Beiträge von Pitholaus Plato

    Die ersten Landgänger kehrten zurück und luden Esswaren und Amphoren ab. Alles wurde sicher verstaut und vertäut, um auch höherem Seegang standzuhalten. Getreide und Teigwaren benötigten zudem einen spritzsicheren Lagerort.

    Plato nutzte die Wartezeit, um sich mit der Karte zu befassen. Er prüfte seine Notizen der Herfahrt, um Strömungen und vorherrschende Windrichtung zu verinnerlichen, wusste aber auch, dass Wetterumschwünge diese Kenntnisse unbrauchbar machen konnten. Er blickte gen Himmel zu den Wolkenfetzen, betrachtete den Wellengang und kontrollierte den Sonnenstand. Die Wetterverhältnisse stellten keine Herausforderung dar, trotzdem wollte er zügig in See stechen. Die wertvolle Fracht wusste er auf hoher See mehr in Sicherheit, denn es ging im bei der angestrebten Eile nicht um Zeitnot. Ob er nun einen Tag früher oder später ins Ostia anlegte, dürfte für Fracht und Empfänger wenig ausmachen.


    "Tempo!" Er brüllte, um weithin gehört zu werden. Der Schall drang ungehindert an Land, denn Häuser standen erst in weiter Entfernung und in lockerer Anordnung. Die letzten Männer zogen den Schritt an, was nur bedingt klappte, denn jeder trug Sperriges oder Schweres bei sich. Als sie an Deck kamen, sah sich Plato suchend um. Er hatte seit längerem die beiden Sklaven nicht gesehen, aber zu den Nachzüglern gehörten sie auch nicht.

    "Verflixte Trödeltanten." Er fluchte weitere Begriffe vor sich hin, während er zum Bug ging, um von dort Ausschau zu halten. Nach zehn Minuten Wartezeit riss Platos Geduldsfaden. Er war nicht zum Hüten von Sklaven beauftragt worden, sondern zur Beförderung einer wertvollen Fracht.

    "Klar vorn und achtern?" Die Antwort kam aus mehreren Mündern. "Aye!"

    "Anker lichten, Tau einholen! Wir legen ab."


    Das Schiff trieb von der Anlegestelle fort, bevor kräftige Ruderschläge es auf das Meer hinauslenkten. Das Segel wurde gehisst und ein Lüftchen verfing sich in ihm. Die Impetus verlor an Größe, bis sie ganz aus dem Auge verschwand. Sie ward für länger nicht mehr gesehen.

    Nach dem Studium der Karten änderte Plato seine Pläne. Er entschied sich, anstelle der Provinz Achaia die Insel Creta anzulaufen, weil er, wenn er das Meer namens Mare Aegaeum durchfuhr, automatisch auf Creta zuhielt. Er kannte dort die Stadt Lappa, wusste, wo er ohne größere Wartezeit Proviant fassen konnte und dass die Preise nicht überteuert waren.

    An einem zeitigen Vormittag, der Frühnebel hing noch über Lappa, legte die Impetus an. Der Anker wurde abgelassen und ein Mann sprang über die Reling, um das Tau um einen der Anlegehaken zu wickeln. Die Mannschaft arbeitete Hand in Hand, die Abläufe wirkten wie einstudiert, was sie nach Jahren der Zusammenarbeit auch waren.


    Plato rief vom Bug quer über das Schiff, um seine Männer zu instruieren. Wo sie sich zum Einkaufen hinwenden mussten, wussten einige von ihnen, die schon länger auf dem Schiff dienten. "Teigwaren, Getreide getrocknetes Fleisch, ein paar Würste, Wein und frisches Wasser. Das sollte bis Ostia reichen." Er warf ihnen einen Lederbeutel mit Münzen zu, dann wandte er sich an Linos und Charislaus.

    "Ihr zwei macht euch nützlich und helft beim Tragen. Ich will hier so schnell es geht wieder ablegen."

    Das Schiff nahm Fahrt auf und mit Blick über das Heck wurde der Hafen zusehends kleiner. Weithin zu sehen blieben die Rauchschwaden über der Stadt, die Plato für Momente in Augenschein nahm, bevor er sich wieder der Absprache mit dem Magister zuwandte. Sonderlich erbaulich fand er es nicht, dass ihm jemand bei der Arbeit zusehen wollte, daher murrte er als Antwort. Sie segelten Richtung Westen und bald würde ihnen die Sonne in die Augen scheinen.

    "Das Ablegen erfolgte im Interesse aller." Er begann umständlich, wollte aber auf etwas hinaus. "Du wolltest fort, ich wollte die Fracht sichern und im Rücken brannte die Stadt. Keine Situation, um bleiben zu wollen." Die Sklaven waren ebenfalls an Bord und von hier würde niemand mehr weglaufen können.

    "Die Anzahl der Passagiere entspricht nicht meiner Planung. Das heißt, der Proviantbedarf ist größer als von mir berechnet. Das bedeutet, wir müssen eine Zwischenstopp machen. Ich habe Achaia dafür vorgesehen. Welche Stadt genau, entscheidet die Wetterlage. An Thracia fahren wir jedenfalls vorbei." Ganz gleich, wie die Pläne der Passagiere ausfielen, bei dieser Provinz würde Plato nicht anlegen, solange kein Auftrag seitens seines Auftraggebers vorlag.

    Verus nickte Plato zu. "Vielen Dank!" Immerhin einer, der seine Arbeit ohne Murren und Hintergedanken erledigte. Plato machte einfach seine Arbeit und verband sie nicht mit höheren Zielen und Erwartungen, eine Eigenschaft, die Verus zu schätzen wusste. Männer, die einfach das taten, wofür sie bestimmt worden waren und sich folgsam zeigten, ohne zuviel über ihre eigene Rolle in der Welt nachzudenken. Nachdenken sollte man stets dafür bestimmten Funktionsträgern überlassen, denn diese hatten Erfahrung damit, zumindest glaubte Verus das und setzte eiskalt diese Maxime um, dass jeder an seinem Platz zu dienen hatte, wie er es auch selbst tat. "Du hast das System begriffen, Plato. Sehr gut," meinte Verus sichtlich erfreut darüber, dass eine Person, einfach folgte.

    ...


    "Nach der Durchsuchung werden sie wieder freigelassen. Mach dir um eine Begründung und Erklärung keine Gedanken. Sie werden, wenn wir mit ihnen fertig sind, nicht mehr an Ärger denken. Wir regeln das, Plato," meinte Verus und nickte Plato erneut zu. "Wie lange dauert die Reise?" - wandte sich Verus weiteren Planungen zu

    Wenn Plato auf der Fahrt eines nicht hatte, dann war es Zeit zum reden. Das würde er der menschlichen Fracht unbedingt klar machen müssen, denn die beiden Sklaven wussten das bereits. Er knurrte zwar zustimmend, bei den lobenden Worten, aber mit seinen Gedanken weilte er mehr bei der Mannschaft an Ruder und Segel, beim Kommandogeber für die Ruderer, den Windverhältnissen und dem Horizont. Erst bei der Frage nach der Reisedauer kehrte er mit ungeteilter Aufmerksamkeit zum Magister zurück.

    "Wir haben nicht ganz 2000 Seemeilen vor uns. Im Durchschnitt brauchen wir dafür 16 Tage. Bei schlechten Witterungsverhältnissen können es bis zu 20 Tage werden und mit Glück sind wir auch schon in zwei Wochen in Ostia.

    Zwei Wochen, Magister, in denen ich nicht als Gesprächspartner zur Verfügung stehe. Ich arbeite, ihr habt vielleicht Langeweile, nur verrichte ich meine Arbeit stumm. Wenn mir etwas nicht passt, mache ich mich aber gut vernehmlich bemerkbar.

    Außerdem lege ich Wert darauf, wenn jemand von euch kotzen muss, dass er das über der Reling macht und nicht auf mein Schiff. Beachtet ihr das, werden wir eine angenehme Reise haben."

    Plato besaß kein Bürgerrecht, aber auf dem Schiff besaß er das Kommando. Widerworte war er nicht gewöhnt und erwartete sie auch nicht vom Magister, seiner anvisierten Fracht. Seine Zufriedenheit zeigte sich nicht auf dem bulligen Gesicht, aber sie wirkte im Innern.

    "Klar vorn und achtern?" Die Antwort kam aus mehreren Mündern. "Aye!"


    Beim Ablegen musste sich der Kapitän auf die Abläufe und die Kommandos an seine Mannschaft konzentrieren, daher lieh er dem einsetzenden Gerede bestenfalls eines seiner Ohren. Er wollte weder mit einem anderen Schiff noch mit der Anlegemauer kollidieren. Die Impetus gehörte ihm nicht, aber er achtete auf das Schiff, als wäre es seins.

    Auch wenn Plato nur teilweise zuhörte, er tat es, aber er filterte. Die Aussagen des Hafenmeisters bekamen eine neue Bedeutung für ihn, seit er annahm, dass dieser Mann die erstrebte Fracht darstellte."

    "Klar nehme ich auch die Männer und die Kiste mit." Plato wusste nicht, ob sie von Wichtigkeit für seinen Auftraggeber waren, daher das Zugeständnis, wohl wissend, dass sein Auftrag nur die Beförderung einer Einzelperson umfasste. "Wir sind nicht überladen." Den Wunsch des Hafenmeisters, vor Ort bleiben zu wollen, ignorierte er allerdings, denn das würde bedeuten, dass er das Ablegemanöver abbrechen und vor allem im Hafen liegenbleiben müsste. Er wollte sich nicht den Unternehmungserfolg durch die Lappen gehen lassen.


    Die aufkommende Diskussion der Männer schien Plato nicht von Belang und die Aussage des Hafenmeisters über dessen letzte Reise als Magister verstand er nicht, weil er nicht wusste, was ein Magister war und ob das auf den Hafenmeister zutraf oder nicht. Wurde es für Plato zu kompliziert, schaltete er auf Durchzug und konstruierte sich seine eigene Wirklichkeit.

    "Gut, nenne ich dich eben ab jetzt Magister und nicht mehr Hafenmeister. Ist mir egal." Damit schien alles geklärt, bis Plato erneut der Geldbeutel dargeboten wurde. "Das ist gut gemeint, aber ich brauche dein Geld nicht, Magister. Mein Auftraggeber zahlt gut, ich habe das Schiff als Bleibe und auch sonst fehlt es mir an nichts." Zuweilen fehlte ihm Ruhe. Plato schätzte die Stille auf See. Viel Gebrabbel strengte ihn an. Wahrscheinlich durfte er auch kein Geld von einer Fracht annehmen.

    Bei der Frage nach dem Einsperren der Sklaven musste Plato wieder nachdenken. Er kratzte sich am Hinterkopf. Ginge es nach ihm, hätte er nichts dagegen, aber er kam zu dem Schluss, dass dies sein Auftraggeber für inakzeptabel halten würde.

    "Die Sklaven wissen, dass sie nirgends rumstehen sollen und auch nichts rumliegen lassen dürfen, einschließlich sich selbst. Ich glaube nicht, dass sie Ärger machen, aber wenn du sie einsperren solltest, brauche ich ein gutes Argument zur Erklärung gegenüber meinem Auftraggeber. Der Schwarzschopf wurde zum Reiseleiter bestimmt, daher kommt ihm gewisse Bedeutung zu. Außerdem sind sein Dominus und mein Auftraggeber ein und dieselbe Person. Widerspenstiges Verhalten allerdings toleriere ich an Bord nicht."


    Schon wollte sich der Kapitän abwenden, da plapperte jener Reiseleiter los und verbreitete Neuigkeiten. Der Magister hieß also Aulus Tiberius Verus. Nicht vergessen, hämmerte sich Plato ein, aber als Linos in sein altes Laster verfiel und den Mund nicht wieder zu bekam, schlich sich der Kapitän fort. Das konnte nur schief gehen.

    "Ruder Backbord 20!"

    "Aye!" Das Schiff schwenkte nach links und schwamm parallel zur Küste. "Ruder mittschiffs! Kurs halten!" "Aye!" Die Impetus nahm Fahrt auf, weil die Ruderer weit ausholten. Bald darauf wurde des Segel gesetzt.

    Als Charislaus begann, nahm er Plato jede Hoffnung, mehr Durchblick zu gewinnen, geschweige denn, einen Erfolg zu verbuchen. Der Sklave wusste von der Suche nach einer Person, sagte aber aus, dass sie nur Zeugen eines Mordes geworden waren, und je länger er redete, umso mehr wurde klar, dass Linos und er als unerwünschte Zeugen galten und sich mit dem Schiff nur verplappert hatten. Die Impetus bot eine perfekte Fluchtmöglichkeit. Platos Blick wanderte von Charislaus, über die Rauchschwanden zum Hafenbeamten, der sich als Mörder entpuppt hatte. Angst spiegelte sich nicht auf Platos Gesicht, dafür blickte er auf zu viele bewegte Jahre zurück, aber Ratlosigkeit machte sich breit, weil er nicht wusste, wie er die Situation zu aller Zufriedenheit auflösen sollte. An durchgeschnittene Kehlen glaubte er nicht.


    In seine Unschlüssigkeit platzte Linos mit einer Offenbarung, die erneut das Oberste nach unten kehrte. Also waren die Sklaven doch fündig geworden? Schwere Kost für den Kapitän, der kaum noch wusste, was er denken sollte. Sein Blick wanderte erneut, dieses Mal von Linos zum mörderischen Hafenbeamten und wieder zurück. Er würde dieses eine Mal Linos vertrauen müssen, denn so lautete von Anfang an der Plan, und wenn sein Auftraggeber Claudius einen Mörder geliefert haben wollte, dann bekam er ihn.

    "Die Fracht ist an Bord?" Plato vergewisserte sich noch einmal, aber weil er eine Antwort fürchtete, die wieder alles umdrehen würde, holte er Luft und brüllte.

    "Das Nebelhorn absetzen!" Er wollte die letzten Landgänger mit dem Signal an Bord rufen, wobei anzunehmen war, dass die sich wegen des Feuerausbruchs ohnehin im Hafen aufhielten, wenn sie nicht schon längst an Bord waren. "Taue los, Anker lichten!"


    Plötzlich hatte es Plato eilig, weil er mit der Fracht ablegen wollte. Bei all dem Wirrwarr konnte er nicht sicher sein, dass die Situation im Stillstand verharrte, also lieber ablegen, dann konnte niemand mehr entkommen. Einen Mörder an Bord zu wissen, schreckte ihn nicht. Er fand dessen Auftreten ihm gegenüber ganz passabel.

    Aus verschiedenen Richtungen rannten drei Mannschaftsmitglieder heran, einer nahm ein Tau zur Hand, wickelte es los und sprang über die Reling.

    Sim-Off:

    Hey, hey, du hast dich vorgedrängelt und ich muss umdisponieren. :D

    Plato dämmerte, dass er einem Irrtum aufsaß. Obwohl er das Bürschlein Linos weder für voll nahm noch sonderlich leiden mochte, erinnerte er sich daran, dass der Auftrag lautete, Linos zu dieser vermaledeiten Hafenstadt zu bringen, danach sollte der Sklave an Land gehen und eine menschliche Fracht an Bord bringen, sei sie lebendig oder tot. Weswegen Plato bisher falsch dachte, lag daran, weil nicht Linos eine Fracht brachte, sondern eine Fracht Linos anschleppte, denn als Fracht hatte sich der Hafenbeamte selbst bezeichnet. Der allerdings ruderte gerade zurück und bezeichnete die Kiste als Fracht. Plato betrachtete das Gebilde, sah zum Hafenmeister und kratzte sich am Kopf. "Moment, ich muss nachdenken." Bisher hatte er Linos noch nicht angehört und dieser Charislaus signalisierte, dass er aussagen wollte.

    "Es ist so: Ich kann hier nicht ablegen ohne meine Fracht. Die Kiste es jedenfalls nur dann, wenn sich darin menschliche Überreste einer speziellen Person befinden." Auskunft über den Inhalt würde er wohl nicht bekommen, daher wandte er sich an Charislaus. "Kennst du überhaupt den Auftrag, weswegen wir hier sind?" Er blickte zwischen Charislaus und Linos hin und her. "Habt ihr unsere Fracht gefunden oder noch gar nicht angefangen mit suchen?"

    Er wollte humorvoll klingen, indem er fast die gleichen Worte benutzte wie zuvor der Hafenmeister, als der einen Beleg für die Identität des Schiffes wünschte, aber es zeigte sich wieder einmal, dass der Kapitän keinerlei Humor besaß. Alternativ fehle anscheinend fast allen Personen im Reich der Verstand, mit seinen Witzen etwas anzufangen. Er sollte es bleibenlassen, daher brummte er etwas Unverständliches als Reaktion auf das Angebot mit der Tonscherbe. In Ostia ließe sich nichts mehr rückgängig machen, aber immerhin peilten sie denselben Zielhafen an.

    Spannend blieb es an Deck, denn nun wurde der Sklave Linos herbeigeschafft. Plato verschränkte die Arme vor der Brust, denn er hielt es für nahezu ausgeschlossen, Linos vertrauen zu können, aber zunächst passierte etwas Unerwartetes. Der Sklave Charislaus plante einen Vorstoß, der allerdings im Keim erstickt wurde, aber Plato hörte noch kurz zuvor, wie der seinen Namen nannte.

    Die ruhige Stimme des Hafenmeisters stand in einem sonderbaren Kontrast mit den Handlungen seiner Beamten. Genauso unverständlich für Plato war Linos hysterisch klingendes Nein.


    Sein Vorhaben, sich eine kurze Ruhepause in der Kajüte zu gönnen, rückte in immer weitere Ferne. Ärgerlich polterte er los: "Kann mich endlich mal jemand aufklären?!"

    Die Situation wendete sich schneller, als Plato ihr folgen konnte. Noch bevor er die an ihn gerichtete Frage zu Ende durchdachte, wurde ihm die Antwort abgenommen, was ihn keineswegs erleichterte, sondern vor neue Herausforderungen stellte. Er kniff die Augen zusammen und blickte den Hafenbeamten durch Schlitze an, während er dessen Oberfläche betrachtete. Da Plato nicht einmal selbst wusste, wie seine Fracht aussah, ob sie tot oder lebendig war, fand er die Behauptung des Hafenmeisters, er selbst sei die Fracht, witzig. Der Kapitän lachte los.

    "Guter Witz! Das hätte ich jetzt auch gesagt."

    Erst als der Blick des Beamten Richtung Linos ging, verschwand das Grinsen des Kapitäns. Irgendetwas stimmte nicht. Ein üblicher Hafenbeamter las unterwegs keine Sklaven auf, um sie zum Schiff zurückzubringen, aber wäre der Mann die anvisierte Fracht, müsste er Linos und Charislaus eher danken, weil sie ihn zum Schiff führten. Stattdessen wirkten die beiden wie überführte Verbrecher, was wiederum zur Version des Hafenmeisters passen würde. Weil Plato keine Lust auf Spielchen hatte, drehte er den Spieß um.

    "Wir machen das jetzt ganz einfach", polterte er los. "Zur Abwechslung kannst du mir deine Identität belegen. Entsprechende Dokumente hast du sicher dabei." Ein Hafenbeamten konnte sich legitimieren und alles Weitere würde sich schrittweise klären lassen, so lautete der Plan.

    Das Rufen von Linos war nicht laut genug, als dass es Plato hören konnte. Seine Konzentration galt dem Beamten und der Situation.

    Die Vorkommnisse befanden sich unter Kontrolle, aber bald sollte sich das ändern, weil Plato über keinen Blitzgang beim Denken verfügte. Alles begann gut, als das Wort 'einverstanden' erklang. Nicht nur, weil das Wort gut klang, sondern weil es losgelöst im Raum stand und vom Kapitän kurzerhand auf seine Forderung nach einem Inspektionsauftrag umgelegt wurde. Die Schiffsinspektion stand für ihn damit nicht mehr zur Debatte. Er nahm die Schiffspapiere entgegen, bekam aber keine Zeit, sie wieder an Ort und Stelle zu bringen.

    Plato fühlte sich auch noch Herr der Lage, als er hörte, Linos und Charislaus wären negativ aufgefallen, weil er sich nicht für die Sklaven verantwortlich fühlte und die Aussage sich mit seiner eigenen Auffassung deckte. Nicht umsonst wählte er gegenüber Linos einen barschen Ton, weil der Wicht zappelte, viel quasselte, vorlaut war und ein Talent für Fettnäpfchen besaß. Plato sorgte sich regelmäßig um sein Schiff, wenn er Linos transportierte. Den anderen Sklaven kannte er nicht und er erschien ihm weniger bedenklich.

    Bei der nächsten Aussage des Hafenbeamten kam Plato aber nicht mehr mit, daher zog er die Brauen zusammen, während er nachdachte, was Zeit in Anspruch nahm. Der Kapitän verstand als erstes nicht, warum der Beamte des Hafens mitfahren wollte. Hinzu kam, dass er weitere Passagiere ankündigte, die nach Platos Verständnis allesamt Bedienstete der Stadt Themyskyra sein mussten. Vor allem aber verstand er nicht, warum eine Fracht, die für die Stadtverwaltung wichtig war, fortgebracht werden sollte. Er wendete in Gedanken die Frage, ob jene Fracht von Beamten in Sicherheit gebracht werden sollte, damit Räuber in Themiskyra keinen Zugriff mehr darauf hatte, oder ob es sich bei den Männern um Piraten handelte, die nur vorgaben, Beamte zu sein, aber sein Schiff entern wollten, um ihr Diebesgut in Sicherheit zu bringen. Wie Plato die Angelegenheit auch wendete, er kam zu keinem Ergebnis, während sich das Deck zusehends mit Personen, Fracht und dem Sklaven Linos füllte.


    Zum Glück folgte eine weitere Aussage des Beamten oder Piraten, bei der Plato nicht lange nachdenken musste, sondern sofort eine Antwort wusste.

    "Das könnt ihr vergessen! Ich lege hier erst ab, wenn meine Fracht an Bord ist! Außerdem weiß ich nicht, ob sich meine Fracht mit euch versteht." Er beließ es bei der Bezeichnung 'Fracht', weil ihm nahegelegt wurde, dass es sich bei dem Gesuchten, weswegen der gesamte Aufwand betrieben wurde, um jemand Ungewöhnlichen handeln musste. Inwiefern ungewöhnlich wurde ihm nicht gesagt und er wollte es auch nicht wissen.

    Andere Länder, andere Sitten, dachte Plato bei sich, als er statt zur Bezahlung aufgefordert zu werden, zunächst die Papiere vorlegen sollte. "Ich reise nie ohne Schiffspapiere", antwortete er auf die Nachfrage und wandte sich ab, um in die Kajüte zu gehen. Dabei zuckte er mit den Schultern und murmelte: "Seltsames Volk hier."

    Es handelte sich um sein Schiff, daher kam er nicht auf die Idee, irgendwen um Erlaubnis fragen zu müssen, ob er unter Deck gehen durfte. Er stieg die wenigen Stufen hinab, die unter seinem Gewicht ächzten.

    Der Gang bis zur Kajüte, das Öffnen und Schließen der Schatulle und der Rückweg nahmen derart wenig Zeit in Anspruch, dass Plato, der geistig eher langsam arbeitete, nicht für sich klären konnte, welche Auswirkungen der Rauch in der Ferne auf seinen Aufenthalt in diesem Hafen haben könnte. Auf die Ankündigung einer Schiffsinspektion hingegen hatte er eine Antwort parat.


    "Nur damit das klar ist, hier wird nichts inspiziert, solange ich keinen von offizieller Stelle ausgefertigten Inspektionsauftrag vorgelegt bekomme. Ihr könnt allerlei Krankheiten mit an Bord bringen. Wer hier in alle Ecken kriechen will, muss gesundheitlich unbedenklich sein und das will ich schriftlich haben." Gleichzeitig reichte er die Schiffspapiere dem Hafenbeamten.


    Jacht.gif


    Name: Impetus

    Eigner: Herius Claudius Menecrates

    Typ: Navis Actuaria





    Im Moment, wo er Linos entdeckte, hörte er die Erklärung des Beamten zu ihm und Charislaus. "Meine Sklaven sind das nicht und Matrosen erst recht nicht!" Er schnappte nach Luft, weil ihn die Vorstellung aufregte, der vorlaute und schwatzhafte Linos könne ein Dauergast bei ihm sein. "Sie sind Passagiere auf meinem Schiff - auf der Herreise und für die Rückfahrt." Stimmlage und Gesichtsausdruck wirkten nicht entspannt.

    Während Platos Blick zwischen Charislaus und dem Fremden hin und her wanderte, verkannte er die Situation. In Anbetracht der Tatsache, dass Linos ebenfalls hier weilte, auch wenn er ihn nicht sah, aber immerhin hörte er dessen Stimme, unterstellte er den beiden Sklaven, in Themiskyra zu viel herumgeplappert zu haben, weswegen er nun einen Hafenbeamten - inkognito unterwegs - vor sich sah, der möglicherweise Gebühren für die beabsichtigte lange Liegezeit des Schiffes kassieren wollte. Probleme stellte das keine dar, aber trotzdem ärgerte sich Plato über die Schwatzhaftigkeit der Sklaven.

    Da Plato weder Pirat war noch die Liegegebühren aus eigener Tasche bezahlen musste, sah er keine Notwendigkeit, die an ihn gerichtete Frage nicht zu beantworten. Er führte ausreichend Geld mit und er stach mit einem offiziellen Auftrag in See, daher antwortete er wahrheitsgemäß.

    "Eigentümer des Schiffes ist Consular Claudius, Präfekt der Stadt Rom."

    Geld wollte er nicht von sich aus anbieten. Sollte der Beamte doch danach fragen. Zuvorkommenheit gehörte nicht zu Platos Stärken, aber er sah Notwendigkeiten ein, verhandelte nicht unnütz und hielt sich stets an Gesetze. Andernfalls hätte er wohl längst den gut bezahlten Posten bei seinem Geldgeber verloren.

    Die Prognose seines Auftraggebers für den Aufenthalt in Cappadocia lautete im Glücksfall eine Woche, realistisch aber mehrere Wochen, vielleicht sogar Monate. Nachdem die Mannschaft klar Schiff gemacht hatte, bekam sie Landgang, während sich der Kapitän im Hafen um die Auffüllung des Proviants gekümmert hatte. Während seine Bordgäste der Hinreise, Linos und Charislaus, einen Fußmarsch nach Themiskyra unternahmen, trugen Hilfsarbeiter Fässer und Kisten an Bord des Schiffes. Schiffskundige begutachteten den Rumpf der Impetus und die Taue. Mängel wurden keine festgestellt, was Plato nicht wunderte, da die Herfahrt ohne jede Komplikation ablief. Die Aufsicht über die Einlagerung der Vorräte und die Schiffskontrolle überließ Plato seinem Steuermann. Er brauchte etwas Ruhe.

    Er hatte es sich gerade erst in seiner Kajüte bequem gemacht, hörte das Trappeln von Füßen, das er den Transportleuten zuschrieb und was ihn in einen seichten Schlummer fallen ließ, als eine ihm wohl bekannte Stimme an sein Ohr drang und ihn hochfahren ließ: Linos.

    "Was, zum Hades, macht der schon wieder hier?!" Sichtlich geladen stapfte Plato an Deck und sah sich um. Linos konnte er nicht auf Anhieb entdecken, daher brüllte er: "Was willst du noch mal hier?" Plate vermutete, der Hänfling würde nach dem Weg fragen wollen oder sonstige überflüssige Fragen stellen, ließ den Blick weiter streifen und entdeckte zwischen pendelnden Transportarbeitern und sonstigen Fremden Charislaus. Sein Hirn arbeitete, warf aber keine Erklärung für die Situation aus.

    Zu ihrer Rechten erstreckte sich die Küste. Die Sicht erlaubte sogar einen vagen Blick auf das sich im Landesinnern erhebende Vorgebirge am Ausfluss des Thermodon mit seinen dicht bewachsenen Hängen. Schiffsreisende sahen von Bord aus keine Tiere, aber es tummelten sich unzählige im Unterholz und auf Lichtungen. Der Landstrich schien fruchtbar zu sein. Die Stadt Themiskyra wurde vom Fluss Thermodon durchflossen und lag an dessen Mündung in den Iris. Von ihrem Zentrum aus benötigten Reisende 5 km bis zur Küste.

    Gegen Mittag näherte sich das Schiff Impetus dem befestigten Küstenabschnitt unweit von Themiskyra. Längst wurde das Segel eingeholt. Der Rhythmus der Ruderschläge verlangsamte sich, bis er kurz vor dem Anlegen zum Erliegen kam. Die letzten Doppelschritte trieb das Schiff. Ein Mann stand mit Seil in der Hand bereit, auf den Anlegebereich zu springen, um das Schiff zu vertauen, während ein anderer den Anker absenken würde. Dann ging alles ganz schnell. Ehe sich die Reisenden versahen, lag das Schiff ruhig und gesichert. Meerwasser plätscherte in ruhigem Rhythmus gegen den Rumpf und die Stimmung hätte beflügelnd sein können, wäre da nicht die schmetternde Stimme des Kapitäns gewesen.


    "Runter von Bord, was nicht zur Besatzung gehört! Der eigene Dreck ist mitzunehmen!" Auf die Besatzung kam eine Schiffsreinigung zu, bevor sie Landgang erhielten.

    Kalt wurde es nachts nicht, aber der Wind blies durch jede Ritze, weswegen sich die Temperaturen niedriger als neunzehn Grad anfühlten. Meltemi nannten Seeleute den vorherrschenden Wind, der vom griechischen Festland aus in Richtung Creta wehte. Seit sie den südlichen Zipfel von Achaia umschifft hatten, stellte sich doppelte Aufmerksamkeit auf der Kommandobrücke ein. Zwar musste nicht mit Sandbänken gerechnet werden, zumal das Schiff nur geringen Tiefgang besaß, aber vor ihnen lag eine Strecke, die unzählige Inselchen aufwies, die es zu umschiffen galt. Glücklicherweise lag die Ecke um Peloponnes hinter ihnen. Seemänner kannten sie als Teilstrecke, bei der der Wind weniger stark wehte und zudem von Nordosten kam - von dort, wo sie eigentlich hin wollten. Die Ruderer mussten sich ins Zeug legen.

    Inzwischen zeigte der Bug des schnellen Transportschiffes längt nach Nordosten, während der Wind hier endlich wieder auffrischte. Sie segelten im Mare Thracium, während ihr Ziel in der Ferne eine schmale Wasserstraße darstellte, die sie über Propontis und ein noch schmaleres Nadelöhr zum Pontus Exinus führen würde. Dort angelangt, musste sie nur noch ein wenig der Küste folgen und würden in Themiskyra anlegen können, dem Bestimmungsort dieser Reise.

    "Was? Wann wir können, sage immer noch ich!" Das ohnehin derbe Gesicht des Kapitäns verfinsterte sich. "Eins sage ich euch: Wer mir auf die Bohlen kotzt, schrubbt die täglich bis zum Zielhafen. Labert mich nicht voll, stellt keine Fragen, lasst nichts rumliegen, steht nicht im Weg!"

    Er hielt inne, um zu überlegen, ob er etwas vergessen hatte, dann winkte er ab. Weitere Regeln konnte er jederzeit aufstellen.


    "Haltet nicht Maulaffen feil, räumt den Kram hier weg. Ich brauche Platz!" Er meinte Linos' Gepäck.

    Schnaufend wandte er sich an seine Mannschaft.
    "Los, ihr faulen Säcke. Ich will ablegen. Taue lösen, Anker lichten, Segel setzen!"

    Den Rhythmus für die Ruderer gab ein anderer vor und auch erst dann, als die Ruder nicht mit mehr mit der Kaiwand kollidieren konnten.

    "Steuerbord voraus!" Die Schiffsnase wandte sich Richtung Süden und bald nahm die Impetus an Fahrt auf.

    Das wäre ja noch schöner, wenn er diesem vorlauten Sklaven eine Antwort gäbe. Er kannte ihn gut und erinnerte sich noch besser. Zwar klang Linos momentan ganz vernünftig, aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Im Regelfall gab er stets Widerworte.

    Der Kapitän grummelte vor sich hin, knurrte zuweilen und hielt Kurs auf seinen Steuermann. Das Reisegepäck ließ er unberührt, aber er hatte mit Absicht keine Frist zum Wegräumen gesetzt. Er konnte es sich jederzeit anders überlegen und das Zeug doch noch von Bord fegen.

    Plato bemerkte Linos' Gepäck nicht sofort, dafür umso lauter, als er den Haufen erblickte.

    "Hey! Wessen Müll liegt hier rum? Wenn der Haufen bei meiner nächsten Runde nicht weg ist, räume ich auf. Dann fliegt alles über Bord."

    Wer Pitholaus Plato kannte, zweifelte nicht an seinem Wort. Die meisten gingen ihm vorsorglich aus dem Weg, sofern sie das konnten. Die Schiffsmannschaft hatte sich längst mit dem Seebären arrangiert. Er steuerte die Impetus bisher ohne Schaden für Schiff und Besatzung sowie Fracht vorbei an Klippen und durch jeden Sturm. Keiner versaute es sich mit diesem Kauz, der ihr aller Leben sicherte, zumal der Sold stimmte und regelmäßig gezahlt wurde. Der Schiffseigner sparte nicht.

    Die Impetus lag im Hafen von Ostia. Außen hatte sie Algen angesetzt und im Innern hausten Spinnen. Wurde sie nicht regelmäßig geputzt oder benutzt, vereinnahmte sie die Natur. Seit Tagen herrschte emsiges treiben an Bord. Mehrere Sklaven schruppten die Schiffsbohlen, kontrollierten die Taue und Ruder. Es lag etwas in der Luft, der Kapitän witterte das. Die Vorbereitungen fielen um einiges größer als in letzter Zeit aus, demnach kam kein Tagesausflug infrage. Der Ablegezeitpunkt musste nah sein, denn erster Proviant wurde an Bord geschafft. Plate legte keine Hand an. Als Kapitän sah er dies nicht als seine Pflicht und freiwillig rührte er keine Hand. Er trug später die Verantwortung, was schwer wog und nur dafür wurde er bezahlt. Er fuhr bereits als Kind mit seinem Vater zur See, kannte die Wasserstraßen und besaß Erfahrung mit nahezu jeder Wetterlage.

    "Los, los los, ihr Pfeifenköpfe! Wir wollen heute noch fertig werden!"