Beiträge von Macro

    Das Auge konnte kaum zwischen Bäumen und Nachthimmel unterscheiden, als zwei Kutschen auf das Lager zugerollt kamen. Die Männer waren schmutzig und erschöpft, die Pferde erhitzt und mit Schweißflocken übersät. Sie zogen schwere Last: Einige Sklaven und viel Gepäck.


    Am Haupttor angelangt sprang Macro erneut aus der Kutsche. Er trat an den Wachsoldaten heran und überlegte, wie er grüßen sollte. Er entschied sich für einen normalen und keinen militärischen Gruß, denn er verfügte ja nicht über eine militärische Schulung oder gar Ausbildung.


    "Salve, das ist die Reisegruppe des neuen Legaten Herius Claudius Menecrates. Er wünscht ein Geleit zum Praetorium. Und melde seine Ankunft dem scheidenden Legaten Decimus Livianus."

    Es freute Macro, dass sie endlich den Zielort erreichten, denn während der Fahrt musste er sich mit den anderen Sklaven in der Essenszubereitung abwechseln, wenn sie nicht gerade bei einer Mansio rasteten. Er vermisste umso mehr eine Sklavin in ihrer Gruppe, aber nun würde wenigstens die Essensbereitung auf Fahrt bald ein Ende haben. Die beiden Reisekutschen stoppten vor dem Stadttor und Macro stieg ab.


    "Salve, der Legat der Legio II Germanica, Herius Claudius Menecrates, wünscht den Zugang zum Castellum." Der Wachoffizier schien von der Ankunft nicht sonderlich überrascht zu sein, so kam es jedenfalls Macro vor. Daher erwartete er, ohne Probleme durchgewinkt zu werden. Es sei denn, sie mussten gar nicht durch die Stadt, sondern das Kastell erreichte man über einen anderen Zugang, weil es nicht in, sondern neben der Stadt lag. Hin wie her, hier würde gleich die Antwort kommen.

    Der Landweg zog sich in die Länge. Alleine Gallien empfand der Tross derart langgestreckt, man konnte meinen, es wollte kein Ende nehmen. Sie fuhren fast ununterbrochen, wechselten so oft es sich anbot, die Pferde aus, um das scharfe Tempo halten zu können. Bei aller Anstrengung - es war keineswegs gewiss, den Zielpunkt zum geforderten Zeitpunkt erreichen zu können.


    Macro nickte öfters während der Fahrt ein, was ihm das nachdenken ersparte. Er dachte aktuell über vieles nach: über die Zukunft in Germanien und über die Vergangenheit, in der er offensichtlich blind durch das Leben gelaufen war. Immer wieder ermahnte er sich, den nutzlosen Gedanken keine Chance zu geben. Schließlich blickte er auf eine Familie zurück, die seit Generationen den Status Sklave inne hatte. Da konnte der Klient seines Herrn sehr viel mehr bieten. Wie lächerlich, sich mit ihm messen zu wollen. Im Grunde gab es für ihn nie eine Chance, also musste er nun auch nicht hadern, die Augen viel zu spät geöffnet zu haben. Weil sich die Gedanken leider aber nicht verflüchtigten, wurde er zeitweise wütend. Bei einem Halt trat er gegen einen Grasbatzen, der vermutlich von einem Wildschwein aus der Erde gepflügt wurde.


    "Verdammt!"

    Macro trug den Getreidesack, als er von Bord ging und ihm vor Staunen der Mund offen stehen blieb.


    "Linos hilft! sehr her, Leute, Linos trägt was mit!" Seine Belustigung war jedoch überwiegend gespielt. Er wollte sich ablenken und er ahnte, dass es seinen Mitreisenden ähnlich ging. Vielleicht mit Ausnahme von Wulfgar, der kehrte in sein Heimatland zurück.


    Er atmete einmal tief durch. "Das Wetter wird noch mieser werden", murmelte er vor sich hin, während er Linos zunickte. Im Grunde verstand er ihn.

    Sim-Off:

    Melde mich jetzt nach Germania um.

    Wenn es nicht ums laufen ging, konnte Macro punkten. Er packte beherzt beim beladen mit an und versuchte außerdem, die Kisten und Truhen möglichst gut zu verladen. Dabei achtete er darauf, dass sie gesichert und über die Schiffslänge gut verteilt standen. Überlast auf nur einer Seite des Schiffes würde die Fahrt verlangsamen und außerdem ein Risiko bergen.
    Er sah genau hin, als die Leinen gelöst wurden und half anschließend mit.


    Als der Hafen Ostias immer kleiner wurde, schlich sich ein merkwürdiges Gefühl in ihn. Bislang hatte er sich gut abgelenkt, jetzt musste er sich eingestehen, dass eine junge Frau seine Sympathie gewonnen hatte. Im Nachhinein kam es ihm komisch vor, dass er so blind durchs Leben gegangen war. Diese Erkenntnis nützte aber nichts mehr, denn es würde kaum ein Wiedersehen in den nächsten Jahren geben. Er stieß sich von der Reling ab und ließ seinen Traum wie eine Leiche im Meerwasser zurück.

    Ein Abschiedsgeschenk von Mansuri, Macro zeigte sich bewegt. Er genoss den Moment, wo sie ihm das Wolltuch um den Hals legte. Fürsorge plötzlich auch von ihr, dabei dachte Macro immer, Mansuri wäre noch viel unnahbarer als er selbst. Der Hinweis auf die Witterung in Germanien und die Obacht, die er auf einen Herrn geben sollte, kam nur undeutlich an.


    "Ich merke erst jetzt, wie sehr ihr mir alle am Herzen gelegen habt", gab er mit krächziger Stimme zu. Die Verlegenheit hatte ihn im Griff. "Halte dich an Menochares, falls mal wieder ein Ekelpaket in diesen Wänden lebt." Er spielte auf Keywan an. Der Kuss verwirrte ihn vollends, daher suchte er sich nach der Verabschiedung eine Aufgabe. Er fand sie in seinem Reisegepäck, das bis jetzt noch nicht gepackt war. Er beeilte sich, denn die Abreise stand unmittelbar bevor.

    Er ließ seine Gedanken schweifen, als er auf Morrigan wartete. Sie wanderten von Morrigans Art, ihrer Fürsorge und ihrem Auftreten - ohne dass er es wollte - zu ihrem Äußeren. Eine kecke Kleine, dachte er bei sich und musste schmunzeln. Sie hielt wenig Distanz, ohne aufdringlich zu sein. Genau diese Mischung erlaubte es Macro, sich ohne eingeengt zu fühlen, mit ihrem Wesen vertraut zu machen. Zum ersten Mal gestand er sich ein, dass er Morrigan mochte. Und er fand sie anziehend.
    Bei diesem Gedanken angelangt, betrat Morrigan wieder das Bad und der Gedanke von eben sprang in den Hintergrund. Ein wohliges "Mmh" verkündete, wie sich Macro fühlte, als er zugedeckt wurde und die Massage begann. Wundervolle Hände, dachte er bei sich, dann musste er aufpassen, nicht einzunicken. Er fühlte sich nicht nur wohl, sondern auch geborgen und sicher. Nur wenn Morrigan eines der Knötchen bearbeitete, riss es ihn aus seinem Dämmerzustand.
    Doch auch die schönste Massage war einmal vorüber. Das realisierte er, als Morrigan über seine Stirn strich. Ihre Lippen ließen ihn vollends erwachen. Macro kämpfte mit sich. Sollte er seinem augenblicklichen Wunsch nachkommen? Oder sollte er sich unnahbar wie immer verhalten? Sie war längst schon auf dem Weg zur Tür, da schob ein Wort die Unschlüssigkeit fort.


    "Morrigan!?" Er blickte über seine Schulter. Dann fiel ihm siedend heiß ein, dass da ja etwas zwischen ihr und einem der Klienten seines Herrn lief. Macro wusste nicht was, aber er wusste, dass etwas lief, daher drängte er die Empfindungen zurück. "Ich muss dir danken", erwiderte er und hoffte, er konnte sich damit aus der Situation schlängeln. Dabei übersah er, dass seine Augen unverwandt an Morrigan klebten. Schließlich wandte er sich wieder um und legte den Kopf auf das Laken. Er musste erst einmal Ordnung in sich schaffen. Nichts drängte ihn, sie würden sich noch oft in der Villa über den Weg laufen. In diesem Punkt jedoch hatte er sich geirrt …

    Mit Macros Eintreffen musste Menecrates unwillkürlich klar werden, dass Pferde und Kutsche eingetroffen waren. Macro bemerkte, wie sein Herr ihn taxierte und er nickte als stumme Antwort. Menochares stand unweit neben ihm. Es dämmerte bereits und wie es aussah, begann im Atrium bereits der Reigen der Verabschiedungen.
    Die erste Verabschiedung lag bereits hinter ihm. Morrigan fing ihn ab und drückte ihn, als er zum Pferdezuchtbetrieb aufgebrochen war. Sie wünschte ihm alles Gute und er revanchierte sich mit der Bitte: "Pass auf dich auf, jetzt wo die starken Männer die Villa verlassen." Er dachte dabei an Wulfgar, an Menecrates und natürlich auch sich selbst.


    Von Mujet verabschiedete sich Macro nur mit einem Kopfnicken. Sie kannte er von allen Sklaven am wenigsten. Das lag wohl an ihrer stillen Art. Bei anderen Sklaven erging es ihm ähnlich. Menochares boxte er gegen den Oberarm. "Pass auf die Mädels auf, wenn wir weg sind." Das reichte. Er wollte nicht sentimental werden.


    Und dann erblickte er Mansuri. Er trat auf sie zu. "Es wird eine Umstellung sein, tagein tagaus nur Männer um sich zu haben. Ihr werdet uns sicherlich fehlen."

    Und jetzt war es tatsächlich passiert: Macro fühlte Entspannung pur. Das ging nur, weil er durch Wein und Massage vorbereitet inzwischen Vertrauen gefasst hatte. Es beruhigte ihn weiter, dass Morrigan alles kommentierte, was sie tat. Es drohte keine Überraschung. Er konnte endlich die Anspannung und den Abscheu gegenüber den Erlebnissen der Arena loswerden.


    "In Ordnung", flüsterte er zurück und schloss anschließend die Augen. Mit jeder Hand, die Wasser über seine Haare vergoss, schienen der Schmutz, der Schweiß und der Staub von ihm zu rieseln. Endlich gereinigt, dachte er bei sich, als Morrigan mit dem Ausdrücken der Haare das Ende des Waschgangs ankündigte.


    Natürlich realisierte er, dass Morrigan ihm bewusst die Möglichkeit gab, unbeobachtet aus dem Wasser zu steigen. Er schätzte ihr Einfühlungsvermögen. Während er sich auf der Liege ausstreckte, merkte er, wie Morrigan durch ihr Verhalten in seiner Gunst stieg. Bislang kannte er kaum jemand in der Villa von seinesgleichen, kennen vom sehen schon, aber kennen in Bezug auf erkennen? Nein, da kannte er niemand. Er atmete einmal tief durch, dann legte er die Wange auf das Laken und wartete auf Morrigans Rückkehr. Am Heben seines Rückens merkte man, wie ruhig er inzwischen atmete.

    Die Ansprüche des Kunden gefielen dem Schiffbesitzer nicht, aber er ließ sich nichts anmerken. Offensichtlich hatte er es mit einem geschäftstüchtigen Interessenten zu tun. Dass er sich mit seinem Schiff nicht verstecken musste, brachte der Mann durch seine Haltung und Miene deutlich zum Ausdruck.


    "Natürlich, kein Problem." Er führte den Interessenten zum Kai und wenige Doppelschritte vom Hauptsteg entfernt lag ein Schiff an den Leinen, dass einen baulich hervorragenden Zustand besaß und schnittig erschien. Die Planken blinkten, das Takelwerk machte einen zuverlässigen Eindruck und entsprach den neuesten Erkenntnissen über effektive Windausnutzung beim Segeln. Um ein Transportschiff handelte es sich nicht, auch nicht um ein Schiff, das auszog, um Fischfänge einzufahren. Es handelte sich vielmehr um ein wendiges Kriegsschiff der kleineren Art.


    "Das ist es."

    Morrigans Hinweis, den Wein zu genießen, konnte Macro kaum umsetzen, denn zum genießen musste man entspannt sein. Und wenn er eines nicht war, dann entspannt. Immerhin schaffte er es, dieses Mal einmal abzusetzen, bevor er den Becher erneut austrank. Um Nachschub bat er lieber nicht, vorerst nicht. Er konnte seine Aufmerksamkeit stets schlecht teilen und nun musste er sich auf Morrigan konzentrieren, um nicht wieder in irgendeiner Form überrumpelt zu werden. Macro brauchte die ständige Kontrolle, oder zumindest das Gefühl, sie zu haben. Als Morrigan seinen Rücken mit klarem Wasser abspülte, gestattete er sich erstmals, den Genuss wahrzunehmen. Und angenehm war die Waschung schon, das musste er sich eingestehen. Vor allem, wenn man sich derart schmutzig wie nach der Hinrichtung fühlte.


    Einen Moment nicht aufgepasst, da war es aber geschehen: Morrigan tauchte Macro einfach unter. Noch bevor er protentieren konnte, schwappte Seifenschaum auf seinem Kopf über die Nase und auf die Wasseroberfläche. Er pustete die restliche Schaumspitze weg und sagte: "Hey, hey." Mehr bekam er aber nicht heraus, denn dann begann die Massage. Wenn ihn nichts entwaffnen konnte, so eine Massage durchaus. Er begann entspannter zu atmen, manchmal kam sogar eine Art leises Grunzen aus seinem Hals. Die Müdigkeit erfasste ihn und er wurde schwerer. Zum Glück gab das Wasser etwas Auftrieb, sonst wäre er abgerutscht, weil seine Muskeln inzwischen völlig entspannt waren.


    Eine Frage riss ihn aus der Glückseeligkeit. Er blinzelte müde und sagte: "Ähh, jaa?"

    Der Schiffsherr zögerte nicht lange, als er den Namen Claudius und das Wort schnellstens hörte. Er witterte ein hervorragendes Geschäft.


    "Also, für besondere Fälle habe ich ein besonderes Schiff am Kai. Ich habe es Windjammer genannt, weil es Zwiesprache mit dem jeweiligen Windgott hält, wenn es sich von ihm über die Meere schieben lässt. Es fliegt förmlich dahin, die Winde scheinen es zu lieben." Der Händler ließ seine blumigen Worte zunächst wirken, dann sprach er weiter. "Allerdings kostet seine Nutzung auch einen dementsprechenden Preis." Nur eine kurze Atempause, dann fügte er an: "Es könnte auf der Stelle in See stechen, aber auch dieser Vorzug hat seinen Preis."

    Die Verhandlungen bzw. die Klärungen mit dem Verwalten lagen längst hinter Meneochartes als endlich auch Macro aus der Villa Claudia im Gestüt eintraf. Sein Atem rasselte. Er wurde beim Kämpfen nie derart schlapp wie beim Laufen.


    "Wo kann ich helfen?", japste er. Schließlich wurden ihm Zügel in die Hand gedrückt.


    Es dämmerte bereits, als er die Kutschpferde durch Roms Straßen führte. Erst als sie der Innenstadt den Rücken gekehrt hatten, bestieg er mit Menochares die Kutsche, hing die Zügel der Führpferde hinten an die Kutsche, damit sie folgen konnten, ohne beaufsichtigt werden zu müssen, und lenkte das Gefährt in leichtem Trab den Hügel des Esquilinus hinauf.

    "Eine weitere Kutsche aus dem Zuchtbetrieb. Das erledige ich, Dominus."


    Nachdem Macro den Auftrag für sich empfangen hatte, schloss er sich kurzerhand Menochares an. Zumindest wollte er das, bis ihm einfiel, dass beim Lauftraining kein Mithalten mit dem Nubier war. Macro mochte Laufen noch nie, daher fiel er recht bald zurück. Entweder würde Monochares im Gestüt auf ihn warten müssen oder die Kutsche kam mit zwei vorgespannten Pferden deutlich später an als die restlichen Pferde. Wie er es sah, stellte aber vor allem das Reittier für Wulfgar die Priorität dar, weswegen er sich nunmehr in einen Dauerlauf begab, der seinen Verhältnissen entsprach.

    Wunderbar, Morrigan verfügte sicherlich über die Fähigkeit, Gedanken zu lesen oder vorauszuschauen. Die Speisen und der Wein kamen in greifbare Nähe und Macro fasste zu. Schon alleine deswegen, weil er sich durch das Essen ablenken und durch den Wein Mut antrinken konnte. Den ersten becher trank er ohne abzusetzen aus. Erst beim Nachgeschmack merkte er, welche Köstlichkeit er gerade zu sich genommen hatte.


    "Bei allem, was mir lieb ist, aber solchen Wein habe ich noch nie getrunken." Verdutzt schaute er in den leeren Kelch. Nur beiläufig bemerkte er, wie Morrigan das Rückenschrubben begann. Als sie aufhörte, dachte er sich nichts dabei. Sie würde wohl nach einer Antwort suchen.


    Plötzlich kam Bewegung in das Wasser und Macro blickte erschrocken auf. Zu einer Salzsäule erstarrt, den Atem angehalten, richteten sich alle Sinne nach hinten, um zu erkunden, was Morrigan plante. Als sein Rücken eingeschäumt wurde, atmete er erleichtert aus.


    "Ja, angenehm", krächzte er. Dann räusperte er sich und sagte: "Ich könnte jetzt noch so einen Becher gebrauchen."

    Wahrscheinlich musste man so mit Macro umgehen, ihn einfach überrumpeln. Willenlos ließ er sich Richtung Becken schieben und eh er sich versah, bekam er Anweisungen und Morrigan zog sich zurück. Ihre Worte, etwas zu holen, um ihn den Rücken zu schrubben, klangen noch in seinen Ohren nach. So lange, bis ihm klar wurde, dass sie vermutlich bald zurückkehren würde. Hastig streifte er die Tunika vom Körper und entledigte sich des Subligaculums und kletterte in das Becken. Geschafft, er war im Wasser, bevor Morrigan zurückkehrte. Er atmete mehrmals tief durch, dann schalt er sich einen Narren und bemühte sich, das Angenehme an der Situation zu sehen. Er bekam in Kürze den Rücken geschrubbt. Seit den Kindheitstagen hatte er das nicht mehr erlebt. Die Wärme des Wassers gab ihn erstmalig an diesem Tag ein Wohlgefühl. Er tauchte unter wasser und strich sich die Haare nach dem Auftauchen zurück. Dann fiel sein Blick auf die Esswaren. Prompt knurrte sein Magen, aber er traute sich nicht, sich aus dem Wasser zu lehnen, weil er nicht wusste, wie schnell Morrigan zurück war.
    Bei ihren Worten schreckte er zusammen.


    "Idiot", beschimpfte er sich selbst. Doch der Ärger über seine Mutlosigkeit verschwand schnell. Er machte Herzklopfen Platz. Die Frage, 'Ich hoffe du bist bereit für etwas Entspannung?', ließ seine Fantasie Purzelbäume schlagen. So stellte er sich die Verführerinnen vor, die ihren leicht bekleideten Auftritt ankündigten.


    "Ja?", krächzte er verlegen.

    An diesem Tag geschahen tatsächlich noch überraschende Dinge, die etwas Angenehmes an sich hatten. Macro hatte diesen Glauben bereits aufgegeben. Nun ließ er sich bereitwillig zurückhalten und wandte sich Morrigan zu. "Für mich?", fragte er noch einmal überflüssiger Weise nach. Morrigan schien tatsächlich bemerkt zu haben, wie ungern er heute seine Rolle spielte. Und das, obwohl sie als Betroffene sicherlich mit ganz eigenen Empfindungen während der Hinrichtung zu kämpfen hatte. Für ein dankbares Lächeln fühlte sich Macro dennoch zu mitgenommen. Ein leichter Druck an Morrigans Schulter sollte dies übernehmen, dann sank sein Arm wieder hinab.


    Als Morrigan ihm anbot, den Rücken zu schrubben, stockte ihm kurz der Atem. Körperlich zwar noch immer schlapp, geistig aber nun auf Hochtouren gebracht überlegte er, was überwog: die Verlockung oder die Scham. Macro besaß nicht nur Stärken, sondern auch Schwächen. Äußerlich wie ein Bär, wog zwar auf der einen Seite sein Selbstbewusstsein, aber auf der anderen Seite ebenso schwer seine Schüchternheit. Er errötete und bekam kein Wort heraus.

    Macro fühlte sich abgeschlafft, als er die Villa Claudia betrat. Dabei hatte er sich kaum körperlich angestrengt. Diese Hinrichtung erforderte von ihm weit mehr Energien als jeder bisherige Zweikampf auf Leben und Tod. Er eignete sich nicht zum Vollstrecker, außerdem widerte ihn der Getötete an.
    Er ließ den Beutel mit den Handtüchern und den persönlichen Habseligkeiten fallen, um unverzüglich das Bad aufzusuchen. Der von Morrigan geschickte Sklave verfehlte ihn daher. Im Moment brauchte er nichts wichtiger als eine Reinigung. Als er das kleine Balneum betrat, lagen bereits Öl und frische Handtücher bereit. Wollte hier etwa ausgerechnet jetzt noch jemand anderer baden? Es sah ganz danach aus, denn auch Wein und Wasser und etwas zu Essen standen griffbereit. Sein Blick erfasste Morrigan. Er verstand, dass sie das gleiche Bedürfnis wie er verspürte.


    "Sag mir dann bitte Bescheid, wenn du hier fertig bist", bat er müde und wollte das Balneum wieder verlassen.

    Der ehemals von ihm als 'Leidgenosse' eingestufte Keywan wandelte sich in Macros Augen mehr und mehr zum Tier, oder vielmehr zur Bestie. Das letzte Auftreten des Verurteilten machte es Macro unmöglich, auch nur einen Funken an Mitgefühl beim Zerfleischen durch die Löwinnen zu empfinden. Als der Ausrichter der Spiele den Tag offiziell für beendet erklärte, wandte sich Macro der Organisation der Aufräumarbeiten zu. Er musste mehrfach ausspucken, weil ihm der Ekel in Mund und Hals in Form von Spucke zusammenlief.
    Er gab den beiden Helfern zu verstehen, für alle Fälle in der Arena zu bleiben und aus sicherem Abstand den Verzehr des Menschenfleisches zu überwachen. Das Schauspiel sollte den abziehenden Zuschauern erhalten bleiben. Außerdem überkam ihn ein Bedürfnis, sämtliche Überreste Keywans vertilgt zu wissen. Er ritt im Schritt zum Ausgang der Arena, wies dort weitere Helfer an, erst nach Beendigung der Mahlzeit die Löwinnen in ihre Käfige zurückzutreiben. Mit einem tiefen Atemzug übergab er einem Stalljungen sein Pferd. Sein Blick ruhte nur für einen Moment auf Mansuri und Morrigan, die entfernt standen, dann wandte er sich ab und schritt zum Ausgang für die Gladiatoren. Er brauchte ein Bad, er wünschte sich Ablenkung und er wollte das Erlebte verdrängen.


    Etwa zwanzig Minuten, nachdem die letzten Besucher das Theatrum verlassen hatten, trieben Helfer das Löwenrudel aus der Arena und kehrten die verbliebenen Knochen Keywans zusammen. Wenig später stieg Rauch aus einem naheliegenden Schacht auf. Die verbliebene Asche arbeitete ein Sklave unter den Sand der Arena und nur ein grauer Fleck in der Größe eines Doppelschritts mal einem Doppelschritt erinnerte von da an noch an Keywan.