Beiträge von Chiomara Minor

    Chio war froh, endlich im Stall zu sein. Der Weg hierher kam ihr diesmal endlos vor. Schweigend gingen sie nebeneinander. Hin- und hergerissen schwankte sie von schuldbewußt bis wütend. Aretas war sicher nicht begeistert, dass sie ihn so zusammengestaucht hatte vor den Männern. Andererseits hätte er auch selbst mal nachdenken können. Stolz hin oder her, manchmal mußte man eben auch mal über seinen Schatten springen, wenn einem etwas wichtig war. Aber vielleicht war sie ihm ja gar nicht so wichtig, wie er ihr immer glauben machen wollte. Hätte er dann aber gefleht und sich erniedrigt? Vielleicht nur, weil sie die einzige war, die er hier in Rom noch hatte? Fragen über Fragen und noch so einiges anderes hätte sie ihm zu gerne an den Kopf geworfen, wenn sie sich nicht auch so schuldig gefühlt hätte, weil er etwas tun musste, was er nicht wollte. Im Stall blieb sie bei Aisha stehen und sah Aretas an. "Du brauchst erst einmal ein Bad. Soll ich solange warten oder besser gehen?"

    Sie konnte es kaum glauben... er war tatsächlich frei. Und er war, ihrer Meinung nach, noch glimpflich davongekommen. Gut, wenn Faustina davon erfuhr, würde ihn eine schlimmere Strafe erwarten, aber alles war besser als Gefängnis oder das Kreuz. Zumindest fand Chio das. Aretas Gesichtsausdruck nach, war er wohl nicht der gleichen Meinung. Er war einfach zu stolz, um einmal nachzudenken. Egal. Chio verabschiedete sich und bedankte sich ausgiebig bei den beiden. Dann zog sie Aretas mit sich. Sie wollte hier weg und vor allem... er brauchte dringend ein Bad.

    Chio war mehr als zufrieden mit der Entscheidung. Allein, dass er mit Faustina sprechen wollte, hinterließ ein mulmiges Gefühl in ihrem Magen. Das würde Ärger geben, mächtigen Ärger. Aber er durfte hier raus, immerhin. Er könnte ruhig etwas dankbarer sein "Dann wirst du eben drei Tage weniger in der Woche trainieren. Solange Faustina nicht hier ist, finden ohnehin keine Rennen statt. Leg einfach drei Tage fest." Sie wollte so schnell wie möglich hier weg.

    Eigentlich wollte sie gehen, war aber zu neugierig, was nun passieren würde. Aretas gab seinen Fehler tatsächlich zu. Zu spät, aber er tat es. Für sie vielleicht von noch viel größerer Bedeutung als für die beiden Männer. Chio war erleichtert, bis Ofella sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Für eine Weile glaubte sie tatsächlich, es würde genügen, wenn er sich zu seinem Fehler bekennen würde, glaubte, sie würden Gnade walten lassen, wenn er sich entschuldigen würde. Aber wenn man die Sache logisch betrachtete, hatten sie gar keine andere Wahl als so zu handeln. Wieso also interessierte ihn noch ihre Meinung? Sie waren doch nur Sklaven und durften ohnehin nicht mitreden. Wenn er aber schon fragte. "Ich hatte gehofft, ich dürfte ihn mitnehmen. Aber wahrscheinlich hat er recht. Aretas sollte etwas für Rom tun. Nur, bitte nicht ins Bergwerk, es gibt doch sicher noch andere Möglichkeiten, oder? Vielleicht kann er auch einfach nur hierbleiben, bis ich jemanden aus Tiberia Faustinas Familie informiert habe, der ihn abholen kommt?" Das hatte sie eigentlich vermeiden wollen, dass er auch noch dort Ärger bekam. Aber ihr wurde immer klarer, dass es keine andere Möglichkeit geben würde. Auch wenn sie beide ein relativ freies Leben als Sklaven hatten, im Grunde waren sie nicht mehr als das Eigentum ihrer Domina.

    "Chio..., Chio!" Das Flehen in seiner Stimme, sie wollte sich umdrehen, blieb aber stehen, innerlich betend, dass er doch endlich verstehen würde. Zu beteuern, dass er alles tun würde, war niemals ausreichend. Und schon gar nicht, weil er es allein ihretwegen tat. Die Bedeutung dessen würde ihr wohl erst später klar werden. Im Moment hatte sie nur Angst, er könnte sich wieder um Kopf und Kragen reden. Darin war er Meister.


    Immerhin schien dieser Valerian ganz vernünftig. Er war auch nicht so streng, wie Ofella ihr weismachen wollte. Im Gegenteil, er nahm sich sogar die Zeit, Aretas zu erklären, was falsch und richtig war. Sogar, was er von ihm erwartete. Was war denn daran nicht zu verstehen? Aber für Aretas schien es nur zwei Möglichkeiten zu geben. Er behielt seinen Stolz, und käme hier nie wieder heraus. Oder er gab sich komplett auf. Und genau das tat er gerade. Sie wollte das nicht hören, wäre am liebsten davongerannt. Ratlos drehte sie sich um. Er kniete noch immer, sein Anblick schmerzte. Chio wußte, wie schwer ihm das fiel, sie wußte aber auch, dass das überhaupt nicht das war, was die Männer von ihm hören wollten. Dabei zählte doch in keinster Weise, was er war. Immerhin war ihm das mit dem Respekt mittlerweile klar. "Ich weiß immer noch nicht, was genau passiert ist. Aber eins weiß ich. Selbst, wenn du kein Sklave wärst, du würdest trotzdem genau in dieser Zelle sitzen. Und auch dann läge es an dir, das Richtige zu tun. Vielleicht sogar noch mehr, weil du alleine für dich verantwortlich wärst. Nicht eine Domina oder ein Dominus. Niemand würde sich für dich einsetzen. Niemand würde hierherkommen und darum bitten, dich freizulassen."


    Sie könnte noch soviel sagen, ließ es aber. Er mußte selbst erkennen, dass er einen Fehler gemacht hatte. Und vor allem mußte er es schaffen, einen Fehler auch mal zuzugeben. Chio hatte das Gefühl, dass genau das sein Problem war. Sie beugte sich zu ihm, gab ihm einen sanften Kuss, legte noch einmal die Hand an seine Wange. "Bitte... denk nicht an mich. Tu es für dich." flüsterte sie ihm noch leise ins Ohr, bevor sie sich seufzend umdrehte und die Zelle verließ.

    Er versuchte tatsächlich, sich zu entschuldigen. Chio wußte, wie schwer ihm das fiel. Natürlich hätte er es besser ausdrücken können, aber immerhin. Doch was dann kam... Hätte er nicht einfach mal seine Klappe halten können? Erst denken, dann reden, das hätte ihm mal einer beibringen sollen. Jedes Wort, dass er sagte, brachte ihm dem Tod näher als der Freiheit. Die Reaktion Ofellas zeigte es ganz deutlich. Sie hätte ihn erwürgen können. Ob er nun helfen wollte oder nicht, das war im Moment doch völlig egal. Wütend drehte sie sich um, schubste ihn zurück, schob ihn weiter, bis er an der Wand stand und ihr zuhören MUSSTE. "Du begreifst es nicht, oder? Ich habe keine Ahnung, was passiert ist, es ist mir im Moment auch VÖLLIG egal. Es ist auch egal, was du warst oder bist. Du kannst dich nicht mit einer Wache anlegen. Das ist, als würdest du dich mit ganz Rom anlegen. Du müsstest schon der Kaiser persönlich sein... Verstehst du das nicht, oder willst du das nur nicht verstehen?" Chio hatte sich so in Rage geredet, dass sie ihn am Ende tatsächlich anschrie. Voller Zorn funkelten ihre Augen ihn an, wurde aber wieder leiser. "Weiß du eigentlich, was ich für dich riskiere, nur, indem ich hierherkomme? Ist dir das eigentlich klar?? Und du? Ich glaube, du willst gar nicht hier raus. Dann bleib doch, wenn es dir so egal ist. Muß ja toll sein hier drinnen. Aber glaub nur nicht, dass ich noch irgendetwas für dich tun werde." Ihr Blick wurde traurig, bevor ihr die Tränen kamen, drehte sie sich um und ging zur Tür. Was sollte sie auch noch sagen? Wenn er wirklich hier heraus wollte, dann lag es nun an ihm, etwas zu tun.

    Wäre die Situation nicht so ernst, hätte sie sicher über seinen letzten Satz gelacht. Trotzdem sah sie ihn weiter so an, versuchte, abzuschätzen, ob das so stimmen konnte, was er ihr erzählte. "Was mit dir wird, kann ich dir nicht sagen. Ich habe dich gesucht, überall. Weißt du eigentlich, was für Sorgen ich mir gemacht habe? Als man im Stall meinte, du wärst schon einige Tage nicht mehr da gewesen? Ich dachte, du liegst vielleicht irgendwo in der Subura und..." Chio wagte nicht, diesen Gedanken weiterzuspinnen. Sie war wütend, wäre am liebsten auf ihn losgegangen, aber sie riss sich zusammen. Schon alleine, um ihm nicht noch mehr zu schaden. Also atmete sie erst einmal tief durch, bevor sie nach Antworten suchte. "Es stimmt, was du gehört hast, Aurelia Flora wird die neue Hausherrin. Aber ich kann nicht glauben, dass du nur helfen wolltest, wenn du nun hier drinnen sitzt. Irgendetwas mußt du getan haben, die sperren dich ja nicht einfach nur so hier ein. Und was Faustina angeht, ich habe keine Ahnung, was sie sagen wird. Sie ist im Moment nicht in Rom. Ich weiß auch nicht, wann sie zurückkommt. Scheinbar weiß bis jetzt niemand, dass du hier bist." Das war vielleicht auch besser so. Sie wollte gar nicht darüber nachdenken, was Faustina mit ihm tun würde, wenn sie davon erfuhr. Seufzend kam sie ihm noch näher, legte eine Hand an seine Wange. Wieviel Zeit ihnen verloren ging, dadurch, dass er eingesperrt war... "Kannst du nicht etwas tun? Dich entschuldigen? Ich weiß nicht, wie ich dich hier herausholen soll." meinte sie leise zu ihm. Es tat ihr im Herzen weh, ihn so zu sehen. Dabei hätte sie beinahe die beiden Männer vergessen, die noch immer beobachtend hinter ihr standen. Nur beinahe. Entschlossen drehte sie sich um. "Was wird denn nun mit ihm?"

    Sie folgte dem Centurio, nicht ahnend, was sie erwartete. Allein der Geruch.... Dann gab er die Sicht auf den Gefangenen frei. Du meine Güte. "Aretas?" Er versuchte, sich in die Dunkelheit zu flüchten. Sie blinzelte, aber es war nicht dunkel genug, ihn ganz vor ihr zu verbergen. Chio war entsetzt. So kannte sie ihn nicht, aber er war es. Langsam machte sie ein paar Schritte auf ihn zu, blieb dann aber stehen. "Bin ich froh, ich dachte schon.. Was ist passiert? Er sagt, du hättest sie angegriffen?" Dabei drehte sie sich kurz zu den Männern um. Sie wollte zu gerne wissen, was sie mit ihm vorhatten, wagte aber nicht zu fragen. Stattdessen wandte sie sich wieder an Aretas. Auch wenn er furchtbar ungepflegt und abgemagert wirkte, sie war froh, dass sie ihn endlich gefunden hatte. "Gehts dir gut?"

    Wo war nur ihre Selbstsicherheit hin? Sein Blick schien sie innerlich ausziehen zu wollen. Nur Mut, er kann dir nichts, du hast nichts angestellt... Chio fasste sich wieder und schon machten seine Worte wieder alles zunichte. Er wollte sie tatsächlich einsperren. Sie biss sich auf die Lippe, dass es wehtat. Auf keinen Fall wollte sie hier herumheulen wie ein kleines Mädchen. "Ich kann nicht sagen, wohin sie verreist ist, weil ich es nicht weiß. Sie sagte nur, sie müsste weg und könnte mich nicht mitnehmen. Ich sollte ein Auge auf das Training und auf Aretas haben. Nachdem sie den Rennstall von ihrem Vater übernommen hatte, war ihr das sehr wichtig. Sie ist jetzt genau... 27 Tage weg." In Gedanken zählte sie noch einmal nach. Wenn sie nur hier wäre... In ihrem ganzen Leben waren sie noch nie so lange getrennt gewesen. Allerdings würde das auch nichts an der Tatsache ändern, dass sie ohne das Wissen ihrer Domina hierhergekommen war.

    Chio überlegte angestrengt, was sie ihm antworten sollte. Wohin sie verreist war? Und wann? So langsam gingen ihr die Antworten aus. Dabei war seine zusätzliche Drohung auch nicht sehr hilfreich. Und wenn sie doch die Wahrheit sagen würde? Sie musterte beide während ihrer Unterhaltung. Hin- und hergerissen war sie zwischen weiterlügen und Wahrheit sagen. Aber mit der Wahrheit waren ihre Chancen wahrscheinlich dahin und Aretas kam nie hier heraus. Die Lügen brachten sie aber scheinbar auch nicht mehr weiter.


    Kleinlaut entschied sie sich schließlich für die Wahrheit. "Also gut. Es ist nicht ganz richtig, was ich gesagt habe. Meine Domina weiß nicht, dass ich hier bin. Ich war im Stall, weil ich... weil ich Aretas besuchen wollte. Man sagte mir, dass er schon ein paar Tage nicht mehr hier gewesen wäre. Das ist ungewöhnlich, er ist beim Training sehr zuverlässig. Also habe ich mich auf die Suche gemacht. In der Villa wußte natürlich niemand etwas, nur eine Sklavin hat wohl mitbekommen, dass ein Mitglied der Stadtwache mit einem Sklaven nachgefragt hatte. Ich dachte sofort an Aretas und weil ich nicht wollte, dass er Ärger bekommt, bin ich gleich hierhergekommen. Es war wohl keine gute Idee." Verlegen starrte sie auf ihre Hände. "Werde ich jetzt auch eingesperrt? Kann ich ihn wenigstens trotzdem kurz sehen?"

    Doch streng... dachte sie. Was hatte sie sich überhaupt dabei gedacht, hierherzukommen... dachte sie. Dafür war Aretas ihr noch viel mehr schuldig, als bisher schon... dachte sie. Und das machte ihr wieder ein bisschen Mut. "Mein Name ist Chiomara Minor. Und natürlich weiß ich, wo sie ist. Sie mußte dringend verreisen. Normalerweise hätte ich sie begleitet, wäre da nicht das Problem mit Aretas." Chio wurde wieder nervös. "Er ist einer unserer Fahrer, er muß die Pferde trainieren. Deshalb ist es ihr so wichtig, daß sie mich geschickt hat."

    Streng ... na toll, das hatte ihr gerade noch gefehlt. Aber da mußte sie nun wohl durch. Als dann das Herein durch die Tür zu hören war, rutschte ihr fast das Herz in die Hose, wenn sie denn eine getragen hätte. Nun wurde es ernst. Unsanft wurde sie von Ofella hineingestoßen. Ein bisschen sanfter wäre auch nett gewesen, aber dazu hätte sie ihm wohl vorhin entgegenkommen müssen. Während er sie vorstellte, musterte sie diesen Centurio. So streng sah er eigentlich gar nicht aus, aber man konnte sich auch täuschen. Wie es sich gehörte, schlug sie die Augen nieder, bevor sie ihn begrüßte. "Salve Centurio, es ist, wie er gesagt hat. Meine Domina hat mich geschickt, herauszufinden, was passiert ist. Und um mich zu vergewissern, ob es sich tatsächlich um einen unserer Sklaven handelt, würde ich ihn gerne sehen." Immerhin hatte der Kerl ja nicht zugegeben, ob er nun hier war oder nicht. Das dem Centurio mitzuteilen, verkniff sie sich aber. Ihn in Verlegenheit zu bringen, war hier sicher nicht hilfreich.

    "Lass mich endlich los, du tust mir weh." Nun wurde sie langsam sauer. Das würde sich wahrscheinlich schnell ändern, würde die Tür geöffnet werden. Aber noch war es nicht soweit. Chio starrte auf die Tür und überlegte, ob sie hier jemals wieder herauskommen würde. Vielleicht sollte sie etwas netter sein? Fragend wandte sie den Blick wieder zu Ofella. "Wie ist er denn, dein Centurio? Kann man mit ihm reden?" Diesmal klang ihre Stimme schon versöhnlicher.

    Bei seinen scharfen Worten fuhr sie erschrocken zusammen. Dabei dachte sie eigentlich, er wollte etwas von ihr. Die Untersuchung nach Waffen ließ sie deshalb geduldig über sich ergehen. Wenigstens verzichtete er darauf, sie übermäßig zu betatschen. Als er aber vom Centurio sprach, wurde ihr doch anders. Vor allem, weil er sie so fest am Arm packte. Sie war doch keiner seiner Verbrecher. Erfolglos versuchte sie, sich aus seinem Griff zu befreien. "Ich lauf dir schon nicht weg... " Wieso auch, sie war ja genau deswegen hier.

    Nun hatte er sie ordentlich in die Enge getrieben. Eine Belohnung... Gold und Silber besaß sie keins, das konnte also nur eins bedeuten. Chio schluckte schwer. Sie hatte doch keine Ahnung, wie das war mit einem Mann. Ihr ganzes Leben lang durfte sie niemand anfassen und nun sollte sie sich einem wildfremden opfern? Wenn Faustina davon erfuhr, nicht auszudenken. War Aretas ihr das wert? Keine Frage. Hatte sie dann eine Wahl? Wohl kaum. Aber sie mußte es versuchen. "Ich habe nichts dabei, um ihn auszulösen. Und überhaupt, wofür, wenn er nicht hier ist. Ich will ihn sehen. Jetzt sofort." Er konnte ja viel erzählen. Sie würde sicher nicht für nichts bezahlen. Erst wollte sie Beweise.

    Er war also tatsächlich hier. Damit fiel der Verdacht, er könnte weggelaufen sein, schonmal flach. Blieb trotzdem die Frage, wieso er überhaupt hier war. Keine Zeit, darüber nachzudenken, sie musste ihn erst einmal hier herausbekommen. Ihr Gegenüber machte es ihr dabei nicht gerade leicht. Was sollte sie ihm denn bieten? Sie war nur eine Sklavin, da gab es kein Vermögen, von dem sie ihn hätte bezahlen können. Wenn er Geld wollte, müsste sie tatsächlich zu Faustina. Seine eingehende Musterung schüchterte sie noch zusätzlich ein, dabei wollte sie doch stark bleiben. Entschlossen strich sie den Stoff wieder glatt und sah ihm in die Augen. Immerhin war sie nicht irgendeine Sklavin. "Ich habe ein Pferd dort im Stall, und meine Domina überwacht hin und wieder das Training der Fahrer. Und dass man ihn hierherbrachte, habe ich zufällig... " Mist, verplappert, schnell versuchte sie, den Fehler zu überspielen. " .. ich meine, Faustina und ich haben es von einer der Sklavinnen erfahren. Sie hat mich dann gleich hierhergeschickt. Wir brauchen unseren Fahrer, er ist unser bester." Das klang nun schon fast ein wenig trotzig. Seine Anspielung, dass es ihr Aretas wäre, war ihr nicht entgangen, sie beschloss jedoch, das zu ignorieren. Sollte er doch denken, was er wollte. Naja, nicht ganz, ihre Geschichte musste er ihr schon abnehmen. Immerhin war nichts daran gelogen, bis auf die Kleinigkeit mit Faustina. Die wußte nicht, dass Aretas weg war, und schon gar nicht, dass sie auf eigene Faust losgezogen war.

    Er war wirklich misstrauisch, aber das musste er wohl auch sein. Und sein harscher Ton machte sie nur noch nervöser. Trotzdem versuchte sie, ruhig zu bleiben, sich nichts anmerken zu lassen und möglichst selbstsicher zu klingen, auch wenn ihr im Moment eher nach weglaufen zumute war. Wenigstens die Frage war leicht zu beantworten, denn Faustina war es wohl nicht, die er gefragt hatte. "Aretas lebt nicht in der Villa, er ist in den Stallungen untergebracht. Verständlicherweise, denn niemand will den Stallgeruch im Haus haben. Der Rennbetrieb untersteht meiner Domina, also ist es nicht verwunderlich, wenn ihn in der Villa niemand kennt. Wenn interessieren schon die Namen der Sklaven?" Verlegen drehte sie nun doch den Stoff ihrer Tunika zwischen den Fingern, wie sie es immer tat, wenn sie nervös war. Oder gelangweilt, was hier aber ganz und gar nicht der Fall war.

    Chiomara zuckte zusammen, als sie dann doch angesprochen wurde und wurde rot. Woher wußte er, dass sie wegen Aretas... Es dauerte einen Moment, bis ihr klar wurde, dass es einfach eine ganz normale Frage war. "Ich... nein.. ich meine... " begann sie stockend, sah ihn an, obwohl ihr das eigentlich nicht erlaubt war. Der Umgang mit Römern zählte nicht unbedingt zu ihren Aufgaben, aber er sah ja ganz nett aus. Also nahm sie endlich ihren ganzen Mut zusammen und sagte ihr Sprüchlein, das sie sich auf dem Weg hierher zusammengebastelt hatte. "Ich komme von Tiberia Faustina. Einer unserer Sklaven, Aretas, soll hierhergebracht worden sein. Da sie aber im Moment sehr beschäftigt ist, soll ich mich darum kümmern." Ihr Herz schlug bis zum Hals. Nun konnte sie nur hoffen, dass er ihr das so glauben würde.

    Unsicher stand sie am Eingang. Eine Sklavin, wenn auch die Lieblingssklavin ihrer Domina... ob man sie überhaupt anhören würde? Vorsichtig klopfte sie gegen die Tür, zu leise. Das ganze noch einmal, diesmal fester. Sie wollte ihn wenigstens sehen, wenn es tatsächlich stimmen sollte. Aber vielleicht war es auch gar nicht Aretas. In Gedanken malte sie sich aus, was sie sagen wollte. Etwas wirklich sinnvolles fiel ihr aber nicht ein. Welcher Römer hörte schon auf eine Sklavin. Allmählich wurde ihr bewußt, in welche Situation sie sich bringen konnte, aber nun war es zu spät. Also trat sie tapfer einen Schritt zurück und wartete ab.

    Niemand wußte etwas, niemand wollte etwas gesehen haben und am Ende blieb Chio frustriert und enttäuscht auf der Stufe vor der Villa sitzen. Ihre letze und eigentlich einzige Chance war damit dahin. Also war er doch wieder davongelaufen? Obwohl, so wirklich konnte und wollte sie nicht daran glauben. Seufzend saß sie da, als ein Mädchen aus der Küche an ihr vorbeiwollte. Möglicherweise sah Chio so unglücklich aus, dass sie deshalb stehenblieb und nachfragte. Nachdem sie ihr alles erklärt hatte, dachte das Mädchen nach. "Vor Kurzem war einer von der Stadtwache da, hatte einen Sklaven bei sich. Aber ob das dein Aretas war? Keine Ahnung. Er hat ihn wieder mitgenommen." Sie zuckte kurz mit den Schultern, dann ging sie hinein. Chio schöpfte wieder Hoffnung, eine seltsame Hoffnung. Wurde er verhaftet? Weswegen? Zuzutrauen war es ihm, so eigensinnig, wie er manchmal war. Zögernd stand sie auf und machte sich auf den Weg, unschlüssig, was sie tun sollte.