Beiträge von Lucius Duccius Ferox

    Hadamar streckte sich ein wenig, während er durch die Stadt lief, in einer einfachen Tunika, und sich den Märkten näherte. Die Reise steckte ihm noch ein bisschen in den Knochen... man sollte ja eigentlich glauben, man würde sich ans Reisen irgendwann gewöhnen, wenn man das öfter mal gemacht hatte, aber irgendwie war das nicht der Fall. Jedenfalls nicht bei ihm. Nicht dass es ihn generell störte, unterwegs zu sein, aber nach Wochen auf der Straße war er dann doch meistens froh, endlich irgendwo anzukommen und sich von der Reise erholen zu können. Allein schon der Staub, den man auf der Straße immer schluckte... Andererseits: schlechter als die Luft in Rom war das auch nicht.
    Da traf es sich ganz gut, dass er nicht mehr in Rom war. Hadamar grinste breit. So sehr es ihn genervt hatte, dass er in den letzten Jahren immer wieder auf die Straße gemusst hatte, dass er in Italia herum und später nach Lugdunum geschickt worden war mit irgendwelchen Aufträgen, die er reichlich öde und dämlich fand, und dann von letzterem aus weiter nach Carthago, von wo er nach seinem Dienst dort ja auch wieder zurück gemusst hatte: die letzte Reise, die war es wert gewesen. Die hatte sich gelohnt. Er war wieder zu Hause. Endlich.
    Und nachdem er sich im Castellum erst mal eingefunden und das Nötigste erledigt hatte, um seine Centurie zu übernehmen, hatte er beschlossen den Abend einfach mal nichts zu tun. Als Centurio konnte er das ja leichter für sich entscheiden, und am nächsten Tag hatte er für sich eh Freigang organisiert, da stand dann ein ausgiebigerer Besuch bei seiner Familie an – was ein bisschen überfällig war, aber dass er nicht gleich direkt nach seiner Ankunft dort hatte aufschlagen können, dafür hatten sie hoffentlich Verständnis, und wenn nicht: sie mussten's ja auch nicht so genau erfahren.


    Endlich daheim also und der erste freie Abend seit seiner Ankunft – entsprechend gut gelaunt tauchte Hadamar in die Menschenmenge ein, die nach wie vor unterwegs war auf den Märkten, viele für die Verhältnisse hier wohl, aber doch so viel weniger, als es in Rom gewesen wären, diesem Moloch. Er besah sich flüchtig die Auslagen der Stände, war nicht auf der Suche nach irgendetwas Bestimmtem – für den Besuch bei seiner Familie hatte er schon alles, ein paar Mitbringsel für seine Mutter, seine Geschwister. Selbst für Runa, die Braut, hätte er was, er musste nur eins der Geschenke quasi, naja, umwidmen, sozusagen. Er wollte einfach nur die Stadt genießen, die er so lange vermisst hatte, und die trotz der langen Abwesenheit nach wie vor so vertraute Atmosphäre spüren. Er trank Mogontiacum regelrecht, kam es ihm vor. Für einen Moment blieb er stehen, schloss die Augen und atmete tief ein, um es zu genießen.
    Als er sie wieder öffnete, sah er jemanden. Weiblich. Jung. Hübsch. Sein linker Mundwinkel zuckte leicht nach oben, und mehr aus einem Impuls heraus denn aus einem bewussten Entschluss näherte er sich ihr langsam. Sie war an einem Schmuckstand und unterhielt sich auf Germanisch mit dem Händler, der offenbar gerade versuchte ihr ein Stück anzudrehen. Ohne groß nachzudenken gesellte Hadamar sich dazu. „Na... des würd i net nehmn“, klinkte er sich ungefragt in das Gespräch ein, und lächelte dabei ein wenig. Er nahm dem Händler das Schmuckstück – eine Haarspange war es, mit dunklen roten Steinen besetzt – aus der Hand und hielt sie gegen das Gesicht der Fremden. „De Farb passt net ganz. Für'n Hals wärs guat, aber in deine Haar fällt's net auf. Bisserl heller wär bessa. Oder a weiß. Weiß dat dir stehn.“ Jetzt lächelte er sie komplett an, offen und ein wenig verschmitzt. „Entschuldige. I such grad nach am Gschenk für mei Mutta.“ Tat er nicht, er hatte ja schon was, mal davon abgesehen dass seine Mutter sich schön bedanken würde, wenn sie was von hier bekam, wo er doch sogar in Carthago gewesen war. „Da hab i des grad mitbekomman und konnt net anderst ois wos zu sagn. I bin Hadamar.“

    Sim-Off:

    Mir ist das klar, keine Sorge :) Aber Hadamar nicht unbedingt...


    Hadamar kratzte sich am Kopf, als er die Reaktion des Cornicularius hörte. „Ehm“, machte er erst mal nicht sonderlich eloquent. Gut, machte Sinn dass es einen Zeitplan gab. „Also, ich...“ Aber der Mann sprach schon weiter und sagte ihm, dass er warten konnte, widersprach Hadamar nicht mehr. Gespräch hin oder her, dass er sich zurückmeldete, war ja kaum verkehrt, schon allein weil er noch gar nicht wusste wo er landen würde in der Secunda. Gut. Das konnte ihm vermutlich auch der Cornicularius sagen... aber egal. Er wartete jetzt mal ab.


    Es dauerte nicht allzu lange, da ging die Tür zum Officium auf und zwei Männer kamen heraus, darunter der Praefectus. Hadamar, der sich tatsächlich gesetzt hatte, war fast im selben Moment schon wieder auf den Beinen und salutierte. „Jawoll, Praefectus. Wollt mich nur zurückmelden und in Erfahrung bringen, wo ich hin soll.“

    Sim-Off:

    Ich übernehm mal



    Der Centurio schritt hinter den Tirones auf und ab, begutachtete wie sie sich machten und korrigierte gleich schon mal die schlimmsten Fehler. Ein paar bekamen leichte Schläge mit der Vitis gegen die Beine ab, damit sie die Stellung korrigierten, andere gegen die Arme wegen der Haltung.
    Er kam zum nächsten Tiro, der sich gar nicht mal so blöd anstellte – die Gelegenheit allerdings nutzte um Fragen zu stellen. Siculus Celer musterte ihn kritisch. Eiern?“ echote er finster. Eiern sollte gar kein Pilum, Tiro, wenn es ordentlich geworfen wird! Davon abgesehen ist das leichte für den Weitwurf gedacht, wenn die gegnerische Reihe noch weit weg ist. Und jetzt führ mir mal den Eierwurf vor...“

    Als Hadamar im Castellum der II. in Mogontiacum endlich eintraf, erfuhr er auf Anhieb schon mal gleich zwei Sachen: er hatte Alriks Kommandoübergabe verpasst. Und er hatte eine duccische Hochzeit verpasst! Über das Letzte ärgerte er sich maßlos, aber es brachte ihm wenig, der sicher rauschenden Feier hinterher zu trauern. Leider. Dadurch konnte er sich auch nicht zurückholen... Trotzdem ein wenig missgelaunt wollte er sich gerade auf den Weg zu den Unterkünften machen, als ihm der Soldat am Tor noch hinterher rief, dass der neue Praefectus Castrorum alle Centurionen sehen wollte, und das auch eigentlich schon seit mindestens gestern, wenn nicht vorgestern, denn vorvorgestern sei er angekommen. Woraufhin Hadamar mitten im Schritt die Richtung änderte, einem vorbeilaufenden Soldaten die Zügel des Gauls in die Hand drückte mit dem Hinweis, dass er den aufräumen sollte, und zur Principia marschierte, um sich gleich mal dort zu melden. War wahrscheinlich sowieso eine gute Idee. Erst mal Bescheid geben, dass er auch endlich da war. Um das Pferd konnten sich auch andere kümmern, und den Straßenstaub, der an ihm hing, fand er jetzt auch nicht so tragisch, da gab es Schlimmeres bei der Legio. Einen Moment später stand er auch schon drinnen und klopfte an die Tür des Vorzimmers, das er dann betrat, ohne lang auf die Antwort zu warten. „Salve“, grüßte er den Cornicularius, „ich bin Lucius Duccius Ferox, Centurio, Nachzügler vom Tross in dem der Legat und der Praefectus kamen, bin grad angekommen... hat er Zeit?“ nickte er zur Tür des Officiums hin.

    Da war die Heimat schon so zum Greifen nahe... und dann wurde er doch noch mal woandershin geschickt. Hadamar seufzte, während er seinen Gaul in einem recht gemütlichen Tempo durch die Gegend trotten ließ. Gut, er war immerhin wieder in Germanien, das war schon mal großartig, aber er sehnte sich nach daheim, nach Mogontiacum, den bekannten Straßen und Gassen, den Menschen. Nach seiner Familie. Aber Alrik hatte einen Auftrag für ihn gehabt, und selbst wenn Alrik nicht mittlerweile sein Vorgesetzter wäre, hätte er den erfüllt. Genau gesagt sollte er jemanden für ihn finden. Noch genauer: diesen... Lintrad, meinte Hadamar sich zu erinnern, nur eine halbe Portion, im wahrsten Sinne des Wortes, der sie dafür aber vor Jahren beim Bürgerkrieg begleitet hatte, und das mit einer Horde Söldner. Hadamar hatte mit denen eher wenig zu tun gehabt, aber daran erinnerte er sich trotzdem noch.


    Auf der Höhe von Argentoratum hatte er sich von dem Tross schon getrennt, weil Alrik vermutet hatte dass sein Kumpan dort zu finden sei – da war er allerdings nicht erfolgreich gewesen. Immerhin hatte er allerdings die Info bekommen, Lintrad sei aktuell in Augusta Raurica zu finden... also hieß es ein Stück zurück nach Süden. Die Stadttore konnte er schon vor sich sehen, und es dauerte nicht mehr lang, bis Hadamar sie durchritt und sich den Weg durchfragte bis zu der Kontaktperson, die ihm in Argentoratum genannt worden war. Der Kerl wiederum schickte ihn erneut weiter, und dann kam noch eine Station und eine weitere... bis Hadamar schließlich in einer Taberna landete. Wo er sich den Wirt vorknöpfte: „Ich brauch nen Bier, und ich brauch Lintrad. Und erzähl mir bloß net, du hättst eins von beiden net da, ich hab hier lang genug rumgeiert.“

    Na endlich war das Politik-Gesellschafts-Gefasel-und-Geschwurbel vorbei... und nachdem Eldrid nach Alriks Frau und Kind gefragt hatte, wandte sich das Gesprächsthema auch wieder Dingen zu, zu denen er auch was beitragen konnte. Genauer gesagt sogar recht viel, weil die Geschwister im Prinzip da weiter machten, wo sie aufgefhört hatten, als Alrik zu ihnen gestoßen war. Hadamar erzählte von seiner Versetzung zurück zur Legio II, und obwohl man ihm ansehen konnte, wie sehr er sich darüber freute, war er nicht ganz so enthusiastisch wie als er es erfahren hatte. Dass er zwar heim konnte, dafür aber Eldrid hier war und hier bleiben musste, war irgendwie ein Wermutstropfen. Aber daran konnten sie eh nichts ändern, und darüber zu jammern machte es nicht leichter, also ging er leichthin darüber weg und begann, sich mit seinen Verwandten über andere Sachen zu unterhalten – Geschichten zu erzählen und zu hören von den vergangenen Jahren, bis er sich irgendwann verabschieden musste, um ins Castell zurückzugehen.

    Hadamar hätte es ja nie geglaubt – aber als er Rom endlich hinter sich lassen konnte, tat er das mit gemischten Gefühlen. Es gefiel ihm nicht, Eldrid hier zurück zu lassen. Gut, sie war nicht allein, Audaod war auch hier... aber der war noch grün hinter den Ohren, wahrscheinlich würde eher Eldrid auf ihn aufpassen als umgekehrt. Nein, so ganz gefiel ihm das nicht, auch wenn seine Schwester immerhin zufrieden schien mit dem Mann, den sie abgekriegt hatte. Und das ganz ohne dass Hadamar ihm hätte Prügel androhen müssen.


    Während Alrik sich zuerst Eldrid und ihrem Mann zuwandte, begann Hadamar bei Audaod, sich zu verabschieden. Er drückte ihn kurz an sich und klopfte ihm ein paar Mal ordentlich auf den Rücken. „Loss di net untakriang, hosd mi? Un pass af Eldrid af.“ Konnte nicht schaden, dem Jungen das trotzdem nahezulegen, auch wenn Hadamar ziemlich überzeugt war, dass es umgekehrt laufen würde.
    Dann kam die Reihe an ihn und Eldrid, und als erstes musste er sie halb auffangen, so heftig fiel sie ihm um den Hals. Er umarmte sie fest, und musste dabei blinzeln, weil auch seine Augen ein bisschen feucht wurden. „Freili. Mach da koan Kopf, i pass scho af“, wisperte er an ihrem Ohr. „Siag liaba zu doss es di net zalegt hia... und wannsd Hoamweh host“, bei diesen Worten löste Hadamar sich genug von Eldrid, um ein etwas abgewetztes Lederband mit Anhänger von seinem Hals ziehen zu können, „denksd oafach dro wia mia zwoa uns imma gfetzt ham.“ Er grinste schief, als er ihr den Anhänger reichte, ein hölzener Wolf, sichtlich selbst geschnitzt, und sichtlich mit mehr Enthusiasmus als Talent. „Den hob i gmocht, ois mia damois nach Italia san.“ Genauer gesagt hatte er an irgendeinem Abend in den Alpen damit angefangen, bei einer Nachtwache, als er selbst Heimweh gehabt hatte. Seitdem hatte er ihn immer dabei gehabt, während des Bürgerkriegs, in Rom, in Carthago, auf den Reisen und Einsätzen dazwischen, als Glücksbringer und Erinnerung an daheim. Schien irgendwie passend, für ihn jedenfalls, dass der Anhänger bei Eldrid in Rom blieb. Er umarmte sie noch mal. „Machs guat.“
    Auch von ihrem Mann verabschiedete Hadamar sich – sein ehemaliger Feldherr, wenn er genau darüber nachdachte, konnte er immer noch nicht so recht fassen, dass er mit dem jetzt verschwägert war. „Viel Erfolg bei deinen Plänen für die Zukunft.“ Hadamar warf einen flüchtigen Blick zu seiner Schwester. „Und alles Gute für eure Ehe. Behandel sie gut.“


    Und dann... ging es auch schon los. Hadamar schwang sich auf seinen Gaul und reihte sich irgendwo in die Kolonne ein, die sich auf den Weg Richtung Norden machte. Richtung Heimat. Endlich.

    Als Alrik dann daran ging, nach den Eigenheiten von Eldrids zukünftigem Mann aufzuzählen, was für Eigenheiten Rom im Allgemeinen so hatte – das Rom jedenfalls, in dem er sich bewegte –, lehnte Hadamar sich breitbeinig, um nicht zu sagen fläzend zurück und widmete sich seinem Bier. Das war jetzt... nur mäßig interessant für ihn, erst recht weil er fest davon ausging, sowieso bald in die Heimat zurück zu können, und nie, niemals wieder einen Fuß nach Rom setzen zu müssen.
    Erst als sein Vetter nachfragte, ob Eldrid noch etwas wissen wollte, merkte Hadamar wieder auf – aber was sie wissen wollte, bezog sich auf Alrik, oder besser seine Frau und sein Kind, und... nun ja. War für Hadamar dann doch wieder nur mäßig interessant.

    Alrik also auch. Hadamar grinste und aß einfach weiter, bevor er wieder aufsah, diesmal als Alrik erwähnte, dass er Statthalter werden wurde. „Sauba. Do gratulier i.“ Sein Vetter als Statthalter. Das konnte lustig werden, überlegte er für einen Moment, aber mit einem einfachen Centurio würde er kaum etwas zu tun haben, jedenfalls dienstlich, sozusagen. Dann fiel ihm noch eine Frage ein: „Weichane Legio kriagst?“

    Hadamar bekam sein Grinsen gar nicht mehr in den Griff, erst recht nicht mehr, als Alrik seine Hoffnung bestätigte. Sein erster Impuls war aufzuspringen und seinen Vetter zu umarmen, aber die feine Umgebung hinderte ihn daran. Stattdessen langte er nur weit genug über den Tisch, um ihm ordentlich auf die Schulter zu klopfen, und grinste weiter breit. „Du hosd koa Ahnung, wia sea i hoam wui.“ Die Leute. Die Landschaft. Das Wetter. Alles hier passte nicht so recht. Und in Carthago hatte es noch viel weniger gepasst. Er war einfach nicht gemacht für so was.
    Mit der guten Nachricht schmeckte das Essen gleich noch mal besser, und Hadamar schlug erneut zu. Bis ihm ein Wörtchen auffiel. „Mia? Du a? Des werd ja oiwei bessa.“ Er trank einen großen Schluck. „Woaßt scho wann?“

    Keine paar Momente zu dritt in einem Raum – und Hadamar bekam brettelbreit aufs Brot geschmiert, wie wenig Ahnung er von Politik im Allgemeinen und Heiratspolitik im Besonderen hatte. Er bemühte sich um einen neutralen Gesichtsausdruck, was ihm auch recht gut gelang, immerhin war das als Soldat quasi ständig irgendwo irgendwie gefordert. Aber innerlich war er gerade heilfroh, dass er mit der ganzen Sache so wenig zu tun hatte. Und er hatte ein bisschen Mitleid mit seiner Schwester, die das allerdings nicht wirklich zu brauchen schien. Dass sie pragmatisch war und tat, was nötig war und getan werden musste, das hatte er gewusst. Aber über die Jahre hatte sie sich noch mal deutlich weiter entwickelt, stellte er gerade fest. So wie sie klang und sprach, würde sie sich in Rom wahrscheinlich besser zurecht finden als er, der von Anfang an, bis heute, ein Problem damit gehabt hatte sich hier einzufinden. Aber das mochte auch daran liegen, dass sie in dieser Hinsicht unterschiedlich waren. Eldrid tat, was von ihr gefordert wurde, und sie zog das durch, das hatte sie immer schon. Er hingegen... wenn er auf etwas absolut keine Lust hatte, dann konnte er sich nur schwer dazu bringen, und wenn es denn gar nicht anders ging, war er nicht sonderlich gut. Er brauchte eine andere Art von Motivation als einfach nur: das ist das Beste so.

    Hadamar schmunzelte, als Eldrid ziemlich deutlich zum Ausdruck brachte, dass sie nicht nur herzlich wenig wusste – sondern dass sie damit auch nicht sonderlich zufrieden war. Sie sagte es nicht exakt so, aber er kannte sie gut genug – zumindest wenn sie noch war wie früher –, um sich denken zu können, dass sie das nicht ganz so toll fand. „Da Annaeus is a oadntlicha. Dea hod beim Bürgakriag de Truppn ausm Nordn ogfiart, davor woara Statthoiter bei uns dahoam. Hod da ois Feidherr oiwei a guate Oarbeit gmocht, ois es eahm no guad ging. Aba do ko Alrik mea verzein.“

    Hadamar saß noch einen Augenblick lang überrascht da, bevor er das überwand und auch weiter aß. Seine Schwester und sein ehemaliger Feldherr. Auch gut. Zum Glück war er nicht gerade mit übermäßiger Scheu vor Höherstehenden geschlagen. Gesunder Respekt, das ja, aber mehr auch nicht. Er stützte die Ellbogen auf und biss ordentlich von einem Stück Brot ab, während Alrik aufzählte, was alles für diese Verbindung sprach. Klang in seinen Ohren alles logisch, was er da sagte. Und als Senator, Feldherr, Statthalter – da konnte er für Eldrid definitiv sorgen. Ganz im Gegenteil würde seine Schwester jetzt wohl einen Luxus kennen lernen, den sie bisher noch nicht gesehen hatte. Er kratzte sich an den Bartstoppeln. „Oane af di ea si verlossn ko? Da isd Eldrid grad de rechte. Gibt koa bessare.“ Immerhin war sie diejenige gewesen nach dem Tod ihres Vaters, die ihrer Mutter wirklich geholfen, die Verantwortung übernommen hatte. Er selbst... naja. Er hatte geholfen, wo er konnte, aber er hatte sich nie in die Rolle des Vaterersatzes drängen lassen, hatte das um keinen Preis gewollt, sondern sich dann im Fall des Falles lieber mit Sönke abgesetzt und war fischen gegangen oder so. Eldrid dagegen... war das Verantwortungsbewusstsein in Person. „Un wenn da a jeda wos vo hot... ois in oim: werd scho wern. Eldrid kannts deitli miesa treffn ois wiaran Senator, dea wo no dazu woaß wo mia heakimma.“


    Und dann kam die nächste Überraschung. Aber was für eine. Für einen Moment starrte Hadamar seinen Vetter einfach nur an – dann leuchteten seine Augen auf, und ein Grinsen breitete sich über sein Gesicht aus. „I dearf hoam? Ohne Schmarrn?“

    Hadamar hatte relativ kurzfristig erfahren, dass Eldrid an diesem Tag angekommen war – es war nicht ganz so einfach gewesen, sich kurzfristig freizuschaufeln, aber nachdem seine Versetzung schon durch war und er im Grunde sowieso nur auf den Marschbefehl wartete, hatte er es dann doch fertig gebracht, ein bisschen freie Zeit zu bekommen. Es tat ihm gut, sie wieder zu sehen, besser als er gedacht hätte. All die Jahre in der Fremde... erst als er sie sah, realisierte er, wie viel Zeit wirklich vergangen war.
    Entsprechend freudig fiel auch das Wiedersehen aus – und entsprechend viel hatten sie sich zu erzählen. Oder jedenfalls Hadamar. Mit den Geschichten aus Carthago konnte er vermutlich ganze Abende füllen und würde an kein Ende kommen. Bevor er ihr allerdings ein Ohr hätte abkauen können, kam Alrik herein, und Hadamar stand auf und grüßte ihn mit einer knappen Umarmung und einem Schulterklopfen, nachdem Eldrid und er sich begrüßt hatten.

    „Da Feidherr vo uns, vo damois?“ wiederholte Hadamar, und diesmal war er wirklich überrascht. Den ehemaligen Statthalter Germaniens und den Feldherrn der nördlichen Truppen im Bürgerkrieg, seinen ehemaligen Oberkommandierenden, den sollte seine Schwester heiraten? Ihr erster Mann war ja schon außerhalb seiner Liga gewesen, aber der jetzt... das war ne Hausnummer. „Bluadsakra, des is... a gscheide Partie.“ Dem konnte er ja noch nicht mal androhen ihm eins auf die Fresse zu geben, wenn er seine Schwester nicht ordentlich behandelte. Naja, konnte er schon, aber er sollte es wohl besser... blumig verpacken. Oder so. „Wann kimmtsn o? Un wos host iba mi?“

    Eldrid? In Ordnung, dann war es doch eher unwahrscheinlich, dass es um etwas ging was sie vielleicht angestellt hatte. Was dann kam, war... hm. Nicht wirklich überraschend, eigentlich. Ablenkend genug, dass Hadamar zwar mitbekam, wie Alriks Frau nun reichlich angesäuert verschwand, ihren Abgang abgesehen von einem abwesenden Nicken ignorierte. Aber nicht überraschend. Dass Eldrids Mann gestorben war, hatte er mitbekommen gehabt, gerade solche Neuigkeiten schrieben sie ihm. Natürlich war klar gewesen, dass sie irgendwann wieder heiraten würde. Dass sie allerdings nach Rom kam... er wusste nicht, was er davon halten sollte. Er selbst konnte Rom nicht wirklich leiden, und er ging einfach mal davon aus, dass es Eldrid genauso gehen würde. Aber wenn sie hier in Rom heiraten sollte, hieß das, dass Alrik irgendwas klar gemacht hatte. Und die Hackordnung in der Familie war klar genug – großer Bruder hin oder her, er hatte da nicht wirklich was zu melden. Hatte er ja schon bei ihrer ersten Ehe nicht gehabt, kein Wunder, er war ja sonstwo unterwegs gewesen mit der Legio. Und er hatte auch nicht wirklich Ahnung. Er wollte, dass es seiner Schwester gut ging, dass sie wenn möglich glücklich war – was auch immer das für sie heißen mochte, für ihn selbst brauchte es da nicht viel –, aber wie man es auch so drehte, dass ihre Sippe profitierte? Da musste er passen, dafür kannte er sich viel zu wenig aus in dem gesellschaftlichen Geflecht, in dem Alrik sich inzwischen bewegte. Nur Rom... dass sie ihr Leben von jetzt an in Rom verbringen sollte... Hadamar konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie damit glücklich werden würde. Aber am Ende war eigentlich nur eines interessant: „Un weichan Mo sois heiratn?“

    Hadamar guckte ein wenig verdutzt, als Alriks Frau nicht nur sein Angebot nicht annahm, sondern irgendwie... sauer aussah. Aber gut, wenn sie ihn unbedingt Ferox nennen wollte, konnte er damit auch leben. „Wie... du magst...“ Seine Augenbrauen wanderten nach oben, dann schaute er seinen Vetter an – der beschloss auf seine ganz eigene Art zu reagieren. Ein letzter Blick ging noch zu Lucia, dann zuckte er die Achseln und zog sich was zu essen heran, während sein Vetter auf Germanisch weitersprach. Ein Bissen schaffte es in seinen Mund – der zweite allerdings verharrte dann schon irgendwo auf dem Weg vom Teller zum Mund, als Alrik mit Neuigkeiten rausrückte. Einen Lidschlag lang brauchte Hadamar, um sich überhaupt zu entscheiden, nach was er zuerst fragen sollte... Schwesterodereinsatzort, Schwesterodereinsatzort? Ihm schauderte bei dem Gedanken, wo er womöglich als nächstes hingeschickt werden würde... aber Familie ging vor. Nach einem kurzen Augenblick und einem Schlucken fragte er also: „Um weichane gatsn? Un wos hots Deandl ogsteit?“

    Als die Tiberia ihn so ausdrücklich mit seinem römischen Namen ansprach, musste Hadamar kurz grinsen. „Ja, auch. Für Römer halt. Aber du gehörst ja jetzt zur Familie, du kannst gern Hadamar sagen“, bot er ihr an, völlig ahnungslos, dass Lucia ihren Kommentar eigentlich anders gemeint hatte. Im Gegenteil war er der Überzeugung, freundlich und zuvorkommend gegenüber der Frau seines Vetters zu sein. Immerhin bot er das nicht jedem Römer an.


    Der kleine... nicht mehr ganz so kleine Audaod wollte es also Alrik gleich machen und in Rom Politiker werden. Hadamar konnte das nicht ganz nachvollziehen – hatte er noch nie gekonnt, und seit er miterlebt hatte wie es in Rom manchmal zuging, noch viel weniger. Aber das groß auszubreiten, brachte eh nichts. Nicken und lächeln... nicken und lächeln hieß da also die Devise, der Hadamar folgte, kombiniert mit der Erwiderung des Schulterklopfens, das bei ihm allerdings so kräftig ausfiel, dass es mehr von einem ordentlichen Schlag hatte, und einem: „Viel Erfolg dabei.“


    Der Vorwurf in Alriks Worten ging, so deutlich wie er formuliert war, selbst an Hadamar nicht vorbei... und er zog eine Grimasse daraufhin. „Tut mir leid. Ich wär auch lieber in Rom gewesen, das kannst mir glauben, und das will was heißen. Carthago ist furchtbar...“ Er nickte Audaod zu. „Von der Hitze machst du dir keine Vorstellungen. Und das Essen erst! Ich weiß nicht, wie die Einheimischen das Zeug vertragen, ich hab da jedenfalls den Legionsfraß lieben gelernt. Der macht wenigstens keine Schwierigkeiten beim... auf dem Weg raus.“ Eigentlich hatten ihm weit deftigere Worte auf den Lippen gelegen, aber die feine Umgebung, in der er sich aufhielt, und die Anwesenheit einer Frau hatte dann doch etwas Auswirkung auf ihn.

    Hadamars Miene erhellte sich, als der Türsteher was von Abendessen erzählte – natürlich ging er davon aus, dass er da dann dazu kommen konnte. Und was abkriegen. Als Centurio konnte er sich zwar sicher was besseres leisten, aber meistens wurde es halt doch der übliche Soldatenfraß, schon allein aus Bequemlichkeit. Der Ianitor machte aber nicht sofort Anstalten, ihn reinzulassen, sondern... ja, was eigentlich? Hadamar hatte keine Ahnung. Aber nach einem Moment des Zögerns ließ er ihn dann doch noch ein und brachte ihn ins Triclinium.


    Auch dort gab es einen Moment des Zögerns. War vermutlich nicht wirklich überraschend, immerhin waren doch ein paar Jahre vergangen. Von denen, die Hadamar so im Raum sah, war auch keiner wirklich jünger geworden. „Alrik. Gut siehst aus. Politikerleben, hu?“ In anderen Worten: als Tribun war er eindrucksvoller gewesen. Ein breites Grinsen zog sich über sein Gesicht. „Carthago. Nach dem Kontrollbesuch bei der Münzanstalt in Lugdunum ham sie mich zu der Urbanereinheit in Carthago ab-“ geschoben, lag auf seinen Lippen, aber gerade noch rechtzeitig wandelte er es um in ein: „kommandiert.“ Und überspielte das winzige Stocken in seinen Worten gekonnt mit einem Lächeln in Richtung der Hausherrin, während er gleichzeitig einem Diener Platz machte, der gerade das Geschirr für ihn brachte. „Lucia, schön dich wieder zu sehen. Und freilich kenn ich...“ Seine Stimme brach kurz ab, als er Audaod schließlich ansah, dann musste er lachen, bevor er sich auf den inzwischen gebrachten Stuhl setzte. „Verdammte Axt bist du groß geworden. Was treibst du in Rom?“

    „Salve“, grüßte Hadamar zurück und lächelte freundlich, „ich bin Ha...h...hm“, verschluckte er dann den Rest seines Namens, als ihm einfiel, dass der germanische ihn eventuell nicht sonderlich weit bringen würde. „Duccius Ferox, ein Vetter von Vala. Hat er grad Zeit?“ Vielleicht hätte er sich vorher ankündigen sollen. Vermutlich. Aber im Zweifel wartete er halt eine Weile, ein bisschen Spielraum hatte er dafür. Oder er kam später wieder. Oder so.