Blemmyrer, Blemmyrer... die Blemmyrer! Doch natürlich, von denen hatte der Iulier bereits gehört. Er konnte sich sogar daran erinnern, irgendwann mal mit irgendwem das Thema mindestens kurz tangiert zu haben. Wann war das? Richtig, vor einer gefühlten Ewigkeit in der Taverna Apicia! Aber als jemand, der praktisch nur aus der Acta davon wusste, hatte der junge Decurio die Sache damals recht schnell wieder aus seinem Gedächtnis gestrichen und wusste folglich auch nicht mehr von der namentlichen Erwähnung sowohl Massas als auch Serapios... Dennoch nickte er bejahend und ein 'doch' lag ihm auch sichtlich auf den Lippen. Aber um Massa nicht zu unterbrechen, ließ er es auch genau dort und sprach es nicht aus.
Dass so ein Feldzug zusammenschweißte, konnte sich Dives gut vorstellen. Das hieß, genaugenommen konnte er es sich ganz und garnicht vorstellen, da er sich mit dem Militär und allem, was dazu gehörte, praktisch absolut nicht auskannte. Doch es klang mehr als logisch, sodass er es zumindest nachvollziehen konnte. Die nachfolgenden Worte sog er dann nur so in sich auf. Manches schien sich wirklich kaum bis garnicht verändert zu haben. Den Ton angeben konnte der Praefectus Praetorio in jedem Fall noch immer - und das nicht nur auf dem Schlachtfeld gegenüber Soldaten. Und auch heroisch war er absolut. Mit seinem Charisma und seinem Timing (Dives musste an Serapios Auftritt mit der Biga auf dem Fortunafest denken.) war er wirklich einzigartig und atemberaubend! Darauf nahm der Iulier dann erstmal einen kräftigen Zug aus seinem Glas. Das Lächeln im Gesicht des jungen Decurios bekam einen Dämpfer, als er vom Tod Massas besten Freundes hörte. Das Soldatsein war eben wirklich ein lebensgefährlicher Job, wenn es ernst wurde. Der zu erwartende Kampf zwischen Römern und Römern würde das mit Sicherheit bestätigen.
Dann hörte er, dass Serapio geistreich und gefühlvoll sei. Ersteres stimmte ohne jede Frage auch heute noch. Allein wie aufmerksam er damals im Theater zu Ostia dem Stück gefolgt war und jede Konversation mit seinen Sitznachbarn möglichst gering gehalten hatte, zeigte doch welch hohen Stellenwert die Künste für ihn haben mochten. In dieser Hinsicht passte er wohl auch wirklich nicht so ganz in das Bild eines eisernen Tribuns oder nun Praefecten, eben die raue Wirklichkeit. Aber das Wort 'gefühlvoll' löste bei Dives ein leichtes Unbehagen aus. So hatte er selbst den Decimer bisher nicht wirklich erlebt. Im Theater war er vor allem stürmisch und fordernd gewesen, ganz der Leidenschaft verschrieben. Und auch auf dem Fortunafest hatte er den Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Gefühl absolut nicht verstanden. Da bot man(n) ihm den Praenomen an und statt darauf irgendwie einzugehen, forderte er zunächst nur wieder... Nicht, dass es dem Iulier nicht gefallen hätte, doch unter 'gefühlvoll' stellte er sich etwas anderes vor. Nun stand er also vor der Frage: Hatte die Zeit beim Militär, bei den Praetorianern das Gefühlvolle in ihm verdrägt oder zumindest tiefer in ihm verborgen? Oder lag es eben schlicht an Dives, dem gegenüber er nicht so gefühlvoll sein konnte oder wollte, wie gegenüber Massa? Er zweifelte an sich.
Der junge Decurio nickte, wenngleich er nicht den ganzen Sinn dessen erfasste, was Massa wohl meinte. Ein Feldzug veränderte einen Mensch bestimmt - und er hatte sicherlich auch Massa verändert, spekulierte Dives. Und dass sich das in Roma gebessert hätte, war auch irgendwie logisch. Die Zeit heilte bekanntlich viele Wunden und der räumliche Abstand zu den Geschehnissen tat wohl sein übriges. Der Rest handelte nicht von Serapio und klang auch ansonsten weit weniger spannend. Aber wann war Schreibtischarbeit auch schon wirklich spannend?
"Dann habt ihr beide ja schon richtig viel zusammen erlebt, was?", resümierte Dives und in seinen Worten schwang auch ein kleiner, feiner, eifersüchtiger Unterton mit. Soviel hatten Serapio und er nicht miteinander erlebt und sollte tatsächlich noch etwas zwischen Massa und seinem Cousin laufen, dann wären die Karten für den Iulier denkbar ungünstig verteilt. Doch sie hatten sich aus den Augen verloren! Ja, das hatte Massa gesagt. Hoffentlich...
"Und vielen Dank für das Kompliment, aber noch hast du den Hasen ja garnicht gekostet." Ein Fingerzeig und ein Sklave kümmerte sich um das Abdecken der Vorspeisen, während sich eine Sklavin auf machte, den Hasen aus der Küche zu holen.
"In dieser Hinsicht trifft es sich jetzt sogar ganz gut, dass wir nur zu zweit essen. Dann gibt es wenigstens keinen Streit um die beiden Schultern.", meinte der junge Decurio augenzwinkernd. Diese Stücke galten schließlich als als besonders edel.
"Zu deiner Frage: Nun, genaugenommen, ist er wohl auf mich gestoßen.", begann Dives mit einem zweideutigen Lächeln, denn dem war tatsächlich in mehr als einer Hinsicht so. Er nahm noch einen kleinen Schluck aus seinem Glas und sortierte kurz seine Worte.
"Ich habe vor einer ganzen Weile eine Theateraufführung hier in Ostia finanziert, um mich bekannter zu machen. Bald finden wieder Wahlen hier statt und ich möchte Duumvir werden, weist du. Seinen... Verwandten Decimus Flavus hatte ich bereits zuvor kennengelernt und dazu eingeladen der Veranstaltung gerne auch mit Begleitung beizuwohnen. Daraufhin brachte er dann gefühlt eure ganze Gens mit - sofern ihr eben nicht allzu weit weg wart." Dives lächelte etwas entschuldigend, wenngleich er eigentlich ja nichts dafür konnte, dass Massa nicht dabei gewesen war.
"Dein Cousin Serapio und ich, wir saßen während des Stücks nebeneinander und haben das eine oder andere Wort miteinander gewechselt. Er schien mir wirklich ein absoluter Theaterliebhaber zu sein, nicht wahr? Wie er immer so gebannt das Geschehen auf der Bühne verfolgte und sich kaum ablenken ließ..." Dives nickte leicht. In diesem Moment hoppelte ein Häschen ins Zimmer und brachte den angekündigten Hasen aus der Küche. Das kurze Lächeln der Sklavin beim Abstellen der großen Silberplatte auf dem Tisch offenbarte, weshalb der Iulier diesen tierischen Spitznamen für sie hatte.
"Während die anderen nach der Vorstellung mehr oder minder direkt wieder gegangen sind, haben dein Cousin Serapio und ich uns anschließend noch ein wenig ungestört unterhalten...", beendete der Iulier seine Ausführungen nun zweideutig und schnell und bedeutet Massa sich doch als erstes am Hauptgang zu bedienen. Der Hase und das ihn umgebende nett angerichtete diverse Gemüse glänzte appetitlich im Licht der Öllampen und Fakeln. Dives nahm sich schonmal eine weitere Scheibe Brot.
"Sind dein Cousin Serapio und du... Also ich meine, seid ihr noch... Oder wart ihr überhaupt richtig... Also... Ach komm, du weißt schon...", schlich Dives verbal wie die Katze um den heißen Brei und konnte letztlich also nicht mehr zurückhalten, was ihn gerade nach dieser 'Gefühlvoll'-Nummer jetzt besonders beschäftigte...