Ein wenig verblüfft beobachtete Hadamar den Legat dabei, wie er ein wenig steif aufstand, wie er sich dann streckte. Er hatte weder eine Ahnung, welche Probleme ein höheres Alter mit sich brachte, noch was mehrere Stunden konzentrierter Arbeit an einem Schreibtisch bedeuten konnten. Und er wusste nicht so recht, wie er das jetzt finden sollte, weil... weil einfach. Es war irgendwie komisch, den Legaten so zu sehen, es war komisch, dass der sich so gab in seiner Gegenwart. Er war ja nur ein einfacher Miles. Hadamar war kurz davor, sich verlegen am Kopf zu kratzen, aber er erinnerte sich noch rechtzeitig daran, dass er vor seinem Legaten stand, in Haltung, und es keine gute Idee war, in seiner Körperspannung nachzulassen.
Bald darauf allerdings vergaß er schon wieder, dass er aufpassen sollte. Zuerst ging ja noch alles gut, er hörte zu was der Legat zu sagen hatte, zum einen weil sich darin vielleicht noch ein weiterer Befehl versteckte, zum anderen weil es interessant war zu hören, was er so dachte, und vielleicht verriet er ja nebenbei auch warum er die Wachpläne hatte aufheben lassen... und die ganze Situation war ja schon irgendwie... naja, aufregend. Dann allerdings passierte es – der Legat wollte den Centurio sprechen, und Hadamar entwischte ein nicht sehr militärisches: „Öhm...“ Was gleich darauf eine leichte Rotfärbung seiner Ohren nach sich zog. Er räusperte sich und versuchte das Öhm vergessen zu machen, indem er erklärte, was dazu geführt hatte. „Die Centuria IV, Cohors II hat im Moment keinen Centurio, Legat. Centurio Artorius wurde zum Primus Pilus befördert, und ein Nachfolger wurde noch nicht bekannt gegeben“, erlaubte er sich also auf diesen Umstand hinzuweisen, auch wenn der Legat genau genommen nicht danach gefragt hatte.
Gleich darauf kam allerdings schon die nächste Stolperfalle. Das war also der ursprüngliche Befehl gewesen? Dieser Sack von Sklave hatte sie an der Nase herumgeführt, den Tesserarius am Tor und ihn? Für einen Moment war Hadamar sprachlos, und in seinen Augen flackerte Unglauben gepaart mit widerwilliger Bewunderung für den Kerl auf. Raffiniert war er ja, das musste man ihm lassen. Auf diese Art die Arbeit wegkriegen... Hadamar räusperte sich erneut. „Ich habe den Auftrag vom Tesserarius der Centuria V, Cohors II bekommen. Er hatte gemeinsam mit mir Wachdienst am Tor, als dein Sklave kam und mit ihm im Wachhäuschen gesprochen hat.“ Damit sagte er vollauf die Wahrheit... und ließ trotzdem genug offen, dass der Legat vielleicht denken würde, der Tesserarius hätte selbst entschieden, dass das ein Legionär übernehmen sollte. Für den Sklaven würde er ganz sicher nicht lügen – aber er wollte ihn auch nicht absichtlich in Schwierigkeiten bringen. Oh, wenn sich die Gelegenheit ergab, würde er sich sicher beizeiten mal dafür rächen, dass er an die 60 hatte abklappern müssen bis in die Nacht hinein, obwohl das gar nicht nötig gewesen wäre, nicht für ihn jedenfalls – aber dann auf seine Art. Er hielt nicht viel davon zu petzen... und so der Kerl ihn nervte mit seinem vorlauten Maul, er wollte auch ihn nicht verpetzen. Und davon abgesehen bewunderte er ihn tatsächlich ein bisschen dafür, das so hingekriegt zu haben, dass ihm die Arbeit abgenommen worden war. Denn zumindest Hadamar hegte keinen Zweifel daran, dass der Tesserarius dem Sklaven nie die Arbeit abgenommen hätte, wenn er gewusst hätte dass der sie machen sollte.