Beiträge von DIVUS IULIANUS

    Der Kaiser ist nicht allzu schockiert, als er wegen des nächtlichen Überfalls geweckt wird. Rasch erhebt er sich, zieht einfache Schuhe an und legt einen Mantel um. Dann tritt er vor das Zelt, um sich selbst ein Bild der Lage zu machen.


    "Die Reiterei der Hilfstruppen bereitet sich schon auf einen Gegenangriff vor? Sehr gut. Schickt von jeder Legion eine Turma mit hinaus. Sie sollen vor allem schauen, was mit den Patrouillen im Vorfeld passiert ist. Und keine zu weite Verfolgung flüchtender Angreifer. Ich will die Reiterei hier nicht in irgendwelchen Hinterhalten verlieren."


    Sein Blick wandert über die Soldaten, die mit Löscharbeiten beschäftigt sind. Viele Feuer sind noch klein und schnell erstickt, allein ihre Zahl macht Mühe.


    "Ein kleiner Teil der Garde soll sich am Südtor zeigen. Aber sie bleiben im Lager. Es reicht, wenn ein paar aufmerksame Parther glauben, eines ihrer Feldzeichen erkennen zu können. Sie dürfen wissen, dass wir nicht zu Späßen aufgelegt sind."

    Der befürchtete Angriff in der Nacht ist nicht erfolgt. Auch am nächsten Tag lässt der Kaiser das Lager wieder stark befestigen und wieder passiert nichts. Von den Parthern ist erstaunlich wenig zu sehen, von den Rauchwolken am Himmel und den Tierkadavern in den Brunnen einmal abgesehen.


    Wie geplant wird am fünften Tag im Lagerbereich ein Abschnitt besonders stark befestigt und eine teilberittene Einheit der Auxiliare bezieht hier als Nachschubposten dauerhaft Stellung. Der halbe Weg nach Edessa ist geschafft, die Legionen ziehen am nächsten Tag weiter und lagern am Abend nur noch vier Tagesmärsche vor der Stadt. Noch einmal erhöht der Kaiser die Sicherheitsanweisungen für das Lager und die Marschkolonne. Die Reiterei muss nun noch massiver nach vorne sichern, denn man befindet sich bald in Schlagdistanz der Stadt.

    Der Kaiser lächelt angesichts des ehrfürchtig vorgetragenen Ratschlags des Tribunen.


    "Ich habe volles Vertrauen zu den verantwortlichen Offizieren, dass sie genug Vorräte eingepackt haben. Noch brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Spätestens in Edessa werden wir auch wieder auf sichere Möglichkeiten treffen, unsere Truppen zu verpflegen."


    Die ersten Marschtage auf parthisch besetztem Boden machen den Kaiser nicht übermütig, aber zuversichtlich.

    Der Kaiser erwidert den Gruß und lässt den Tribun neben sich reiten.


    "Das sind keine guten Nachrichten. Aber wir wären schlecht vorbereitet, wenn sie uns überraschen würden. Schade um das Korn, das auf den Feldern heran reift. Es wird die Zivilisten genauso treffen wie uns."


    Einen Moment lässt er dem Blick über das Land schweifen. In der Ferne sind Hütten zu erkennen, die verlassen wirken.


    "Vergiftetes Trinkwasser ist ein ernsteres Problem. Sind nur Brunnen betroffen oder auch Quellen?"

    Schon am ersten Marschtag treffen laufend Meldungen der Kundschafter ein, die die Truppen an den Flanken begleiten und ihnen voraus reiten. Der Kaiser möchte nicht nur die Lagerplätze für die nächsten Tage möglichst weit im Voraus wissen, sondern auch alles über die Bewegungen im weiten Umfeld um die Truppe herum. So bleibt ihm an den nächsten Marschtagen auch nicht verborgen, dass die Parther offenbar auf verbrannte Erde setzen.


    Drei Tage sind die Legionen inzwischen unterwegs und die Wahrscheinlichkeit für eine direkte Konfrontation steigt stetig. Am Abend lässt der Kaiser das Lager besonders gut befestigen, denn Meldungen aus Edessa sind eingegangen. Parthische Truppen scheinen dort sehr viel stärker zu sein, als bislang angenommen. Aus Nisibis ist dagegen nichts mehr zu hören.


    Am Abend lässt der Kaiser Aelius Quarto zu sich kommen.


    "Wenn die Meldungen stimmen, treffen wir in Edessa auf militärischen Widerstand. Ich hatte gehofft, dass du mit deinem Interesse an einer diplomatischen Lösung wenigstens bis dort noch Recht behalten könntest."

    Der Kaiser erscheint wenig später am Sammelpunkt und blickt ebenfalls in die Runde. Er trägt seine Rüstung und wird von einigen Gardisten in Feldausrüstung begleitet.


    "Guten Morgen. Heute wird also der Tag sein. Die letzten Meldungen der Kundschafter lassen und zumindest heute noch ruhig marschieren. Die Legio I wird heute an der Spitze marschieren. Decimus Livianus, ihr seid bereit zum Aufbruch?"


    Währenddessen werden weiter hinten die letzten Zelte des kaiserlichen Feldhauptquartieres verladen. Ein Tribun der Garde erscheint mit einem Centurio beim Kaiser und macht ihm Meldung. Der Kaiser wechselt leise einige Worte mit ihnen, es wird zackig und ernst gegrüßt, dann entfernen sie sich wieder. Wenig später verlässt eine Centurie der Garde unabhängig von den anderen und in veränderter Marschausrüstung den Lagerplatz Richtung Norden und verschwindet bald im Dunst.

    Aus Felsstücken, Holz und Erde haben Soldaten der Garde am Tag nach der Ankunft im Lager in der Nähe des kaiserlichen Zeltes ein großes Podest gebaut. Der davor liegende freie Platz ist groß, sogar der größte im gesamten Lager, fasst aber dennoch kaum mehr als Tausend Mann. Doch selbst mit einer gut geübten Stimme wären mehr Leute unter freiem Himmel ohnehin kaum zu erreichen. So sind es vor allem die über 250 Centurionen der vier Legionen und der Garde, dazu die Decurionen der Reiterei, die Feldzeichenträger in gleicher Anzahl und die Stabsoffiziere, für die der Platz vorgesehen ist. Sofern sie einen guten Platz erwischen, können natürlich auch alle Soldaten der Rede zuhören oder zumindest zuschauen, aber für diese stehen vor allem Kopien des Textes zur Verfügung, die von den Centurionen später noch einmal in den Lagergassen verlesen werden können.


    Am zweiten Tag des Aufenthalts im Lager betritt der Kaiser das Podest, gekleidet in voller Rüstung. Die Adlerträger der Legionen begleiten ihn und bilden einen leichten Halbkreis hinter ihm. Die Sonne scheint von der Seite und blendet weder den Kaiser noch die Zuhörer. Ein leichter Wind weht, aber leise, gerade so, als wenn er die kommende Rede nicht stören will.


    "Centurionen! Decurionen! Signifer! Praefecten! Tribune! Legaten!


    In zwei Tagen werde ich dieses Heer, das sich hier versammelt hat, über den Euphrates führen und damit in Feindesland. Osroes, der König der Parther, der von seinem Volk als König aller Könige bezeichnet wird, hat es gewagt, den Frieden unserer Grenzen zu stören. Roms Herrschaft endet nicht an einem Wasserlauf, Roms Herrschaft reichte darüber hinaus. Als Schutzmacht stand Rom ein für die Sicherheit von Armenia und Mesopotamia, als starker Rückhalt der dort regierenden Könige, die Roms Treue zu schätzen wussten. Parthia meint diese Treue herausfordern zu müssen und unsere Grenzen und Kräfte zu testen. Ein billiger Versuch, an Roms Macht zu zweifeln, und ein Versuch, der durch euren Einsatz scheitern wird.


    Ihr werdet euch fragen, welche Interessen Rom in diese Wüste treiben. Welche Schätze es sind, die euch nun schon Tage durch Sonne und Staub marschieren ließen und es noch viele weitere Tage von euch verlangen werden. Ihr habt Recht, wenn ihr kaum saftige Wiesen seht, keine üppigen Felder, keine sprudelnden Quellen. Die Oliven wachsen weiter im Süden, die Pferde kommen aus Cappadocia und die Silberminen liegen in Cilicia. Und doch ist dies kein totes Land! Ihr seht die Straßen, über die wir gewzogen sind und ihr seht die Menschen, die über diese Straßen ziehen. Rom ist die Herrin der Welt, die diese Straßen baut, um die Menschen zu erreichen. Straßen, auf denen die Menschen gerne ziehen und Rom als Dank ihre Schätze bringen. So wie das Wasser Rom nicht daran hindern konnte, nach Britannia überzusetzen, wird die Wüste Rom nicht daran hindern können, nach Osten vorzurücken. Wir haben die Götter befragt und sie haben diesen Weg gutgeheißen, denn Roms Interesse sind die Interessen der Welt und wir gehen hin, um sie zu vertreten. Die Herrscher von Armenia und Mesopotamia, die sich diesen Interessen angeschlossen haben, haben die Parther nicht gerufen, die nun ihre Städte besetzen. Jetzt ist es unser Auftrag, diese Interessen zu verteidigen.


    Unser Ziel wird Mesopotamia sein. So wie hier, macht sich in Satala zur selben Zeit ein zweites Heer bereit, um Armenia zu durchqueren. Wenn Rom angegriffen wird, schlägt es mit doppelter Kraft zurück. Legionen werden marschieren, Auxiliare werden marschieren. Ihr seid nicht allein und tut es nicht für euch. Die Götter sind mit uns und wir tun es für Rom. Wie die zwei Schwingen des römischen Adlers werden die zwei Heerzüge über das Land fegen. Wie die zwei Gesichter des Gottes Ianus werden die Anfang und Ende zugleich sein. Das Ende parthischer Umtriebe und ein neuer Anfang im Osten. Wie die zwei Ströme, die dieses Land prägen, werden sie dem Land die römische Prägung geben, die es verdient hat. Ihr seid Krieger Roms, ihr seid Erhalter der Ordnung, ihr seid Boten der Kultur. Ihr und eure Kameraden, die durch Armenia ziehen, werdet Osroes und seinen Prinzen zeigen, was römische Werte, römische Treue und römische Stärke sind.


    Wir werden nicht leichtfertig sein. Wir werden nicht in den Nebel des Saubes und des Sandes stürmen, ohne den Weg und das Ziel zu kennen. Kein Parther braucht zu glauben, dass er im Vorteil wäre, weil er näher an seiner Heimat kämpft als wir. Roms Heimat ist die Welt. Eure Kameraden haben die Alpen überquert, die Sümpfe Belgicas überwunden, sind in Africa gelandet, haben das Dacische Hochland bezwungen. Sie haben Flotten versenkt, Heere vernichtet, Festungen genommen. Jede Niederlage hat Rom nur stärker gemacht, denn man macht gegen keinen Gegner zweimal denselben Fehler. Stellt euch ein auf Hinterhalte, auf heimtückische Angriffe im trockenen Felsland, auf Reiter, die sich feige zurückziehen, alleine auf ihre Schnelligkeit setzend und sonst nichts. Stellt euch ein auf Festungen, die ihre Eigentümer für unbesiegbar halten und auf das Wasser, das sie an ihren Mauern herab gießen werden, um uns in der Trockenheit unserer Lager zu verhöhnen. Stellt euch darauf ein und ihr wissen, was euch erwartet und könnt es besiegen. Kein Schritt wird uns in unbekanntes Land führen. Die Gefahren mögen groß sein, doch wir werden uns ihnen stellen und wir werden siegreich sein.


    Die Parther sind gekommen, um einen Krieg zu beginnen. Wir sind gekommen, um ihn zu führen und siegreich zu beenden. Ihr wurdet dafür ausgebildet, diesen Krieg zu führen. In unserem Heer werden Männer ziehen, die kurz vor ihrem ehrenvollen Abschied stehen und solche, die erst kurz vor dem Aufbruch zu uns gestoßen sind. Sie alle sind ein Heer, eine Kraft, eine Waffe. Die Adler und Feldzeichen mutig voran, die Centurionen als verlässliche und unzerstörbare Türme in der Schlacht, die Offiziere als kluge Lenker im Feld. Es macht mich nicht froh, ein Heer in die Schlacht führen zu müssen, aber es macht mich glücklich, dass ihr dieses Heer seid.


    Ich will uns siegen sehen!


    Ich will Rom siegen sehen!


    Und Rom wird uns siegen sehen!"

    Der Kaiser sitzt an seinem provisorischen Schreibtisch im Feldherrenzelt in Zeugma an der Grenze zu Parthia. Genauso gut könnte er an einem Feldaltar stehen oder die Befestigung inspizieren, an seiner Laune würde dies nichts ändern. Aus Rom kommen Nachrichten, dass einer der beiden Consuln ermordet wurde und dass sich jemand zum Imperator ausrufen lassen wollte. Mit letzterem kann der Kaiser gerade noch leben, denn der Mann war zwar mal Comes in Italia und als solcher kein Niemand, aber anscheinend doch tölpelhaft genug, um noch vor Betreten des Palatins ums Leben zu kommen. Ein Tod kann also durchaus etwas beruhigendes haben, befindet der Kaiser und nimmt einen Schluck aus seinem Becher.


    Im zweiten Fall liegt es anders, da hat der Tod überhaupt nichts beruhigendes. Verärgert liest der Kaiser noch einmal die Berichte und legt sie wieder weg. Missmutig beginnt er, seinem Schreiber eine Antwort zu diktieren. Als wenn Roma, die Stadt der römischen Wölfin, ein Kleinkind wäre, das man nicht ein paar Tage aus den Augen lassen kann. Er will gar nicht daran denken, wie es einige seiner Amtsvorgänger geschafft haben, gleich mehrere Jahre am Stück außerhalb Roms zu verbringen.

    Als der Blick auf Zeugma, den Fluss, die Ebene und das Lager frei wird, verlässt der Kaiser kurzzeitig die Kolonne und lässt den Blick schweifen. Unten sieht man Helme blitzen und blinken, das Wasser des Flusses schimmert, der Himmel ist klar.


    Wenig später lässt er eine kleine Lücke in der Kolonne bilden, in die er sich wieder einreihen kann, um hinab ins Lager zu ziehen. Während sein Zelt errichtet wird, trifft er sich bereits mit den Kommandeuren der schon eingetroffenen Legionen und Hilfstruppen, um ein aktuelles Bild der Lage zu erhalten. Verpflegung ist wie geplant eingetroffen und weiterhin auf dem Weg, Wasser steht reichlich zur Verfügung und von den Parthern gibt es keine beunruhigenden Nachrichten. Zufrieden genießt der Kaiser im Schatten einen Moment der Ruhe, bevor er sich in die Mitte des Lagers begibt und einen Teil seines Zeltes persönlich einrichtet. Wenn die Soldaten in der Hitze schuften, will er sich nicht völlig ausnehmen. Zumal es so viele sind, dass ihn bei seiner geplanten Rede ohnehin nicht alle hören können und er daher auf andere Weise zeigen will, wie nahe er an der Truppe ist. So wird er die drei kommenden Rasttage sicher auch für den einen oder anderen Rundgang durch das Lager nutzen.

    Die Tage vergehen auf dem Marsch, langsam zieht die Landschaft des nördlichen Syrien an der Truppe vorbei. Viehhirten entlang der Straßen, kleine Dörfer mit gedrungenen Häusern mit wenig Fenstern, fremdartige Pflanzen. Meistens auch viel Fläche, die es den Kundschaftern nicht schwer macht, geeignete Lagerplätze zu finden, zumindest was deren Größe betrifft. Und jede Wasserquelle wird von den Männern freudig erwartet.


    Die Führung wechselt täglich, an einem Tag ist die Legio XII vorne, am nächsten die Legio I und der Kaiser bleibt immer in der Mitte. Dort ist er auch, als sie zwei Tagesetappen vor Zeugma sind und er Meldung erhält, dass die dort schon wartenden Legionen die Arbeiten am erweiterten Marschlager abgeschlossen hätten. Die Legionäre bräuchten bei ihrer Ankunft nur noch ihre Zelte aufstellen und die Pallisade komplettieren. Der Kaiser ist soweit zufrieden, zumal es keine weiteren Meldungen gibt, zumindest nicht über die Sichtung parthischer Truppen.

    Da es scheinbar keine Fragen gibt, fährt der Kaiser fort.


    "Vom Verhalten der Parther wird es abhängen, ob uns unser weiterer Weg bis nach Hatra oder darüber hinaus bis an den Tigris führt. Sollte sich das parthische Heer vorher stellen, wäre dort kaum mit nennenswertem Widerstand zu rechnen. oder mit Truppen, die vom Nordflügel nach Süden getrieben wurden. Sollte sich das parthische Heer zurückziehen, rechne ich eher mit einer Route nach Süden. Dura könnte dann auf unserem Weg liegen. Dan Euphrates möchte ich aber genauso wenig weit nach Süden segeln wie den Tigris."


    Einen Marsch bis auf die parthische Hauptstadt hat der Kaiser demnach nicht vor. Zumindest derzeit nicht.

    Der Kaiser reiht sich, umgeben von Reitern seiner Garde und Mitgliedern des Stabes, nach dem Abmarsch der Legio XII in die Kolonne ein, so dass er genau in deren Mitte ist. So ist er für alle Offiziere gut erreichbar und kann gegebenenfalls auch selber in Erscheinung treten, wenn ihm das ratsam erscheint. Während des Marsches lässt er seinen Blick schweifen um ein paar Eindrücke vom Land zu bekommen, die er noch für seine Rede in Zeugma brauchen wird.

    Umgeben von seiner Garde erscheint der Kaiser auf dem Aufmarschplatz und begibt sich zu den anwesenden Offizieren.


    "Guten Morgen! Die Götter scheinen unserem Abmarsch gewogen zu sein. Das morgentliche Urteil des Augurs fiel positiv aus. Die Legio XII wird heute voraus marschieren, sie muss schließlich keinen Lagerplatz räumen."


    Während die letzten Kohorten der Legio I noch Schanzpfähle des Marschlagers verladen, setzt sich damit die Vorhut der Legio XII bereits in Bewegung.

    "Gut, setzen wir zehn Tage an. Von Zeugma nach Edesse existiert eine Handelsstraße, die dem Tross ein gutes Vorwärtskommen ermöglichen sollte. Wir sollten vielleicht jedoch zwei Zwischenposten auf dieser Strecke einplanen. Sie wird unsere direkte Nachschublinie bilden, sofern der Vormarsch wir eben besprochen Richtung Nisibis führen wird."


    Falls die Parther die Pläne durchkreuzen, muss eben im Feld neu entschieden werden.

    Dies ist offenbar nicht der Fall, so dass der Kaiser und sein Gefolge wenig später das Gebäude verlässt und ins Lager der Legio I zurück kehrt. Soldaten haben ihm dort sicher schon sein Zelt errichtet.

    "In Edessa wird es nicht viel zu belagern geben, sofern die Parther nicht doch woanders liegen, als wir bisher vermuten. Die Stadt ist Sitz eines Klientelkönigs, der zweifellos nur einen beeindruckenden Anblick und eine kleine Garnison braucht, um die Angelegenheit unter Kontrolle zu bringen."


    Gleich bei der ersten großen Stadt auf eine Belagerung setzen zu müssen, wäre nicht im Sinne des Kaisers. Der Zeitverlust wäre enorm.


    "Die Linie von Edessa nach Nisibis bildet wie gesagt die nördliche Grenze unseres Gebietes. Ob wir Nisibis gewaltsam einnehmen müssen, wird vom Verhalten Surenas' abhängen. Ich gehe nicht davon aus, dass er es mit einer hauptsächlich berittenen Armee auf Belagerungen ankommen lassen will. Er weiß zweifellos, zu was unsere Technik in der Lage ist. Wir müssen viel mehr mit schnellen Attacken aus der Bewegung heraus rechnen. Sollten sich unsere Gegner nach Süden zurückziehen, werden wir ihnen direkt folgen und Nisibis dann zunächst liegen lassen. Wir könnten uns damit die Querung des Chabovus sparen. Ich plane nicht, die Armee in weiter verteilte Flügel zu spalten, erst Recht nicht wenn ein Fluß dazwischen liegt."


    Nach diesem Abstecher in die weitere Planung kommt der Kaiser wieder zur näheren Planung zurück.


    "In Zeugma sollten wir uns maximal drei Tage Aufenthalt gönnen. Das muss reichen, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen. Für die Strecke bis Edessa rechne ich von dort aus acht bis zehn Tage. Wir richten auf dieser Strecke einen Nachschubposten ein, schlage ich vor, der auch als Melderposten dient."


    Der Kaiser wartet auf Einschätzungen zu dieser Planung. Die Offiziere wissen sicher am besten Bescheid, ob dieses Pensum für die Legionen machbar ist.

    Die Lücken im Informationsnetz scheinen doch größer zu sein, als der Statthalter dem Kaiser verraten wollte, findet dieser. Wie sonst könnte es sein, dass nicht einmal der exakte Aufenthaltsort zweiter Legionen auf heimischem Boden bekannt war. Die Soldaten dürften kaum zu übersehen sein und die Meldungen mit maximal zwei Tagen Verzögerung die kurze Strecke überbrücken.


    "Sie werden also dort sein, wenn wir hier gerade ausrücken. Gut, ich werde Boten mit den weiteren Anweisungen vorschicken. Sie sollen für uns das Marschlager vorbereiten. Das spart nicht viel Zeit, aber ein wenig. Und es zeigt allen, mit welcher Armee sie es zu tun haben."


    Weitere Details werden besprochen und auf der Karte durchgegangen, bevor der Kaiser zufrieden in die Runde blickt.


    "Weitere Fragen, meine Herren?"

    Der Kaiser folgt dem Legaten in die hergerichtete Halle und nimmt am Kopfende des Tisches Platz. Wenig später erhebt er sich aber schon wieder, um freier sprechen zu können.


    "Meine Herren, wir stehen kurz davor mit den beiden hier zusammen gezogenen Legionen in den Krieg einzutreten. Die Lage dürfte in groben Zügen bekannt sein. Parthische Truppen haben sich in Armenai festgesetzt und betrachten es als ihres. Roms Grenzen wurden damit massiv verletzt. Wir sind nicht nur unseren Klientelkönigen, sondern dem ganzen römischen Volk eine Antwort schuldig. Und der römische Adler wird mit mehr als einer Schwinge schlagen.


    Wir marschieren morgen ab nach Zeugma. Zwei weitere Legionen und starke berittene Auxiliarverbände werden sich dort mit uns vereinen und den Südflügel bilden. Mit drei Legionen und der Reiterei werden wir dann nach Osten ziehen, die vierte eben genannte Legion bleibt als Reserve zurück. Edessa und Nisibis werden die nördliche Linie unseres Operationsgebietes bilden, aber wir müssen auf die Bewegungen der Parther achten. Ihr kennt die Geschichte von Carrhae, wir werden diesen Ort vielleicht wieder treffen, aber bei allen Göttern mit einem hoffentlich besseren Ergebnis, falls es dazu kommen sollte.


    Ein zweiter Truppenflügel sammelt sich derzeit in Cappadocia und wird einen Vorstoß von Satala aus führen. Damit ist der Nordteil nicht weiter unsere Sorge. Der dort residierende parthische Prinz soll charismatisch sein, aber über militärische Talente konnte man mir nichts berichten. Er hat auch nur einige Tausend Mann dabei, was für die eingesetzten Legionen eine lösbare Aufgabe sein sollte.


    Also zurück zu unserem Flügel. Uns steht Prinz Surenas gegenüber. Er scheint durchaus mit militärischem Talent gesegnet zu sein und seine Truppen dürften sich aufgrund ihrer Ortskenntnis und der großen Zahl von Berittenen als ernste Gefahr herausstellen. Ich rechne hier vor allem auf die erfahrenen Centrionen, die ihre Männer auch bei überraschenden Attacken gut unter Kontrolle haben. Wir müssen diszipliniert und geduldig auftreten."


    Der Blick des Kaisers streift die beiden ersten Centurionen der Legionen, dann aber auch den einen oder anderen Offizier.


    "Bis Zeugma haben wir neun Tage Zeit. Ich sehe diese Strecke auch als Belastungstest. Wer keine zufriedenstellende Leistung zeigt, wird in Zeugma zurück gelassen. Ich hoffe, alle Vorbereitungen der Verpflegung sind soweit abgeschlossen, dass wir morgen abmarschieren können?"

    Noch bevor der Kaiser von seiner Besprechung mit dem Statthalter zurück gekehrt ist, meldet sich einer seiner Boten im Praetorium beim Legatus Legionis und salutiert vorschriftsmäßig.


    "Legatus, eine Anordnung des Kaisers. Du sowie alle Tribune der Legion begleiten ihn morgen zum Standlager der Legio XII zur Durchführung einer Stabsbesprechung. Die Anwesenheit des Primus Pilus ist ebenfalls angeordnet."

    Die Legio I Traiana Pia Fidelis ist nicht die einzige Legion, die in Antiochia auf ihren Marsch gegen die Parther wartet. Die Stadt ist zugleich auch Standort der Legio XII Fulminata, die die unruhige Region schon lange kennt und sich gewissenhaft auf ihren Einsatz vorbereitet hat. Im Heer des Kaisers zu ziehen ist eine große Ehre für sie und rechtfertigt allemal, dass sie nicht sofort an die Grenze entstandt wurde. Mit den Meldungen, dass die Flotte aus Italia sich der Küste nähert, haben die letzten Vorbereitungen begonnen und nun steht der Stab der Legion unter ihrem Kommandeur Marcus Macrinius Vindex bereit, den Imperator zu begrüßen.


    Die Pferde des Kaisers, der ihn begleitenden Offiziere der Legio I, der Männer seines persönlichen Stabes und der berittenen Garde, passieren das massive Lagertor und der Wind weht den vom Hufschlag aufgewirbelten Staub sanft zur Seite. Vom Pferd hinab nimmt der Kaiser die erste Begrüßung entgegen, bevor er absitzt, sich mit den Männer bekannt macht, die er alle irgendwann einmal bei ihrer Ernennung oder Abkommandierung vor sich hatte und die Männer aus seiner Begleitung vorstellt.