Beiträge von Lucius Duccius Ferox

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    Die Stadtwache:


    Unisono nickten die beiden Milites, als der Jungspund ihnen zustimmte. „Na... vielleicht wird aus dir noch was“, sagte der eine versöhnlich gestimmt, während der andere den Gaul etwas kritisch musterte und sich für einen Moment fragte, wie man so einem Vieh hängen konnte... Pferde, das war nichts seins, es sei denn sie landeten auf seinem Teller. „Wenn du ihm schon was beigebracht hast“, sagte er zu dem Älteren, „wird sicher was aus ihm. Die Ausbilder in der Castra freuen sich jedes Mal, wenn sie's nicht mit blutigen Anfängern zu tun haben.“ Er grinste breit.
    Bei der nächsten Frage sahen sich die beiden Milites an und überlegten einen Moment. „Naja... in den Canabae gibt's ne Taberna, die wird jedenfalls oft von Legionären aufgesucht. Eberkopf, heißt die, wennst der Hauptstraße vom Castellum aus folgst und dann bei dem schiefen Haus mit Efeu an der Mauer links abbiegst, der Gasse weiter folgst und die dritte dann rechts reingehst, da findstes.“
    „Und in der Stadt selbst gibt's zum Beispiel die Taberna Silva Nigra... ist jetzt keine reine Legionärstaberna, hat aber für jeden Geschmack was.“





    Vom Tesserarius seiner Centurie war Hadamar am Vorabend auf den Befehl aufmerksam gemacht worden, wo seine Centurie sich am nächsten Morgen einzufinden hatte direkt nach dem Appell... also hieß: Tagesplan erst mal umschmeißen.
    Auch kein Problem. Am nächsten Morgen ließ Hadamar seine Truppe zum Morgenappell antreten, von da aus direkt zur Taberna marschieren. Warum sie ausgerechnet da antanzen sollten, war ihm zwar schleierhaft, aber das würden sie schon noch erfahren... er ließ die Soldaten einfach aufmarschieren, in Stellung gehen, und begab sich dann zum Praefectus Castrorum, der mit ein paar anderen Leuten schon da war. „Cohors II Centuria IV vollständig angetreten, Praefectus“, meldete er, während er salutierte.

    Hadamar nickte, was die Ausbildung betraf, und war beim nächsten Thema – der Taberna – dann doch etwas froh, dass der Praefectus einfach darüber hinweg ging. Bei den Urbanern hatte es einen Tribun gegeben, der ihn angeblafft hätte für so einen Kommentar... was ihn irgendwie trotzdem nicht wirklich davon abgehalten hatte. „Danke, Praefectus“, erwiderte er zum Schluss, salutierte vor dem Iulius und verließ das Officium, um sich zu seiner neuen Centurie zu begeben.

    Gemeinsam mit Nela, die sich bei ihm untergehakt hatte, lief Hadamar durch die Straßen Mogontiacums zur Taberna Silva Nigra und alberte mit ihr weiter ein bisschen herum. Der Weg war ihm noch gut vertraut... auch wenn er die ein oder andere Veränderung bemerkte. Flüchtig fragte er sich, ob es eine so gute Idee war ausgerechnet zu der Taberna zu gehen, die im Besitz seiner Familie war – immerhin hatte er nicht vor, seiner Begleitung zu verraten, wer er war. Er wollte sie ins Bett kriegen, mehr nicht, und wenn sie seinen Namen erfuhr, wäre es ein Leichtes für sie, ihn in der nächsten Zeit aufzuspüren und Stress zu machen. Aber eigentlich dürfte ihn in der Taberna keiner kennen... er war lange genug weg gewesen, und die Bediensteten wechselten ja auch durch. So lange er also nicht das Pech hatte, irgendwen von früher zu treffen, der ihn besser kannte, sollte das kein Problem sein.
    Trotzdem suchte er sich, als sie angekommen waren, einen Tisch in einer Nische, die nicht so leicht einsehbar war. „Mia...“ er überlegte kurz, als die Bedienung am Tisch auftauchte, und sah Nela an. „Was moanst – nemma oafach a Platte mit verschiednem Zeug? Oda magst wos bstimmtes?“

    „Des siag i ganz genauso“, grinste Hadamar breit zurück. So wie Nela jetzt lächelte, war die Sache durch – sie würde mitkommen, was hieß: der nächste Schritt war geschafft. Der eigentlich nur darin bestand sie dazu zu bringen, noch mehr Zeit mit ihm zu verbringen. „Najo, wannst an bessan Vorschlag hosd: gern. Aber wos essn biat si o. Auch weil i langsam an Hunga kriag.“ Er lachte, als sie jetzt anfing herum zu albern, und während sie sich tatsächlich bei ihm unterhakte und sie sich gemeinsam in Bewegung setzten, ging er darauf ein: „I woaß gar net, vielleicht hod's a Sammlung vo all de furchtbare Gschenke, die's vo mia amoi kriagt hod.“

    Hadamar leerte seinen Krug, während der Wirt die Münzen einstrich und sich erst mal in aller Seelenruhe weiter seinen Krügen widmete. So langsam ging ihm die Geduld aus... er hatte einfach keinen Bock mehr darauf, ewig herum geschickt zu werden und zu suchen. Das nächste Mal, wenn Alrik einen Auftrag für ihn hatte, würde der hoffentlich leichter zu erfüllen sein... oder zumindest nicht beinhalten, dass er erst mal nach seinem Ziel suchen musste.
    Bevor er zum Wirt noch mal was sagen konnte, deutete der dann doch in eine Richtung, zu den Tischen, genauer gesagt zu einem, der leer war. Erst auf den zweiten Blick entdeckte Hadamar die Gestalt, die darunter lag. Tatsächlich? Hier? Er warf dem Wirt einen entnervten Blick zu, ließ den Krug auf der Theke stehen und ging hinüber. Am Tisch angekommen bückte er sich, packte die Gestalt am Kragen, zog sie eher unsanft unter dem Tisch hervor und richtete sich wieder auf. „Lintrad?“ Nur um sicher zu gehen, dass der Kerl auch wirklich wach war, schüttelte Hadamar ihn ein bisschen.

    Der Soldat, der gerade mit anderen Wachdienst am Tor hatte, stapfte kurz in die Basilica hinein. „Post ist da...“ Er gab das Zeug ab, das hierher gehörte, darunter auch folgende Schreiben für den Praefectus Castrorum:


    Roma, KAL OCT DCCCLXV A.U.C.

    Ad
    Praefectus Castrorum
    Marcus Iulius Licinus
    Castra Legionis II Germanica
    Mogontiacum, Germania Superior



    Dives Licino patruo magno s.d.p.


    Bitte verzeih mir, dass ich dir nicht unverzüglich schrieb, nachdem du mich zum Institor deines Landguts bei Cremona bestimmtest. Doch in der Tat habe ich einerseits nicht gewusst (und weiß es noch heute nicht), ob ich dir zu dieser Versetzung auf die andere Seite der Alpen gratulieren soll oder nicht, wie ich andererseits aber auch kaum Zeit zum Schreiben hatte, da ich mich sogleich der Verwaltung deines Landes zu widmen begann.


    So habe ich, wie du dem zweiseitigen Quartalsbericht entnehmen kannst, in deinem Namen eine lokale Schreinerei aufgekauft und wieder wettbewerbsfähig gemacht. Ich denke, die Zahlen sprechen hier für sich. So nämlich ließ sich nicht nur die Gewinnerwartung mehr als versechsfachen. Auch der tatsächlich erzielte Gewinn ist in diese Höhe gestiegen - und gar noch darüber hinaus.
    So erweiterte ich jüngst deine lokalen Unternehmungen aufgrund von Rohstoffmangel bei den Edelhölzern um ein eigenes Sägewerk ganz in der Nähe. Dies, so erwarte ich, wird den Mangel künftig zumindest etwas entschärfen, wie zudem nun soviel einfaches Holz geschlagen wird, dass man darüber nachdenken kann, wie man jenes je nach Marktentwicklung zur Not selbst in anderen Produktionsprozessen, zum Beispiel der Herstellung von Werkzeugen, verbraucht.


    Zudem erwähnen möchte ich die Etablierung deiner Unternehmungen im lokalen Handwerker-Gewerbe. Bereits ganze 17 Aufträge konnten erfolglich bearbeitet und mit einem Durchschnittsgewinn von knapp HS 97.20 abgeliefert werden. Zum Vergleich: Damit konnten in dieser kurzen Zeit bereits über vier Fünftel der Anschaffungskosten der Sklaven gedeckt werden!
    Als letztes als dein Institor bemerken möchte ich, dass ich von meiner satten Provision lediglich eine neue Wertkarte für den Cursus Publicus erstanden habe, um dir weiterhin regelmäßig schreiben zu können. Auf den verbleibenden Restbetrag möchte ich in diesem Quartal gern genauso verzichten, wie auch du einst darauf verzichtetest, dass ich dir deinen Anteil in Höhe von HS 833.33 an Livillas geerbtem Schiff ordentlich ausbezahle.


    Damit nun zur sonstigen Lage in Roma. Im Allgemeinen ist es hier zur Zeit eher ruhig, mit einigen, wenigen Ausnahmen. So wurden Fausta und ich neulich in die Domus Augustana zu einer Cena beim Augustus und seiner Familia eingeladen. Ob ich dabei jedoch der angestrebten Senatorenwürde wirklich näher gekommen bin, vermag ich kaum zu sagen. Denn zwar ließ ich es mir nicht nehmen, die Kaiserfamilie meinen Möglichkeiten entsprechend zu beschenken, Früchte jedoch trug diese Maßnahme bisher leider nicht.
    Stattdessen allerdings überraschte mich vor kurzem ein Großneffe des sicherlich auch dir noch namentlich bekannten Senators Helvetius Geminus. Der allein schon aufgrund seines familiären Hintergrunds vielversprechende Mann namens Marcus Helvetius Severus bat mich darum, ihn als meinen Klienten anzunehmen. Es scheint, als würde ich folglich doch nicht alles falsch machen. Und so bin ich auch ganz zuversichtlich, ihm demnächst zu einem Posten auf dem Palatin verhelfen zu können.


    Ansonsten geht es meinen Kindern soweit gut. Der kleine Marcus entwickelt sich prächtig, während seine Schwester aus dem Atrium Vestae wie immer kaum etwas von sich hören lässt. Wahrscheinlich, so rede ich mir ein, lernt sie von früh bis spät ihre heiligen Lektionen, um eine besonders vorbildliche Vestalin zu sein.


    In diesem Sinne verbleibe ich mit den besten Grüßen aus der Domus Iulia in Roma und wünsche dir den Segen der unsterblichen Götter! Möge Mars über dich wachen. Vale bene!


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    MARCUS IULIUS DIVES
    QUAESTORIUS


    COMMENTARIVM NEGOTIALE I


    TERTII SPATII TRIMESTRIS ANNO DCCCLXV A.V.C.
    DE VILLA RVSTICA IVLII LICINI CREMONA



    * Gewinnerwartung A (ohne Schreiner-Betrieb) = 6x HS 50.00
    * Gewinnerwartung B (mit Schreiner-Betrieb (IV)) = A + 6x (4x HS 65.00)
    * Gewinnerwartung C (mit Sägewerk-Betrieb (I)) = B + 6x (1x HS 180)



    COMMENTARIVM NEGOTIALE II


    TERTII SPATII TRIMESTRIS ANNO DCCCLXV A.V.C.
    DE VILLA RVSTICA IVLII LICINI CREMONA






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    Die Stadtwache:


    „20 Jahre“, grinste der andere Miles, „das is verdammt lang her.“
    „Ja...“ knüpfte der erste an, durchaus erfreut, dass da jemand war, der nicht einfach nur durch das Stadttor wollte, sondern ein bisschen plauderte. Noch dazu jemand, der von Haltung und Ausstrahlung doch recht eindeutig Soldat gewesen war. „Wirst einiges entdecken was neu ist. Das Castell der Ala hast ja vermutlich schon gesehen...“ Mussten sie, wenn sie aus der Richtung gekommen waren. Und die Verlegung der Ala von Confluentes hierher war wohl so ziemlich die auffälligste Änderung, die Mogontiacum gemacht hatte – vielleicht nicht in den letzten 20 Jahren, aber doch die auffälligste in dem Zeitraum, den der Miles beurteilen konnte.
    Dass der Jüngere der zwei sich bei der Legio melden wollte, honorierten die beiden Soldaten mit einem gefälligen Nicken. Die darauf folgende Frage förderte bei einem von ihnen aber einen etwas zweifelnden Gesichtsausdruck zutage, während der andere die Augen rollte. „Ne Kavallerieeinheit? Klar gibt's eine*, aber was willst'n bei der? Was'n echter Kerl ist, bleibt bei den Cohorten!“
    „So schaut's aus...“ Nicht umsonst waren die Alae offen für Peregrini, aber die Legionen, das Herzstück der römischen Armee, nur für Bürger zugänglich. Die zwei Milites, die gerade Stadtwache hielten, bildeten sich darauf doch einiges ein – wie zu merken war. „Wenn du dich meldest, wirst das hoffentlich noch lernen während der Ausbildung.“




    Sim-Off:

    *Die bespielte Turma der Legion ist allerdings abgeordnet zur Ala zu deren Unterstützung.



    Hadamar nickte, und seine Augen funkelten bei ihrer Reaktion. Wo seine Haare rotbraun waren, leuchteten die seiner Mutter tatsächlich kupferrot... und seine Schwestern hatten von der Farbe auch ein bisschen mehr abbekommen als er. Genauso wie einer seiner Brüder – Iring war der einzige, der nicht mal einen rötlichen Schimmer aufwies.
    Er zahlte und steckte die Kette ein, ließ sich ebenso wie Nela einen Becher Saft geben und beobachtete sie weiterhin, immer auf jene Art, von der er hoffte dass es genau das richtige Maß traf: nicht zu viel, nicht zu wenig. Nicht aufdringlich, aber doch so, als sei sie gerade die einzige Frau der Welt für ihn.


    Und er schien den richtigen Ton zu treffen, jedenfalls so wie sie auf ihn reagierte. Zwischendurch wirkte sie überrascht, aber dann lächelte sie wieder – und sie ging auf das ein, was er sagte. Hakte nach. Zeigte sich ganz und gar nicht abgeneigt. Noch war er nicht über den Berg, hatte er das Gefühl, aber er war auf dem richtigen Weg. „Moan i“, bestätigte er. „Oiso, klar, wennst gehn mogst... aber du dadst was verpassn.“ Sie hatte Interesse daran zu bleiben, so viel stand für ihn fest, was hieß dass er sie darin einfach nur bestärken musste. Was er versuchte, mit seinem Lächeln, seinen Worten. Und dann kam, was er sich erhofft hatte – na gut. Sie blieb. Hadamars Lächeln bekam für einen winzigen Moment etwas Siegesgewisses, bevor er wieder so freundlich und leicht verschmitzt lächelte wie zuvor auch. Ein bisschen zögerlich wirkte sie zwar noch, aber sie hatte gesagt sie blieb noch, was ihm freie Hand gab, mögliche Zweifel oder Zögern erst mal zu übergehen, als gäbe es sie gar nicht. Und Nela, obwohl sie etwas unsicher schien, machte es ihm leicht, fragte sie doch jetzt nicht nur nach, wie er sich bedanken wollte, sondern machte sogar einen Vorschlag, den er tatsächlich hatte machen wollen. „Is des oafachste um si zu bedankn, ja“, grinste er also. „Du host ja koa Ahnung, wia schwar i mi efta damit doa, wos passendes zum findn. Und i war scho lang nimma in der Stadt, i hätt hia auf Anhieb nix gfundn.“ Er bot ihr seinen Arm an, um sie über den Markt zu führen, blieb aber auf genügend Distanz, dass sie völlig frei entscheiden konnte ob sie ihn nehmen wollte oder nicht. „Is die Taberna Silva Nigra imma no so guad wie vor a paar Jahr?“

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    Die Stadtwache:


    Reichlich gelangweilt standen die beiden Milites am Stadttor. Es war herzlich wenig los im Moment... und wenn, dann wollten die meisten gerade eher raus aus der Stadt. Es wurde Abend, die Händler packten ihre Sachen zusammen und verschwanden nach und nach – vor allem die, die noch einen etwas längeren Heimweg vor sich hatten und gerne vor Einbruch der Dunkelheit ankommen würden. Alles in allem eine Tageszeit, in der es für die Milites einfach... langweilig war. Weil es nichts zu tun gab.


    Da war jede Form von Abwechslung recht, und die präsentierte sich ihnen, als zwei Reiter sich dem Stadttor näherten. Auch beide schon fast fürchteten, dass es so viel an Abwechslung auch wieder nicht werden würde. „Salvete, die Herren...“ erwiderte einer der beiden Soldaten, während die Reiter von beiden ausgiebig gemustert wurden. „Was wollt ihr in der Stadt so spät noch?“





    Keiner rührte sich. Na das fing ja schon mal wunderbar an... Hadamar ignorierte die Turma, die am anderen Ende des Campus einritten, und ließ seinen Blick über die Reihe von Tirones schweifen, von denen so mancher versuchte, seine Haltung zu korrigieren – wobei einige sie tatsächlich verbesserten, andere es dagegen nur schlimmer machten. „Lektion Nummer eins: wenn ich ne Frage stell, will ich ne Antwort kriegen!“ Hadamar bemerkte zwar, dass einer der Reiter näher kam, verschwendete aber keinen Blick auf ihn – irgendwas würde der hier hinten schon zu tun haben. Kein Grund, danach zu sehen, auch wenn der ein oder andere Tiro sich durchaus ablenken ließ. Auch wenn nach und nach klar wurde, dass der Gaul mitsamt Reiter recht zielstrebig auf sie zuhielt. „Augen zu mir. Du da...“, pickte er sich einen heraus, der seine Sache ziemlich gut machte – der Tiro, der von Italia mitgekommen war. Vielleicht hatte er sich auf der Reise das ein oder andere abgeguckt, vielleicht hatte er einfach ein gewisses Talent dafür. „Tiro Octavius. Vortreten.“ Der Gaul war unterdessen neben ihm zum Stehen kommen. Und stand da. Hadamar zog eine Augenbraue hoch und warf nun doch endlich einen Blick zu dem Reiter hoch, dessen Gesicht er nicht sehen konnte hinter der Maske. „Octavius, vormachen und die andern korrigieren.“ Und zu dem Reiter gewandt: „Bin hier grad beschäftigt, Decurio... Ist was dringendes?“

    Er mochte sich irren, aber seine Berührungen schienen bei Nela was zu bewirken. In jedem Fall wich sie nicht zurück, und auch ihr Lächeln blieb, wurde sogar eher noch offener. So weit lief also alles wunderbar. „No mehra wiari“, wiederholte Hadamar dann, als es um seine Haare und die seiner Mutter ging, und nickte, als Nela auch meinte, die Kette wäre besser. Hatte er offenbar gar nicht falsch gelegen mit seiner Einschätzung – aber gut, wenigstens das hatte er über die Jahre in der Hinsicht dann doch gelernt: wenn er niemanden hatte, der ihm einen Tipp geben konnte, lieber auf Nummer Sicher gehen und das kaufen, was nicht zu auffällig war. War auch nicht immer richtig, aber doch in deutlich mehr Fällen als umgekehrt.
    Spielte im Moment aber keine Rolle. Er hatte ja gerade jemanden, der ihm half – und selbst das spielte eigentlich keine Rolle, weil das Geschenk für seine Mutter nur ein Vorwand war. „Dann nehm i die.“ Er gab dem Händler einen Wink und reichte die Kette an ihn weiter, damit er sie einpacken konnte. Sein Blick glitt noch mal über die Auslage, aber mehr, weil es aufdringlich wirken könnte wenn er sie die ganze Zeit ansah, und weniger weil ihn tatsächlich da irgendwas interessierte. Er besah sich das ein oder andere Stück und zahlte dann für die Kette, als der Händler fertig war mit Einpacken.


    Die Kette verschwand gerade in einem Beutel an seinem Gürtel, als ein weiterer Händler die Gunst des Augenblicks ergriff und ihnen frische Säfte anpries – und da Nela nicht abgeneigt zu sein schien, sagte Hadamar freilich auch nicht nein. Er war nur wieder zu langsam, um für sie mitzuzahlen, das wurde langsam zum... naja. Nicht Problem, im eigentlichen Sinn, aber für einen Moment fragte er sich flüchtig, warum das so war. Ob sie das bewusst machte, weil sie ihn trotz aller Freundlichkeit auf Distanz halten wollte. Aber er schob den Gedanken weg. Wenn es so war, würde er das noch früh genug merken, im Moment hieß es: einfach weiter machen. Er holte sich ebenfalls einen Becher Saft, aber bevor er davon trinken konnte, sprach Nela davon dass sie bald heim müsste. „Wos? Ah geh, des konnst do net doa.“ Er lächelte, leicht und freundlich, auch wenn er gerade innerlich etwas angespannt war. Wenn sie nach dem Becher wirklich gehen wollte, dann war's das, dann gab es wohl auch nichts, womit er sie aufhalten konnte. Aber wenn sie eigentlich nicht wollte, oder wenigstens noch unschlüssig war... musste er das irgendwie herausfinden, ohne sich lächerlich zu machen oder sie zu verschrecken. Also... musste er ihr die Möglichkeit geben, eine Rückfrage zu stellen. Ihr Interesse zu signalisieren. „I muss mi doch no revanchiern dafür, dassd mia gholfn hast. Es is scho spät, aber no net zu spät dafür, sich zu bedankn...“ Er wies auf den Himmel, der noch hell war.

    Immerhin kannte der Wirt den Kerl, den er suchte... wenigstens etwas. Hadamar hatte tatsächlich die Nase voll davon, von einem Ort zum nächsten geschickt zu werden, wo er vielleicht etwas erfahren könnte darüber, wo Lintrad zu finden war.
    Das hieß: er ging jetzt einfach mal davon aus, dass der Wirt nicht versuchte ihn für dumm zu verkaufen. Am Ende würde der ja nichts davon haben. Dafür schien ihm umso mehr bewusst zu sein, dass etwas für ihn drin sein konnte, wenn er ihm half – und verdoppelte gleich mal den Betrag, den er haben wollte. Für das Bier, und dafür Lintrad aufzutreiben. Hadamar legte die Münzen vor den Wirt hin, die er schon in der Hand hielt, während er gleichzeitig noch einen tiefen Zug nahm, und holte dann noch mal die gleiche Menge hervor, bis es 10 Sesterzen waren. „Wo find ich ihn?“

    Während sie zahlte, ließ Hadamar seinen Blick für die Auslage schweifen, in der Hoffnung irgendwas zu entdecken, von dem er fand dass es ihr stehen könnte. Aber als Geld und Schmuckstück die Hände gewechselt hatte, ging Nela auf sein... Problem mit dem Geschenk für seine Mutter ein, und damit war schon genug Grundlage geschaffen, um ihr Gespräch am Laufen zu halten für den Moment. Und wenn sie etwas gefunden hatten, konnte er dann schauen, wie er sich bei ihr wiederum für ihre Hilfe erkenntlich zeigen konnte. So oder so: ein bisschen Zeit würden sie jetzt miteinander verbringen, und das war sein Ziel gewesen. Ein bisschen Zeit war immer die Voraussetzung für alles weitere, das noch folgen mochte.


    Nela überlegte auch nicht lange, sondern schien auf Anhieb eine passende Idee zu haben. Sie ging los und lief zielstrebig durch die Menge, bis sie schließlich bei einem Stand stehen blieb – Hadamar die ganze Zeit in ihrem Schlepptau, und mit der besten Ausrede der Welt um hinter ihr zu bleiben und ihre Rückansicht zu begutachten. Nicht dass er die Ausrede gebraucht hätte. Sie sah es ja nicht, und als sie den Stand erreicht hatten und Nela sich ihm zuwandte, lag Hadamars Blick schon längst wieder auf ungefährlichen Bereichen. Bei der Begeisterung, die sie dann beim Aussuchen an den Tag legte, musste Hadamar grinsen. Es hatte irgendwie etwas Süßes an sich, wie sie sich darauf stürzte, und erst recht wie sie sich selbst zu freuen schien darüber, etwas Schönes gefunden zu haben. Er sah sich die beiden Stücke, die sie herausgesucht hatte, ausgiebig an, nahm zuerst das eine, dann das andere in die Hand, wobei seine Hand die Nelas zwangsläufig öfter leicht berührte. Was er selbstredend nutzte, um die ein oder andere Berührung länger als nötig ausfallen zu lassen – nicht so lang, dass wirklich aufgefallen wäre dass Absicht dahinter steckte, aber lang genug dass es hoffentlich zu merken war. Dann hob er seinen Blick wieder zu ihren Augen, auf seinem Gesicht erneut jenes halb verschmitzte, halb verlegene Grinsen wie zuvor. „Du hast echt a guats Auge für so was. I find beides toll. Aba...“ Er musterte noch mal die beiden Schmuckstücke und versuchte für einen Moment ernsthaft, sie sich an seiner Mutter vorzustellen. Nur weil es vorgeschoben war, hieß das ja nicht, dass er ihr den Schmuck nicht irgendwann wirklich schenken konnte, wenn er ihn eh schon kaufte. Sofern er ihn nicht vorher verspielte oder so. Aber Vorstellung hin oder her: er konnte tatsächlich nicht sagen, was ihr besser stehen würde. Es sah doch alles irgendwie gut aus, fand er, aber er wusste, dass Frauen da ihre eigenen Ansichten hatten. „Wie gsagt: i kann des schwer sagn, aber rein vom Gfui her glaub i, dass ihr de Kettn bessa stehn würd.“ Sein Grinsen wurde ein wenig breiter, und er wies auf seine Haare. „Sie is no mehr Rotschopf ois wia i. I woaß net ob Silba und Blau dazu dann net zvui war. Oda was moanst du?“

    Die gute Laune von der Info, dass er seine alte Einheit bekam, verging Hadamar, als er hörte dass da eine unangenehme Überraschung auf ihn wartete... Er bemühte sich um einen unbewegten Gesichtsausdruck, konnte aber doch nicht verhindern, dass seine Augenbrauen nach oben rutschten – bis er dann hörte, worum es ging. Tirones. Na gut, war jetzt tatsächlich nichts, was er wahnsinnig gerne machte, aber das... hätte schlimmer kommen können nach der Ankündigung. Ein etwas schiefes Grinsen huschte über sein Gesicht. „Die krieg ich schon zurecht geschliffen, Praefectus“, erwiderte er.


    Beim nächsten Thema überlegte Hadamar für einen flüchtigen weiteren Moment, ob es noch Orte gab, die er erwähnen könnte... aber ihm fiel nichts ein. Er würde schon andere Tabernae ausprobieren, aber so lange er in der Stadt unterwegs war, würde er wohl sowieso fast immer in die Castra zurück gehen um zu schlafen. War ja jetzt nicht so der lange Weg, die Secunda hatte ihr Castellum ja direkt am Stadtrand. Insofern: das Landgut seiner Familie außerhalb der Stadtmauern war da schon die beste Vermutung, wenn er nachts mal nicht in der Castra war.
    Dann sprach der Praefectus davon, von der Taberna seiner Familie schon gehört zu haben. Mehr als einmal. Hadamar schmunzelte. „Ausprobieren lohnt sich“, rutschte ihm heraus, bevor er darüber nachdachte, und räusperte sich dann. „Hast du sonst noch etwas, Praefectus?“

    Hadamar betrachtete sie, und die Tatsache, dass sie recht bald wieder auf die Auslage guckte und so nicht sehen konnte, was er tat – und es entsprechend auch nicht ungehörig finden –, nutzte er schamlos aus. Sie war gekleidet wie eine von hier, und sie sprach auch Germanisch, ein Dialekt, der ihm vertraut war, wenn auch nicht ganz der seine, und ihre Aussprache war akzentfrei. Aber ihr Aussehen passte irgendwie nicht ganz dazu. Ihre Haare, ihre Augen, ihr Teint, das alles war... einen Tick zu dunkel. Der Widerspruch machte ihn neugierig, was wohl dahinter stecken mochte, mal abgesehen davon, dass sie hübsch war und seinen Blick allein dadurch schon auf sich gezogen hatte. „Gfreit mi sehr, Nela“, erwiderte er, immer noch verschmitzt lächelnd, und neigte leicht den Kopf. „Gern gschehn.“ Sie folgte seiner Empfehlung, das dunkelrote Teil nicht zu nehmen, Hadamar nahm das amüsiert und erfreut zugleich zur Kenntnis, und sie fragte den Händler sogar nach etwas Weißem. Was der bedauerlicherweise nicht bieten konnte... Hadamar wollte schon fragen, ob das sein Ernst war – alles, um der jungen Frau zu helfen, natürlich, ohne jeden Hintergedanken, was hätte er auch schon davon sich als Held aufzuspielen? ... –, da zahlte Nela auch schon, was sie sich bereits ausgesucht hatte. Leider ohne ihn dazu um seine Meinung zu fragen. Dafür allerdings bot sie gleich darauf nun ihre Hilfe an, um das angebliche Geschenk für seine Mutter auszusuchen... Für einen flüchtigen Moment glitt ein breites Grinsen über sein Gesicht. Genau darauf war er aus gewesen. Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert, schoss ihm durch den Kopf, und dann dämpfte er das Grinsen etwas, damit es nicht mehr ganz so breit war, sondern passend wirkte. „Na, no net. Bin grad erst aufn Markt kemma. Des wär wirklich liab vo dir, wennst mir heifn kanntst, i hab... naja, sang ma moi, net immer des beste Händchen bei da Auswahl.“ Er zog eine leichte Grimasse, hauptsächlich amüsiert, aber gewürzt mit ein bisschen Verlegenheit und Reue, in der Hoffnung damit den richtigen Eindruck rüber zu bringen: da war ein Kerl, der seiner Mutter wirklich wirklich eine Freude machen wollte, aber nicht so recht wusste wie und Angst hatte, das Falsche auszusuchen. „Schmuck dat si obietn, sollt ma moana, aba sie trägt net so oft weichn, da sollt's dann was bsondres sei. Was würdst denn empfein?“

    „Lintrad“, brummte Hadamar bestätigend, während er misstrauisch die Aktionen des Wirts beäugte. Nicht dass er sich Illusionen drüber machte, wie wohl die anderen Krüge sauber... oder auch nicht sauber geworden waren, aber trotzdem würde der Kerl hinter der Theke was erleben wenn er so dreist sein sollte, ihm den Krug anzudrehen, den er vor seinen Augen so gewischt hatte.
    Welcher Lintrad, fragte der Wirt dann. Hadamar wollte schon die Augen zu verdrehen, während er einen Schluck von dem Bier trank – als er den Preis für selbiges hörte. „Bitte?“ machte er. „Für die Plörre, willst du mich verarschen? Da krieg ich ja in Rom nen besseren Preis.“ Er trank noch einen Schluck und zog dann doch ein paar Münzen hervor, die er ihm zeigte – aber noch nicht hinlegte. „Du kriegst die zehn, wennst mir hilfst Lintrad zu finden. Lintrad, der Zwerg“, verdeutlichte er wen er meinte. Er hatte keine Ahnung, wessen Sohn der Lintrad war, den Alrik haben wollte, aber so viele Zwerge gab's ja nu auch nicht.

    Hadamar wartete am Rand des Truppenplatzes, während sein Optio die Tirones auf den Übungsplatz scheuchte. Seine alte Einheit... er musste immer noch grinsen, wenn er daran dachte. Und bei seiner ersten Tour am Abend seiner Ankunft durch die Unterkünfte, noch vor dem ersten Appell am nächsten Morgen, hatte er schon feststellen können, dass es einige bekannte Gesichter gab unter den älteren Legionären. An den folgenden Abenden hatte er auch anderen Centurien einen Besuch abgestattet, sich hier unterhalten und da, hatte alte Bekannte aufgesucht, vor allem in der ersten Centurie der ersten Cohorte, wo er dann als Optio gewesen war und mit der er im Bürgerkrieg gekämpft hatte, und hatte schon angefangen neue Bekanntschaften zu knüpfen – so wie er es bereits früher gemacht hatte, wo er noch als Jungspund herumgelaufen war. Er wusste nicht so recht, ob es an Germanien lag oder daran, dass eine Legion einfach was anderes war als eine Stadteinheit – aber er fühlte sich wohler hier. Am dritten Abend hatte er schon eine Runde von Centurionen aufgetan, die regelmäßig mal zusammen saßen, um zu spielen. Lief also wunderbar.


    Für heute stand aber Ausbildung auf dem Plan. Ein paar neue gab es, darunter auch den Kerl, der mit ihnen aus Italia hierher gereist war, wie Hadamar inzwischen erfahren hatte. Mit den ganz neuen wollte er sich heute beschäftigen, die anderen würde der Optio übernehmen, während der Rest der Centurie für sich trainierte. „Venite et state!“* brüllte er, als der Optio die neuen Tirones in seine Richtung scheuchte und die auf ihn zukamen, musterte die Reihe, die sie bildeten. „Und das nennt ihr state? Wer von euch weiß wie ne ordentliche Haltung auszusehen hat?“



    Sim-Off:

    Übersetzungen von Befehlen finden sich hier :)

    Hadamar folgte dem Praefectus hinein in sein Officium und setzte sich erneut hin, als er dazu aufgefordert wurde. Zweite Cohors vierte Centurie also. Für einen Moment glitt ein breites Grinsen über sein Gesicht. Seine alte Einheit, bei der hatte er angefangen als Tiro, als er sich damals auf dem Marktplatz vom Fleck weg hatte anwerben lassen. Das hatte was, dass er die jetzt bekam. „Jep, Praefectus“, erwiderte er, immer noch verhalten grinsend, bevor er sich endgültig darum bemühte wieder eine angemessene Miene aufzusetzen.
    Die nächsten Worte schienen zu verheißen, dass er in drei Tagen nicht noch mal würde antanzen müssen. Was auch ihm etwas sinnfrei erschien, denn wie der Praefectus schon sagte: ein bisschen kennen gelernt hatten sie sich ja schon. Und was erzählte man einem anderen Militär, der noch dazu der eigene Vorgesetzte war oder bald werden würde, wenn man zusammen auf der Straße unterwegs war? Militärgeschichten. Entsprechend wusste der Praefectus die wichtigsten Stationen seiner bisherigen Legionszeit wohl mittlerweile – die Beförderungen, der Bürgerkrieg, die Zeit bei den Urbanern in Rom und später in Carthago, wo er hinversetzt worden war. „Ergänzen... nein. Fällt mir nix ein“, erwiderte er also mit einem leichten Kopfschütteln. Und auch die zweite Frage war nicht sonderlich knifflig. „In der Taberna meiner Familie vielleicht noch. Silva Nigra heißt die.“