Hadamar streckte sich ein wenig, während er durch die Stadt lief, in einer einfachen Tunika, und sich den Märkten näherte. Die Reise steckte ihm noch ein bisschen in den Knochen... man sollte ja eigentlich glauben, man würde sich ans Reisen irgendwann gewöhnen, wenn man das öfter mal gemacht hatte, aber irgendwie war das nicht der Fall. Jedenfalls nicht bei ihm. Nicht dass es ihn generell störte, unterwegs zu sein, aber nach Wochen auf der Straße war er dann doch meistens froh, endlich irgendwo anzukommen und sich von der Reise erholen zu können. Allein schon der Staub, den man auf der Straße immer schluckte... Andererseits: schlechter als die Luft in Rom war das auch nicht.
Da traf es sich ganz gut, dass er nicht mehr in Rom war. Hadamar grinste breit. So sehr es ihn genervt hatte, dass er in den letzten Jahren immer wieder auf die Straße gemusst hatte, dass er in Italia herum und später nach Lugdunum geschickt worden war mit irgendwelchen Aufträgen, die er reichlich öde und dämlich fand, und dann von letzterem aus weiter nach Carthago, von wo er nach seinem Dienst dort ja auch wieder zurück gemusst hatte: die letzte Reise, die war es wert gewesen. Die hatte sich gelohnt. Er war wieder zu Hause. Endlich.
Und nachdem er sich im Castellum erst mal eingefunden und das Nötigste erledigt hatte, um seine Centurie zu übernehmen, hatte er beschlossen den Abend einfach mal nichts zu tun. Als Centurio konnte er das ja leichter für sich entscheiden, und am nächsten Tag hatte er für sich eh Freigang organisiert, da stand dann ein ausgiebigerer Besuch bei seiner Familie an – was ein bisschen überfällig war, aber dass er nicht gleich direkt nach seiner Ankunft dort hatte aufschlagen können, dafür hatten sie hoffentlich Verständnis, und wenn nicht: sie mussten's ja auch nicht so genau erfahren.
Endlich daheim also und der erste freie Abend seit seiner Ankunft – entsprechend gut gelaunt tauchte Hadamar in die Menschenmenge ein, die nach wie vor unterwegs war auf den Märkten, viele für die Verhältnisse hier wohl, aber doch so viel weniger, als es in Rom gewesen wären, diesem Moloch. Er besah sich flüchtig die Auslagen der Stände, war nicht auf der Suche nach irgendetwas Bestimmtem – für den Besuch bei seiner Familie hatte er schon alles, ein paar Mitbringsel für seine Mutter, seine Geschwister. Selbst für Runa, die Braut, hätte er was, er musste nur eins der Geschenke quasi, naja, umwidmen, sozusagen. Er wollte einfach nur die Stadt genießen, die er so lange vermisst hatte, und die trotz der langen Abwesenheit nach wie vor so vertraute Atmosphäre spüren. Er trank Mogontiacum regelrecht, kam es ihm vor. Für einen Moment blieb er stehen, schloss die Augen und atmete tief ein, um es zu genießen.
Als er sie wieder öffnete, sah er jemanden. Weiblich. Jung. Hübsch. Sein linker Mundwinkel zuckte leicht nach oben, und mehr aus einem Impuls heraus denn aus einem bewussten Entschluss näherte er sich ihr langsam. Sie war an einem Schmuckstand und unterhielt sich auf Germanisch mit dem Händler, der offenbar gerade versuchte ihr ein Stück anzudrehen. Ohne groß nachzudenken gesellte Hadamar sich dazu. „Na... des würd i net nehmn“, klinkte er sich ungefragt in das Gespräch ein, und lächelte dabei ein wenig. Er nahm dem Händler das Schmuckstück – eine Haarspange war es, mit dunklen roten Steinen besetzt – aus der Hand und hielt sie gegen das Gesicht der Fremden. „De Farb passt net ganz. Für'n Hals wärs guat, aber in deine Haar fällt's net auf. Bisserl heller wär bessa. Oder a weiß. Weiß dat dir stehn.“ Jetzt lächelte er sie komplett an, offen und ein wenig verschmitzt. „Entschuldige. I such grad nach am Gschenk für mei Mutta.“ Tat er nicht, er hatte ja schon was, mal davon abgesehen dass seine Mutter sich schön bedanken würde, wenn sie was von hier bekam, wo er doch sogar in Carthago gewesen war. „Da hab i des grad mitbekomman und konnt net anderst ois wos zu sagn. I bin Hadamar.“