Beiträge von Macro

    Es musste der Blick eines Wahnsinnigen gewesen, der Macro traf, bevor Keywan sich dem Stier entgegenwarf. Nur ein Wahnsinniger oder Lebensmüder konnte so eine Tat begehen. Dabei nahm Macro an, dass Keywan keineswegs lebensmüde war, sondern vielmehr darauf bedacht, sich so teuer wie möglich zu verkaufen.


    Der dumpfe Aufprall der Stierhörner ließ Macro das Gesicht verziehen. Ein Knirschen zeugte vom Bruch wenigstens einer Rippe. Der Stier holte mehrmals mit dem Kopf aus, bis er sein Opfer abgeschüttelt hatte. In diesem Moment griff Macro ein, um Keywan eine Atempause und damit den Zuschauern eine Verlängerung des Todeskampfes zu verschaffen. Er drängte den Stier mit Lanze und Wurfspieß, sowie markerschütternden Schreien zurück. Der Stier zeigte sich trotz Pferd weniger von Macros Größe beeindruckt als vielmehr generell irritiert, als er die wenigen Schritte rückwärts trat. In diesem Moment traf Macro die Entscheidung, die beiden Stiere aus der Arena zu entfernen, um in den letzten Minuten der Hinrichtung noch etwas Farbe in das Spiel zu bringen. Farbe in Bezug auf eine andere Tierart, eine andere Angriffsstrategie und eine andere Form von Verletzungen.
    Er winkte seinen Helfern, die unweit standen. Gemeinsam trieben sie erst den zuletzt agierenden Stier und anschließend das zweite Tier Richtung Tor. Mehrere Helfer mit Ruten sprangen hinzu und nahmen die Stiere in Empfang. Immer wieder vergewisserte sich Macro, dass die Löwen - wenn sie sich schon in seinem Rücken aufhielten - ausreichend Abstand zu ihm und den Helfern hatten. Da die beiden Löwinnen sich bislang von der ungewohnten Umgebung beeindruckt zeigten, ging von ihnen wenig Gefahr aus. Das erkannte Macro als Manko. Er forderte weitere drei Löwinnen an, sodass sich nun ein kleines Rudel in der Arena befand. Seine Helfern wies er an zusammenzubleiben.


    Fünf Löwinnen, die Flanken eingefallen, die Rippen gut sichtbar, sammelten sich an der östlichen Kurve der Ellipse des Amphitheaters. Nirgends gab es eine Ecke, nirgends ein Versteck, in dem man Schutz finden konnte. Das Rudel und der Verurteilte sahen nur sich, sie waren sich gegenseitig ausgeliefert. Die Zuschauer in den ersten Reihen der Sitzplätze - die römischen Senatoren, die Familie des Ausrichters, die Vestalinnen - konnten jeden ihrer Atemzüge erkennen. Gespanntes Belauern, bis die Löwinnen sich sammelten, weil sie in dem liegenden Keywan ein leichtes Opfer vermuteten. Der Hunger besiegte die Vorsicht, die Kampfleidenschaft die Zurückhaltung.


    Macro, die Helfer und die Zuschauer erwarteten eine weitere grausame Unterhaltung, als sich die zwei mutigsten Löwinnen an Keywan heranschlichen. Oder lag der Perser bereits im Sterben? Die nächsten Minuten würden es zeigen. Spannung lag in der Luft...

    Macro verzog nur den Mund, als der primitive Spruch aus Keywans Mund kam. Er hätte sich nie dazu hergegeben, darauf zu antworten, nicht einmal schlagfertig oder humorvoll. Seine Miene nahm einen starren, teils verächtlichen Ausdruck an. Er registrierte den erneuten Treffer des Stiers, musste dann aber seinem Pferd die Fersen in die Flanken drücken, weil er selbst hinter dem abrollenden Keywan als Zielobjekt für den Stier auftauchte. Mit vier, fünf Galoppsprüngen brachte er sich außer Reichweite des Stiers, der - nachdem der nun ins Leere lief - stoppte und sich umwandte. Mit einem Ausschnauben meldete sich der Stier kampfbereit zurück.
    Inzwischen spürten die Kämpfer in der Arena die Spannung auf den Rängen. Obwohl sie keine Zeit mit Blicken vergeudeten, drangen Forderungen nach Gemetzel an ihre Ohren, Schreckensschreie und Jubelrufe.


    Plötzlich geschah etwas Unerwartetes: Keywan schoss überraschend auf Macro los. Der Gladiator nahm sich die Zeit und grinste zunächst, weil er die Idee des Angriffs für eine Fehlentscheidung hielt. Der Verurteilte rechnete sich doch so nicht etwa irgendwelche Chancen aus? Oder wollte er Macro reizen, damit der die Herausforderung annahm und dann aus Eigennutz die Hinrichtung abkürzte? Beides sollte ihm nicht gelingen, dafür sorgte Macro. Er besaß noch drei Waffen: die Lance, den Wurfspieß und den Gladius, das Schwert. Seine Wahl fiel auf den Wurfspieß. Er holte aus und hielt die Waffe abwurfbereit in der Faust. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen.
    Ein Schrei leitete den Absprung Keywans ein. In diesem Moment rammte Macro den Wurfspieß in den erhobenen Oberschenkel des Angreifers, während er mit dem Gladius in der anderen Hand dafür sorgte, dass sich Keywan nirgends festklammern konnte. Durch Schenkeldruck ließ er sein Pferd drehen und mit den Hinterläufen nach Keywan ausschlagen, wobei er den Wurfspieß dabei nicht losließ. Die Pirouette seines Pferdes verursachte eine Drehung der Speerspitze im Muskel, bevor Macro die Waffe herausriss. Er riss sein Pferd am Zügel herum, um beide Gegner vor sich zu haben: den Stier und Keywan. Dann schnellte er auf den Stier zu und stach im Vorbeireiten die Lanze in den Fetthöcker, um sie sofort wieder herauszuziehen. Er wollte weder eine Waffe in Keywans Hände spielen noch den Stier ernsthaft verletzen. Aber er wollte den Stier reizen.


    Er riss die Waffen in die Höhe, stieß einen Kampfschrei aus und forderte mit einer unmissverständlichen Armbewegung weitere Tiere an. Ketten rasselten und zwei Gitter wurden hochgezogen. Ein weiterer Stier wurde in die Arena gepeitscht und zwei Löwinnen schlichen vorsichtig äugend aus dem anderen Tor. Nun hieß es auch für die Helfer und den Gladiator extrem aufzupassen. Die Löwinnen suchten noch den Einstieg in den Kampf, irrten ohne erkennbare Taktik umher, aber der zweite Stier sprach sofort auf Macros geschwenkte Stoffbahn an. Macro preschte unweit Keywans vorbei und rief: "Zeig, ob du rennen kannst!"

    Obwohl sich Marco im Hintergrund hielt, verfolgte er Keywans Bewegungen akribisch, denn er sollte das kommende Spektakel beaufsichtigen und dafür sorgen, dass die Vollstreckung des Urteils erfolgte. Ihn kümmerte es nicht, dass Keywan dem ersten Stierangriff ausweichen konnte, umso länger würde sein Todeskampf dauern und umso länger würde die Hinrichtung die Zuschauer unterhalten. Auch dass Keywan sein Heil in der Flucht suchte, störte Macro nicht, es ließ ihn jedoch sein Pferd in Trab setzen. Als ihm Keywans Ziel klar wurde, drückte er seinem Pferd die Fersen in die Flanken und sprengte dem Persier hinterher. Er ritt einen Bogen und schnitt den Weg ab. Sein Blick erfasste den Stier, der von den Bewegungen um ihn herum aufgeheizt ein Ziel für seine Wut suchte. Keywan befand sich zwischen Stier und Macro, daher rührte sich der Reiter nicht von der Stelle. Die Verblendung und der Hass der Verurteilten waren derart groß, dass er den heranstürmenden Stier zu spät bemerkte. Der senkte den Kopf und visierte Keywans Rücken an. Dann riss er mit seinem spitzen Horn eine klaffende Wunde vom unteren Rippenbogen bis zur Lende. Ein Schrei zerriss die Stille, denn die Zuschauer auf den Rängen mussten den Atem angehalten haben, so lautlos wirkte es im Amphitheatrum.


    Macro winkte die beiden Helfer heran, um den Stier abzulenken. Er selbst umrundete Keywan und warf aus der Entfernung einen Blick auf die Wunde. In unzähligen Kämpfen geschult, konnte er gut Fleischwunden von lebensbedrohlichen Verletzungen unterscheiden. Seine Hände gaben in einer beruhigenden Geste dem Veranstalter der Spiele Entwarnung. Die Wunde war tief, wohl auch schmerzhaft, aber der Blutverlust hielt sich in Grenzen und Organe waren ohnehin nicht betroffen.


    "Es geht in die zweite Runde", warf er Keywan zu und lenkte die Aufmerksamkeit des Stiers durch mehrfaches Schwenken mit der Stoffbahn erneut auf sich. Die beiden Helfer lenkten ihre Pferde wieder an den Rand der Arena. Der Stier scharrte abwechselnd mit den Vorderhufen und spießte in Abständen den Sandboden auf, was kleine Staubwolken zur Folge hatte. Schließlich warf er den Kopf in den Nacken und begann in kurzen Schritten auf Keywan und Macro zuzutänzeln. Macro erhöhte die Ausschweifungen der Stoffbahn, dann startete er einen kurzen Galopp Richtung Stier, um sogleich wieder umzudrehen. Der Stier fasste das Abdrehen als Flucht nach einem Angriff auf und tobte los. Macros Ziel war Keywan. Ein Überspringen ging nicht, also stoppte er sein Pferd wenige Schritte vor Keywan und brach anschließend seitlich aus. In möglichst ruhigen Bewegungen lenkte er sein Pferd in Keywans Rücken, damit die Aufmerksamkeit des Stiers nicht mehr auf ihm lag.


    Mit gesenktem Kopf stürmte der Stier erneut auf Keywan zu…

    Schon manches Mal glaubte Macro bei Keywan Anzeichen von Größenwahnsinn oder Schlimmeres zu erkennen. Heute erging es ihm wieder so. Das Verhalten und der Blick wirkten irre, wenngleich Macro gut verstehen konnte, wie ein Mensch im Angesicht des Todes irre werden konnte. Bei Keywan jedoch lagen die Dinge anders: Er wirkte schon vom ersten Tag abschreckend und verwirrt auf ihn. Lange über dieses Thema nachdenken wollte Macro jedoch nicht, am besten gar nicht nachdenken, sondern einfach den Auftrag ausführen.


    Macro konnte das heiße Metall riechen, als die Helfer bei ihm eintrafen. Am Ende der Metallstange befand sich eine Verdickung mit einem Brandzeichen. Marco gab den Männern ein Zeichen, dass sie die glühende Stange selbst auf Keywans Haut drücken sollten. Damit ersparten sie sich das umständliche Übergeben, was bei heißem Metall auch für die Vollstrecker hätte unangenehm werden können. Außerdem vermieden sie dadurch jedwedes Abkühlen. Der eine Helfer stellte sich nah vor Keywan hin, um sich zunächst an der Angst seines Opfers zu weiden. Schließlich sollten die Zuschauer auch etwas von der Verurteilung haben. Dann richtete er das Eisen auf Keywans Bauch und rückte damit näher und näher. Er nahm an, der Verurteilte würde instinktiv die Luft anhalten, um so lange es ging die Berührung mit dem Eisen zu vermeiden, aber sicher konnte man sich bei Keywan nicht sein. Als das Eisen endlich die Haut berührte, zischte es und dumpfer Geruch erfüllte die Luft. Die Schwanden breiteten sich nur um die kleine Gruppe aus, denn übermäßig großflächig war das Brandmal nicht.


    Nach diesen Vorbereitungen sollte die eigentliche Hinrichtung beginnen. Macro bestieg wieder sein Pferd und griff nach der Lancea, um eine Waffe mit guter Reichweite zu haben. Doch bevor Keywan von seinen Fesseln befreit wurde, trieb Marco das Rudel Wölfe aus der Arena und die Helfer trugen die Hilfsmittel und Gerätschaften wieder fort. Nachdem Macro eine große rote Stoffbahn in Empfang genommen hatte, kehrte er zurück. Die nachfolgenden Szenen würde er nur als Wächter fungieren, die eigentlichen Protagonisten waren zuerst ein Stier und zum Abschluss ein Rudel Löwen. Die Stoffbahn diente der Ermunterung des Stiers und um diesen auf sein Ziel aufmerksam zu machen.


    Macro nahm Aufstellung neben Keywan, als ihm die Fesseln abgenommen wurden. Die Lanzenspitze deutete auf dessen Rumpf. Die beiden Helfer bestiegen derweil die Pferde, die bislang zur Fesselung des Verurteilten dienten und zogen sich an den Rand der Arena zurück. Eingreifen würden sie nur in Notfällen.


    Dann öffnete sich das Haupttor und ein kompakter Stier tobte in die Arena. Aus seiner Nase lief Blut, jemand musste ihn im Vorfeld bereits verletzt und damit gereizt haben. Nach einigen Bocksprüngen blieb er schnaubend stehen. Marco hielt auf Keywan zu und schwenkte über dessen Kopf und vor dessen Brust zweimal die rote Stoffbahn, dann zog er sich rückwärtsschreitend mit seinem Pferd zurück.

    Kein Protest, keine Beschimpfungen, kein Zetern, nichts. Der Verurteilte machte es Macro leicht, mit der ungewohnten Rolle zurechtzukommen. Inzwischen stieg Dampf aus den Kohlebecken auf und die Enden der Werkzeuge glühten. Doch bevor diese Stangen zum Einsatz kamen, ließ sich Macro ein zangenähnliches Gebilde geben und trat auf Keywan zu. Das Schlimmste, was ihm passieren konnte, wäre ein Anspucken. Rühren konnte sich der Verurteilte kaum, die Pferde hielten die Seile auf Spannung. Macro hoffte, dass sich dessen Herzschlag nun wie ein Presslufthammer anfühlte - mit jedem Schritt, den er auf ihn zukam. Keywans Opfern musste es ähnlich gegangen sein, als sie ihn durchschaut hatten. Doch auch sein eigener Herzschlag sprang auf. Adrenalin durchschoss sein Blut, sodass er in der Lage war, Dinge zu tun, die er ansonsten sicher nicht gefühllos hätte tun können. Die ihm sicherlich ohne Auftrag auch nie in den Kopf gekommen wären. Aber heute galt es einen Schänder zu strafen und jemandem das im Ansatz spüren zu lassen, was er anderen angetan hatte. Erst dann würde ihn der Tod ereilen.


    Macro legte die Kneifzange in Keywans Bauchbereich an. "Das ist für Morrigan", murmelte er, drückte gewaltsam zu und riss so lange daran herum, bis er einen Fetzen Fleisch abgetrennt hatte. Mitsamt der Zange warf er ihn achtlos fort. Er kehrte ohne lange Verweildauer mit einem Messer zurück und setzte es am Arm des Verurteilten an. "Und das ist für Mansuri", erklärte Macro, bevor ein tiefer Schnitt den Muskel halbierte. Anschließend stocherte er in der Wunde herum, bis der Knochen freilag. Das Blut lief in breiten Spuren den Arm hinab und tropfte zu Boden. Es sollte später die Raubtiere anlocken. Beide Verletzungen waren zwar schmerzhaft, aber längst nicht lebensbedrohlich.


    Macro erwartete spätestens jetzt Panik beim Verurteilten, als zwei der Helfer mit glühenden Stangen auf ihn und Keywan zusteuerten.

    Die Hinrichtung sollte eindrucksvoll geschehen, das wusste Macro. Er hätte sich dennoch in der Rolle eines Gladiators wohler gefühlt, denn damit kannte er sich aus. Als Hinrichter besaß er keinerlei Erfahrungen, die Vollstreckung stellte neues Terrain für ihn dar. Da kam ihm ungewollte Keywan zu Hilfe. Freilich konnte er nachvollziehen, dass ein zum Tode Verurteilter sich einen letzten Rest Würde bewahren wollte, aber Keywans Verhalten hatte nichts mehr mit Würde zu tun. Sein Angstfreies Auftreten musste jeden in der Villa Claudia beschämen, denn es spiegelte weder Reue noch irgendeine Einsicht wider. Wer dermaßen verachtend mit Macros Gefährten umging, verdiente weder Schonung noch Gnade.
    Der Gladiator straffte sich im Sattel. Ein leichter Schenkeldruck und eine kaum merkliche Gewichtsverlagerung ließ sein Ross vom Stand in den Galopp sprengen. Macro umrundete den Verurteilten, die beiden Zugpferde und deren Halter und schleuderte die Lancea Richtung Keywan. Zwischen dessen Füßen kam sie zu Boden und wippte mehrmals, bevor sie stillstand. Ein Kampfschrei löste sich von seinen Lippen, obwohl gar kein Kampf bevorstand. Die Lancea und der Schrei signalisierten jedoch für Keywan den Beginn der Hinrichtung. Der Wurf stellte außerdem die passende Antwort auf die Spuckattacke Keywans dar.


    Mit einem Wink dirigierte Macro die Helfer. Sie stellten den Foculus unweit Keywans auf, sodass der die Entzündung der Kohle verfolgen konnte. Bald loderte Feuer in dem Kohlebecken. Die Helfer legten etwas Zangenartiges und verschiedene Schnittwerkzeuge auf einen Hocker. Als die Glut für gut befunden wurde, legten sie die ersten Werkzeugte hinein.


    Währenddessen wurde ein Rudel Wölfe in die Arena gelassen. Die scheuen Tiere schlichen am Rand der Arena um die Gruppe herum und beäugten misstrauisch die Vorgänge. Sie würden nicht angreifen. Viel zu groß war ihre Scheu. Trotzdem blickten sich einige der Helfer ängstlich um und behielten sie im Auge. Doch die Wölfe dienten nur der Untermalung und um das Publikum mehrfach zu unterhalten. Die entscheidenden Dingen fanden einzig in der Arenamitte statt.

    Die ersten Instruktionen hatte Macro bereits erhalten, daher überkamen ihn gemischte Gefühle, als er in Höhe des Rades neben dem Wagen in die Arena ritt. Sein Herr wollte keinen Kampf, auf den er sich ursprünglich eingerichtet hatte, sein Herr wollte eine Hinrichtung. Eine Damnatio ad gladium wäre zwar wenig ruhmreich für ihn gewesen, aber Keywan war ihm eindeutig unterlegen, sodass diese Form der Hinrichtung möglich gewesen wäre. Nun bekam er eine ganz eigene Rolle in dieser Damnatio ad bestias, eine die nicht üblich war, eine die ebenfalls nicht ruhmreich für ihn als Gladiator war, aber eine, die dem Verbrechen dieses Mannes angemessen war. Das beruhigte Macro.


    Er warf einen Blick zu den Katakomben. Obwohl er auf die Entfernung nichts erkennen konnte, wusste er doch dort Mansuri. Morrigan war sicher auch nicht weit. Er hob die Faust. Der Gruß galt den claudischen Sklavinnen, den Opfern Keywans. Er sollte Zuversicht ausdrücken, dass der Täter heute unter vielen Peinigungen sein Leben lassen musste.


    Der Wagen vor ihm hielt und Macro zügelte sein Pferd. Er besaß eine Lancea, ein Verutum und einen Gladius. Vermutlich würde er nichts davon brauchen, aber er sollte als Eques einreiten. Ein ungewohntes Auftreten, kämpfte Macro doch bereits in den verschiedenen Arenen immer als Provocator, also mit Scutum und Gladius und ohne Pferd.


    Der Ansprache folgte der Einzug des Verurteilten Keywan. Dieser Mann gab offensichtlich nicht einmal im Angesicht des Todes klein bei. In Macros Augen wandelte sich spätestens jetzt der gefühllose und rücksichtslose Sklave in ein Stück Holz. Mit unbeweglicher Miene wartete Macro darauf, dass die Hinrichtung beginnen konnte.

    Zitat

    Original von Morrigan
    Morrigan war aufgeregt. Nicht nur das Ambiente, nein auch die Verantwortung die sie übernommen hatte. Fast eine Woche hatte sie so gut wie jede Minute bei den Opfertieren verbracht. Nun stand sie neben Macro, die Tiere neben sich. Sie versuchte sich ihre Aufgeregtheit nicht anmerken zu lassen, denn ihre Unruhe würde sich nur auf die Tiere übertragen.
    „Nein, bin ich nicht.“ Vorsichtig lugte sie in die Arena. "Ist schon beeindruckend so viele Menschen.“ Sie streichelte die Tiere zur Beruhigung.
    „Ich hoffe nur, dass alles gut geht mit den Opfertieren, wenn dass vorbei ist, dann werd ich wohl aufgeregt sein wegen dem Kampf.“ Morrigan versuchte ein Lächeln, doch es wirkte wohl eher verkrampft.


    "Wenn die Opferung vorbei ist, werde ich auch erst einmal aufatmen", bestätigte Macro. Alles, was er nicht beeinflussen konnte, flöste auch ihm Respekt ein. "Und wegen der Kämpfe... Ich werde uns alle vorher einschwören. Die Götter entscheiden zwar den Kampfverlauf, dir bleibt aber jede Möglichkeit, dich gut zu präsentieren. Gewinne die Herzen der grölenden Menge und sie werden dich leben lassen, solltest du unterliegen." Er lächelte mit einem Mundwinkel, weil er immer sparsam mit Emotionen umging. "Bloß bei dir kann ich mir kaum vorstellen, dass du mal freiwillig unten liegen wirst." Die Kleine war ein Dickkopf, und auch wenn das "unten liegen" zweideutig klang, es meinte nur die Kampfaussichten.


    Zitat

    Original von Mansuri
    Sie hatte sich mit hineingeschummelt, extra ihre beste Tunika und den neuen Gürtel angelegt. Die Haare hatte sie hochgesteckt. Sie stand hinter Macro und versuchte etwas zu sehen. Der Hüne verdeckte alles. Mit einem Finger tippte sie ihm an die Schulter. " Könntest du einen kleinen Schritt zur Seite machen. Ich möchte auch etwas sehen." flüsterte sie.


    Wären sie nicht in der Arena gewesen und hätten sie nicht dafür Sorge tragen müssen, dass die Opfertiere ruhig blieben, hätte Marco Mansuri an der Taille hochgehoben und schelmisch gefragt, ob sie so besser sehen könne. Stattdessen machte er eine Kopfbewegung und sagte: "Stell dich nach vorn. Ich kann locker über dich hinwegsehen."

    Wulfgars Idee gefiel Macro. Er langweilte sich bereits und machte nur noch halbherzig mit. Sicherlich war es nutzbringender, wenn sie sich gegenseitig von ihrem Wissen abgaben.
    "In Ordnung, bilden wir uns selbst weiter aus. Du demonstrierst, ich spiele das Demonstrationsobjekt. Wie muss ich mich hinstellen?"


    Macro hob die Hände - in einer hielt er seinen Stab - und wartete darauf, dass er positioniert wurde.

    Gemeinsam mit den anderen an den Gladiatorenkämpfen teilnehmenden Sklaven stand Macro abseits und beobachtete von dort den festlichen Einzug in die Arena. Seine Aufgabe bestand heute zunächst darin, Morrigan zu unterstützen, die sich um die Vorbereitung der Opfertiere gekümmert hatte. Er würde ihr helfen, die Tiere in die Arena zu bringen.
    Auf die Speisung, die allein für die Kämpfer angeboten wurde, freute er sich schon, denn nicht aller Tage gab es eine ganze Tafel voller Köstlichkeiten und das ausschließlich für seinesgleichen. Er plante allerdings ein eher gezieltes Essen, keine Völlerei. Es sollte ihm am Folgetag gut gehen, denn dann wollte er noch einmal tzrainieren. Sein Auftritt folgte erst am übernächsten Tag - sofern die Organschau des Augurs überhaupt ergab, dass die Spiele für eröffnet erklärt werden konnten.


    Er nickte Morrigan aufmunternd zu.
    "Bist du schon einmal bei einem solchen Wettkampf in die Arena getreten?

    Macro wiegte den Kopf, weil er nur zum Teil überzeugt war. "Ich finde, für eine bezahlte Ausbildung muss auch was rüberwachsen. Zum Einschätzen haben die längst genug gesehen. Da kann auch mal direkt beim Üben ein Hinweis kommen." Zum Weiterquatschen blieb keine Zeit, denn Wulfgar startete einen Angriff. Schnell genug, wenn auch die Halbherzigkeit erkennbar war, sprang Macro einen Schritt zur Seite, drehte sich zum Stab und fasst zu. "Ich weiß nicht, wie du das siehst, aber mir fehlt die Lust zu dieser Spielerei. Entweder jetzt startet mal die Ausbildung oder ich trainiere mein übliches Fitnessprogramm."

    "Hah." Der Ausruf beinhaltete Überraschung und Vergnügen zugleich, weil Marco rechtzeitg den quer gehaltenen Stab nach vorn drückte, um so Wulfgars Stock für den erforderlichen Abstand von sich zu drücken, damit der vor seinen Zehen auf den Boden traf.


    "Nicht schlecht", sagte er vergnügt. Sein Fuß kickte gegen den Stock, während er ihn oben an sich heranzog. Damit musste er seinen Stock einhändig halten. Beim Heranziehen raunte er Wulfgar ins Ohr: "Findest du nicht auch, ein bisschen Anleitung wäre nicht schlecht? Ich dachte, wir sind hier zur Ausbildung."

    Sein Stab prallte ab, weil Wulfgar gerade noch rechtzeitig pariert hatte. Der Rückstoß fühlte sich wenig angenehm in den Handgelenken an, aber darauf achtete Macro nicht, denn sein Pulsschlag ging erhöht, die Konzentration hielt an und das Adrenalin ließ ihn geputscht erscheinen.


    Er sprang geistesgegenwärtig zur Seite und erwartete einen Gegenschlag, doch der blieb aus. Langsam richtete er sich auf und stützte beide Hände oben auf den Stock.


    [B]"Was hält dich zurück?" [/B] Er fasste den Stab jeweils außen und hielt ihn quer vor der Brust. "Na komm, jetzt greif du mal an." So richtig ernst nahm Macro den Kampf nicht. Es ging dabei um nichts, das merkte man Wulfgar auch an. Sein Blut pulste langsamer, auch wenn er achtsam blieb.

    Marco, der das Urteil zwar unberührt, aber dennoch mit Überraschung aufnahm, sah zwischen seinem Dominus und Keywan hin und her. Keine Frage, sein Auftrag war klar. Aber würde Keywans Nachfrage etwas bewirken? Maßgebend für ihn waren stets die Anweisungen seinen Herrn, und die lauteten Abtransport des Sklaven in die eine, besondere, seit langem leer stehende Zelle. Vieles raste durch Macros Kopf. Die große Auslieferung, in der auch er sich befand, die abstoßende Tat des Tölpels neben ihm, Mansuris Erschütterung und auch die Erkenntnis, wie schnell ein Ende kommen konnte.


    "Du hast es gehört", krächzte er und schubste Keywan an. Seine Stimme klang selten brüchig, heute war es der Fall. Sollte Menecrates noch etwas hinzuzufügen haben, konnte er reagieren, während er Keywan den rechten Arm auf den Rücken drehte und ihn vor sich her zur Tür schob.


    "Ab in den Arrest."

    Die Kammer konnte nur mit Öllampe erleuchtet werden, denn sie besaß kein Fenster. Enge 2 mal 2 Doppelschritte maß die Grundfläche, eine Liege stand am Rand und ließ seitlich kaum Platz zum Stehen zu. Ein Hocker vervollständigte das Mobiliar. Die Zelle diente vor Urzeiten einmal der Bestrafung, wurde aber seit Jahren nicht mehr benutzt, weil es niemand zu bestrafen mehr gab. Heutzutage lag sie vor der grünen Meile.

    Manuri reichte den Optiostab und Macro nahm ihn entgegen. Er nickte zu ihren Worten, machte aber sogleich einen Vorschlag.


    "Ein armdicker Stock tut es auch, allerdings nützt er dir nichts, wenn du nicht zusätzlich die Freigabe durch den Herrn hast, ihn auch zu benutzen." Er nickte nochmals, während er Mansuri anblickte. Hoffentlich machte sie nicht den Fehler und übte Selbstjustiz. Sogar Selbstverteidigung konnte gefährlich werden, wenn das Wort des anderes mehr wog als dass eigene und der das Gegenteil behaupten konnte.


    "Niemand sagt, das Sklavenleben sei leicht. Uns bleibt aber in diesem Haushalt die Chance, uns eine besondere Position zu erarbeiten, bei der wir geschätzt werden und unser Wert automatisch steigt. Sieh mich an, ich habe bislang nichts auszustehen. Ich kämpfe im Ludus, mehre das Ansehen des Herrn und beschütze ihn. Sieh Manuel an, er macht sich als Sekretär unentbehrlich. Stärke deine Position als Optia und es wird sich lohnen."

    Selten sprach Macro derart viel hintereinander. Der Anlass schien ihm wichtig genug zu sein.


    "Tja, wie ist es im Ludus? Das Training ist nicht sonderlich hart. Man muss nebenher was tun, wenn man fit bleiben will. Die nächsten Kämpfe könnten sonst unerfreulich enden."

    Mit Argusaugen beobachtete Macro Keywan, damit er jede Regung für einen überraschenden Befreiungsversuch sogleich im Ansatz erkennen und unterbinden konnte. Zu sagen gab es zwischen ihnen nichts, denn in Macro wirkte noch die Hand nach, die ihn in der Sklavenunterkunft getroffen hatte.


    Irgendwann öffnete sich die Tür zum Arbeitszimmer und Mansuri trat heraus. Macro suchte in ihrem Gesicht nach Antworten, was unnötig war, denn die bekam er direkt gesagt. Er solle mit Keywan wieder zum Dominus. Eine Erklärung, was auf ihn zukam blieb aus. Vielleicht wusste es Mansuri nicht, oder sie konnte es nicht sagen, weil die eigenen Probleme überwogen.


    "Du hast es gehört", fauchte er Keywan an. "Los, geh voran." Damit bekam Keywan einen Stoß zwischen die Schulterblätter. Im Arbeitszimmer angelangt, wartete Macro einfach ab, was der Dominus wünschte.

    Die Holzstangen reichten weiter als geahnt, weswegen Macro seine quer vor den Körper hielt, anstelle sie einem Gladius gleich zu schwingen. Für ihn wirkte sie so eher wie eine Waffe zur Verteidigung. Allerdings konnte man sie auch überraschend loslassen und in einer Kreisbewegung herumschwenken, um sie gegen die Wadenbeine des Gegners zu schleudern.


    Macro probierte genau dies aus und war gespannt, ob Wulfgar schnell genug zur Seite oder hochspringen würde.

    Macro gab den Befehl an Mansuri weiter, die vom Dominus eingangs als Optima eingeteilt wurde. Ihr oblag also auch die Befehlerteilung an Brutus, das Trainingsopfer. Marco musste sich anschließend entscheiden, ob er seinem Herrn folgen sollte, wie es eigentlich seine Aufgabe war, oder ob er noch bleiben sollte für den Fall, dass Brutus gegenüber den Sklavinnen ausfällig werden würde, wenn sein Vater nicht mehr hier weilte. Macro entschied sich zu bleiben. Es musste auch im Interesse seines Herrn sein, wenn er generell für die Sicherheit in der Villa sorgte. Breitbeinig und mit vor der Brust verschränkten Armen stand er am Ende der Treppe und konnte sowohl in die Gartenanlage als auch Richtung Villa sehen, wo die Gruppe gleich hinstreben würde.

    Der unbekannte Auftrag entpuppte sich als ein Schauspiel der besonderen Art: Der Dominius setzte Trainer und Antreiber zur Erziehung seines eigenen Sprößlings ein. Etwas Derartiges kannte Macro nicht, aber es lag ihm fern, Erstaunen zu zeigen. Einzig die Genugtuung Mansuris kommentierte er mit einem Nicken, was so viel heißen mochte wie: Na siehst du, am Ende siegt auch einmal für uns die Gerechtigkeit.


    Als dann der Befehl zum Abtraben in den Garten erklang, straffte sich Macro. Er übergab den mitgebrachten Optiostab an Mansuri und sagte zum Sprößling des Herrn: "Auf geht's!"


    Niemand gab an, wolang genau der Trainingslauf gehen sollte, daher dachte sich Macro, anstrengend konnte es nicht falsch sein, eher geruhsam. Dem Lauf um ein Wiesenstück herum, das er zum Aufwärmen auserkoren hatte, folgte nunmehr die Treppe.


    "Wer es nicht durchhält, pausiert einfach", legte er fest, bevor er die das unteren Gartenstück über die Treppe in Angriff nahm.


    "Das gilt natürlich nicht für dich", beruhigte er Brutus, den Sprößling seinen Herrn. Er fasste ihm am Oberarm und verhalf ihm auf die Treppe. Dann ließ er los und nahm selbst die Stufen, was für ihn ein gutes Training vor dem Wettkampf im Ludus darstellte.


    Viermal ging es inzwischen die insgesamt 57 Stufen hinab und gleich darauf wieder hinauf. Macro atmete durchaus schneller als sonst und auch die Beinmuskeln fühlten sich warm und durchblutet an. Er probierte bei der 5. Wiederholung, ob er Mansuri und Morrigan den Römer alleine überlassen konnte. Mit Argusaugen, die Arme in die Seiten gestützt, verfolgte er die drei Personen - immer bereit, sofort zur Unterstützung einzuspringen.