| Quintus Petilius Sophus
"Iulius..?!", durchbrach in diesem Augenblick eine kratzige, ältere Stimme den kurzen Moment der Stille. Es folgten angestrengte Schritte. War es unter Umständen gar ein Humpeln? "Tatsächlich, du bist es! Dives, wie schön!", hörte man die Freunde in der Stimme des Mannes, der sich dem Iulier zielstrebig nährte. "Was machst du hier? Ich dachte, du wärst auf dem Land in... Tusculum, nicht wahr?" Sein Interesse klang ehrlich, doch sein Wissen schien ein wenig verbesserungswürdig.
"Salve, Sophus! Was für eine Überraschung!", gab Dives seinem Mit-Senator die freundschaftliche Begrüßung zurück. "Ich bin tatsächlich hier, um der Büste meines Großvaters einen kurzen Besuch abzustatten.", deutete er auf die Marmorkunst. "Ich war ja schon recht lange nicht mehr in der Urbs und dachte mir, wenn ich nun schon einmal hier bin, dann sollte ich zweifellos auch meinem octavischen Großvater die Ehre erweisen. Ich habe ihm extra einen kleinen Kranz mitgebracht. Ich hoffe, es ist gestattet, den hier so einfach abzulegen...", gab Dives zu, sich nicht ganz sicher zu sein, ob das angemessen war. Gab es hier Angestellte, die wie Aeditui in einem Tempel dafür sorgten, dass etwaige Gaben irgendwann auch wieder verschwanden? Waren derartige Gaben für die - bekanntlich keineswegs vergöttlichten - Geehrten überhaupt vorgesehen?! Der Iulier wusste es nicht, wollte umgekehrt aber noch viel weniger das Risiko eingehen, ohne etwas zu erscheinen, obwohl es womöglich doch erlaubt und angedacht war.
"Ach, da mach dir keine Gedanken.", wischte der Petilier die divitische Sorge einfach hinfort. Er wollte es nicht laut aussprechen, doch im Zweifelsfall, so war er sich sicher, würde den Kranz schon irgendjemand "wegfinden". So schlecht sah das Gesteck schließlich nicht aus. Und Männer, die Frauen (Mütter, Großmütter, Ehefrauen, Geliebte, Schwiegermütter und sonstige) mit ein paar Blumen für sich zu gewinnen versuchten, die würde es wohl auch in zweitausend Jahren noch geben. "Ich habe eben selbst gerade die Cella der drei Ulpier besucht. Der Anblick dieser ulpischen Trias, die etliche Jahre und Jahrzehnte meine politische Laufbahn begleitet hat, erfüllt mich stets aufs Neue mit tiefer Dankbarkeit und größter Freude.", nahm Sophus im Anschluss dann auch gleich die Frage vorweg, weshalb er eigentlich gerade hier war.
Dives nickte und ließ einen kurzen Augenblick der Stille folgen. "Tatsächlich ist es Bovillae...", begann er irgendwann. "Also... das Anwesen, auf das ich mich zurückgezogen habe.", spezifizierte er sogleich. "Doch als ich von dem Mord an meinem Cousin Iulius Caesoninus hörte, führte selbstredend kein Weg daran vorbei, hier persönlich nach dem Rechten zu sehen. Zudem bat mich auch der Augustus zu einer Audienz auf den Palatin, was ich selbstredend ebenfalls unmöglich ablehnen konnte.", erklärte der Iulier und ließ abermals einen Moment Ruhe einkehren. "Dass es ausgerechnet meine Gens immer wieder und wieder so trifft - ein gewesener Magistrat auf offener Straße...", schüttelte er letztlich ratlos den Kopf.
"Ja, das hat mich ebenfalls vollkommen fassungslos gemacht. Und ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich dein Verlust und der Verlust deiner Verwandten bestürzt und betroffen macht.", nahm Sophus Anteil und legt dem Iulier die rechte Hand auf dessen Schulter. "Ich muss gestehen, ich wüsste nicht, was ich täte, hatte es meinen eigenen Sohn erwischt statt deines Cousins. Die beiden waren ja praktisch im gleichen Alter.", sah und hörte man deutlich, welchen Schmerz allein diese Vorstellung nur dem betagten Petilier verursachten. "Ich hoffe wirklich sehr, dass man die Täter finden und - dauerhaft - aus dem Verkehrt ziehen wird.", klang der Senator einen kleinen Moment lang regelrecht frostig. "Denkst du denn, dass es ein gezielter Anschlag war? Also gezielt auf einen Politiker? Gezielt auf einen Iulier? Gezielt auf deinen Cousin?", hoffte Sophus auf ein paar mehr Informationen vom einem der Angehörigen des Opfers.
"Ich weiß ehrlich nicht mehr als du, mein Freund.", gab Dives nur etwas betrübt zurück, bevor der Petilier nur kurz, aber doch merklich das Gleichgewicht verlor. "Sophus!", hielt er seinen Freund und Nachbarn sogleich mit erschreckter Miene fest. "Schon gut, schon gut, lass nur.", winkte der da jedoch bereits wieder ab. "Das ist nur mein Alter. Ich sollte mich allmählich wieder nach draußen zu meiner Sänfte begeben.", erklärte er und erntete dafür ein divitisches Stirnrunzeln. Denn Dives hatte keine andere Sänfte vor dem Ulpianum stehen sehen, als er ankam. "Vorausgesetzt natürlich, dass meine Tochter sich nicht bis direkt an den Beckenrand der Thermen hat tragen lassen. Du weißt ja, wie verwöhnt sie manchmal ist.", scherzte und lachte Sophus. Denn als liebender Vater war einer der Hauptgründe dafür. "Also, bis bald, Dives. Vale bene!", verabschiedete er sich letztlich und steuerte sodann gemächlichen Schrittes zielstrebig dem Ausgang entgegen. "Vale bene, Sophus!", warf der Iulier seinem Mit-Senator noch hinterher, während er ihm noch einen Augenblick lang nachsah. (Und er wurde wirklich das Gefühl nicht los, als humpelte der Petilier ein kleines bisschen.)