", stammelte Galeo verwirrt. Das Traumbild löste sich vollends auf und die Geräusche des Zimmers drangen in sein Bewusstsein. Durch die geschlossenen Lider drang immer noch unerträgliche Helligkeit, daher zog er sich das Kissen über den Kopf und gab einen langgezogenen Klagelaut von sich. "Was zum Hades ist passiert, dass ich geweckt werde?"

    Zurück von einer Reise und wenn auch nur für befristete Zeit weilte Galeo wieder in Rom. Als er eintraf, lag die Stadt und die Villa bereits im Schlaf. Normalerweise reiste kein Römer nachts, aber wenn Ostia bereits vor den Toren Roms lag, wo sein Schiff geankert hatte, wog die Aussicht auf das eigene Bett, den Komfort und die Näher seiner Familie weitaus mehr als die Gefahren nächtlicher Reisen.
    Bei seinem Eintreffen musste er den Ianitor aus dem Schlaf gerissen haben, denn der versuchte, das Gähnen zu unterdrücken, als er ihn begrüßte. Ein weiterer Sklave wurde geweckt, um Galeo zu entkleiden, kurz zu erfrischen und ihm das Bett neu zu beziehen. Mit einem behaglichen Stöhnen legte sich der Patrizier anschließend hin und streckte sich wohlig aus.


    "Ich möchte morgen ausschlafen", murmelte er, dann fielen ihm die Augen zu und er atmete bereits tief, als der Sklave leise die Tür schloss.

    Zwei Tage nach Menecrates' Abreise in die Provinz Germania traf Gallus in Rom ein. Zwei Tage zu spät, er hätte seinen Vater gerne verabschiedet. Zwei weitere Tage dauerte es, bis ihm zu Ohren kam, dass sein Cousin, Claudius Lepidus, noch immer nicht dem Wunsch seines Onkels nachgekommen war, und den Bericht über dessen Amtszeit auf der Rostra verlesen hatte. Deswegen nahm Gallus den Brief an sich und ließ sich in einer Sänfte zur Rostra tragen.


    Wenig später stand er mit einem Brief in der Hand und lockte so manchen Schaulustigen an. Männer und Frauen blieben gleichermaßen stehen, weil sie interessierte, was der Patrizier verkünden wollte.



    "Bürger Roms!


    Ich stehe heute nicht im eigenen Interesse vor euch, sondern im Auftrag meines Vaters, des vor Tagen aus dem Amt entlassenen Aedilis Curulis. Herius Claudius Menecrates wollte gerne selbst Rede und Antwort über seine Amtszeit stehen, aber die Ernennung zum Legatus Legionis der II. Legion des Reiches, der Germanica, zwang ihn zu einer schnellen Abreise. Die Frist zur Kommandoübernahme war denkbar knapp gewesen.


    Leider kann ich euch keine Fragen beantworten, aber ich bin in der Lage, einen schriftlichen Bericht zu verlesen. Hört nun den Bericht des Claudius Menecrates zu seiner Amtszeit als Aedilis Curulis!"


    Gallus griff zu dem Dokument und entrollte es. Dann begann er:



    "Bürger Roms, eine Berufung zum Legaten macht es mir unmöglich, persönlich Rede und Antwort zu stehen. Nichtsdestotrotz möchte ich aber über mein Wirken innerhalb der Amtszeit als Aedilis Curulis berichten. Gleich nach meinem Amtsantritt habe ich die Märkte auf das Gründlichste kontrolliert. Dabei sind mir etliche Verstöße gegen die Lex Mercatus aufgefallen, die ich mit einem Edict geahndet habe. Ich habe mit besonderer Akribie geforscht, daher sind auch Betriebseigentümer abgemahnt worden, die seit Urzeiten ihr Unternehmen führten, oder die den Status "prominent" innehaben. Bis auf zwei Vorgänge konnte ich sämtliche Verstöße mit einem positiven Ergebnis aus Aktensicht abschließen.


    Wie es mein Amt verlangt, habe ich eine ausführliche Kontrolle der öffentlichen Bauten vorgenommen. Mein Bemühen galt - wie in meiner Kandidatur versprochen - besonders den Tempeln. Dieses Vorhaben ließ sich nicht leicht umsetzen, galt es doch viele Hürden innerhalb der Regia des Cultus Deorum hinter si...lt es sich um den Tempel des Mars Ultor, der seit Jahren einer gründlichen Sanierung bedarf. Das Scheitern begründete sich an Verfahrensfragen. Um dem abzuhelfen, habe ich dem Pontifex Tiberius Durus eine Liste möglicher Architekten zukommen lassen und darüber hinaus aus privaten Mitteln zweitauschend Sesterzen gespendet.


    Eine routinemäßige Kontrolle der Garküchen usw. verdient im Grunde keiner besonderen Erwähnung, weil kein Bedarf oder Verstoß festgestellt worden ist.


    Die Götter haben die von mir organisierten Spiele am Ende meiner Amtszeit gesehen. Die Terminfindung habe ich mit viel Sorgfalt und unter Hinzuziehung von einem Haruspex und einem Augur vorgenommen. Die Wagenrennen, die Gladiatorenspiele und eine öffentliche Hinrichtung standen im Zeichen der Ehrung Roms und der Götter. Ich habe die Spiele unter die Überschrift 'Ein Neuanfang für Rom' gestellt und die Götter haben die Opfer angenommen.


    Ich hoffe, mit diesem Bericht den Umständen entsprechend gedient zu haben."


    Gallus senkte das Papier und wartete, ob es Meldungen geben würde.

    Galeo betrat nach einem Klopfen das Arbeitszimmer seines Vaters.


    "Ich möchte es kurz machen, Vater. Es tut mir sehr leid für mein Amt in Rom, aber du weißt ja, mich rufen eilige Verpflichtungen fort. Bitte achte auf meine Frau, sie bleibt in Rom, und bitte verwalte meinen Besitz."


    Galeo liebte keine langen Abschiede. Er drückte seinem Vater die Hand, drehte sich um und schloss hinter sich die Tür.