Chio überlegte lange, dann entschied sie sich doch, die grüne Tunika überzuziehen, die sie von Aretas geschenkt bekommen hatte. Zwar wollte sie in den Stall, und den feinen Stoff sicher nicht schmutzig machen, aber irgendwie konnte sie nicht anders. Den ganzen Weg zu den Stallungen mußte sie daher an den wunderschönen Abend mit ihm denken. Er hätte sie auch als Sklavin ausnutzen können, schließlich war er der Gewinner gewesen, aber aus irgendeinem Grund tat er das nicht. Wieder Fragen über Fragen, auf die sie doch keine Antwort finden würde.
Dann schob sich wieder Caerellia vor ihre durcheinandergewirbelten Gedanken. Die arme Kleine, sie tat ihr leid. Aber vielleicht musste sie das gar nicht. Scheinbar war es eine Ehre, dafür ausgewählt zu werden. Vielleicht hätte sie doch länger bleiben und "zuhören" sollen. Kaum zu Ende gedacht, stand sie auch schon vor den Stallungen.
Das Tor stand wie immer offen. Chio trat ins Halbdunkel, das sich erst erhellte, als ihre Augen sich langsam daran gewöhnten. Nur ein paar Schritte, dann stand sie bei Aisha. Neugierig hob die ihr schon den Kopf entgegen, als hätte sie nur auf sie gewartet. Ein Apfel wechselte den Besitzer und Chio sah sich um. Insgeheim hatte sie gehofft, Aretas hier zu finden, aber der trieb sich bestimmt schon auf dem Markt oder in irgendwelchen diversen Tavernen herum. Neugierig ging sie trotzdem den Gang entlang, bis aus einer der Boxen ein Gesicht auftauchte, das sie mit einem anzüglichen Grinsen bedachte. "Suchst du vielleicht deinen kleinen Freund? Der wartet schon sehnsüchtig im Balneum auf dich." Dass sie gar nicht verabredet waren, konnte der Kerl ja nicht wissen, dass das, was er sagte, nicht der Wahrheit entsprach, konnte sie wiederum nicht ahnen.
Etwas unsicher machte sie sich deshalb auf den Weg dorthin. Sollte sie wirklich..? Aber wenn er recht hatte? Zögernd stand sie vor der Tür, hob die Hand an den Türgriff, zog sie wieder zurück. Nein - doch - nein - doch... Vorsichtig öffnete sie die Tür einen Spalt. Erschrocken hielt sie inne, wurde knallrot und knallte vor Schreck die Tür wieder zu. Er lag nicht im Wasser, er stand da .. ein Anblick, den sie wohl so schnell nicht vergessen würde. Ohne zu wissen, was sie tat, rannte sie zu Aisha zurück und blieb atemlos vor ihr stehen. Das Rot ihrer Wangen wollte nicht weichen und am liebsten hätte sie sich dort hinter Aisha im Stroh verkrochen und wäre nie wieder herausgekommen. Was sollte sie denn jetzt tun?