Beiträge von Chiomara Minor

    Sie.. er kannte wohl viele Frauen. Aber was ging es sie an. Sie nahm den Korb und folgte ihm wieder wie befohlen. Das Gedränge wurde hier noch schlimmer, und der Korb wog auch immer schwerer. Er schien zu ahnen, dass sie hier niemals durchkommen würde. Verblüfft beobachtete sie, wie er den Korb auf seinem Kopf balancierte. Irgendwo hatte sie das schon einmal gesehen. Immerhin kamen sie so schneller vorwärts. Er war gar kein so schlechter Herr, das hatte sie gar nicht erwartet.


    Er blieb stehen und sie wäre mit ihren Gedanken fast in ihn gelaufen. Ah, ja, da an dem Stand gab es tatsächlich Tuniken in allen nur erdenklichen Farben. Und sie sollte eine aussuchen? Sie kannte die Frau doch gar nicht. Forschend wanderte ihr Blick über die verschiedenen Stoffe. "Ich soll eine aussuchen? Wie sieht die Frau denn aus? Ich meine, hat sie eher helle oder dunkle Haut, was ist mit ihren Haaren, ihre Augenfarbe?" Sie griff sich eine in einem wunderschönen Grünton. Wenn sie sich eine aussuchen dürfte, wäre ihre Wahl wohl schon getroffen.

    Sie blieb immer ein Stück hinter ihm, dann drückte er ihr einen Korb in die Hand. Kochen? "Ähm, nein, ich kann nicht kochen, du?" Niemand hatte es ihr jemals beigebracht, es gab immer eine Köchen. Klar, als Kind war sie oft in der Küche, aber mehr als Gemüse schälen oder schneiden durfte sie nie. Neugierig beobachtete sie, was Aretas aussuchte und damit in ihren Korb wanderte. Das Brot duftete und ihr Magen fing augenblicklich lautstark zu knurren an. Sogar Fleisch war dabei. Hoffentlich durfte sie nicht nur kochen, sondern auch essen.


    Immer schwerer wurde der Korb, je voller er wurde. Nun auch noch ein Krug Wein. Chio schleppte schwer, ließ sich aber nichts anmerken. "Natürlich kann ich noch." Ihr stand der Schweiß auf der Stirn. Auf die andere Seite? Ohje. Glücklicherweise gab es eine Pause und sogar ein Stück Honigkuchen bekam sie. Schnell stellte sie den Korb vor sich ab und biss mehr als hungrig in ihr Gebäckstück. Unter kauen brachte sie gerade so ein "Danke !" heraus. Die waren wirklich gut... "Für wen brauchst du denn ein Geschenk?"

    Seine ausführliche Antwort half ihr nicht im geringsten, die Röte aus ihrem Gesicht zu vertreiben. Im Gegenteil. Andererseits, was war dabei, über dieses Thema zu reden? Ihn schien es nicht zu stören, sonst hätte er nicht geantwortet. Seine Frage war allerdings schon wirklich sehr intim. Während sie überlegte, ob sie sie ihm beantworten sollte, oder es für sich behalten, suchte sie nach einem Platz, an dem sie sich setzen konnten und dabei eine gute Sicht auf die Gebäude um sich herum hatten. Nicht so einfach, diese Idee schienen viele Besucher hier zu haben. Aber sie fand ein Plätzchen und wartete auf Kyros. Er sollte eine Antwort bekommen.


    "Ja, ich bin noch Jungfrau. Ich hatte Glück, in dieser Familie hat mich nie ein Mann angefasst. Ich glaube, Dolabella hätte es auch nicht zugelassen. Er war wie ein Vater für mich. Vielleicht vermisse ich ihn deshalb so sehr."


    Der Gedanke stimmte sie traurig, also vertrieb sie ihn schnell wieder.


    "Wieso wolltest du das wissen? Ich meine... merkt man mir das so sehr an? An dem Tag im Balneum, das war übrigens sehr schön. Du hast sehr begabte Hände. Wenn du.. ich meine... du sagst, es ist furchtbar, zu sehen, was du nicht haben kannst. Also hast du dabei doch Gefühle, oder? Es ist ja auch nicht alles weg. Entschuldige, wenn ich dir zu nahe trete, ich kenne mich damit nur überhaupt nicht aus."


    Wie auch, sie kannte nur Faustina, und solche Gefühle nur beim Zusammensein mit ihr. Nackte Männer, sie wußte zwar, wie die aussahen, aber ansonsten...

    Drehen.. sie drehte sich brav, kam sich allerdings ein bisschen dämlich vor dabei. Er wußte doch, wie sie aussah, viel geändert hatte sich auch nicht, seit sie hier aufgetaucht war. Ein Kleid zum Ausgehen trug sie auch nicht. Und wie gnädig, sie wurde für gut befunden und durfte ihm folgen. Auf den Markt.. das hörte sich schonmal nicht schlecht an, und Einkäufe tragen.. was konnte er schon kaufen wollen? Das würde sie sicher noch schaffen. Wenigstens verlangte er nichts unmögliches von ihr. "Jawohl.. ähm.. gut, gehen wir." Mit Dominus würde sie ihn sicher nicht anreden, aber brav hinter ihm hertrotten, das konnte sie.

    Meine Sklavin.. und das aus seinem Mund. Seufzend ließ sie sich auf Aisha zu den Boxen führen, rutschte dann herunter und gab sie dem Knecht, der ihr schon entgegenkam. Bevor er sie wegbrachte, holte sie noch den anderen Apfel hervor und gab ihn ihr. "Ruh dich aus, und wenn ich wiederkomme, üben wir, und dann schlagen wir Titan. Du bist viel besser als er." Dann drehte sie sich um und ging zu Aretas. Der wartete schon auf sie und führte sie zum Balneum. Er bepackte sie mit den Tüchern und schob sie zur Tür. Sie wollte protestieren, aber er ließ ihr gar keine Zeit dazu. Schwupp, war sie drin und die Tür hinter ihr wieder zu. Hier sollte sie sich ausziehen? Und darauf hoffen, dass er wirklich niemanden hereinlassen würde? Aber was blieb ihr für eine Wahl. Also zog sie sich aus und stieg ins Wasser. Die Tücher lagen in greifbarer Nähe und ihren Blick ließ sie währenddessen immer auf die Tür gerichtet.


    Scheinbar hielt er sein Wort. Nachdem sie sauber, erfrischt und wieder angezogen war, legte sie die Tücher ordentlich zur Seite, durchkämmte die Spitzen ihrer Haare, die feucht geworden waren, mit den Fingern und als sie sicher war, sie konnte sich so blicken lassen, öffnete sie die Tür nach draussen. Er saß tatsächlich noch davor, und das, obwohl sie sich nicht gerade beeilt hatte. Wozu auch, in der Zeit musste sie schon nicht seine Sklavin spielen. "Fertig!"

    Diese Selbstverliebtheit war echt zum kotzen. Natürlich war sie verbissen, versessen darauf, zu gewinnen. Mehr aber auch nicht. Es war schließlich nicht ihr erstes Rennen, aber das konnte er ja nicht wissen. So wie er überhaupt gar nichts von ihr wußte. Hätte sie gekonnt, sie hätte ihm jetzt gerne die Augen ausgekratzt. Unbewußt entspannte sie sich trotzdem durch sein Abbremsen. Aisha schien das auch zu spüren. Aber es war und blieb ein Rennen.


    Aretas blieb noch eine ganze Weile neben ihr, sie warf ihm einen wütenden Blick zu. "Ich werds dir schon zeigen... " Die zweite Runde, Aretas war schon wieder weit vor ihnen. "Los jetzt, Aisha, das schaffst du .. " Als hätte sie nur darauf gewartet, rannte sie los. Der Abstand wurde immer geringer. Nur noch eine halbe Runde, das wird knapp. Chio rief alle Götter um Hilfe, wurde in ihren Bewegungen eins mit Aisha und gemeinsam flogen sie über die Bahn. Nur noch ein paar Meter, sie waren fast gleichauf, dann die Ziellinie.... zweiter, es hat nicht gereicht. Enttäuscht ließ sie Aisha auslaufen, beugte sich dann vor und tätschelte ihr anerkennend den Hals. "Das hast du gut gemacht, meine Schöne." Nun konnte sie nur noch auf den Sieger warten. Sein Gesicht sah sie schon förmlich vor sich, dieses überhebliche Grinsen und das Schlimmste, der Einsatz. Und es war auch noch ihre Idee gewesen...

    Chio hatte ein paar wirklich wundersame Exemplare der Wohlstandskrankheit entdeckt und amüsierte sich prächtig darüber. Ein schlechtes Gewissen wollte sich regen, aber wieso sollte sie. Viele davon behandelten ihre Sklaven sicher sehr schlecht. Wenigstens mußte auch Kyros grinsen, das gefiel ihr viel besser als sein ansonsten so ernstes, geschäftiges Gesicht.


    Allerdings war es nun sie, die nachdenklich wurde. Da wurden ihm so viele Entbehrungen auferlegt und dann war alles umsonst. "Ohja, Dolabella ist ein guter Mann, was wohl aus ihm geworden ist? Ich hoffe, es geht ihm gut. Faustina hat viel von ihm, allerdings ist sie viel dominanter und lässt nicht so viel durchgehen. Aber sie behandelt uns wenigstens wie Menschen. Aber sag mal... ist es denn nicht schwer, immer das vor Augen zu haben, das man nicht haben kann? Ähm.. ich meine.. " Oh, wie kam sie da nur wieder raus. Allerdings, wenn sie so darüber nachdachte, er durfte Dinge mit ihr und Faustina anstellen, davon konnten andere Männer nur träumen. Wenn sie da nur an die Massage dachte. Chio wurde knallrot und drehte sich schnell weg. Irgendetwas interessantes gab es da sicher zu sehen...

    Dein dämliches Grinsen wird dir schon noch vergehen. murmelte sie leise vor sich hin, bis auch sie an der Startlinie stand. Chio machte sich bereit. Noch ein kurzer Blick zu Aretas. "Ja, fertig." Den Blick stur auf die Bahn gerichtet wartete sie auf sein Zeichen, ihr Herz schlug vor Aufregung wie wild. Looos! Chio fackelte nicht lange und ließ Aisha laufen. Die preschte ebenfalls los, als wüßte sie, um was es hier ging. Trotzdem, Titan war schon ein Stückchen vor ihnen, versuchte, einen Vorsprung aufzubauen. Aisha gab nicht nach, holte auf. Chio trieb sie an. Aretas durfte einfach nicht gewinnen.

    Er las sich alles sorgfältig durch, dann schrieb er noch einen letzten Satz. Es war nicht zu übersehen, vielleicht hätte sie einfach wegsehen sollen. Zu spät. Er faltete und war schon am Gehen. Ein Kuss, sie versuchte, zu lächeln, dann war er verschwunden. Wenigstens er war glücklich. Ganz anders ging es ihr, dabei sollte sie sich doch freuen, ihm geholfen zu haben. In ihr aber tobten Gefühle, die sie total durcheinander brachten. Sie war sauer auf ihn, dabei hatte sie eigentlich gar keinen Grund, sauer auf sich selbst, weil sie sauer war. Was war bloß los mit ihr?


    Arbeit, ja genau, das würde sie bestimmt ablenken. Sie räumte Schreibzeug und Papier ordentlich auf, rückte dann noch die restlichen Möbel an die dafür vorgesehenen Plätze, räumte ein und dekorierte alles wieder gemütlich. Perfekt! Alles sah so noch viel besser aus als vorher. Mit sich zufrieden war sie allerdings immer noch nicht. Chio schob einen der Sessel ans Fenster, setzte sich so, dass sie nach draussen sehen konnte, zog die Beine an und schlang die Arme darum. Wenn doch nur Faustina hier wäre...

    Chio spürte, dass auch Aisha langsam unruhig wurde. Sie würde lügen, wenn es ihr nicht auch so ginge, schließlich war ihr Ehrgeiz mehr als geweckt. "Natürlich, ich könnte aber auch gewinnen." Hm, ein oder zwei Runden? Fast hätte sie gesagt, drei, nur um ihn zu ärgern, aber das war vielleicht doch zuviel. Außerdem wollte sie noch einen Einsatz festlegen. Das war schon schwieriger. Wenn das Training schon beendet war, dann hätte er sicher auch Zeit. Eine Idee nahm in ihrem Kopf Gestalt an, die nichts kosten würde außer Überwindung. Ein siegessicherer Ausdruck und sie lenkte Aisha wieder an den Start. "Zwei Runden und der Verlierer wird für den Rest des Tages der Sklave des Gewinners." Fast hätte sie gesagt, der Gewinnerin, aber ganz so sicher war sie sich dann doch nicht.

    Hielt er sie für eine Memme oder was? Natürlich wollte sie. Während er sein Pferd holen ging, streichelte sie Aisha zärtlich über den Hals und flüsterte ihr ein paar leise Worte ins Ohr. Er kam zurück, mit Titan. Daran hätte sie denken müssen. Aber egal. Das Pferd war vielleicht schnell, aber es war auch wild und bestimmt ein wenig eigensinnig. So wie sein Reiter, die beiden waren ein super Gespann.


    "Natürlich will ich, oder hast du Angst?" Grinsend gab sie ihm brav ihren Fuß und ließ sich aufs Pferd helfen. Sollte er doch denken, sie bräuchte Hilfe. Wenn er so von sich und seinem Pferd, und natürlich von ihrem Nichtkönnen, überzeugt war, hatte sie vielleicht doch eine Chance gegen ihn. Sie musste einfach an Aishas Talent glauben, und das tat sie. Sie wartete, bis auch er endlich aufsaß, dann ging es zur Bahn. Da wurde ihr dann doch ein wenig mulmig. Ein Wettreiten, gerade mit ihm, was dümmeres war ihr wirklich nicht eingefallen. Achwas, sie würde es ihm schon zeigen, entschlossen dirigierte sie Aisha an den Start, wobei... "Sollten sich die beiden nicht erst ein bisschen warmlaufen?" So gut kannte sie sich mit Pferderennen dann doch nicht aus, und das sollte er gerade jetzt auch gerne wissen.

    Chio war wirklich interessiert an seiner Geschichte, als es dann jedoch intimer wurde, röteten sich ihre Wangen sichtlich. Allein die Vorstellung, wie er mit heruntergelassener Hose vor dem Ausbilder stand... Ihn zu unterbrechen, wagte sie allerdings nicht, abgesehen davon machte es den Eindruck, er brauchte dringend jemanden, mit dem er über das alles reden konnte. Und auch, wenn er es immer wieder betonte, wirklich glücklich war er über diesen, wie er meinte, kleinen Schnitt, überhaupt nicht. Eher das Gegenteil. Wobei sie wieder bei ihrer Frage angelangt war, wieweit seine "Funktionseinschränkungen da unten" gingen. Aber fragen würde sie ihn das niemals.


    "Stimmt, ansehen würde man es dir niemals. Und das mit dem Übergewicht, das haben viele Menschen, sieh dich doch um." Lachend deutete sie auf einige wohlgenährte Bürger Roms, und das waren sicher keine Eunuchen. Die Gebäude um sie herum traten erstmal in den Hintergrund, Kyros Geschichte war viel interessanter. Schade eigentlich, dass sie sich in Griechenland nicht öfter unterhalten hatten. Aber nun war ja Zeit, sich besser kennenzulernen. "Wie ging es dann weiter? Du bist so gebildet, hat man dir das im Palast beigebracht?" Ein Leben in einem Palast, das war sicher aufregend.

    Schmunzelnd und ein wenig erschrocken, sah Chiomara der kleinen Caerellia hinterher, die hinter einem schützenden Busch verschwand und nicht wiederkam. War sie nun zu weit gegangen? Ihr schlechtes Gewissen regte sich, allerdings war das Spiel auch zu aufregend gewesen. Trotzdem beschloss sie, es nicht weiterzutreiben. Die kleine Kinderseele sollte schließlich keinen Schaden nehmen. Vorsichtig und leise schlich sie ihr nach, wollte sie aber nicht erschrecken. Ein kurzer Blick hinter den Busch, das Mädchen hielt die Augen nach unten gerichtet und blendete so wohl die Welt um sich aus.


    Sie hervorholen? Oder einfach dazusetzen? Chio entschied sich für zweiteres, quetschte sich durch die Lücke und fand gerade so noch Platz neben dem Mädchen. Schützend legte sie den Arm um die Kleine und sprach sie in beruhigendem Ton an. "Hab keine Angst, ich bin kein Geist. Ehrlich. Hier, fass mal an, meine Arme sind ganz warm, es sind nur die Hände kalt. Du hast sicher auch öfter mal kalte Hände und bist kein Geist. Richtig?" Damit hoffte sie, die Kleine aus der Reserve locken zu können. Wenn sie sich doch entschließen sollte, zu ihr zu sehen, würde sie in ein freundlich lächelndes Gesicht blicken.

    Das hatte sie sich fast gedacht, er war eben ein Diener durch und durch. Das lag sicher an seinem Lebensweg, den er ihr nun teilweise darlegte. Ein bisschen musste sie schmunzeln, er war sehr überzeugt von sich und wußte um seine Fähigkeiten. Allerdings warfen seine Ausführungen auch wieder massig Fragen auf, viele davon nicht unbedingt geeignet, sie direkt zu stellen. Dass er ein Eunuch war, war klar, aber da im Balneum... er sah nicht wirklich entstellt aus, eher so, wie ein Mann aussehen sollte, soweit sie das beurteilen konnte. Dass da nichts mehr funktionieren sollte, konnte sie sich kaum vorstellen, schließlich gingen darüber die verschiedensten Gerüchte um. Aber das war nun wirklich nichts, was sie ihn fragen würde, auch wenn sie sehr neugierig war.


    Eins allerdings interessierte sie brennend. "Wieso hast du dich dazu entschieden, Eunuch zu werden? Ich meine, es gibt so vieles, das du nie erleben wirst. Eine Frau, Kinder... War dein Vater eigentlich auch Sklave?" Das würde zumindest dessen Wunsch erklären, dass es seinem Sohn besser gehen sollte. Aber ob das ein besseres Leben war? So richtig überzeugt war Chio nicht.

    Sie nahm Papyrus und Feder und wartete. "Ja, ich war auch da... nur kurz." Eigentlich war sie davon ausgegangen, er hätte sie gesehen. Möglicherweise war das ein Irrtum. Egal, er fing an zu diktieren. Liebe Caelyn, ... Sorgsam schrieb sie Buchstabe für Buchstabe auf das feine Papier. Es ging nur langsam voran, Chio war sehr darauf bedacht, ordentlich und schön zu schreiben und das benötigte eben Zeit. .. Dann kann ich in der Zeit, in der keine Rennen stattfinden, nach Germanien kommen. Sie sah kurz zu ihm auf. Er würde doch bleiben? Bislang war sie davon ausgegangen, er würde sein Versprechen brechen und für immer gehen, sobald er frei wäre. Aber das hier... er würde das doch nicht schreiben, wenn es nicht stimmen würde, oder? Er diktierte ungeduldig weiter. Wenigstens war es kein reiner Liebesbrief, auch wenn die Sorge um seine Freundin aus seiner Stimme herauszuhören war. An der Formulierung könnte man allerdings arbeiten, sie ließ es aber genau so, wie er es ihr vorgab. Es war sein Brief. Die letzten Worte... fertig. Chio legte die Feder beiseite und las noch einmal alles durch. Ja, passt. Sie drehte das Blatt und legte es ihm vor. "Ja, fertig. Lies es dir nochmal durch." So ungeduldig kannte sie ihn gar nicht.

    Na danke, Aisha wollte er nicht erschrecken, aber sie. Das war ihm ja auch gelungen. Bei seiner Bemerkung wollte sie gerade wieder auf ihn einboxen, aber er ahnte das wohl. Gnädig ließ sie den Arm sinken. "Na gut, ausnahmsweise sollst du verschont bleiben." Ihre Stimme klang gönnerhaft, allerdings mußte sie grinsen dabei. Es gefiel ihr, die Ranghöhere zu spielen. Gerade bei ihm.


    Er hielt ihr den Löwen hin, dass sie ihn besser sehen konnte. Staundend nahm sie ihn in Augenschein. Das hätte sie ihm wahrlich nicht zugetraut, er war bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Es war, als würde er jeden Moment zum Leben erwachen und auf sie zuspringen. Vorsichtig streckte sie die Hand danach aus, da kam die Ziege angerannt. Chio schnappte sich den Löwen und stellte ihn drohend vor die Ziege. Sie verstellte ihre Stimme, dass sie sich ebenso drohend und tief brummend anhörte. "Lauf um dein Leben.. aber ich krieg dich doch!!"


    Lachend gab sie ihm schließlich den Löwen zurück. Ja, reiten war eine gute Idee. Aber nicht alleine. "Das wäre lieb, ja. Aber willst du nicht mitkommen? Wie wärs mit einem kleinen Wettreiten?" Sie machte ein paar Schritte zur Seite, dass er in die Box kam. Manchmal konnte er wirklich richtig nett und lustig sein.

    Na, das war ja mal eine Erklärung. "Doch, musst du.. " Er ließ ihr aber keine Zeit, weiter darauf einzugehen, denn er holte diesen Brief hervor. Seufzend setzte sie sich an den Tisch. "Ich hab das vorhin schon mitbekommen. Setz dich. Was soll ich denn tun?" Sie war immer stolz darauf, Latein gelernt zu haben, jetzt gerade sah das anders aus. Ihm zu helfen, war aber nur fair, schließlich war er auch nicht gegangen, als sie ihn bat, die Möbel umzustellen. Irgendwie war sie ja auch neugierig, wie die beiden miteinander umgingen, wie er noch zu ihr stand. Irgendwie tat er ihr auch leid. Er hätte den Brief sicher auch lieber alleine geschrieben, schließlich war es eine sehr private Angelegenheit. Zumindest ging sie davon aus.

    "Aaaaaah... " Erschrocken sprang sie zurück und hatte das Gefühl, ihr Herz blieb stehen. Keinen Laut hatte sie gehört, dazu war sie wohl zu sehr auf das Pferd konzentriert. Ein Glück, dass Aisha so ein ruhiges Tier war und nur ein wenig irritiert zurückwich. Als Chio erkannte, wer sie da so hinterlistig aufgelauert hatte, boxte sie ihm gegen den Arm. "Maaaaann.. mußt du mich so erschrecken?" Sie atmete erst einmal tief durch und blickte besorgt zu Aisha. "Ich weiß noch nicht. Ich hab heute etwas freie Zeit, da dachte ich, ich besuche sie mal. Sind das die Figuren von dir?" Neugierig deutete sie auf die beiden Holztiere, die da auf der Boxenwand standen. Wenn ja, dann war sie ehrlich beeindruckt.

    Alleine? Niemals. Das konnte er gar nicht. Aber schwupps war er verschwunden. Verwundert starrte sie auf die Tür. Na, so wird das aber nix. Wahrscheinlich suchte er nun nach Hilfe, einem starken Sklaven, oder so. Der dachte bestimmt, sie wäre zu schwach, ihm zu helfen. Aber bitte, dann eben nicht, blieb sie hier sitzen und wartete. Gelangweilte drehte sie den Stoff ihrer Tunika zwischen ihren Fingern, begutachtete noch einmal die Truhe, starrte in Gedanken versunken wieder zur Tür. Ja, so eine Suche kann dauern, ihr war es ebenso ergangen, nirgends ein Sklave zu sehen.


    Erschrocken zuckte sie zusammen, als Aretas urplötzlich wieder ins Zimmer stürmte und mit einem Krachen die Tür zuwarf. Er war allein? Noch ein kurzer Blick, aber die Tür blieb geschlossen. Doch keinen Helfer gefunden? Ah, also doch, sie sollte helfen, aber anders, als erwartet. Sie stand auf und nahm das glitschige Zeugs, das er ihr in die Hand drückte, legte es unter die Ecken, wie er es wollte und beobachtete dann, wie er fast mühelos die Kommode an ihren Platz schob. Er überraschte sie doch immer wieder. Noch was? Sie sah sich um. "Nein, das war alles, danke!" Sie war wirklich froh, dass er ihr geholfen hatte. "Ohne dich hätte ich das nicht geschafft." gab sie noch etwas kleinlaut zu. Aber um wieder auf die Ausgangssituation zurückzukommen, da gab es noch eine Kleinigkeit, die sie doch brennend interessierte. "Sag mal, treibst du dich eigentlich öfter in fremden Schlafzimmern herum?"

    Er gab tatsächlich nicht nach, und das Spiel seiner Muskeln.. beeindruckend. Dann stand das gute Stück. Chio verzog skeptisch den Mundwinkel, neigte den Kopf nach links, dann nach rechts, kniff die Augen zusammen. "Hmmm... vielleicht noch ein bisschen nach da rüber." Ihr Finger zeigte zur linken Seite. Sie wartete noch, bis die Truhe wirklich richtig stand. "Ja, genau, so ist es gut."


    Auf seine Frage wanderte ihr Blick zur Kommode. Die konnte er unmöglich alleine schaffen, trotzdem rührte sie sich nicht aus dem Sessel. "Die Kommode dort drüben, die muß da auch weg. Ich hätte die gerne da vorne neben der Tür." Abwartend sah sie ihn an. "Schaffst du die auch alleine, oder soll ich dir helfen?"