Beiträge von Lucius Duccius Ferox

    Hadamar musterte den Centurio weiterhin, verwirrt, etwas unschlüssig und sogar ein klein wenig empört, weil er aus seinen Worten zuvor den falschen Schluss gezogen hatte. Er war sich gerade gar nicht so sicher, was der Centurio überhaupt von ihm wollte, warum er dieses Gespräch mit ihm führte, aber ihm war klar, dass er da wohl genauso durch musste wie durch die Strafen in den letzten zwei Wochen.


    Worauf der Centurio allerdings jetzt hinaus wollte, wusste Hadamar nicht – aber er hielt es hier wie im Grunde die meiste Zeit: er sagte einfach ehrlich, was er dachte. „Ich werd das net noch mal machen, sie so in Schwierigkeiten zu bringen“, antwortete er. Es war eine Sache, wenn nur er bestraft wurde für sein Fehlverhalten, aber eine völlig andere, wenn seine Kameraden dann mitreingezogen wurden... das hatte er ja schon vorher nie gewollt, und jetzt, wo es zum ersten Mal geschehen war, stand für ihn fest, dass er das um jeden Preis vermeiden würde in Zukunft. Er deutete ein hilfloses Achselzucken an, nur um sich daran zu erinnern, dass er ja eigentlich nach wie vor stramm stand, und wieder die korrekte Haltung einzunehmen. „Sie haben’s nicht verdient, so was ausbaden zu müssen... sie haben’s verdient jemanden zu haben, der... naja, der unser Contubernium gut da stehen lässt. Da werd ich mich anstrengen.“

    „300... bist dir sicher dass du das alles auf den Kopf hauen willst mit uns?“ Hadamar boxte Corvinus leicht in die Schulter – dann klappte ihm der Unterkiefer runter. Seit ihrem ersten Gespräch über Mädchen, wo Corvinus etwas seltsam reagiert hatte, hatte Hadamar das Thema nicht mehr auf den Tisch gebracht. Und jetzt fing der damit an? „Bitte was?“ lachte er drauflos. „Ist das dein Ernst?“ Er dämpfte seine Stimme ebenfalls ein wenig. „Also, äh, kommt drauf an. Von Lupanaren weiß ich auch net so arg viel, offen gestanden.“ Da hatten sie sich dann irgendwie doch nie hingetraut, seine Kumpanen und er – und davon abgesehen hatten sie dafür auch nie die Kohle gehabt, um sich so was leisten zu können. Wobei es auch billige gab, meinte er zu wissen, aber die fand man dann in Ecken, in die auch sie nicht gegangen waren. Und überhaupt war es ihnen ja auch darum gegangen, ein Mädchen rumzukriegen... und nicht es dafür zu bezahlen, dass es die Beine breit machte. „Manchmal will sich nen Schankmädchen aber so was dazu verdienen. Ansonsten... naja, hübsche Mädels... die was hermachen... eher um die Märkte rum. In den Spelunken am Hafen findste nur Schabracken. Das Problem ist: je besser das Mädel, desto schwieriger rumzukriegen, erst recht in Begleitung von ner Horde saufender Legionäre. Also doch eher was einfacheres... oder Lupanar.“

    Natürlich war Corvinus begeistert von Übung. War ja klar gewesen. Hadamar stieß ihm einen Ellbogen in die Seite, allerdings immer noch mit einem Grinsen. „Geht klar, Optio.“ Spielerisch salutierte er, bevor er nach hinten in den Lagerraum ging und die Sachen holte, die Corvinus brauchen würde. Kurze Zeit später war er wieder da, legte das Zeug auf der Theke ab, kramte Corvinus' Tabula heraus und ergänzte die noch fehlenden Teile, die er jetzt bekam. „So, hier noch mal abzeichnen, dass du das alles bekommen hast“, er wies auf die Stelle, „dann wär's das. Ich seh zu dass ich mich beeil hier.“

    Hadamar grinste zurück. „Najaaaa... was wär das Leben ohne ein bisschen Spaß? Den Rest krieg ich ja mittlerweile echt gut auf die Reihe.“ Als er Corvinus' nächsten Kommentar hörte, lachte er. „Ja, aber das wusste der wohl net... und davon abgesehen geh ich mal davon aus, dass ich hier so lange machen muss, bis ich fertig bin, da kennt der alte Stinkstiefel nix. Aber es ist ne ganz gute Übung, das hier...“ Immerhin hatte Lesen und Schreiben können ja durchaus seine Vorteile, das hatte Hadamar schon auch begriffen, und mittlerweile, seit er wenigstens etwas besser geworden war, hatte er sogar gemerkt, dass das Zeug so was wie Spaß machen konnte. Vor allem: es war einfach ein Erfolgserlebnis, wenn man plötzlich ein Wort flüssig lesen konnte, das man vorher nur stotternd hingebracht hatte. Und Hadamar stand nicht nur auf Erfolgserlebnisse - es weckte dann auch irgendwie seinen Ehrgeiz, wenn er einmal eins gehabt hatte.

    „Ja von wegen. Jede zweite Nacht triffts besser... Mir tun deine neuen Stubenkameraden jetzt schon leid.“ Hadamars Grinsen war breit, und er konnte Corvinus auch wieder in die Augen sehen – und ließ sich nichts davon anmerken, dass es sich für ihn ein bisschen aufgesetzt anfühlte. „Ah, sehr gut, gehen wir also doch raus? Na ja, ähm... kommt drauf an wie viel Kohle du hast. Am Stadtrand gibt’s zum Beispiel ne einfachere Taberna, da waren wir früher, wenn wir nen bisschen Kohle zum Verschleudern hatten.“ Was selten genug der Fall gewesen war, meistens hatten sie sich mit irgendeinem billigen Fusel irgendwo auf dem Marktplatz oder am Rhenusufer oder sonst wo getroffen um rumzuhängen. „Soldaten lassen sich da auch immer wieder mal blicken. Dann gibt’s die Taberna Silva Nigra, das ist die von meiner Familie... da kann man gut Geld los werden, wenn man mehr davon hat“, grinste er. „Und dazwischen noch ne Menge anderer Tabernae. Am Markt gibt’s mehrere... am Hafen kannst ein paar richtig billige Spelunken finden... Worauf hast denn Lust? Das ist dein Abend...“

    „Das is echt... Wahnsinn. Ich mein, wir haben gleichzeitig angefangen... aber siehst, ich hab's dir von Anfang gesagt! Ich hab dir gesagt dass sich dein ganzes Training von den letzten Jahren auszahlt!“ feixte Hadamar, der sich noch zu gut daran erinnern konnte, wie empfindlich Corvinus darauf reagiert hatte.


    „Öhm“, machte er dann und kratzte sich am Kopf, nicht weil er verlegen gewesen wäre, aber weil er immerhin den Anstand hatte so zu tun, als sei er verlegen. Ein Eindruck, der allerdings durch sein breites Grinsen gründlich zunichte gemacht wurde. „Weißt du... also, das war ne blöde Sache, eigentlich...“ Er räusperte sich. „Ich hab gestern mit Tappulus und ein paar Leuten vom IV. und vom VIII. Contubernium gespielt. Und da kam der Optio von hier dazu und hat uns blöd angemacht, von wegen ob wir nix Besseres zu tun hätten. Das Ding war: ich hab ihn net gleich erkannt, und deswegen erst mal... naja. Auf seinen blöden Spruch hin halt Kontra gegeben, ihn ein bisschen auf die Schippe genommen. Du kennst mich“, grinste er. „Ende vom Lied: er hat mich dazu verknackt ihm heut hier zu helfen.“

    Hadamar klapperte, und klapperte, und klapperte... klapperte die Tesserarii ab. Zuerst suchte er nach dem von seiner eigenen Centurie, dann ging er der Reihe nach die seiner Cohorte durch. Und die der restlichen Cohorten. Er hatte ja irgendwie gehofft, es wären wenigstens ein paar weniger, aber sogar die Centurien, die gerade außerhalb des Lagers irgendwo stationiert waren, hatten im Moment einen Vertreter hier im Castellum. Zwar nicht immer den Tesserarius, aber immerhin.


    Es dauerte eine ganze Zeitlang, genauer gesagt bis weit in den späten Abend hinein. Bis Hadamar fertig war, waren die meisten Contubernien schon lang ruhig, weil die Nachtruhe begonnen hatte. Und die letzten Tesserarii musste er tatsächlich wecken, ganz wie der beim Wachdienst gefürchtet hatte – was ihm den ein oder anderen mehr oder weniger heftigen Rüffel eingetragen hatte, die allerdings allesamt keinen Bestand mehr hatten, sobald Hadamar erwähnte, dass der Auftrag vom Legaten kam. Und schließlich, nachdem er endlich, endlich fertig damit war die knapp 60 Tesserarii zu informieren, stapfte er zum Vorzimmer des Legaten in der Principia und klopfte laut gegen die Tür, um wie befohlen dort Meldung zu machen. In der Hoffnung, dass dort überhaupt noch jemand wach war... wenn nicht, würde er wohl oder übel zum Praetorium gehen müssen. Und falls er da auch keinen Erfolg hatte, seinen Centurio wecken. Herrliche Aussichten, das...

    Es dauerte nicht lange, bis der Sklave wieder da war... und schnurstracks auf ihn zu marschierte. Hadamar fragte sich noch, was der denn jetzt noch wollte, als er schon den Mund aufmachte. Und Hadamars Gesichtsausdruck wechselte von fragend über verblüfft zu hilflos-genervt. „Das is net wahr...“ Hinter sich hörte er die anderen wachhabenden Legionäre lachen – schadenfroh, weil es sie nicht getroffen hatte. „Na viel Spaß auch. Sind ja nur an die 60, die du da abklappern musst.“ Hadamar verdrehte die Augen und schnitt den anderen eine Grimasse. „Halt’s Maul, Balbinus, sonst sag ich dem Tesserarius dass du freiwillig die Hälfte übernehmen willst!“ Warum traf so was eigentlich immer ihn? Die Lauferei, die diese Aufgabe bedeutete, war ja an und für sich schon doof genug, aber das wirklich Ätzende war, dass es Abend war – und er hatte ja eh schon gerade die erste Nachtschicht der Wache, was die spärliche Freizeit, die man abends so hatte, auf nicht-existent schrumpfte. Warum also musste ausgerechnet er dann auch noch die Tesserarii ablaufen heute Abend? Und, ganz nebenbei: warum hob der Legat überhaupt die Wachpläne auf... und erstellte selbst neue?


    „Ja, alles klar...“, brummte er auf die Worte des Kerls hin – von dem er, wie ihm gerade auffiel, bis heute nicht wusste wie der eigentlich hieß. Irgendwie wirkte der gerade ziemlich zufrieden mit sich selbst, aber das war wohl kein Wunder... so wie sie irgendwie immer aufeinander rumhackelten, hätte Hadamar sich wohl einen abgegrinst vor Schadenfreude, wenn die Lage umgekehrt gewesen wäre. Und einstecken konnte er, jedenfalls wenn es um so etwas ging. „Schönen Abend noch.“


    Der Rest der Wache verging damit, dass die anderen Legionäre ihn immer wieder damit aufzogen, was er sich da für eine Aufgabe eingefangen hatte... und endete schließlich, für Hadamar jedenfalls, damit, dass er sich wie aufgetragen beim Tesserarius abmeldete. „Miles Duccius Ferox, melde mich ab, um wie befohlen die Tesserarii zu informieren...“
    Der, der vor ihm saß, sah nur kurz hoch: „Beeil dich, nicht dass die Hälfte schon schläft. Und wenn du fertig bist, meld im Vorzimmer des Legaten die Ausführung des Auftrags. Abite.“
    Und Hadamar salutierte und machte kehrt, um sich wie befohlen daran zu machen, sämtliche Tesserarii der Legion aufzusuchen.

    Der Tessarius musterte den Sklaven einen kurzen Moment lang, fragte aber nicht nach, sondern nickte nur. Für ihn klang es so, als hätte der Legat den Auftrag gegeben, dass sich einer von ihnen um die weitere Verteilung kümmern sollte. „Sicher kann er das. Wenn du gehst, gib einem der Wachsoldaten Bescheid dass er sich drum kümmern soll. Ist eh bald Wachwechsel – er soll sich nur kurz bei mir abmelden.“

    Ha, diesmal kam keine freche Antwort. Hadamar hatte schon geglaubt, der Kerl konnte gar nicht anders als ironisch zu sein. „Naja, frag den von der Fünften halt, wo du den von meiner Centurie findest. Vielleicht weiß der's ja. Ansonsten einfach in den Verwaltungsräumen erst mal probieren.“ Er blieb noch stehen und sah dem Sklaven hinterher, dann zuckte er die Achseln und wandte sich wieder seine Wache zu.



    In der Stube saß tatsächlich der benannte Tessarius. Fragend sah er hoch und hieß den Klopfenden herein, dann musterte er den Mann, der aufgetaucht war. „Salve... und was ist der Auftrag des Legaten?“

    Hadamar kratzte sich am Kopf, wie immer, wenn er verlegen war oder aus sonst einem Grund nicht wusste was er sagen sollte. Es hatte gedauert, bis er realisiert hatte was Corvinus' Beförderung ganz konkret für ihre Gemeinschaft bedeutete – aber jetzt, wo es einmal klick gemacht hatte, konnte Hadamar das schwer wieder verdrängen. Noch dazu bei dem was Corvinus sagte... Er würde sie anders behandeln – aber musste ihnen Befehle geben? Das war doch ein Widerspruch in sich. Er konnte sie doch nicht anders behandeln, er durfte es gar nicht, wenn er sich nicht vorwerfen lassen wollte seine neue Position auszunutzen. Und sie – oder besser: ganz konkret er würde wahnsinnig aufpassen müssen, dass er sich gegenüber dem Kameraden zurückhielt... um ihn nicht in einen Gewissenskonflikt zu bringen. Hadamar war sich nicht ganz so sicher, ob unter den Umständen eine Freundschaft wirklich noch funktionieren konnte.


    Trotz dieser Gedanken mühte Hadamar sich aber ein Lachen ab, als Corvinus ihn in den Schwitzkasten nahm. Natürlich würde sich auch das ändern. Er würde ihn eben nicht mehr so durch die Gegend scheuchen, weil ein Legionär keine Sonderbehandlung von seinem Optio bekam... höchstens Sonderdienste und Strafen, wenn er nicht so spurte wie er sollte. Allerdings war das nichts, was Hadamar ausdiskutieren wollte. Weder heute – wo es sowieso absolut unpassend war, wo sie doch eigentlich feiern und sich mit Corvinus freuen sollten – noch an einem anderen Tag. Das war nichts, was er großartig hätte ausbreiten wollen, am Ende hielten ihn die anderen dann noch für verweichlicht oder so. Und es ließ sich ja doch nichts daran ändern, Corvinus war nun mal befördert worden. Fertig.
    Mit einem Lachen also – das vielleicht nicht ganz so offen und ehrlich klang wie normalerweise, aber immerhin –, wehrte Hadamar sich gegen den Schwitzkastengriff und protestierte: „Ich schnarch überhaupt nicht, Bovis... da verwechselst du mich mit dir selbst. Du wachst nachts doch von deiner eigenen Sägerei auf!“

    Gemeinsam mit seiner Centurie war auch Hadamar auf den Platz gekommen und hatte Aufstellung genommen, irgendwo mitten drin in seinem Contubernium. Seit ihm klar geworden war, was die Beförderung von Corvinus bedeutete, was sie ganz konkret für Auswirkungen hatte, hatte seine Laune einen ziemlichen Dämpfer erfahren. Nicht dass er missmutig gewesen wäre oder gar launisch den anderen gegenüber, das nicht, aber er war schweigsam seit dem gestrigen Abend, hatte sich ziemlich zurückgezogen. Es war nun mal einfach komisch, und ganz gleich, was Corvinus auch sagte: es würde nicht gleich bleiben. Das konnte es gar nicht. Corvinus spielte jetzt in einer anderen Liga, da konnte er einfach nicht mit seinem alten Contubernium so weiter machen wie bisher. Die anderen schien das nicht so großartig zu stören, und die waren wohl auch gewohnt, dass manche eben kamen und gingen, weil sie versetzt oder befördert wurden... aber für Hadamar war es das erste Mal, und noch dazu: es hatte seinen besten Freund getroffen, den er hier in der Legio gehabt hatte, das hieß, bevor Sönke nun auch hier aufgetaucht war – aber der war ja in einem anderen Contubernium und außerdem Tiro derzeit noch, weswegen sie sich kaum sahen. Corvinus allerdings... sie hatten am selben Tag hier angefangen. Und der Kamerad war irgendwie immer da gewesen, hatte ihm beigebracht wie man die Rüstung anzog, hatte ihn von der Pritsche geholt wenn er mal wieder verschlafen hatte, und noch x andere Dinge für ihn getan oder ihm gezeigt oder mit ihm geübt, weil Hadamar ja ziemlich unbedarft zur Legio gekommen war, während Corvinus schon jahrelanges Training hinter sich hatte... Er wusste nicht einmal, ob er die Ausbildung ohne ihn überhaupt geschafft hätte. Hadamar hatte das freilich nicht ausgenutzt, sondern auch was zurückgegeben, auf seine Weise, mit den Talenten die ihm eben zueigen waren – was sich dann allerdings mehr darin äußerte, dass er beispielsweise seine Gewinne mit seinem Contubernium und speziell Corvinus teilte. Sonst wäre daraus auch kaum eine Freundschaft geworden. Und diese Freundschaft würde ihm fehlen... nicht nur weil Corvinus ihm immer wieder in den Arsch getreten hatte, sondern weil die Legio für ihn erst durch diese Freundschaft zu so etwas wie einem Zuhause geworden war. Es würde einfach nicht mehr so sein wie bisher. Und Hadamar musste das erst verdauen.


    Bei dem Aufmarsch zum Appell allerdings war ihm kaum was anzusehen, kein Wunder, weil sie einfach dahin marschierten und sich aufstellten... und Haltung annahmen. Um dann auf den Legaten zu warten.

    Da seine Tiro-Zeit nun schon länger zurücklag, verstand Hadamar nicht ganz, warum der Eques – nein, halt, Decurio – so genervt war von der simplen Frage nach seinem Namen. Mit den Equites hatte er sonst überhaupt nichts zu tun gehabt, weder davor noch danach... da merkte er sich doch nicht, wie die hießen, die ihm mal über den Weg gelaufen waren und sich aus dem ein oder anderen Grund vorgestellt hatten. Er wusste es allerdings besser, als den Kerl nun zu fragen, was er denn hatte... zwar brachte er sich nach wie vor ab und zu in die Bredouille, weil er gegenüber Ranghöheren seine Zunge nicht im Zaum halten konnte, aber das geschah mittlerweile eigentlich nur noch dann, wenn er nicht wusste, wer ihm gegenüber stand – wie beispielsweise am gestrigen Abend mit dem Optio. Wenn er es wusste, dann hielt er sich inzwischen wohlweislich zurück, so viel hatte er dann doch gelernt.


    Hadamar suchte also die Tabula heraus, die zu dem Vibius gehörte, trug etwas langsam die Sachen nach, die er bekommen hatte, und ließ ihn unterzeichnen – und wandte sich dann Corvinus zu, während der frischgebackene Decurio schon verschwand. „Nee, macht der wirklich net. Bei dem hatte ich meine Reitausbildung, da hat der auch net mehr geredet... ich glaub der ist einfach so.“ Hadamar zuckte die Achseln und guckte seinen Kameraden nun neugierig an – und bei dem was er hörte, klappte ihm dann der Unterkiefer runter. „Bitte WAS? Optio? Woah!“ Hadamar fackelte nicht lang, sprang über die Theke drüber und umarmte Corvinus heftig. „Das is ja klasse!“

    Hadamar war erst mal baff, als er hörte, was der Centurio aus seinen Worten machte – dann runzelte er leicht die Stirn. „Nein!“ widersprach er. „Ich war nur... ich hätt nur davor nicht gedacht, dass sie trotzdem so zu mir halten würden, obwohl ich sie so in die Sch... in Schwierigkeiten gebracht hab. Die haben zum Beispiel vor den andern nicht nur dicht gehalten, sie haben mich sogar verteidigt, das hätt ich nie erwartet!“

    Gehorsam trat Hadamar einen Schritt nach vorn, als der Centurio ihn dazu aufforderte, und nahm wieder stramm Haltung an. Nur was er auf die Frage antworten sollte, wusste er nicht recht. Dass es absolut ätzend war, zwei Wochen lang Strafdienst leisten zu müssen, kam kaum in Frage, genauso wenig, was er von den einzelnen Aufgaben im Genauen hielt, die der Centurio ihnen aufgebürdet hatte, oder was genau er nun beim Latrinen putzen, Kalk anrühren oder sonst was gelernt hatte. Aber was nahm er sonst schon mit? Dass er sich mehr Gedanken hätte machen müssen, wie er ungesehen wieder reinkam? Anstatt nur bis ins Detail zu planen, wie er hinaus kommen würde, denn das hatte er getan, und das hatte ja auch wunderbar geklappt. Das war allerdings auch nichts, was er dem Centurio nun auf die Nase binden konnte. Oder: konnte schon, aber sollte wohl nicht, wenn er nicht noch zwei Wochen Strafdienst leisten wollte.


    „Dass meine Kameraden große Klasse sind, Centurio“, antwortete Hadamar schließlich das einzige, was er tatsächlich sagen konnte. Er wollte nicht irgendwas daher reden, was nicht wirklich stimmte, von wegen wie geläutert er durch die Strafe geworden sei und dass ihm klar geworden war wie groß sein Fehler gewesen war und dass er nie wieder gegen Regeln verstoßen würde und überhaupt und sowieso. Geläutert war er nicht, jedenfalls dachte er das nicht – obwohl die letzten zwei Wochen natürlich ihres Auswirkungen gehabt hatten, gerade der Fakt, dass er sein Contubernium ungewollt in Schwierigkeiten gebracht hatte –; dass es ein Fehler war, sich aus dem Castellum schleichen zu wollen, das war ihm schon vorher klar gewesen; und Regeln waren dazu, um gegen sie zu verstoßen, fand er. Freilich nicht immer, die Legion konnte nur funktionieren, wenn die meisten sich die meiste Zeit an die Regeln hielten. Aber es gab eben auch die Situationen, in denen man seinen eigenen Kopf benutzen und selbst entscheiden musste, anstatt stumpf irgendwelchen Regeln oder Befehlen zu folgen, und auch wenn der Centurio die Sache mit Hadamars Familie anders gesehen hatte, für ihn war das so ein Moment gewesen. Die allermeisten Legionäre verhielten sich da anders, das wusste Hadamar, aber die meisten von denen konnten auch nicht für fünf Sesterzen denken. Weswegen es ja auch so leicht war, sie beim Soldatenspiel abzuzocken... obwohl es mittlerweile einige gab, die gar nicht mehr gegen ihn spielen wollten, aus eben dem Grund, dass er besser war als sie.
    So oder so: er wollte nichts behaupten, was nicht stimmte. Und diverse Dinge, die stimmten, konnte er einfach nicht sagen. Der Punkt mit seinen Kameraden allerdings war einer der wenigen, auf die beides zutraf: er war zutiefst davon überzeugt, dass sie einfach klasse waren, und es war etwas, was er dem Centurio antworten konnte auf seine Frage hin. Vielleicht war es sogar wirklich das Wichtigste, Wesentlichste, was er in den letzten zwei Wochen gelernt hatte... aber ihm selbst kam der Gedanke erst später.

    Zitat

    Original von Linos
    Wie ich fand taste ich schauspielerisch gekonnt nach einer imaginären Leine. „Ja wo ist sie denn? Uhhh meine Leine ist weg. Nein ich bin im Auftrag des Legaten unterwegs und such deinen Tessarius.“ Haha mein Kleiner angeschmiert, so kriegst du mich nicht. „Kannst du mir sagen wo ich ihn finde?“ Herausfordernd grinste ich den Kleinen an.


    Hadamars Augenbrauen wanderten nach oben. Der kam sich unglaublich witzig vor. Unglaublich! Was war das nur, dass es ihn dann immer in den Fingern juckte, dem eins reinzuwürgen? „Ah tatsächlich“, machte er. „Was du net sagst... wo mein Tessarius ist, weiß ich net. Vermutlich in seiner Stube. Aber der von der Fünften hat grad Dienst hier, den findest du in der Wachstube da drüben.“ Hadamar nickte hinüber zu dem betreffenden kleinen Gebäude, das in unmittelbarer Nähe zum Tor zu finden war.

    Oh Götter. Wie hatte er nur vergessen können, wie dreist der Sack war? Und jetzt war er noch nicht mal mehr verletzt... wobei Hadamar sich nicht so ganz sicher war, ob das nun schlecht oder vielleicht doch eher gut war. Möglich dass das hieß, dass er nur noch mehr zu Topform auflaufen würde... möglich aber auch, dass ihn das friedfertiger stimmte, weil eben keine Schmerzen und so, und deswegen kein Grund zum Quengeln. „Witzbold“, gab Hadamar sarkastisch zurück. „Und du hast eine Funktion vergessen: Tore dienen – genau wie Türen übrigens – auch dazu, jemanden daran zu hindern, irgendwohin zu gehen. Also was willst du hier? Willst du mir weismachen der Legat lässt dich von der Leine?“

    Zitat

    Original von Linos
    Ich weiß auch nicht was es war, es überkam mich plötzlich. Vielleicht war es Ärger, Leichtsinn oder Dummheit. auf der Suche nach einem Tesserarius führte mich mein Weg nahe an der Porta Praetoria vorbei. Ich wusste ich durfte nicht durch das Tor. Auch wusste ich dass es die Anweisung gab mich nicht durchzulassen und fliehen wollte ich bestimmt nicht, doch wissen wollte ich es. Einfach nur wissen was passieren würde wollte ich es plötzlich.
    Die Zähne zusammenbeißend näherte ich mich der Porta, bis ganz dicht an die Wache heran.
    Morrigan und Macro durften durch dieses verfluchte Tor und ich nicht.


    Es war unter anderem Hadamar, der am Tor Wache schob. Als vom Inneren der Castra wer kam, schenkte er dem zuerst nicht sonderlich viel Aufmerksamkeit... aber dann erkannte er, wer da auf sie zukam. Er gab den anderen mit einem Wink zu verstehen, dass er sich drum kümmern würde, kam dem Sklaven ein paar Schritte entgegen und verschränkte die Arme vor ihm. „Nä, ey. Was willst du'n hier?“

    „Als Decurio?“ Der war doch bisher Eques gewesen, worauf auch das Wörtchen komplettieren hinwies. „Wouw. Herzlichen Glückwunsch zur Beförderung.“ Wie schon auf dem Reitplatz hatte Hadamar zwar nicht den Eindruck, dass der Kerl großartig zu Gesprächen aufgelegt war, aber das wollte er dann trotzdem anmerken. Waren immerhin Kameraden, auch wenn die Fußsoldaten eindeutig die Besseren waren – und eher weniger mit den Equites zu tun hatten. „Einen Moment...“ Er verschwand kurz wieder nach hinten und kramte die Sachen hervor, die einem Decurio zustanden, Schuhe, Helm, solche Dinge. Damit beladen kehrte er wieder zurück und platzierte die Sachen auf der Theke zwischen ihnen. „Eh. Dein Name war noch mal...?“

    Hadamar starrte auch für einen kurzen Augenblick Fuscus hinterher... er hatte eigentlich geglaubt, dass der Alte trotz seiner schroffen Art irgendwann mal aufgetaut war, aber das... war scheinbar ein Irrtum gewesen. Er klopfte Mugillanus kurz auf die Schulter und sah dann wieder zu Corvinus, auf seine Reaktion wartend. Und was dann von dem kam, hatte etwas zur Folge, was selten passierte. Extrem selten. Es verschlug Hadamar die Sprache. Langsam klappte sein Mund auf, aber er starrte Corvinus nur stumm an, ohne ein Wort hervor zu bringen. Der meinte das ernst. Der würde tatsächlich auch gehen und nicht mehr hier bei ihnen schlafen. Der... das... DAS fand Hadamar nun wirklich ätzend. Und was war das danach? Klar war er als Optio von jetzt an ihr Vorgesetzter, aber was musste er das ausgerechnet jetzt und ausgerechnet so erwähnen? Erwartete doch keiner dass Corvinus sie bevorzugt behandelte – oder hatte er tatsächlich Angst davor? Oder hatte er Angst, sie würden ihn nicht ernst nehmen, weil sie im selben Contubernium waren? Oder besser: gewesen waren, denn das war ja nun vorbei. Und noch was: wieso betonte er, dass er sie nicht vergessen würde? Es dauerte einen Augenblick, bis Hadamar auf die Idee kam mal darüber nachzudenken, wie viel Optio Hadrianus mit den einfachen Legionären der Centurie zu tun gehabt hatte. So gut wie nichts. Er wusste noch nicht einmal, in welchem Contubernium der vorher gewesen war, so wenig hatte der mit seinen alten Kameraden noch zu tun gehabt. Wenn das mit Corvinus genauso werden würde...


    Irgendwie... irgendwie war das gerade... komisch. Einfach nur komisch. Und ein ziemlicher Brocken zum Verdauen, denn zumindest Hadamar hatte bisher noch nicht so weit gedacht, sich die Konsequenzen vor Augen zu führen, die diese Beförderung haben würde. „Ehm“, machte er, immer noch sprachlos. Nach Feiern war ihm gerade nicht mehr wirklich zumute, aber selbst wenn er etwas intelligenteres als ehm heraus gekriegt hätte, hätte er das kaum sagen können. Immerhin freute er sich ja für Corvinus, wirklich und aufrichtig, nur... er hatte halt nicht daran gedacht, was für Auswirkungen das haben würde.