War die scheinbar nicht enden wollende Begrüßung der Hochzeitsgäste wenigstens noch mit etwas Abwechslung behaftet, so dass die Stunden scheinbar wie Schnee dahin schmolzen, so war die nun folgende Hochzeitszeremonie alles andere als kurzweilig. Natürlich hatte sowohl die Braut als auch der Bräutigam Sorge getragen, dass alles ordnungsgemäß vorbereitet worden war. Böse Zungen konnten ihnen womöglich übertriebene Pedanterie vorwerfen, doch sicher war sicher! Und auch die Priesterschaft in Form des Flamen Dialis und des Pontifex Maximus waren bereit.
Zunächst bedurfte es zumindest bei der Flavia noch einer gewissen Konzentration. Domitilla war damit beschäftigt, ja das Richtige zu tun, was ihre Nervosität nur noch steigerte. Glücklicherweise war sie dabei nicht ganz auf sich gestellt. So war es nicht verwunderlich, als sich dann zwei, von Nervosität gezeichneten Eheaspiranten nebeneinanderstehend wieder fanden. Noch voller Aufmerksamkeit folgte Domitilla den Ritualen, schließlich befanden sie sich ja noch am Anfang einer langen, nicht enden wollenden Aneinanderreihung verschiedenster Opferritualen, Anrufungen und Gebeten.
Die Aufmerksamkeit der Flavia begann langsam zu schwinden. Zu monoton klangen die Worte des Flamen Dialis. Als sich das Voropfer langsam und siechend seinem Ende näherte, wahr zu hoffen, dass das darauffolgende Hauptopfer womöglich etwas mehr Spannung versprach.
‚Das arme Schäfchen‘, dachte Domitilla. ‚Würde man es nicht hier und heute opfern, stürbe es wohl an Langeweile.‘ Bei diesem Gedanken grinste die Flavia in sich hinein. Äußerlich jedoch verzog sie keine Miene.
Als das Schaf dann doch noch das Zeitliche segnete, schreckte sie kurz auf. Das viele Blut bereitete ihr Unbehagen. Ganz zu schweigen vom Anblick und dem Geruch der noch frischen Gedärme des Tieres. Sie musste sich wahrlich zusammenreißen, um keine Schwäche zu zeigen. Die nun folgenden Minuten, die erweisen würden, ob das Opfer geglückt war und das Schaf nicht umsonst gestorben war, wollten einfach kein Ende nehmen. Sie waren bleiern.
Als der Pontifex Maximus ein erlösendes "Litatio!" verkündete, ging ein erleichtertes Raunen durch den Raum. So war es dann auch der Kaiser höchstpersönlich, der dem frischgebackenen Ehepaar als erstes seine Glückwünsche aussprach und ihnen einen Kuss auf ihre ‚Wangen drückte.
Wer nun geglaubt hatte, die Hochzeitszeremonie sei nun am Ende angelangt, der hatte sich gründlich getäuscht! Nun trat die Pronuba in Erscheinung, die die Hände der Brautleute ineinanderlegte. Domitilla bemerkte die Blässe um die Nase ihrer neuen Schwägerin und nachdem Lucia sie beglückwünscht hatte, verabschiedete sie sich auch schon von ihnen. Das alles musste doch etwas viel für sie gewesen sein. Domitilla bedanke sich bei ihr. Natürlich hatte sie Verständnis – in ihrem Zustand!
Als ihr Domitilla nachblickte, konnte man eventuell eine Spur von Neid in ihren Augen sehen oder war es nur die Sehnsucht auf ein baldiges Ende? Doch dieser Wunsch wurde ihr nicht gewährt. Zuvor musste noch die Confarreatio vollzogen werden. Da das Schaf sich wohl nur widerwillig von seinem Fell trennen wollte, wurde alles noch etwas länger in die Länge gezogen.
Letztendlich konnte dann doch noch das Hauptritual erfolgreich vollzogen werden, was dann erneut in eine Flut von Glückwünschen mündete.
Kaum zu glauben, doch nun waren sie verheiratet! Zumindest war das Hochzeitsritual beendet. Was nun folgte, bereitete wohl der Flavia die meisten Sorgen – die Vollziehung der Ehe. Hatte Lucia nicht erwähnt, eine Überraschung würde in ihrem neuen Heim auf sie warten…