Beiträge von Lucius Duccius Ferox

    Hadamar versuchte irgendwie durchzusteigen, was da nun los war. Der Ehemann, ehemalige Ehemann, spielte also wohl keine Rolle mehr. Die Familie des Liebchens war wohl in Schwierigkeiten. In größeren augenscheinlich als sein Gegenüber selbst, jedenfalls wenn er den Kommentar vorhin richtig deutete. Aber sonderlich hoffnungsvoll wirkte der Centurio trotzdem nicht, und als er nun weiter sprach, begriff Hadamar auch ein bisschen warum. „Ach... ihr habt doch schon einen Eid auf ihn geschworen. So schlimm wird's schon net werden“, erwiderte er, auf eine kumpelhafte Art tröstend, und hoffte einfach den richtigen Ton getroffen zu haben. „Und ihr habt tapfer gekämpft. Warum sollte der Kaiser auf gute Soldaten verzichten? Grad wo so viele gestorben oder dienstunfähig geworden sind... Hast denn mit ihr schon mal drüber gesprochen, wie's weiter geht, jetzt wo Rom gesichert ist?“
    Er trank erneut von seinem Bier und grinste dann, als er die Frage hörte. „Klar ist das gut. Magst probieren?“ Er schob dem Iunius seinen Krug ein bisschen hin und kratzte sich dann hinter seinem rechten Ohr bei der nächsten Frage, die ebenso plötzlich kam wie die davor, und einen eben solchen Themenwechsel brachte. Kurz fragte er sich, ob er davor irgendwas Falsches gesagt hatte, beschloss dann allerdings erst mal, einfach so zu tun als wäre nichts – so lang der Iunius nicht irgendwie pampig wurde oder so, war ja alles in Ordnung. „Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Meine Familie besuchen. Schauen ob mit der Castra alles in Ordnung ist, und gucken was so passiert ist in der Zwischenzeit... ob die Germanen auf der anderen Seite ruhig geblieben sind, oder ob's Ärger gibt, um den wir uns kümmern müssen.“ Er zuckte die Achseln. „Naja, der Stab um den Legaten wird das machen. Wir kriegen dann unsere Befehle und kümmern uns drum aufzuräumen, wenn's irgendwo brennt.“

    Gewusst, dass was nicht in Ordnung war? Hadamar starrte seinen Kumpel an, der nach diesem einen, wenig aussagekräftigen Satz wieder völlig in Apathie versank – einer Apathie, aus der er auch gar nicht erst so wirklich aufgetaucht war, sondern eh nur weit genug, um das zu sagen. Aber was nicht in Ordnung war, verriet er ihm nicht. Hadamar war versucht, ihn noch mal zu rütteln, stärker diesmal vielleicht, aber nachdem Corvinus bereits beim ersten Mal so elend lange gebraucht hatte, bis er überhaupt reagiert hatte, und dann auch nur wenig hilfreich, war es vielleicht besser erst mal mit dem Weib zu reden. „Hey, du da“, sprach er sie an, nicht wirklich unfreundlich oder gar grob, aber doch ein bisschen schroff. „Was ist mit ihm los? Und was hast du hier zu suchen?“

    „Naja, meine Familie lebt in Germanien, dort haben sie einen Großhandel aufgebaut. Nur ein paar von uns sind in Italia.“ Und das auch in der Regel nicht dauerhaft. Er war sich nicht ganz so sicher, wie sehr seine Sippe hier tatsächlich bekannt war, aber zumindest dass die Octavia noch keinen Verwandten von ihm getroffen hatte, war nun wirklich nicht allzu ungewöhnlich. Wer war denn schon Italia? Alrik. Dagmar. Und er, vorübergehend. Früher waren mal Arbjon und Phelan in Rom gewesen, aber das war auch schon wieder eine ganze Weile her. Hadamar schmunzelte. „Freut mich umso mehr, dass ich das Vergnügen hab der erste zu sein, der deine Bekanntschaft macht.“ Er sagte ihr nicht, dass er auch noch keinen Octavier getroffen hatte. Glaubte er zumindest... gut möglich, dass sich irgendwo in der Legion einer versteckt hatte, dessen Name einfach nicht bei ihm hängen geblieben war. Aber selbst wenn er sich da sicher gewesen wäre, hätte es ein wenig komisch gewirkt, fand er, wenn er sie jetzt einfach nur nachmachte.


    „Ach, um ehrlich zu sein, ist das einer der Gründe, warum ich heut hier bin. Rom erschlägt einen mit seiner schieren Größe. Jedenfalls jemanden wie mich, der Germania gewohnt ist“, gab er offen zu und grinste sie mit einer Mischung aus Lausbubenhaftigkeit und Charme an. Natürlich hätte sich wohl zunächst mal besser angehört, wenn er einen auf völlig abgeklärt machte... Aber zum einen war er nicht so – er hatte kein Problem damit zu schwindeln, aber anderen dauerhaft was vorzuspielen, sich als jemand zu geben der er nicht war, war nicht seins. Schon allein weil er sich das viel zu anstrengend vorstellte auf Dauer. Und zum anderen hatte er das Gefühl, dass es bei ihr besser ankam, wenn er genau das eben nicht tat. Wenn er sich nicht irgendwie aufspielte. „Da dacht ich, Ostia könnt eine schöne Abwechslung sein. Abgesehen davon, dass ich die Stadt einfach sehen wollt.“
    Und dann, einfach so, tat sie etwas, was ihn wirklich überraschte: sie bot ihm an, ihm Ostia zu zeigen. Für den Bruchteil eines Augenblicks war die Verblüffung auf seinem Gesicht zu sehen, dann zeigte sich auf seiner Miene ein erfreutes Lächeln. Damit hätte er nun wirklich nicht gerechnet, dass seine verspielte Bitte um ein Herz für den Soldaten fern der Heimat so einen Erfolg hatte... aber er fragte sich auch nicht wirklich, warum das so war. Ohne wirklich darüber nachzudenken vermutete er unbewusst einfach, dass das an seinem Charme liegen musste. Dass es ihr Spaß machte, sich mit ihm zu unterhalten, und natürlich tat die Soldatenklamotte auch ein bisschen was dazu, auch wenn er natürlich nicht voll gerüstet war. Und vielleicht war ihr einfach auch ein bisschen langweilig oder so, und eine Stadtführung eine willkommene Abwechslung für sie. So oder so freute Hadamar sich ehrlich über das Angebot. „Selbst wenn ich Pläne hätt, wie könnt ich da nein sagen? So eine Gelegenheit kriegt man nicht jeden Tag, von einer schönen Wohltäterin Ostia gezeigt zu bekommen.“

    Als der Kerl nun plötzlich anfing ihn anzubrüllen, traute Hadamar für einen winzigen Moment seinen Ohren nicht – dann machte er einen schnellen Schritt nach vorne und krachte seinem Gegenüber mit einem Schwinger von der Seite die Faust ins Gesicht, so heftig, dass wohl auch ein völlig gesunder Mann auf dem Stuhl ins Wanken gekommen wäre – und selbst wenn nicht: der Fußtritt, den Hadamar dem Gefangenen noch versetzte, tat sein letztes dazu, dass er zu Boden gefegt wurde.


    Die folgenden Worte interessierten Hadamar kaum noch. Der Kerl war von Anfang an renitent gewesen, und dass obwohl er schon einige Zeit einsaß, hatte offenbar nichts dazu getan, um ihn demütig werden zu lassen, wie es sich gehörte in seiner Lage. „SCHAFFT MIR DEN DRECKSACK AUS DEN AUGEN!“ brüllte Hadamar.
    Während zwei der Legionäre nach dem Mann griffen und ihn vom Boden hoch hievten, fragte einer der anderen neugierig: „Was wird mit ihm?“
    „Ist mir SCHEIßEGAL! Soll er doch verrotten!“ knurrte Hadamar. War ja schon bescheuert genug gewesen, dass der Kerl sich als so vorlaut erwiesen hatte, aber seit er ihn angebrüllt hatte, war Hadamar richtig angepisst. „Packt hier alles zusammen, was interessant sein könnte“, winkte er seinen Leuten zu, die sich sofort an die Arbeit machten, während der Gefangene wieder in seine Zelle gebracht wurde. Was den betraf... naja, der hatte vorhin ja selbst gesagt, er hätte den Vinicier beworfen, also den, der ein Gegner vom Usurpator gewesen war und damit in ihren Augen einer der Guten, und in den Unterlagen stand es auch drin, dass er das felsenfest behauptete – auch wenn da genauso dabei stand, dass ihm das nicht zu glauben war. So oder so reichte das aber, um den noch ein bisschen schmoren zu lassen, das hieß: sofern sich überhaupt wer für ihn interessieren würde, was Hadamar nicht glaubte. Er würde einfach... Meldung machen. Letztlich würde der Kerl wohl einfach laufen gelassen werden, er war einfach nicht wichtig genug neben all den anderen Gefangenen, die in die Castra Praetoria gebracht worden waren, und er hatte ja auch schon eine ordentliche Abreibung bekommen. Aber so wie er sich gerade aufgeführt hatte... hatte er es verdient, noch ein bisschen länger in der Zelle zu sitzen. Hadamar wartete, bis seine Leute fertig waren, dann gab er den Befehl zum Abrücken. Erst beim Hinausgehen fiel ihm auf: wie war der Kerl eigentlich darauf gekommen, dass er Germane war?



    Tage später...


    ...tauchten wieder Soldaten auf. Wortlos öffneten sie die Tür, wortlos schnappten sie sich den Gefangenen, und wortlos brachten sie ihn nach draußen – wo sie ihn mit einem Tritt vor die Palasttore beförderten. „Kleiner Hinweis von unserm Optio: lern nen bisschen Demut. Würd dir gut tun. Und jetzt verschwinde, bevor wir's uns anders überlegen.“

    „Ahso“, machte Hadamar, als der Iunius das Wörtchen Scheidung fallen ließ. Daran gedacht hatte er nun nicht... aber so oder so klang er so, als ob das schon eine Zeit lang her wäre. „Hm. Spielt der dann trotzdem noch ne Rolle?“ Er wusste eigentlich nicht, was er da noch groß zu sagen sollte, und versuchte irgendwas zu finden, woran er sich weiter hangeln konnte – viel lieber hätte er über Caesar geredet, oder über andere solche Sachen... oder gerne auch über Weiber, aber dann ganz allgemein, Geschichten über die, die sie gehabt hatten oder gern gehabt hätten, und nicht so wie jetzt. War ja schlimmer als mit Corvinus, mit dem war er befreundet genug, dass er zwischendurch immer mal wieder einen dreckigen Spruch fallen lassen konnte. Aber der Centurio machte so ziemlich den Eindruck, dass er über seine Geliebte reden wollte – und der Abend hatte gerade erst begonnen. Hadamar war ja froh, nicht allein zu sein, und eigentlich war er auch froh, dass der andere sich völlig normal mit ihm unterhielt und nicht etwa stumm wie ein Fisch da saß, oder sie womöglich wegen irgendwelcher unterschiedlicher Meinungen gleich aneinander gerieten. „Muss ihre Familie jetzt schauen, wo sie bleibt. Aber vielleicht steigert das wirklich deine Chancen. Wenn sie jetzt erst mal zu Verrätern gehören, dürfte ihre Familie sich vielleicht nicht mehr so haben, wenn du und deine Leute heil aus der Sache rauskommen.“

    Hadamar zog die Augenbrauen hoch. Gefiel ihm immer noch nicht, wie der Kerl sich verhielt, und er war doch ziemlich stark in Versuchung, ihn wieder in eine der Zellen zu verfrachten und einfach nur zu melden, dass sie da jemanden gefunden hatten – und sich doch bitteschön irgendwer anders um den Kerl kümmern sollte. Er neigte sich ein wenig nach vorn und starrte den Kerl finster an. „Ich sag's dir noch ein einziges Mal: ich will von dir hören, weswegen du eingeknastet wurdest. Warum hier“, er wedelte mit der Tabula, „was von dem Vinicius steht und dass du die ganze Zeit bestritten hast, dass Salinator dein Ziel war, und warum du gerade eben da hinten“, er deutete mit der Tabula in den Gang, der zu den Zellen führte, „dann plötzlich was anderes erzählst. Ich hab kein Problem damit, dich hier verrotten zu lassen, also hör endlich auf mit dem Getue.“

    „Ne Frau?!?“ echote Hadamar ungläubig. Die Geschichte selbst war ja schon wirr genug, was Corvinus offenbar die letzten Tage erlebt hatte, aber dass er nun plötzlich ein Weib in seinem Zelt hatte, wo er doch sonst so auf Alwina schwor, hätte er nun wirklich nicht erwartet. Und es war auch leichter, sich erst mal darauf zu konzentrieren... es war ungewöhnlich für Corvinus, eine Frau da zu haben, aber die Tatsache an und für sich war ja nix Schlimmes. Ganz anders verhielt es sich mit dem, was der Soldat noch erzählt hatte... Corvinus, der nicht sprach, der einfach nur da lag. Kriegszitterer. Das klang gar nicht gut. Hadamar legte noch mal einen Zahn zu und ging mit langen Schritten durch das Lager, bis sie Corvinus' Zelt erreicht hatten. „Ich kümmer mich da erst mal drum“, brummte er und winkte den Schreiberling weg, „wenn ich was brauch, ruf ich.“ Mit diesen Worten trat er ein und ließ die Plane hinter sich zufallen, so dass nicht jeder sofort reinsehen konnte. Ein Blick zu Corvinus, der tatsächlich regungslos einfach da lag, dann zu dem Weib, das ebenso tatsächlich hier drin war. Hadamar ging zu der Pritsche, neigte sich über seinen Freund und berührte ihn an der Schulter, rüttelte ihn leicht. „Hey. Was ist los mit dir?“

    „Mit Schwertern im Bauch werden immer welche enden“, zuckte Hadamar die Achseln, und in seiner Stimme lag die ganze Gelassenheit, fast schon Desinteresse eines Soldaten, der nicht nur seine ersten Schlachten inzwischen hinter sich hatte, sondern vor allem eines Soldaten, der sein ganzes Leben in einer Grenzprovinz verbracht hatte – dort aufgewachsen war und seit Eintritt in die Legion auch dort stationiert. Noch dazu einer jener Provinzen, in denen es immer mal wieder zu Unruhen an der Grenze kam. Dass es dort auf einmal keine Kämpfe mehr geben würde, dass dort keine Legionäre mehr sterben würden, war für Hadamar fernab jeder realitätsnahen Betrachtung seiner Welt. „Aber römische sollten es nicht mehr sein, da geb ich dir Recht.“


    Mit dem neuen Wein seines Gegenübers kam auch das nächste Bier für Hadamar, von dem er gleich auch wieder ein Schluck trank, während der andere erzählte. In Ordnung, das klang tatsächlich etwas kompliziert. Schon mal verheiratet gewesen, und das mit einem Legaten. Und die Familie klang auch nicht von schlechten Eltern. „Seit wann ist ihr Kerl tot?“ War verheiratet, hatte er gesagt. Für Hadamar konnte das nur heißen, dass der Mann tot sein musste, kannte er doch von seinem germanischen Ursprung her das Konzept der Scheidung nicht wirklich.
    „Der Mord an Caesar?“ Den Namen hatte auch Hadamar schon gehört, und jetzt neigte er sich nach vorn. „Ehrlich, das wart ihr?“ Aus seiner Stimme klang pure Neugier, nichts sonst. Auch in dieser Hinsicht war ihm die römische Lebenswelt nach wie vor zu fern, obwohl er mittlerweile vieles wusste. Vor allem über die ganzen Bürgerkriege, die es in der Vergangenheit schon gegeben hatte... und wenn er an die dachte, und an, der gerade erst vorbei war – in den sie gezogen waren, um einen Kaiser zugunsten eines anderen abzusetzen, weil irgendwer den davor umgebracht hatte – hatte Hadamar eher den Eindruck, dass das durchaus im Bereich des Normalen war, dass irgendwelche Römer irgendwelche Kaiser um die Ecke brachten. Er hätte ja auch gerne mehr darüber erfahren, wie das nun mit Caesar genau gewesen war – das wär mal ne spannende Geschichte, noch dazu von jemandem, dessen Vorfahre da wirklich dabei gewesen war! –, aber das musste wohl ein bisschen zurückstecken im Moment.
    Das mit dem Einfluss immerhin konnte er verstehen, das war in Germanien ja ganz ähnlich, und so nickte er langsam. „Irgendwelche Chancen, dass sich das vielleicht ändert? Auf welcher Seite war ihre Familie denn, oder haben die sich rausgehalten?“

    Hadamar verschränkte die Arme. Jetzt antwortete der Kerl zwar, aber pampig war er immer noch. Nahm das Maul viel zu voll, dafür dass er ein Gefangener war, und das gefiel ihm nicht. Höchst ehrbare Vorfahren. Keine Relevanz. Da konnte der Kerl verdammt noch mal Gift drauf nehmen, dass die keine Relevanz hatten... Hadamar hätte ja gedacht, dass die Garde sich besser darauf verstand, jemanden zu brechen, zumal jemanden, der so offensichtlich schon längere Zeit in deren Zellen verbracht hatte. „So, den Kaiser hast du also angegriffen“, fasste er zusammen. Dass das der falsche Kaiser war, sagte Hadamar nicht, einen Denkzettel hatte der Kerl verdient, fand er. „Bringt ihn nach vorn“, nickte er den beiden Milites zu, die ihn begleitet hatten, wandte sich um und ging zurück in den Wachraum, wo gleich darauf der Gefangene hingeschleift und unsanft auf den Stuhl drückten, den Hadamar von dem Tisch in der Mitte ein wenig weggezogen hatte. Die meisten der Soldaten waren noch in dem Gebäudeteil unterwegs und sicherten Raum um Raum, aber die, die mit ihm hier waren, versammelten sich nach und nach in dem Raum und umringten den Kerl auf dem Stuhl. Hadamar selbst ließ sich von einem seiner Leute die Unterlagen reichen, die sie gefunden hatten zu dem Kerl, lehnte sich vor ihm in lockerer Pose an den Tisch und sah sie sich kurz durch, bevor er den Kerl musterte. „Den Kaiser, sagst du. Hier steht, du hättest diesen“, Hadamar guckte noch mal kurz auf die Tabula, „den Vinicius angegriffen.“ Naja, was hieß angegriffen. Beworfen. Mit einem Kürbis. Außerdem stand da eigentlich, dass der Mann behauptete, den Vinicius beworfen zu haben, aber dass er tatsächlich den Kaiser getroffen hatte, und dass er wohl kaum die Wahrheit sagte bei der Behauptung, eigentlich auf den Verurteilten gezielt zu haben.
    Aber mal ehrlich: Hadamar wollte auch ein bisschen Spaß haben. Sicher war das eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe, sich um die Räumlichkeiten der Garde zu kümmern und vor allem um die verbliebenen Gardisten selbst, dass die nicht doch noch Ärger machten. War nur folgerichtig, dass sie da die Prima einer Legion hinschickten. Aber trotzdem wäre es für sie lustiger gewesen, wenn sie andere Teile des Palasts hätten durchsuchen können... und deswegen hatten sie ein bisschen Spaß verdient. Da musste halt dieser eine Gefangene ein bisschen herhalten, den sie gefunden hatten, und der sich das noch dazu auch redlich verdient hatte durch sein Verhalten.

    Hadamar nickte die Meldung von Namen und Dienstgrad einfach ab, ohne groß was zu sagen, sondern wartete darauf dass der Mann sagte, warum er hier war – und zog dann überrascht die Augenbrauen hoch. Es gab ein Problem mit Corvinus? Hadamar war auf den Beinen noch bevor der Soldat zu Ende gesprochen hatte. „Der bin ich“, antwortete er auf den letzten Kommentar hin, dass er offenbar benötigt wurde und ging zur offenen Zeltklappe, um sich auf den Weg zu machen. „Varus“, rief er, kaum dass er draußen war. „Wenn mich wer braucht, ich bin bei der zwo-vier!“ Wieder an den Schreiberling besagter Centurie gewandt fragte er während sie gingen: „Was ist los mit ihm?“

    Hadamar zuckte die Achseln. „Ich glaub an die oberen der Armee kommt keiner aus den Mannschaftsrängen so wirklich ran“, grinste er flüchtig. „Wenn man net grad verwandt ist mit ihnen, heißt das.“ Er wusste sowieso nicht so genau, wo sein Gegenüber jetzt eigentlich eingeordnet war. Er hatte den Rang eines Centurio – aber hatte er auch wirklich das Kommando über eine der Centurien der Secunda? Hadamar glaubte eher nicht, zumindest wusste er nichts davon – und als Stellvertreter eines Primus Pilus, der die meiste Zeit abwesend war, hätte er das eigentlich wissen müssen, wenn sie einen neuen Centurio in ihren Reihen hätten. Und der Iunius selbst schien davon auch nichts zu wissen, sonst hätte er nicht so von Germanien gesprochen, als ob er noch nicht wüsste, ob er diese Provinz überhaupt mal zu Gesicht bekommen würde.


    „Das sowieso“, antwortete er dann beim nächsten Thema. „Wär ja noch schöner, sich ein Gladius in den Magen einzufangen, nur weil man an ein Weib denken musste...“ Hadamar schüttelte leicht den Kopf und kippte den Rest seines Biers hinunter, um sich mit einem Wink ein neues zu bestellen. Der Centurio allerdings schien das mit den Weibern besser zu verstehen als er selbst... er hatte also eine bestimmte. Hadamar lehnte sich zurück und dachte unwillkürlich an Corvinus, der es ja auch immer so mit Alwina hatte, und wie besonders sie war, und wie er sie liebte – aber der konnte mit seinem Liebchen wenigstens ganz normal zusammen sein, so normal es halt für einen Soldaten war, und wenn man mal davon absah dass er im Moment logischerweise nicht mit ihr zusammen sein konnte, weil er halt hier war und sie in Germania. Hadamar vertrieb die Gedanken und lehnte sich zurück, während er auf sein nächstes Bier wartete. Er war sich nicht so sicher, ob er wirklich Lust darauf hatte darüber zu reden – schon mit Corvinus wusste er das nie so genau, und Corvinus war sein Kumpel... Aber für Hadamar war das Thema einfach zu weit weg. Er hatte keine Ahnung, wie man so versessen auf ein einziges Weib sein konnte. Wenn der Centurio ihm gegenüber mit der einen nicht zusammen sein konnte, weil ihre Familien dagegen war – na und? Musste er sich halt eine andere suchen. In Hadamars Augen zumindest war das so einfach, aber ihm war auch klar, dass er das so wohl kaum sagen konnte. Corvinus nicht, weil der sein Freund war, und dem Iunius nicht, weil er ihn dafür nicht gut genug kannte, was an sich kein Hinderungsgrund gewesen wäre, ihm die Meinung zu geigen, aber rein zufällig stand er ja auch noch im Rang über ihm. Besser also sich einfach was anderes zu überlegen, was er sagen könnte. „Klingt wirklich kompliziert. Warum hat ihre Familie was dagegen? Du könntst sogar ne Ausnahmegenehmigung beantragen um in echt zu heiraten und sie nicht einfach nur zu nem Soldatenweibchen zu machen. Und du bist nicht irgendein Centurio, sondern einer der Garde...“ Naja, zumindest bisher, Hadamar hatte ja keine Ahnung was der Cornelius machen würde wenn er mal da war – aber dazu sagte er jetzt mal nichts. Es ging ja um das, was bisher gewesen war. Obwohl Hadamar allerdings versuchte, sich zurückzuhalten, konnte er doch nicht verhindern, dass in seiner Stimme Zweifel durchklangen, Zweifel daran, was dieses ganze: die muss es sein und sonst keine anging. „Ist sie das denn wert?“

    Als Hadamar sich dem Karren näherte, sah er, wie hinter der Frau auf dem Kutschbock ein zweites Gesicht zum Vorschein kam – und entgegen seiner Erwartungen war das auch eine Frau. Noch jung zwar, aber ganz definitiv kein Kind mehr. Und genauso hübsch wie die andere... nur nicht ganz so erschöpft, wie es schien. Lief ja immer besser, fand er. Noch dazu wo beide so... freundlich wirkten. „Optio Lucius Duccius Ferox ist mein Name“, stellte er sich vor und erwiderte der Älteren dann: „Selbstverständlich“ mit einem leichten Neigen seines Kopfs, bevor er ihr sein Hand reichte, um ihr hinunter zu helfen. Seine andere legte sich leicht an ihre Schulter, natürlich einzig und allein deshalb um zu verhindern, dass sie womöglich stolperte während des Herabsteigens... wobei er freilich darauf achtete, immer noch im Rahmen dessen zu bleiben, was schicklich war. Er war immerhin Optio – und er hatte nicht überhört, dass Kerl gerade eben gesagt hatte, dass es sich hier um seine Frau handelte... worauf diese auch noch mal explizit hingewiesen hatte. Aber ihr Lächeln zumindest zeigte ihm, dass sie ganz sicher nichts dagegen hatte, ein bisschen zuvorkommend behandelt zu werden.
    Genauso wenig wie die Jüngere der beiden... kaum hatte Hadamar der ersten herunter geholfen, löste er sich von ihr und bot der zweiten ebenfalls seine Hilfe, und er schwankte zwischen Faszination und Amüsiertheit, als er nun deren Lächeln aus der Nähe sah. In seinen Augen blitzte es leicht schelmisch auf. Das war es, was er vermisst hatte. Ein bisschen mit Weibern zu schäkern – mit hübschen, mit selbständigen, die einen eigenen Kopf hatten. Sicher konnte man sich auch mit den Huren unterhalten, die den Heereszug begleiteten... aber das war halt doch etwas anderes. In aller Regel hatten die nicht wirklich Lust darauf, großartig zu schäkern, und selbst wenn: er hatte nicht wirklich Lust darauf. Lupae waren nur für eine Sache da, fand er jedenfalls. Sich etwas anderes von ihnen zu erhoffen war irgendwie erbärmlich.


    Und was gab es da groß zu sagen? So von zwei hübschen Frauen angesehen zu werden – welchem Kerl hätte das nicht gefallen? Er zwinkerte der Jüngeren kurz zu und hielt ihre Hand ein bisschen länger, als nötig gewesen wäre, bevor er sich auch von ihr löste und zu den Wachsoldaten sah. „Miles“, winkte er einen von ihnen herbei, „durchsuch den Karren. Aber pass auf, dass nichts zu Bruch geht.“ Hadamar hätte so oder so nicht vorgehabt, da selbst Hand anzulegen, aber vor den beiden Frauen zeigen zu können, dass er kein einfacher Miles war, sondern den anderen Soldaten Befehle erteilen konnte, gefiel ihm natürlich erst recht. Gemeinsam mit dem Soldaten, der den Karren zu durchsuchen begann, kam auch der Tiberius nun zu ihnen, und Hadamar schmunzelte flüchtig als er sah, wie dieser einen Arm um seine Frau legte, fast als fürchtete er, sie könnte ihm davon laufen. „Wohin seid ihr unterwegs, wenn ich fragen darf?“

    Der Kerl zuckte zusammen und schien sogar tatsächlich so etwas wie Angst zu haben... und Hadamar hätte lügen müssen, hätte er behaupten wollen dass ihm das nicht gefiel. Er war ein siegreicher Veteran von Vicetia, und das in seinem Alter schon, natürlich gefiel es ihm, wenn die Leute ihm mit Respekt begegneten. Und dass der Kerl ohne große Umstände ein paar Münzen rüberreichte, tat sein Übriges dazu, Hadamar gut gestimmt sein zu lassen. Auch wenn er nach einem Blick in seine Hand zwar fand, dass das ein guter, aber kein sehr guter Grund war... aber naja. Er nickte zu dem Wachsoldaten. „Klär mit ihm die Gebühr für die Nutzung des Karrens bei Tag, Tiberius. Und durchsucht werden muss trotzdem alles.“ Weder dessen Name noch der der Frauen sagte ihm irgendetwas, aber dass da im Karren scheinbar noch eine zweite war, interessierte ihn dann doch wieder. Wobei... Nichte. War wahrscheinlich noch ein Kind, so jung wie die Frau auf dem Kutschbock wirkte.
    Während der Wachsoldat also besagte Gebühr einsackte und dem Tiberius dann eine Wachstafel in die Hand drückte, auf der die Ausnahmeerlaubnis vermerkt war, trat Hadamar an den Wagen heran. Das Lächeln auf seinem Gesicht hatte nun keine Spur mehr von Spott, sondern war freundlich, auf jene Art, von der er schon öfter die Erfahrung gemacht hatte dass sie Frauen gefiel, und sein Tonfall war zuvorkommend. So wie meistens, wenn er hübschen Frauen begegnete. „Die Damen bitte einmal runter von dem Karren...“

    Alrik also. Alrik. Alrik erfreute sich in Rom einer recht großen Bekanntheit? „Tatsächlich?“ fragte Hadamar nach. In den nördlichen Legionen, ja, seit er zum Tribunus laticlavius der VIII gemacht worden war und die quasi von Anfang an allein angeführt hatte, weil der Legat auch zugleich LAPP war und als solcher als Feldherr eingebunden... und später dann irgendwie krank oder verletzt worden war, was genau wusste Hadamar nicht genau. Es fiel schwer den Überblick zu behalten, was nun mit welchem der Oberen... was waren es? Fünf oder so? passiert war. Wie auch immer: dass Alriks Name also in ihrem Heer bekannt war, war Hadamar klar. Dass er in Rom davor auch schon so bekannt gewesen war, war ihm neu, und es ließ den Respekt vor seinem Vetter gerade noch ein Stück weit mehr steigen. „Das ist mein Vetter... der Triblat der VIII, weiß nicht ob du ihm da schon mal wieder begegnet bist.“


    „Falls du die Gelegenheit bekommst: nutz sie. Germania ist es wert“, grinste Hadamar den Iunius dann an, ziemlich unverfroren – weil er sich klar darüber war, dass einer aus dem Süden, wo es angeblich immer so warm war, es in Germania wohl kaum auf Dauer angenehm finden würde. Er trank einen weiteren Schluck und zuckte die Achseln. „Schauergeschichten hörst du überall. Meine Familie kommt von der anderen Seite des Rhenus... du solltest mal hören was da erzählt wird.“ Irgendwie schien sein Gegenüber allerdings mit den Gedanken woanders, und Hadamar war das nur Recht – sie waren ja immerhin nicht hier, um sich gegenseitig Gruselgeschichten zu erzählen. Das war dann doch eher was für einen Abend irgendwo in der Wildnis, mit einem Feuer, um das sie herum saßen... so wie früher, mit Sönke und seinen anderen Kumpel. Hadamar musste schmunzeln bei der Erinnerung daran – und grinste gleich darauf noch breiter, als er die nächste Frage hörte. „Nä. Keine bestimmte, wenn du das meinst. Ist auch besser so – so lang wie wir jetzt schon weg sind, wird mit Sicherheit über die Hälfte der Weiber sich nen Neuen gesucht haben.“ Was auch absolut verständlich war, fand er, immerhin brauchten die meisten ja jemanden, der für sie sorgte. Eine Frau allein hatte es nicht einfach, über die Runden zu kommen... erst recht nicht wenn Bälger im Spiel waren. Wenn so eine nicht wusste, wann ihr Kerl wieder nach Hause kam, oder ob überhaupt, wurde der Gedanke sich einen neuen Versorger zu suchen mit zunehmender Zeit immer verlockender, konnte er sich vorstellen. „Was ist mit dir?“

    „Keine großen Kontrollen?“ kam von hinten eine Stimme, noch bevor der angesprochene Wachsoldat reagieren konnte. Hadamar musterte den Wagen und das Weib darauf für einen Augenblick, bevor er sich dem Mann zuwandte, der da um Einlass bat. „In welcher Welt lebst du?“ hängte er noch eine Frage an, aber in seiner Stimme klang eher gutmütiger Spott durch. Seit der Palast auch eingenommen war, war es ruhiger geworden, und sowohl seine Männer als auch er selbst hatten Gelegenheit, sich nach den Strapazen der vergangenen Monate ein bisschen zu erholen. Was sich merklich auf die Stimmung auswirkte, vor allem bei denen, für die das hier nicht die ersten Schlachten gewesen waren, aber auch bei einem guten Teil des Rests. Hadamar eingeschlossen, sah man mal von den Träumen ab, die ihn regelmäßig in der Nacht heimsuchten. Aber wer war er schon, dass er sich dadurch die Laune verderben ließ?
    „Kontrolliert wird im Moment noch jeder, Karren hin oder her... und wenn du das Ding wirklich jetzt am Tag noch mitnehmen willst, musst du mir schon einen sehr guten Grund liefern warum.“ Von Strafgebühren hatte Hadamar keine Ahnung, aber er wusste immerhin, dass es nicht einfach mit der Entrichtung davon getan war und jeder Hinz und Kunz durfte mit einem Karren tagsüber in die Stadt hinein. Besagte Gebühr allerdings noch mal für ihn und die Wachsoldaten, die hier ein Auge zudrückten, könnte dagegen ein Grund sein, ihn durchzulassen. „Und eure Namen.“

    Hadamar blinzelte überrascht. „Du kennst einen Duccius? Welchen denn?“ fragte er neugierig nach. So viele Duccii gab es nicht, die in ihrem Leben schon mal in Rom gewesen waren, und wenn da einer von ihnen tatsächlich mit der Familie seines Gegenübers irgendwie verbandelt war, konnte es auf jeden Fall nicht schaden das zu wissen.


    Hispania also war die Heimat des Iunius. Obwohl Hadamar mittlerweile doch einiges mehr gesehen und erlebt hatte, obwohl er zu Fuß von Germania über die Alpen nach Italia gezogen war, obwohl er so viel gelernt hatte gerade seit er Optio geworden war... unter Hispania und all den anderen Provinzen, die im Süden und Osten des Reichs lagen, konnte er sich immer noch nicht wirklich etwas vorstellen, weil es einfach kaum jemanden gab, der ihm davon hätte erzählen können. Wobei nun zumindest Hispania auch nicht so großartig anders klang als das, was er eh schon kannte. „Ich? Klar, jeden Tag. Lass dir nix einreden von denen... naja.“ Hadamar grinste. „Oder vielleicht doch. Sind wahrscheinlich alles welche, die von woanders herkommen. Aber ich bin da daheim...“ Was alles sagte, alles ausdrückte, jedenfalls für ihn. Er liebte seine Heimat. „Der Winter ist manchmal arg lang“, lachte er dann, „und ziemlich kalt. Und hier gibt es unglaublich viel zu sehen... Aber ich freu mich schon drauf, wieder nach Hause zu kommen.“

    Wie so häufig in letzter Zeit war Hadamar schon ziemlich früh wach. Die Alpträume wurden nur langsam weniger, und obwohl er sich halbwegs daran gewöhnte, eher schlecht und eher wenig zu schlafen, war er dann doch nicht scharf darauf, sich noch mal hinzulegen und gleich wieder in einen Traum abzudriften, wenn er denn mal wach geworden war – jedenfalls dann, wenn ihm das ohnehin in den frühen Morgenstunden passierte. Tatsächlich war er also schon seit einiger Zeit am Arbeiten, hatte sich zuerst draußen um seine Rüstung gekümmert, um dann, als die anderen in seinem Zelt – der Scriba, der Aquilifer und die anderen, die Sonderpositionen einnahmen in der Centurie –, drinnen weiter zu machen, mit all dem Kram, der gerade so anstand. Der Legat war immer noch abgetaucht, und keiner wusste so recht, was genau mit ihm los war... und mit ihm auch der Pilus Primus, der sich nah beim Legaten hielt, ihm berichtete, im Stab aushalf. Er sah regelmäßig nach dem Rechten, dass Hadamar sich nicht völlig aufgeschmissen fühlte, aber so selten, dass die Arbeit nahezu komplett an ihm hängen blieb mittlerweile – aber inzwischen hatte Hadamar den Dreh raus. Mit ein bisschen Übung war das alles leichter geworden, und spätestens seit Vicetia hatte er auch kein Respektsproblem mehr... und sowieso war ja der Alltag noch lange nicht eingekehrt bei ihnen.
    Als er draußen ein Räuspern hörte, war er aber trotzdem erleichtert über die Ablenkung. „Was gibt’s?“

    Mit ein wenig Bedauern sah Hadamar das Schankmädchen wieder davon gehen, aber wer wusste es schon: vielleicht ergab sich ja später am Abend noch die ein oder andere Möglichkeit. Für den Moment hatte er jedenfalls Gesellschaft, und auch wenn sie nun eindeutig privat unterwegs waren, wäre es wohl unklug gewesen, den Centurio gleich für das erstbeste Weib sitzen zu lassen. „Auf uns“, antwortete Hadamar auf den Trinkspruch und prostete zurück, bevor er einen tiefen Schluck trank.


    Dass er den Namen nicht mehr wusste, schien den anderen nicht großartig zu stören, was Hadamar noch ein bisschen mehr darin bestätigte, dass es zumindest nicht falsch gewesen war, mit dem Mann gemeinsam loszuziehen. Dass der allerdings noch seinen Familiennamen wusste, überraschte ihn ein bisschen. „Richtig. Das weißt du noch?“ grinste er freimütig. „Lucius Duccius Ferox.“ Für einen Moment überlegte er, dem Iunius seinen Cognomen anzubieten – immerhin tranken sie jetzt miteinander –, aber naja, das war dann doch dessen Sache, so als Ranghöherer. „Du stammst hier aus Rom? Oder kommst du ursprünglich auch von woanders her?“

    Hadamar verzog das Gesicht, als ihm der Geruch entgegen schlug, und wedelte kurz mit einer Hand vor seiner Nase herum. Und verdrehte dann die Augen, als er von dem Insassen erst mal blöd angemacht wurde. Hadamar war ziemlich schnurz, ob der sich nun verarscht vorkam oder nicht, und ihm war auch ziemlich egal, dass der übel zugerichtet war... trotzdem hatte er zu spuren. Immerhin war er ein Gefangener. Und wenn er sich weiter so aufführte, würde er das ganz sicher erst mal bleiben. „Weißt, wenn dir das alles wirklich so zu viel ist, tu ich dir den Gefallen und erschlag dich“, ranzte Hadamar den Gefangenen an. „So lang du mir aber nicht erzählt hast, wer du bist und warum du eingeknastet wurdest, wird’s sicher nicht schnell gehen.“

    Hadamar arbeitete sich mit den Soldaten seiner Centurie systematisch durch die Gänge... und während anderswo die Milites auf die Reichtümer und Wunder stießen, die so ein Palast bereit hielt, während anderswo die Milites schließlich sogar auf den fetten, inzwischen aber recht toten Usurpator stießen, war Hadamar mit seinen Leuten schließlich dazu verdonnert worden, die Räumlichkeiten der Palastgarde zu durchkämmen. Die jetzt nicht so spektakulär waren... bei weitem nicht so sehr wie das, was Hadamar auf dem Weg dahin schon zu Gesicht bekommen hatte. Große Klasse, da war er doch tatsächlich im Kaiserpalast Roms gelandet, und was war? Er durfte die Räume des Militärs durchsuchen. Anstatt noch mehr von dem Prunk hier sehen zu können, der sich umso besser bewundern ließ, je mehr Räume gesichert waren.


    Aber immerhin, die Garde leistete auch jetzt noch keinen nennenswerten Widerstand, so wenig wie sie es getan hatten, als sie ihnen die Tore des Palasts geöffnet hatten. Einer nach dem anderen wurde von denen, die ihnen begegneten, wurde entwaffnet und in Gewahrsam genommen, nach draußen geschickt zu den übrigen, wo sie das Gleiche erwartete wie ihre Kameraden der Stadtwache, jedenfalls ging Hadamar einfach mal davon aus. Interessierte ihn aber nicht so wirklich im Grunde. Einfach hier fertig werden, und dann vielleicht doch noch Gelegenheit haben, ein bisschen was vom Palast zu sehen... „Was ist da hinten?“ ranzte er einen Miles an, der unverrichteter Dinge aus einem Gang zurückkam.
    Der zuckte nur die Achseln. „Zellen. Eine davon ist besetzt, entweder wir finden nen Schlüssel oder wir müssen sie aufbrechen, Optio.“
    „Na dann such mal...“ Hadamar machte eine auffordernde Handbewegung. Mittlerweile war er richtig gut geworden in diesem Optiodings, fand er – früher hätte er sich noch selbst ans Suchen gemacht. Das allerdings sah er jetzt überhaupt nicht mehr ein... und das stellte das auch gar keiner in Frage. Wenn er genauer darüber nachdachte, verblüffte ihn das immer noch ein bisschen, vielleicht einfach deswegen, weil er gar nicht so wirklich gemerkt hatte, wann der Knoten endgültig geplatzt war – aber er war zu routiniert als Optio inzwischen, als dass er sich das noch hätte anmerken lassen.
    So wartete er also nur halb an einen Tisch gelehnt, bis einer seiner Soldaten fündig wurde und ihm einen Schlüsselbund zuwarf. Mit der Linken fing ihn Hadamar auf und verschwand dann in dem Gang, der zu den Zellen führte, ging eine nach der anderen ab, gefolgt von zwei Milites, bis er schließlich zu der verschlossenen kam. Einmal ließ er seine Faust ordentlich gegen die Tür krachen, damit wer auch immer darin war wusste, dass jetzt was kam, und dann probierte er die Schlüssel bis einer passte und öffnete die Tür. „So, und wen haben wir hier?“