Der Umgang mit den Duumvirn wurde augenscheinlich unfreundlicher, nachdem sie die Castra Praetoria erreicht hatten. Hatte man mit dem duccischen Optio wenigstens noch halbwegs normal reden können, war man hier bereits mit unverständlichen Flüchen und ähnlichem barbarischen Gebräuch empfangen worden. Ein letztes Mal genossen die beiden Stadtobersten der Civitas an Tibermündung das Tageslicht, bevor sie anschließend auf unbestimmte Zeit im Dunkel der Innereien der Castra verschwanden. Und tatsächlich stolperten die am Schlafittchen geführten Duumviri mehr neben den Soldaten her, als dass sie wirklich kontrolliert gingen.
Niemals hätte Dives noch vor einiger Zeit geglaubt, dass er überhaupt jemals in den Trakt der Praetorianer gelangen würde - am ehesten vielleicht noch, wenn er Serapio, den Praefectus Praetorio, so dringend um einen Gefallen bitten müsste, dass er ihn hier aufsuchen würde. Aber selbst das war eine Vorstellung, die ferner kaum sein konnte. Jetzt hingegen.. befand er sich tatsächlich hier - und darüber hinaus noch vollkommen unfreiwillig -, während Serapio.. vermisst wurde, traf es wohl am besten. Denn nicht nur, weil er sich hier gezwungenermaßen in den Castra Praetoria aufhalten musste, deren oberster Herr zumindest formal und nach dem Fettwanst noch immer Serapio (wenigstens für diesen Bereich hier) wäre, sondern auch weil er seit einer gefühlten Ewigkeit nichts mehr von dem Decimer gehört hatte, vermisste er ihn.
Genauso unsanft, wie er aus ebendiesen Gedanken gerissen wurde, landete der Iulier anschließend in einer der Zellen. Der Luxus hier erschlug einen deutlich Besseres gewohnten Mann nicht gerade. Seine Kindheit und Jugend in der Obhut seiner Mutter, der Tochter eines Censoriers, verbringend und anschließend die Gastfreundschaft seines senatorischen Cousins Centho genießend hatte das Leben des Iuliers in der Regel nicht nur mehr Komfort, sondern auch mehr Gesellschaft - wenigstens durch diverse Sklaven - zu bieten. In diesem Moment nämlich realisierte er, dass sein Collega Cassius Hemina ganz offensichtlich in einer anderen Zelle untergebracht wurde, denn hier war er jedenfalls nicht. Das hieß: So wortwörtlich offensichtlich war diese Angelegenheit bei der spärlichen Beleuchtung natürlich nicht, aber es reichte dennoch, um wenigstens dies zu erkennen.
Der iulische Duumvir in Gefangenschaft seufzte. Es hätte ihm wohl eigentlich klar sein müssen, dass es hier mitnichten Doppelzellen gab - zumindest nicht für zwei Duumvirn ein- und derselben Civitas. Allein gelassen mit ihren Gedanken, so quälte man Menschen psychisch wohl noch mit am besten... So setzte sich Dives auf die alles andere als auch nur annähernd bequeme Pritsche, lehnte sich gegen das kalte Gemäuer, was ihm einen kurzen Schauer über den Rücken jagte, und schloss anschließend seine Augen. Es machte schließlich eh keinen großen Unterschied, ob er sie nun offen hatte oder nicht, und so konnte er sich zumindest vorstellen er wäre in einer anderen Zeit an einem anderen Ort...
Er begann zurück zu denken und landete dabei zunächst lediglich zurück vor den Castra, wo die Welt ihm zuletzt die volle Vielfalt ihrer Farben gezeigt hatte. Selbst die Soldaten hatten draußen noch weniger farblos gewirkt... Neben sich stehend erkannte er den Cassier, der eindeutig unglücklich über diese Situation und dem nachfolgenden düsteren Seitenblick zufolge wohl auch einigermaßen wütend (?) auf den Iulier zu sein schien. Plötzlich meinte Dives seinen Amtkollegen im Hier und Jetzt hören zu können, dessen Vorwürfe, die sicherlich auch zu einem nicht ganz geringen Teil durchaus gerechtfertigt sein mochten. Immerhin hatte er Hemina überredet überhaupt hierher zu kommen, hatte er ihn überredet, dass es die beste Idee wäre allein zu zweit zu kommen, hatte er ihm letztlich sogar versprochen, dass man die Hilfe einer Großstadt wie Ostia vielleicht nicht mit Kusshand, aber dennoch dankbarer als.. mit Gefangenschaft entgegen nehmen würde. Aus dem Nichts tauchte sodann der alte Vater des Cassiers, Hemina Maior, auf und allein dessen Gesicht sprach Bände... Der Iulier drehte und wendete seinen Kopf und versuchte krampfhaft abermals gedanklich zu 'verreisen'.
In einem kleinen Theater irgendwo im Nirgendwo fand er sich wieder - allerdings mitnichten in den Zuschauerrängen! Und ehe er die Zeit zu realisieren fand, was hier los war und überhaupt gespielt wurde, packten ihn bereits zwei finstere Gestalten und zerrten ihn grob auf die Bühne. Diese Szenerie kam Dives jedoch nicht nur aufgrund jüngster Erfahrungen hier, in den Castra, bekannt vor. So erblickte er aus den Augenwinkeln einen übergroßen Kerl, der sich bei genauerer Betrachtung jedoch nicht als fetter Vescularier darstellte. Die Gesichtszüge kamen ihm durchaus bekannt vor, was darüber hinaus wohl auch den Cornelius ausschloss, den der iulische Duumvir ja bisher lediglich vom Hörensagen kannte. Mit einem kleinen Schiff in der rechten und einem Gladius in der linken Hand stand der Typ seelenruhig und mit Genugtuung in jeder einzelnen Faser seines Seins einfach nur da und beobachtete, wie Dives anschließend gefesselt werden sollte. Doch Serapio und die ganzen anderen Decimer mit schockierten Gesichtern im Publikum sitzen sehend nahm der Iulier alle Kraft zusammen und floh, bevor ihm die Ketten angelegt werden konnten, ohne Rückblick von der Bühne... um sich hernach nun im Scriptorium (?) wiederzufinden? Dann konnte ja eigentlich... Er drehte sich um und wie ein Blitz schoss Serapio ihm mit tausenden Vorwürfen zugleich entgegen, sodass einzig die Flucht nach hinten blieb. Doch bereits nach zwei Schritten: Eine kalte Mauer in seinem Rücken. Erneut lief dem Iulier ein Schauer über den Rücken, gaukelte ihm doch seine Erfahrung vor zu wissen, was nun passieren würde. Doch wie hieß es so schön? Erstens kam alles anders; und zweitens als man dachte! Ganz langsam ging der Decimer vor Dives in die Knie, um anschließend... ... ... zu versuchen seine Sprunggelenke zu kitzeln?!?
"AU!", stieß der Duumvir anschließend verärgert aus und riss seine Augen auf, um gerade noch die groben Umrisse der flüchtenden Ratte zu erkennen, die ihn soeben gebissen hatte. SO wichtig war ihm irgendeine Gesellschaft dann doch nicht, dass ihm die Götter gleich irgendwelche Nager auf den Hals (oder: die Sprunggelenke) hetzen mussten! Die Füße nun sicherheitshalber mit auf die Pritsche stellend und seine Beine mit den Armen umfassend entschloss sich Dives, dass er so schnell kein Auge mehr hier zumachen würde. Hoffentlich käme sein Großonkel bald, um ihn hier raus zu holen! Das hieß: Hoffentlich hatte dieser duccische Optio nicht einfach nur das Geld genommen und sich nur einen schönen Tag damit gemacht - ohne Nachricht an Licinus zu überbringen...