Beiträge von Roxane

    Sie war von seinen Worten konfus, irritiert und völlig überrannt. Was machte er da? Was hatte er vor? Der Kuss auf die Stirn war Balsam und doch ... "Aculeo," antwortet sie schwach, aber er war schon auf dem Weg nach drinnen und hörte sie nicht mehr. Beinahe verzweifelt sah sie Verus an. Doch ob er den jungen Heißsporn noch würde aufhalten können war wohl fraglich. Die Welt drehte sich ein wenig um sie und sie suchte nach einem Halt, den sie am Arm ihres Begleiters fand. Ob er dies als Haltsuchen oder Aufhalten auffasste, konnte sie nicht sagen.

    Sie sah Aculeo an, der plötzlich vor ihnen erschien und ähnlich feucht hinter den Ohren wirkte wie sie und auch Verus langsam zu werden drohte. Sachte zuckte sie mit den Schultern. Was sollte er schon gesagt haben? Sie war eben eine Feindin und entsprechend natürlich der Staatsbürgerschaft nicht würdig. Aber sie sagte nichts, sah Aculeo nur an.
    Vielleicht sollte sie doch gehen? warum packten sie gerade so viele Zweifel? Warum hatte sie das Gefühl so fehl am Platze zu sein wie nie zuvor in ihrem Leben? Hatte nicht auch sie eine - Hatschi... sie nieste einmal mehr und nachdem sie drei Mal kräftig hintereinander geniest hatte, spürte sie, wie ihre Nase der Meinung war, dass es doch ganz nett wäre nun einfach davon zu laufen. Ergeben schniefte sie leise vor sich hin udn meinte ebenso leise, fast überhörbar: "Können wir das irgendwo besprechen, wo es wärmer und trockener ist?"

    Sie lauschte den Worten und nickte verständig. "Ich würde mich da nach den Bedürfnissen der Acta richten. Wenn Regelmäßigkeit gefordert ist, sollte dies wohl drin sein. So denn die Regelmäßigkeit nicht täglich ist," schmunzelte sie leicht. "Ich hätte auch schon einige Ideen, wenn ich diese mit Dir denn besprechen dürfte?" Sie sah sie fragend an.

    Zitat

    Original von Aulus Hadrianus Fontinalis
    Auch wir in Hessen haben internet:)


    Das stimmt wohl ^^ aber es gibt Besseres, was man in manchen Kurzurlauben machen kann ;)

    Nein, eigentlich hatte sie keinen Hunger. Eigentlich war ihr kalt und sie war müde und irgendwie sehnte sie sich nach - ja, wonach? Dieser einen Umarmung in Ostia? Ja, irgendwie schon. Dennoch nickte sie leicht, denn sie wollte ihm eine Freude bereiten, irgendwie. Sie fühlte sich eigenartig deplatziert. Das erste Mal seit Jahren, vielleicht sogar das erste Mal überhaupt.

    Sie hatte ihn noch nicht angesehen, als er raus kam. Einmal mehr war sie nass bis auf die Haut - sowas schien in letzter Zeit ein Dauerzustand. So ganz begriff sie nicht, was Verus ihr da sagte, ausser dass sie keine Bürgerin werden würde, was ihr nicht so schlimm erschien. Langsam drehte sie sich zu ihm und auch wenn die Tränen auf den Wangen wohl durch den Regen weg gewischt waren, musste er erkennen, dass sie geweint hatte und dass sie gelinde gesagt schlecht aussahe. Betrübt, erschöpft. Das Zwiegespräch mit ihrer verstorbenen Mutter hatte alle Zweifel einmal mehr in ihr wach gerufen. Dennoch sprach sie leise zu Verus: "Ich brauche nicht das Bürgerrecht um Dir die Dinge angedeihen zu lassen, die ich sagte, das ich sie gerne tun werde." Man konnte hören, wie sie sich fühlte. "So Du so damit leben kannst," meinte sie und wischte sich eine nasse Strähne aus der Stirn. "Allerdings," begann sie dann, kniff aber die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. "Nein, schon gut," murmelte sie nur. Fast hätte sie gesagt, dass es allerdings vielleicht besser für ihn wäre, wenn sie wieder verschwinden würde. Aus seinem Leben und vielleicht auch ganz aus Rom. Irgendwie sehnte sie sich in diesem Moment nach der Wärme ihrer Heimat und ein leises Zittern ging durch ihren Körper.

    Sie nickte dem Mann, den sie bâbâ nannte dankbar zu und ihre Lippen formten eben jenes Wort tonlos. Als sie die Tür, erstaunlich leise für ihren Zorn, hinter sich hatte zufallen lassen, ging sie durch den Gang hinaus in den Regen, der immer noch herrschte und stärker geworden war. Aber genau darüber war sie dankbar, denn so kaschierte er das, was ihr mittlerweile über die Wangen lief: Tränen! Tränen der Zorns vor Allem, aber auch Tränen die aus vielen anderen, widerstreitenden Gefühlen entstammten.


    Sie merkte nicht einmal, dass sie schon wieder zu frieren begann, so sehr hielt der Zorn, der nur langsam abzukühlen bereit war, sie in sich gefangen. Doch je mehr er wich, je mehr machte sich eine Müdigkeit, eine Trauer und eine Resignation in ihr breit. Sie hatte Aculeo gesagt, dass sie es nicht wollte, dass sie es als ein Fehler ansah, hatte sich geweigert, sich schließlich überreden lassen, aber soeben waren all ihre Bedenken, all ihre Ängste bestätigt worden. Sie hatte viele Römer kennen gelernt, die sie akzeptierten als das, was sie war, nicht letztlich Decima Seiana, die ihr sogar die Position einer Subauctrix angeboten hatte, aber es gab eben auch immer noch so viele bornierte Idioten wie dieses... Nein, solche Worte dachte sie nicht mal ... da drinnen. Es war hier keinen Deut besser als in Parthien. Sie seufzte leise, während Tränen und Zorn langsam versiegten. "War es wirklich das, was Du wolltest, Mutter?" Sie flüsterte diese Worte in ihrer Heimatsprache und wirkte dabei so unendlich bedrückt. "Vielleicht lag eben doch ich richtig," meinte sie noch und musste dann heftig niesen. Ob es eine gute Idee war im Regen zu stehen? Ja, doch, er half sich zu beruhigen.

    Sie hörte die Worte des Mannes und langsam aber sicher konnte sie nicht mehr an sich halten. Wut blitzte in ihren Augen auf und ihre gesamte Körperhaltung drückte Verachtung für diesen überheblichen Mann aus, der letztlich all das unterstrich, was die Römer so gerne in den anderen Länder als Feinde, als mißachtenswert erscheinen ließ. Dennoch waren ihre Worte ruhig. Auf eine gefährliche Art und Weise ruhig. "Mag es auch sein, Praetor, dass ich in Deinen Augen nichts Anderes als ein Kind bin und nichts weiter als ein parthisches Bankert." Oh sie wusste ganz genau, was er damit meinte und der Zorn in ihr gelangte langsam zu etwas glühendheißem. "Ganz sicher hast Du in Beidem Recht, auch wenn man sich über Ersteres streiten kann und über die Ausdrucksweise des Zweiteren erst recht." Immer noch lag diese Ruhe in ihren Worten. Eine Ruhe vor dem Sturm? Nein, eher eine Kälte, etwas, was ganz klar sagte, Junge, Du bist hier eindeutig zu weit gegangen. Du verletzt den Stolz einer Frau, Du machst Dir gerade jemanden zu einem Feind, der eines Mannes schlimmster Feind werden kann, denn nichts ist ein gefährlicherer Feind des Mannes als eine verletzte, eine gekränkte Frau. Und in ihrem Stolz war sie gekränkt. Dennoch, sie blieb ruhig. Auf eine Art und Weise, wie es ihr Großvater immer getan hatte, wie er so manchem Menschen damit zeigte, dass man sich noch einmal ganz gewaltig Gedanken über sich selber und seinem Verhalten und über seine Aussagen machen sollte. "Auch wenn ich Dir keinerlei Rechenschaft diesbezüglich schulde," oh welch gefährliche Sanftheit und Freundlichkeit plötzlich in ihren Worten lag. Doch ihre Augen, ja ihre Augen...
    "So will ich doch eines sagen: nicht ich war diejenige, die zu Decimus Verus kam und ihm den Siegelring vorlegte. Nicht ich sprach ihn darauf an und nicht ich war es, die den ersten Schritt oder gar die Nächsten tat. Dies, werter Praetor, war tatsächlich niemand anders als ein römischer Bürger, der wie die Decima aus einer angesehenen Familie stammt und nur über Umwege den Ring überhaupt zu Gesicht bekam. Umwege, die dem Wetter geschuldet waren und die Du ganz sicher nicht einer in Deinen Augen potentiellen parthischen Spionin in die Schuhe schieben kannst."


    Sie sah ihn an, hielt seinen Blick fest, ohne Angst, nur voller Zorn und verletztem Stolz. Aber wenn er ganz genau hinsah, sah er hinter dieser zornigen und stolzen Frau auch jemanden, der verletzlich war. Eben eine junge Frau, die in den letzten Tagen alle Höhen und Tiefen der Gefühlswelt durchlebt hatte und langsam die Nase von all dem voll hatte. "Ich verstehe Deine Ansichten," sagte sie ernst und tatsächlich tat sie es bis zu einem gewissen Maße. "Wäre ich an Deiner Stelle, vielleicht würde auch ich so reagieren. Allerdings besäße ich durchaus mehr Anstand, Vernunft und Höflichkeit - auch wenn ein potentieller Feind in meinen Räumen stände - meine Worte mit mehr Bedacht und Einfühlungsvermögen zu wählen. Du siehst in mir nur eine Partherin, eine Feindin, etwas Verachtenswertes vielleicht sogar, denn immerhin gehöre ich dem Volk an, dass sich seit schier gefühlten Ewigkeiten mit Deinem Volk anlegt -und umgekehrt im Übrigen, doch Du trägst dabei Scheuklappen. Scheuklappen, wie so viele hochtrabende Leute auf beiden Seiten der Grenzen es tun, unabhängig davon, ob sie Römer, Parther oder irgendwelche anderen Hochgestellten, ja eben Hochtrabenden sind. Scheuklappen, die gefährlich sind! Scheuklappen, die mit daran Schuld sind, dass Männer wie Du, Männer wie der Mann, der mich gezeugt hat, Männer wie so viele Tausende und mehr Römer und Parther solche hirnverbrannten Hornochsen sind und Jahr um Jahr sinnloses Blut vergießen. Denn sinnlos ist Krieg immer. Sinnlos ist Morden immer. Sinnlos ist Blutvergießen immer. Nur weil Männer der Meinung sind ihre," fast hätte sie die Worte Schwänze vergleichen zu wollen- wenn auch auf Parthisch - in den Mund genommen, aber sie war zu wohl erzogen um dies zu tun und sagte stattdessen. "Blinde, eigennützige Meinung durchsetzen zu wollen, ihre ach so herrliche Macht, die doch oft nur aus Angst, aus Blindheit, aus Gier entsteht."


    Sie schüttelte den Kopf. "Wenn das Alles nicht so traurig wäre. Wenn Ihr dabei nicht so traurig dreinzuschauen wärd, man könnte sich ausschütten vor Lachen." Noch immer war sie zornig, doch auch so etwas wie Trauer schien über ihr zu liegen. "Du vertraust mir nicht, nun, warum solltest Du auch? Ich vertraue Dir genauso wenig, denn ich kenne Dich nicht, weiß nicht, ob Du immer so borniert bist, immer so willfähig oder ob hinter all der Fassade ein Mann steckt, der so etwas wie Vernunft besitzt, der weiß, wie man diskutiert, der nicht nur schwarz und weiß sieht, sondern die vielen, die unzähligen Graustufen des Lebens." Sie zuckte mit den Schultern. "Ich muss keine Römerin sein um den Mann, der mir das Angebot einer Familie machte, die ich bis vor Kurzem nicht einmal von hinten sehen wollte, weil ich den Mann der mich zeugte verachtete - nicht weil er ein Römer war, sondern weil er der Meinung war, die Frau die er liebte und die sein Kind unter dem Herzen trug im Stich zu lassen um sich in einem weiteren sinnlosen Krieg abschlachten zu lassen, für so etwas würde ich jeden Mann verachten, egal welchem Volk er angehört - zu achten, zu ehren und ihm ein bisschen dessen zu schenken, was er sich wünscht, nämlich das Gefühl wieder eine Familie zu haben. Denn, Praetor: Familie, Wärme, Geborgenheit, Freundschaft und das Gefühl irgendwo zu Hause zu sein, egal wo, sind mehr wert als jedwedes Geld, jedwede Macht, jedweder Reichtum. Sie sind der einzige Reichtum, den ein Herz haben kann." Ihr Blick hielt ihn noch immer fest.


    Sie wandte sich an Verus und sagte leise, wenn auch durchaus laut genug, dass der Praetor die Worte hören konnte, wenn er wollte: "Verzeih bâbâ, aber mir wird in Gegenwart solcher Männer übel. Sie sind es, die die Römer in den Augen anderer als verachtenswert erscheinen lassen und sie sind es in ihrer unendlichen Borniertheit, die so viel Schuld mit sich tragen, es aber nie verstehen werden. Gestatte mir, an die frische Luft zu gehen, denn wenn ich es nicht tue, fürchte ich um den Respekt, den man einer Amtsperson wie ihm eigentlich entgegenbringen sollte und kotze ihm vor die Füße." Ja, eindeutig. Ihr Zorn, bis eben noch zumindest in den Worten zurückgehalten, ließ sich in diesen vertraulichen Worten so ganz und gar nicht mehr überhören.

    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus
    "Wer ist mit dir nach Rom gereist? Hat dein Großvater dich begleitet?"


    Sie verstand zwar nicht, was diese Frage mit der Sache zu tun hatte, aber sicherlich gab es Sinn und Zweck darin. Nachdem Verus geantwortet hatte, fügte sie also die Antwort an: "Mein Großvater entsandte einige Männer, denen er vollends vertraut, mit mir, die mich in den drei Jahren, die ich auf Reisen war - ich gestehe, dass mich viele der Orte länger als ursprünglich geplant aufhielten, weil man in ihnen so viel lernen und Wissen gelehrt bekommen konnte - stets begleiteten und auf mich acht gaben. Sie hatten ihm einen Eid geschworen beziehungsweise waren ihm durch Blutbande verpflichtet, so das er sicher gehen konnte, dass sie eher sterben würden, als das mir etwas zustieße, gleich was es auch sein mochte." Sie verschwieg, dass es ihr durch geschicktes Taktieren und zwei tragischen Umständen gelungen war, am Ende auch den Letzten von ihnen in Rom los zu werden und ihre eigenen Wege zu gehen. Sicher war der Bote - als welchen sie ihn ausgesandt hatte - längst bei ihrem Großvater angekommen.

    Leichte Ungeduld und leichter Ärger machten sich in ihr breit, aber sie blieb ruhig, freundlich und wirkte durchaus aufgeschlossen. "Das ist korrekt," erwiderte sie. "Doch lehrte man mich dort auch griechisch und wie Du hören kannst Latein," wenn auch immer noch leicht akzentuiert. "Sowie viele andere Dinge. Da der mütterliche Teil meiner Familie aus dieser Region stammt und der Teil der Väterlichen bis vor Kurzem nichts von mir wusste, ließ sich dies nicht umgehen." Sie atmete tief durch und blieb dennoch freundlich. "Mögen unsere Völker auf dem Papyrus auch als Feinde gelten, so sind wir doch in vielerlei Hinsicht nicht so verschieden. Ich kenne mittlerweile beide Völker ganz gut und denke, ich kann behaupten,dass beide ihre Vor- und Nachteile, ihre guten Menschen und ihre Schlechten haben. Nur weil man sich um Grenzen und andere - vor Allem politische Dinge -streitet und deshalb immer wieder bittere Kämpfe ausgetragen werden, die auf beiden Seiten stets einen hohen Blutzoll kosten, heisst das nicht, dass man alle Menschen des entsprechenden Volkes über einen Kamm scheren sollte: weder die Parther die Römer noch die Römer die Parther. Auf Grund der Handelsbeziehungen meines Großvaters und seiner Stellung in der Stadt, hatte ich die Ehre und das Vergnügen mehr sehen und lernen zu können, als es den Meisten - besonders den Frauen - vergönnt ist und auch wenn ich durchaus das ein oder andere Ansinnen dieses Zwistes verstehen kann, muss ich doch sagen, dass dieser für mich keine Rolle spielt. Man kann mich wohl zurecht als ein Kind zweier Welten bezeichnen und ich hoffe, dass ich aus beiden Welten das Beste miteinander vereint habe und sei es nur um meinem bâbâ," womit sie zu Verus sah und diesem einen sanften Blick schenkte. "Zu Ehren zu gereichen."

    Sie war noch immer nervös als sie den Raum betraten und vernahm mit leichtem Erstaunen die eigenartige Art des Sprechens des Mannes. Doch erschien er ihr mehr neugierig denn unhöflich, mehr freundlich denn unfreundlich und so verdrängte sie all ihre Nervosität, welche in ihr wohnte in eine Ecke und antwortete höflich und freundlich auf seine Fragen. "Ich entstamme dem Geschlecht des Enkidus, ein Kaufmann aus Edessa und dem der Decima," erwiderte sie ernst und fest. "Meine Mutter war durch diverse, private Umstände die Familie meines Großvaters betreffend eine Weile in Syria lebend und lernte dort meinen Vater Appius Decimus Sicca kennen und lieben. Dort wurde ich gezeugt und geboren, jedoch erlebte mein Vater meine Geburt nicht mehr, denn er musste in den Krieg gegen die Parther ziehen und kehrte aus diesem einige Monate später nicht mehr zurück. Die Nachricht seines Todes ereilte meine Mutter, die daraufhin beschloss wieder zu ihrer Familie nach Edessa zurück zu kehren und mir dort eine den Umständen entsprechend gute und adäquate Erziehung durch den Einfluss meines Großvaters Enkidu zu bieten und eines Tages die Möglichkeit zu eröffnen meine römische Familie zu finden." Das sollte wohl reichen. Die Umstände, wie, wo, was, weshalb und warum waren nicht weiter wichtig, dachte sie sich. Sicher auch nicht, dass sie die Familie eigentlich gar nicht hatte finden wollen. "Das System der Patria Potestas ist in dieser Art in meiner Heimat nicht gegeben. Men Großvater, welcher sich um meine Belange und Erziehung - auf Bitten meiner Mutter -kümmerte, hat mir freie Hand in Allem gelassen. Meine Mutter, der ich erziehungstechnisch unterstand, verstarb vor nun mehr etwas über drei Jahren, weshalb ich mein Versprechen ihr gegenüber erfüllte nach Rom zu reisen." Somit war wohl auch diese Frage geklärt.

    Es war eigenartig. Sie hatte es nie gewollt und nun war es doch geschehen, beziehungsweise es sollte geschehen. Sie sollte einer Familie angehören, von der sie nie etwas hatte wissen wollen. Die letzten Tage hatten viel verändert und es war wohl noch kein Ende in Sicht bezüglich der Veränderungen. "Ich denke," meinte sie sanft, wirkte aber nicht weniger nervös. Auch wenn sie es nicht wirklich tun würde, so würde sie doch mit einem Teil ihrer Vergangenheit offiziell heute abschließen müssen. Ungern, sehr ungern, aber sie wusste auch, was von der Zukunft abhing. Ihre Haltung straffte sich etwas und sie nickte noch einmal Verus aufmunternd zu, so als wolle sie ihm seine Nervosität nehmen. "Lass uns gehen."

    Ahje, das Thema Religion war ja auch noch sowas. Nun gut, solange sie die römischen Götter nicht laut anrufen musste, konnte sie im Stillen zu dem ihren beten. Ausserdem beteten die Römer auch Mithras an, so dass sie sich dahingehend zumindest nicht so fremd waren. Ein neuer Name behagte ihr allerdings nicht sonderlich. Aber was musste, musste wohl sein. "Ich würde mich freuen, wenn - obwohl ich gezwungen sein werde einen römischen Namen anzunehmen - man mich im Kreise der Familie und der Freunde weiter mit Roxane ansprechen könnte," meinte sie sanft. "Sieh es als eine Art Kosename oder so an. Ich würde den Namen, der mir doch immer so viel bedeutet hat und an dem viele Erinnerungen hängen, nur ungern gänzlich verlieren. Der römische Namen allerdings soll dann lauten Decima Romana," folgte sie einer Eingebung, denn immerhin bedeutete Romana so einiges.


    Sie erhob sich und drückte mit der einen Hand Verus seine und mit der Anderen die von Aculeo. Beide erhielten einen liebevollen Blick, auch wenn der gegenüber Aculeo einiges mehr aussagte als der gegenüber Verus. Denn es war eine andere Art der liebevollen Verbundenheit dem Jüngeren gegenüber. Eine,die ihr Herz ganz leicht machte.

    Sie nickte nur zwischendurch und betrachtete den Mann, der so eigenartig war eine Weile schweigend von der Seite. Einerseits so streng, unnahbar,
    xenophob und doch sogleich so verletzlich und unendlich einsam. Unzufrieden vielleicht sogar mit sich und der Welt und unglücklich eventuell auch. Machtbestrebend und doch mit einem Gewissen? Loyal und doch wissend, das nicht alles eitel Sonnenschein war. Sie konnte ihn einerseits nicht sonderlich leiden, andererseits hatte er ihre Sympathien. Dieses hin und her rang in ihr. Benötigte seine Zeit und schließlich beschloss sie, dass es wohl einen Versuch wert war, denn was sie mehr ansprach war dieser unglückliche, gefühlvolle, einsame Mann, der auch ein wenig Glück und Zufriedenheit verdient hatte und dem sie so vielleicht auch ein wenig seine Xenophobie nehmen konnte und klar machen konnte, dass nicht nur Römer Menschen waren. Sie sah kurz zu Aculeo, schenkte ihm ein Lächeln, das so viel Gefühl vermittelte, ließ dann aber seine Hand los und erhob sich.


    Einen Moment blieb sie reglos stehen, sich bewusst, das die Männer sie im Zweifel beobachteten. Dann aber drehte sie sich zu ihm um und kniete sich vor Verus. "Dann sei es, wie es ist," meinte sie mit einem Sanftheit in der Stimme, die bewies, dass Gefühl wichtiger war als Macht, das Freundschaft in ihren Augen wichtiger war als alles Andere, das Familie mit das Wichtigste war. "Ich habe nie jemanden gehabt, den ich so nennen konnte oder durfte und auch wenn Du vom Alter her wohl eher Enkidu entsprichst," schmunzelte sie und zwinkerte ihm einen Moment schelmisch zu, ehe sie wieder ernst wurde. "Erlaube mir doch Dich von nun an bâbâ nennen zu dürfen. Es ist das parthische Wort für Vater. Erlaube mir, in Dir meinen bâbâ zu sehen." Sie nahm bei diesen Worten seine in die ihren und drückte sie sachte und sanft-

    Sie nickte leicht. "Ja, das stimmt. Ich war mir unsicher, weil ich darin wenig Erfahrung hatte. Geschäftsberichte, Zahlen, Statistiken, ja, damit bin ich groß geworden, aber sowas hatte ich bisher nicht. Aber ja, es hat mir Freude gemacht und ich denke, ich würde es gerne als Subauctrix versuchen."
    Viel mehr konnte sie da noch nicht zu sagen, denn es war noch abzuwarten, welche Bedingungen und Vorgaben daran geknüpft waren, prinzipiell war sie jedoch sehr offen für das Thema und gespannt darauf, was Decima Seiana dazu noch zu sagen hatte.

    Konnte man einen Schwur halten, wenn man sich einem anderen Volk verpflichtet sah? Lange schwieg sie und dachte nach, ließ sich durch kein Beobachten oder sonstiges stören. Selbst das Frieren ignorierte sie. "Politik ist nicht mein Metier," begann sie schließlich. "Ich bin in einer Kaufmannsfamilie groß geworden und mit dem Wissen und den Fähigkeiten eines solchen ausgestattet worden." Gut, noch einiges mehr und sie war durchaus auch mal an Politik interessiert, aber sie sah keine Bedürfnisse selber welche zu machen. "Wirst Du sie auch nicht beantworten, wenn ich als Subauctor Dich befrage?" meinte sie mit einem sanften, fast schelmischen Lächeln, gab aber auch mit einer Handbewegung kund, dass sie darauf zunächst keine Antwort wollte. Es war eh eine hypothetische Frage fürs Erste.


    Ein Schwur war eine große Sache. Eine schwerwiegende Sache um genau zu sein. "Ich habe nie schlecht über Rom oder die Römer gesprochen, von wenigen Einzelpersonen abgesehen," meinte sie mit dem Ansatz eines Lächelns, das den Ernst in ihren Augen nicht verdrängen konnte. "Ich werde aber auch nie meine Heimat verraten. Eher sterbe ich." Und das war ihr wirklich ernst. "Wenn diese Bedingungen meinerseits akzeptiert und erfüllt werden können, soll es so sein, dass ich wohl eine Decima werde."