Beiträge von Marcus Iulius Dives

    "Du wohnst in der Casa Decima Mercator zu Roma?", fragte Dives lieber nochmal genauer nach. Er ging zwar schon davon aus, aber eh es am Ende dann doch nicht so war und jene nunmehr versprochene Einladung ihn nicht erreichen würde... Da war es einfach besser auf Nummer sicher zu gehen.
    "Und natürlich brauchst auch nicht allein zu kommen, wenn du nicht willst...", wobei Dives jetzt nicht explizit eine weibliche Begleitung meinte, sondern ganz allgemein blieb. Wenn Flavus also beispielsweise eher auf männliche Begleiter stünde, dann wäre dem Iulier dies auch recht. Aber auch sonstige Freunde, Bekannte oder Verwandte.
    "Allerdings solltest du mich das dann natürlich möglichst zeitnah wissen lassen, da das Theater auch nur ein paar tausend Plätze hat und ich natürlich reservieren lassen müsste... Aber noch ist es ja eh nicht so weit." Das sagte Dives einerseits, damit nicht plötzlich ganz Roma zu Besuch in die vergleichsweise kleine Hafenstadt käme und andererseits auch, weil ein Versagen der faktisch engagierten Schauspieler umso peinlicher würde, je mehr Leute er aus dem Publikum persönlich kennen würde. Und da der Iulier schon vorhatte, jeden persönlich geladenen Gast - und eventuell eben auch deren Begleitungen - auch persönlich zu begrüßen, ... Andererseits würden sicherlich auch einige Leute zu beschäftigt sein, um nach Ostia zu reisen - und Senatoren durften die Stadt ja eh noch immer nicht verlassen.
    Er hoffte wirklich, dass ihn dieses Schauspielerpack nicht enttäuschte!


    "Naja, es reicht ja, wenn den Stellen besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird, an denen das Mare Nostrum sich zu anderen Meeren öffnet... eben Baetica und Thracia.", meinte Dives mit einem Augenzwinkern. Und zusammen mit dem Beistand der Götter, den Flavus erwähnte, sollte das auch kein Problem sein. Mehr wusste der Iulier dazu nicht zu sagen.


    "Ach, das musst du doch nicht... Das Vergnügen lag ganz bei mir, dich kennenlernen und dir die Stadt etwas zeigen zu dürfen...", erklärte Dives und freute sich innerlich, dass der Decimer bisher zufrieden mit ihm als Stadtführer zu sein schien. Da lag die Freude wirklich ganz bei dem Iulier.
    "Wir teilen uns eine kleine Schale mit Trauben.", musste sich natürlich Antinoos gleich und mit großen Augen einmischen. Er liebte es, wenn man die einzelnen Trauben halb in den Mund nahm und dann in diesen hinein saugte. Das 'Ploppen' einer Weintraube fand er toll. Dives seuftzte.
    "Gut, so soll es sein.", stimmte er kurzerhand zu, da er hier und jetzt keine Lust darauf hatte groß Aufsehen zu erregen. Danach war der Iulier gespannt, ob Flavus die Tour hiermit als beendet ansehen würde, noch Fragen hatte, zumindest noch bis zum Forum mit dem Capitolium gehen wollen würde oder vielleicht auch bis zu einem der Häfen... Ein bisschen was könnte sich Dives sicherlich noch aus den Fingern saugen.

    Sie kamen dem Theater langsam näher.
    "Oh, das ist sie!", bestätigte Dives die Vermutung zur Akustik. Er wusste zwar nicht, wie Flavus das durch den Blick auf die Fassade sehen konnte, aber dachte auch nicht weiter darüber nach.
    "Diese will ich übrigens dann auch ausnutzen, wenn ich zum Decurio von Ostia ernannt werde, wovon ich einfach mal ausgehe. Dann werde ich nämlich für die Bevölkerung ein öffentliches Schauspiel dort auf die Bühne bringen. Ich hab mich schon ein bisschen umgehört und bin der Meinung auch ein ganz talentiertes Ensemble gefunden zu haben. Wenn du willst, kann ich dir zu gegebenem Zeitpunkt auch eine persönliche Einladung dazu zukommen lassen..." Natürlich würde es sicherlich auch einen kleinen Aushang auf dem Forum Romanum in Roma geben, aber Dives fand dies zumindest eine ganz nette Geste.


    Je näher sie dem Theater kamen, umso größer schien es sich vor ihnen aufzutürmen.
    "Hm.", nickte Dives einmal mit einem äußerst schmalen Lächeln. Vermutlich war ein Auslassen dieses Themas wirklich eine gute Idee, denn für ihn reichte das bloße Kennen der eigenen Stammväter eben nicht aus. War Flavus etwa nicht stolz darauf ein Römer zu sein, Venus als Stammmutter zu haben? Vor einem Augenblick hatte sich das doch noch anders angehört, als er von Aeneas als einem feigen Griechen gesprochen hatte. Verdammt! Dazu hatte er eigentlich auch noch etwas sagen wollen, denn aus seiner Sicht war Aeneas in der Situation keinesfalls feige. Aber gut, Chance vertan.


    Nun verschlang der Schatten, den das Theater warf, auch den eigenen Schatten des Iuliers - man war fast da.
    "Naja, große Gentes aus denen meine Eltern und Großelten stammen..." Und das waren die diversen Stammbäume wirklich. Zwar war das noch kein Argument für die wirklich bei genauerer Betrachtung nicht gerade wenigen Verwandten beim Militär, doch erhöhte eine zahlreiche Verwandtschaft natürlich unweigerlich die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der eine oder andere zu den Legionen gehen wollte - und ging.
    "Gefahren von See? Wer soll da kommen? Die Piraten sind doch faktisch seit Pompeius Magnus aus dem Mare Nostrum verschwunden. Und ansonden ist Misenum nicht weiter als zwei Tage mit dem Schiff entfernt. Ravenna ist einmal um den Stiefel rum, das ist klar..." Dives sah da eigentlich keine Gefahr, solange sie nicht aus dem Innern des Imperiums käme.
    "Es kann ja auch nicht jeder Hafen einen eigene Flotte haben.", fügte er hinzu.
    "Und falls es wirklich mal jemand wagen sollte, in unser Meer einzudringen, dann denke ich, dass man uns aus Baetica oder Thracia oder von wo auch immer sie eindringen sollten, rechtzeitig informiert, sollte die Classis widererwartend nicht mit ihnen fertig werden." Da vertraute Dives ganz darauf, dass die römische Marine auch gute kleine, flinke Schiffe hatte, mit denen sie schlichtweg schneller sein würde als eventuelle Angreifer, sodass Flottenstützpunkte wie Misenum, aber auch wichtige Häfen wie Ostia frühzeitg erreicht werden würden.


    Mittlerweile war der Geruch von Fisch kaum noch zu ignorieren. Aber auch viele andere Waren breiteten sich vor dem Auge des Betrachters an den Ständen aus. Obst und Gemüse auch aus anderen Teilen der Welt wurden ebenso angeboten, wie das Fleisch heimischer Tiere. Einzig eine Sache war auffallend: Es gab vergleichsweise wenig Waren auf Getreidebasis. Woran das lag, bedurfte sicherlich keiner genaueren Erklärungen.
    "Nun denn, da sind wir."


    Sim-Off:

    Ich denke wir bleiben trotzdem hier in diesem Thread. ;)

    "Nun, dann denke ich, sollten wir dem leeren Magen Abhilfe verschaffen, oder?", meinte Dives mit einem kleinen Grinsen im Gesicht. Ja, in seinen Ohren hatte schon etwas von einer winzigen Ausrede - allerdings keiner dummen! Flavus hatte ja bereits zuvor von seinem Hunger gesprochen, wobei der Iulier eigentlich nicht gedacht hatte, dass es nun SO schlimm um ihn stand. Dives zeigte ein Stück weit die Straße hinunter.
    "Das da ist das große Theater von Ostia. Es wurde übrigens unter Divus Augustus von seinem engen Vertrauten Vipsanius Agrippa errichtet. Hinter der Fassade, im Halbrund unter den Zuschauerreihen sind einige Läden, wo es auch etwas zu essen geben sollte. Ansonsten befindet sich hinter der Scaena, dem Bühnenhaus, der Platz der Korporationen mit etwa 70 Geschäften. Da laufen auch immer ein paar Imbissverkäufer rum.", erklärte Dives. Es folgte eine kurze Pause.
    "Oder wir können auch ein Stück weiter gehen. Da hinten, kurz hinter dem alten Tor des Castells, fängt das Forum Ostias an." Dabei zeigte Dives ein ganzes Stück die Straße runter, etwa zwei- bis dreimal so weit vor ihnen, wie das Theater.


    Dass sich die Stadt gut gehalten hätte, hätte Dives dann beinahe wirklich noch zum Lachen gebracht. Wenn man es so sah, dann hätte sich sicherlich auch Roma "gut gehalten". Die Stadt war ja noch ein paar Jährchen älter. Aber er biss sich auf die Zunge und riss sich zusammen.
    Darüber, dass Flavus mit seiner Schätzung falsch lag, machte auch der Iulier sich keine weiteren Sorgen. Letztlich wusste auch er bei weitem nicht alles und der Decimer wäre ihm bei anderen Themen haushoch überlegen. Im Prinzip war die Konstellation so sogar fast schon optimal, denn Dives wollte Flavus die Stadt ja zeigen und näher bringen, was natürlich auch ein gewisses Unwissen voraussetzte. Und da der Iulier kein Magister Historiae war, kam es ihm sehr gelegen, dass er das erzählen konnte, was er zählte.


    "Stimmt! Es haben ja gleich zwei Cornelii Scipiones den Ehrentitel Africanus bekommen.", ging Dives plötzlich ein Licht auf, dass auch er keine eindeutige Beschreibung abgegeben hatte. Da er nichts Falsches sagen wollte, beließ er es einfach erstinmal bei dieser Aussage. Sich möglicherweise auf den Verkehrten der beiden festzulegen, wollte er ja nicht.
    "Moment, Moment. Du willst doch nicht etwa in aller Öffentlichkeit Venus Genetrix, die Stammmutter des römischen Volkes beleidigen, oder?" Das war natürlich eine rhetorische Frage.
    "Sie soll schließlich die Mutter des Aeneas gewesen sein. Insofern ist also auch dieser göttlicher Abstammung." Dass Dives die Venus Genetrix auch aus einem anderen Grund besonders wichtig war, erwähnte er nicht. Zwar stammte er nicht vom patrizischen Divus Iulius ab, der sie einst als Stammmutter vor allem der Iulier verehrte, dafür war es jedoch genau dieser Divus Iulius gewesen, der dem Stammvater von Dives' iulischem Zweig das Bürgerrecht verlieh. Das war auch der Grund dafür, dass dieser Stammvater den Gentilnomen Iulius angenommen hatte - und heute auch Dives ein Iulius war.
    "Und was die Brüder Romulus und Remus anbelangt, so stammen sie doch meines Wissens nach einerseits vom Kriegsgott Mars ab und andererseits von Rhea Silvia. Und letztere ist als eine Nachfahrin von wem überliefert? Aeneas." Ja, so sah Dives die Sache. Klar waren die Geschichten hier und dort etwas ausgeschmückt, aber alles in allem hatten sie sicher einen wahren Kern. Daran glaubte er einfach.
    Nachdem er auf diese Weise gezeigt hatte, dass es kein Widerspruch war, an Teile beider Legenden zu glauben, ging er nicht weiter auf das Argument der Zeit ein. Dieses war seiner Ansicht nach nämlich nicht das eigentliche Problem betreffend. Er hatte ja nicht behauptet, dass alles 1:1 so passiert war. Es gab eben den wahren Kern, der sich auch in den Jahren und Jahrhunderten der mündlichen Überlieferung nicht verändert hatte. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.


    "Hmm... Das ist mir noch nie aufgefallen...", überlegte Dives kurz.
    "Aber das mag auch daran liegen, dass ich die beiden angesprochenen Cousins zugegebenermaßen selbst auch nicht allzu gut kenne." Eine herzliche Untertreibung, aber gut. Er arbeitete ja bereits daran, dass sich die Situation verbesserte.
    "Nein, eine ganze Legion ist hier nicht stationiert. Da ist die Prima in Mantua die einzige in Italia. Deshalb ist das ja auch umgangsprachlich die Legion des Imperators und für die Soldaten so erstrebenswert dort zu dienen. Da hab ich übrigens auch einen... ähm... Großonkel. Der ist dort sogar der Primus Pilus.", sagte er kleinlaut. Ja, Centho war es wohl, der ihm das irgendwann mal beiläufig erzählt hatte. Und noch immer hatte Dives den Mann nicht wenigstens mal angeschrieben. Das sollte er wohl irgendwann mal nachholen. Aber jetzt, wo der Krieg quasi vor der Türe stand? Neeiin. Da hätte der sicherlich eh anderes zu tun. Er würde sich nach diesem Sturm, der wohl über das Imperium fegen wird, mal melden. Getreu dem Motto: Was du heute kannst besorgen, das geht meistens auch noch morgen! :P
    "Aber zurück. Wir haben hier eben einen Teil der Truppen aus Roma. Zugegebenermaßen natürlich einen deutlichen kleineren Teil als in Roma selbst, aber immerhin. Hier sind ja auch keine Feinde direkt vor unserer Haustür, wie beispielsweise in Germania. Und falls doch mal etwas Größeres sein sollte, dann ist Roma ja nicht weit...", wobei dem Iulier so auf die Schnelle nichts derartiges einfiel. Höchstens vielleicht, wenn es wirklich zu einer Hungersnot kommen sollte. Aber dann wären die Truppen wahrscheinlich an Roma gebunden und hätten dort alle Hände voll zu tun.
    "Aber für die abgeordneten Truppen aus Roma haben wir hier natürlich entsprechende Unterkünfte. Die der Vigiles sind sogar nicht weit von hier, in der Nähe des Platzes der Korporationen..." Wäre ja auch ein Desaster, wenn die Truppen immer aus Roma die 20 Meilen auf sich nehmen müssten, nur um in Ostia Patroullie zu laufen oder Torwache zu schieben.

    Alles andere als ein Lob für Flavus' Großvater wäre ja auch einer schlichten Beleidigung gleich gekommen, zumal der Iulier diesen nichteinmal dem Namen nach kannte. Was den Circus betraf, so konnte Dives nur nickend zustimmen. Dieses Faktum war ihm zwar selbst aktuell nicht so vertraut, aber es unterstützte doch seine These.


    "400 Jahre?" Der außerordentliche Stadtführer war doch etwas überrascht. Das ließ sich zwar trotz einiger Bemühungen nicht so ganz verbergen. Allein die Römische Republik hatte ja gute 460 Jahre existiert, wenn man bis zum Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius Magnus rechnete. Ging man bis zur Begründung des Principats durch Augustus, waren es gar nochmal einige Jahre mehr. Und darin waren weder die aktuelle Zeit der Augusti einberechnet, noch die Zeit der letzten drei Könige von Roma. Alles in allem käme man wohl eher auf eine Größenordnung von 725 bis 750 Jahren.
    "Da mir persönlich keinerlei Aufzeichnungen über das genaue Jahr der Gründung bekannt sind, will ich einfach von der knapp 25-jährigen Regierungszeit des Ancus Marcius ausgehen. Diese begann etwa 113 Jahre nach Gründung der Stadt Roma und endete ungefähr 127 Jahre nach Gründung der Stadt Roma. Damit hat Ostia bereits eine Geschichte von 725 bis 750 Jahren.", schwärmte Dives vor - hauptsächlich, weil Schwärmen wohl allemal besser wäre als eine lehrerhafte Korrektur. Er wollte schließlich einen positiv Eindruck auf den Decimer machen und die Beziehung zwischen ihren beiden Gentes nicht noch weiter belasten!


    "Du meinst Scipio Africanus? Den von den Cornelii?", hakte Dives nach, denn der Scipiones gab es viele. Er kramte kurz in seinem Gedächtnis, konnte jedoch weder Informationen in die eine noch ni die andere Richtung finden.
    "Bestimmt!", antwortete er also inhaltlich vage im Tonfall vollster Überzeugung. Klar, dass dem Decimer aus einer derart stark im Militär vertretenen Gens eher solche geschichtlichen Fakten im Kopf waren...


    "Genau. Aeneas soll hier gelandet sein. Du glaubst nicht an das, was Vergil in seinem Werk geschrieben hat? An garnichts davon?", erkundigte sich der Iulier weiter.
    "Nichtmal an einen wahren Kern des Ganzen?" Das war nämlich Dives' Auffassung. Er könnte sich niemals vorstellen, dass die ganze Gründungsgeschichte der Stadt Roma von irgendjemandem einfach nur erdacht war. Sie war schon sehr alt, wie man ja eben festgestellt hatte und daher mit großer Sicherheit auch schon einige Male verfälscht worden. Aber dass alles eine Erfindung wäre, eine glatte Lüge (!), nein; daran konnte und wollte Dives nicht glauben.


    "Wow! Ein Gardetribun...", meinte er erstaunt. Wobei. Wenn er es sich recht überlegte, dann hatte die Decimer ja auch eine entsprechende Verbindung zum Praefectus Praetorio. Wieder etwas, das er für sich behalten würde und nicht laut aussprach.
    "Ich habe auch zwei Verwandte, zwei Cousins, bei den Praetorianern. Einer ist Centurio Iulius Antoninus und einer ist Atius Romanus." Von letzterem wusste er leider nicht den Rang oder Dienstgrad. Da fiel ihm der Brief ein, den er an Atius Scarpus geschickt hatte mit der Bitte, dass dieser ihm doch nach Möglichkeit eine Kontaktadresse zukommen lassen solle, unter der er Atius Romanus erreichen könnte.


    Im nächsten Moment bogen sie um eine Ecke und Dives' Blick fiel auf eine entgegenkommende Patroullie der Stadtkohorten.
    "Hier kannst du auch sehen, dass Ostia mal gerade gute 20 Meilen von der Urbs Aeterna entfernt ist. Nicht nur, dass eine Vexillatio der stadtrömisches Vigiles hier stationiert ist. Im 100-Meilen-Radius um Roma tun auch die Soldaten der Cohortes Urbanae ihren Dienst - insbesondere natürlich in einer Civitas mit der Bedeutung Ostias." Und es war wohl unstrittig, dass Ostia eine besondere Bedeutung hatte. Damit passierten sie die Soldaten und in einiger Entfernung, hier und dort vereinzelt zwischen den Häusern, konnte man bereits das im Sonnenlicht funkelnde Meer sehen.

    "Nun, ich denke, wir gehen hier entlang.", zeigt Dives den Weg. Der Betrieb, in den der Aedil mit seinen Mannen gestürmt war - oder vielleicht auch nur eine einfache Stichprobe ob der Einhaltung diverser Vorschriften gemacht hatte - läge nun in ihrem Rücken, sodass der kleine Trupp nicht von diesen Vorgängen abgelenkt werden würde. Während der Iulier schon die ersten Schritte in diese Richtung setzte und dann darauf wartete, dass Flavus zu ihm aufschloss, hielt sich Antinoos im Hintergrund - und würde dies wohl auch auf dem restlichen Weg so halten.
    "Ein weiser Mann, dein Großvater.", stellte er noch fest und freute sich innerlich, dass sich sein eigenes geschichtliches Interesse nun vielleicht mal etwas auszahlen könnte. Den Satz mit der Republik überging Dives schleunigst, denn vor allem in aller Öffentlichkeit und gerade auch in solch unsicheren Zeiten, sollte man das besser nicht vertiefen...


    "Der Name leitet sich ab von den Worten Os, Mündung, beziehungsweise Ostium, Eingang. Beides bezieht sich natürlich dabei auf die Mündung des Tiberis ins Mare Tyrrhenum.", beantwortete Dives seine eigene Frage.
    "Warum es jedoch Ostia im Plural heißt und nicht nur Ostium, vermag ich dir nicht so genau zu sagen. Die beiden Kanäle jedenfalls, die den Tiberis mit dem Meer verbinden, sind von Menschenhand geschaffen.", fügte er zu seiner Erklärung hinzu.
    "Wo wir gerade bei Benamungen sind..." Ein Adjektiv wie falsch oder seltsam oder fragwürdig, sparte sich der Iulier, da er Flavus keinesfalls beleidigen wollte.
    "Der südlichere dieser beiden Kanäle wird Fossa Traiani genannt, wurde jedoch bereits zu Claudius' Zeiten gebaut." Mit einfachem, unbeschwerten Schulterzucken unterstrich er, dass man manche Dinge eben einfach so hinnehmen musste, unabhängig davon, wie logisch oder unlogisch sie schienen.


    "Gegründet wurd Ostia - die erste römische Kolonie überhaupt - bereits durch Ancus Marcius, dem vierten König von Roma. Und kennst du dich etwas in der Literatur aus? Dann kannst du sicherlich selbst ableiten, wer hier einst aus dem brennenden Troia seinen ersten Fuß auf italisches Land gesetzt hat...", fragte Dives indirekt, wem man mit dieser Stadt also ein solches Denkmal errichtet hatte. Ein bloßer Monolog wäre ja sicherlich auch langweilig gewesen.


    "Und ich habe eben gesagt, dass Ancus Marcius diese Stadt - ursprünglich allerdings als römisches Castell - gegründet hat. Was meinst du, wie alt Ostia folglich bereits ist?", testete der Iulier das Wissen seines Gegenübers. Die Regierungszeiten der legendären sieben Königs Romas sollte ein Paedagogus seinen Schülern schon nahgebracht haben. So sah dies zumindest Dives, der genau solcheinen Lehrer gehabt hatte... und glücklicherweise noch immer hatte. Ja, sein Sklave Aglaopes, eine beinahe wandelnde Bibliotheca, war ihm schon so manches Mal eine überaus nützliche Hilfe gewesen.
    "Bei diesen militärischen Dingen fällt mir ein: Sind die Mitglieder deiner Gens eigentlich noch immer so stark in diesem Bereich vertreten?"

    So trat Dives also ersteinmal allein in Freie, wo er prompt auf seinen wartenden Custos Corporis:


    | Antinoos
    CURSOR ET CUSTOS CORPORIS - MARCUS IULIUS DIVES


    "Marcus!", zischte dieser ihn sofort im Flüsterton an. In diesem war es auch durchaus akzeptabel, dass er den Praenomen benutzte. Hauptsache war, dass es sonst niemand mitbekam.
    "Einer der Aedile ist eben hier mit einigen Männern aufgetaucht und dann in dem Betrieb da drüben verschwunden.", deutete er auf einen etwas heuntergekommenen Laden.
    "Und? ... Hast du Angst, dass er sehen könnte, wie ich heute mal in eine Brauerei eingekehrt bin - weltoffen, wie ich doch bin?", entgegnete Dives amüsiert in normaler Lautstärke. Das entsprach zwar weder seiner wahren Intention für diesen Besuch der Brauerei, noch entsprach es dem, was er seinem Custos Corporis erzählt hatte, doch für alle anderen konnte es ja durchaus so aussehen.
    "Aber ich dachte...", setzte der Sklave noch an, wurde dann jedoch von Flavus unterbrochen, der irgendetwas von nüchternen Germanen erzählte. Anschließend legte der Herr seine linke Hand auf die rechte Schulter seines Leibwächters und schaute zu Flavus:
    "Decimus, das ist mein Custos Corporis, Antinoos. Er wird uns auf unserem kleinen Rundgang durch die Stadt begleiten.", erklärte Dives. Mehr bräuchte auch sein Sklave nicht zu wissen. Wobei...
    "Decimus Flavus aus Roma. Sein Onkel ist der berühmte Decimus Meridius; die Auctrix der Acta, Decima Seiana, ist seine Cousine.", fügte er für Antinoos hinzu. Damit sollte alles geklärt sein und es könnte losgehen...


    "Interessierst du dich eigentlich für Geschichte, Decimus?", fragte Dives gleich zu Beginn - auch um grob abschätzen zu können, was er Flavus erzählen könnte ohne ihn zu langweilen.
    "Weißt du zum Beispiel woher die Civitas Ostia ihren Namen hat?", schloss er gleich an. Wüsste Flavus es nicht, würde es ihn vielleicht etwas ködern für die Geschichte. Ansonsten wäre es zumindest ein erster Einstieg...
    "A propos Namen... Warum hat man dich eigentlich 'den Blonden' genannt?", fragte er den Dunkelbrünetten. Der Iulier wollte dem Decimer ja nicht nur irgendeinen Stadtführer geben, sondern ihn auch ein bisschen näher kennenlernen. Dazu sprach er eben auch dieses und jenes nebenbei einfach mal an und hoffte natürlich, dass Flavus nicht alles abblocken würde. Aber da war er bislang eigentlich ganz guter Dinge, was das anbelangte.

    Nicht schlimmer als bei ihm zu Hause? Na, in der Casa der Decimer musste ja richtig was los sein, denn, dass Flavus von Roma sprach, entging Dives irgendwie.
    "Ach, das war doch nicht der Rede wert. Ich freu mich, wenn ich dir weiterhelfen konnte.", winkte er ab. Den Nachsatz 'Aber dass du mir das ja nicht so schnell wieder vergisst.' sprach er nur gedanklich aus und lächelte kurz. Es wäre sicherlich nicht verkehrt, wenn sie die beiden Gentes Decima und Iulia mal wieder etwas näher kommen würden. Seitdem Meridius nicht mehr hier in Italia war, schien die durch dessen Hochzeit mit Iulia Severa begründete Verbindung zunehmend erkaltet und mittlerweile wohl gefroren zu sein.


    An der Porta nach draußen angekommen, machte Flavus plötzlich kehrt. Die kurze Begründung nahm Dives wortlos hin. Besser der Decimer schaute dem Germanen einmal zu viel auf die Finger, als einmal zu wenig. Diesen germanischen Barbaren war schließlich - und davon war der Iulier mangels gegenteiliger Beispiele überzeugt - nicht zu trauen. Erst recht nicht dann, wenn der schon so hacke war wie dieser Kerl!
    In der Gewissheit, dass Flavus noch einen Moment brauchen würde, trat der Iulier nach draußen...

    Nun klarte Dives' Blick doch merkbar auf. Er wippte leicht mit dem Kopf auf und ab. So könnte man es machen.
    "Also viel Betrieb ist hier auf jeden Fall immer. Ich meine, allein schon die ganzen Waren, die aus allen Teilen des Imperiums hier ankommen, um dann ihren weiteren Weg nach Roma zu nehmen... Ruhig ist es hier wirklich nie.", erkärte der Iulier mit einem offenen Lächeln im Gesicht.
    "Andererseits wäre mir das Laufen auch lieber, da ich mir so nicht noch überlegen müsste, wie ich auf die Schnelle eine Sänfte hierher bekomme..." Aus dem offenen Lächeln wurde ein kurzes verlegenes Lachen, wenngleich Dives notfalls sicherlich einen Sklaven zur Villa seines Cousins hätte schicken können. Tja, er war eben auch zu Fuß hier...


    "Gut, dann werde ich mal sehen, dass ich in den kommenden Tagen die Ohren an den richtigen Stellen offen halte.", meinte Dives. Er wollte ja eh morgen mit seiner Tour durch die verschiedenen Betriebe fortfahren. Und seinen Klient Asinius Celer, der als Scriba bei der Stadt angestellt war, könnte ja mal sehen, was er in der Curia vielleicht in Erfahrung bringen könnte.
    "Oh, die Frage bezüglich des Architekten kam aus reiner Neugier. Als Quaestor wollte ich auch ein bauliches Projekt auf den Weg bringen und hatte auch bereits einen studierten Magister auf diesem Gebiet hier, aber wäre es nicht an meiner plötzlichen Erkrankung gescheitert, dann wahrscheinlich an den viel zu unterschiedlichen preislichen Vorstellungen..." Da konnte der Iulier also leider gerade nicht helfen. Das heißt, theoretisch könnte er natürlich... wenn es nicht so vieles anderes gäbe, das ihn in Beschlag nahm.
    "Aber vielleicht fragst du ja mal den Consular Purgitius, bei dem du dein Tirocinium Fori absolvierst. Wenn mich nicht alles täuscht, dann erwähnte mein Cousin Centho mal... zugegebenermaßen ist das schon eine Weile her... dass dieser sein Anwesen vergrößert hätte. Da wird er sich sicherlich auch unter die Arme greifen lassen haben." Ja, jetzt hatte Dives das Gefühl, dass er auch in diesem Punkt zumindest nicht gänzlich unnützlich gewesen sein mochte. Gewissen beruhigt.


    "Es war ja auch nur so ein Gedanke.", antwortete der Iulier entschuldigend mit einem Schulterzucken. Vom Krieg und Kriegshandwerk verstand er nicht sonderlich viel. Flavus war hier der Decimer, der einen Triumphator Meridius unter seinen Verwandten hatte. Insofern würde Dives ihm da jetzt sicherlich nicht widersprechen.


    Er nahm nochmal einen kräftigen Schluck aus seinem Becher, sodass sich dieser abgesehen von einer kleinen Pfütze am Boden vollständig leerte.
    "Wenn du willst, dann können wir aufbrechen..." Ein kurzer Blick in die Richtung, in der dieser barbarische Qualitätsprüfer - seit wann waren Barbaren dafür eigentlich geeignet? - vorhin verschwunden war. Ob der Typ sich mittlerweile die Kante gegeben hatte? Gehörte hatte er ihn auf jeden Fall nicht mehr. Vielleicht sollte Flavus sicherheitshalber nochmal nachschauen, bevor sie gingen. Naja, aber das musste der letztlich wissen.

    Jetzt war Dives doch ein wenig verwundert, ließ sich davon allerdings nichts anmerken. Wollte Flavus nun etwas Essen gehen oder wollte er etwas von der Stadt sehen? Beides würde sicherlich schwierig werden.
    "Gut, ... ähm.. Laufen wir oder bevorzugst du die Stadt aus einer Sänfte heraus etwas kennenzulernen?", versuchte der Iulier genauer zu ergründen, wie Flavus sich das dachte. In einer Sänfte könnte man natürlich schon auch essen, ohne dass es gleich unstandesgemäß wirkte. Zwar auch nur Kleinigkeiten, aber immerhin. Außerdem wusste er ja auch nicht, wieviel der Decimer in der Regel so verspeiste.


    "Im Stadtzentrum wäre es mit Bauland sicherlich auch kaum was geworden. Aber am Stadtrand sollte sich doch schon eher etwas finden lassen... Wenn du willst, dann höre ich mich gern mal für dich um.", bot Dives an. Konkret versprechen konnte er natürlich noch nichts.
    "Und wie sieht es aus, hast du schon einen Architekt im Auge, den du mit dem Bau der Kelterei beauftragen willst?", erkundigte sich der Iulier nach dem bisherigen Fortschritt der Planung der Kelterei.


    "Das stimmt sicherlich, dass ein Sägewerk im Kriegsfall gut laufen dürfte... vorausgesetzt natürlich, dass ein Krieg nicht gerade dort stattfindet, wo es steht..." Damit meinte er nicht einmal unbedingt, dass die Legio Prima ja in Mantua stationiert war, sondern er sprach ganz allgemein davon, dass ein Krieg im Innern des Imperiums gefährlich war. Planungssicherheit Fehlanzeige. Aber vielleicht versuchte sich der Geschäftsmann Flavus auch nur selbst ein bisschen damit zu beruhigen. Verständlich wäre es jedenfalls.


    Die Ortsbeschreibung nahm Dives mit lächelndem Nicken zur Kenntnis. Trajansmarkt Richtung Porta Sanguari. Das sollte wohl zu finden sein, zumal die Märkte ja nie leer waren, es also immer auch wen gab, den ein Bediensteter - niemals würde Dives selbst nach dem Weg fragen - ansprechen könnte.

    'Nun mein Freund.' Bei diesen Worten schwante Dives nichts Gutes. Umso erleichterter atmete er auf, als Aculeo ihm berichtete, dass es Sedulus gut ginge. Aufmerksam folgt er dann der Erzählung des Germanicers. Dives wusste zwar weder den Grund dafür, dass der nunmehr Imperator diesem Anverwandten das Leben schwer machte, noch hatte er auch nur eine Ahnung davon, um wen es sich bei diesem Anverwandten handelte, doch würde der Iulier dennoch nicht weiter nachfragen. Aculeo hätte es sicherlich erzählt, wenn er es Dives hätte anvertrauen wollen. Ansonsten war es eine Privatsache, die ihn nichts weiter anzugehen hatte und in die er sich folglich auch nicht ungefragt einmischen würde.


    Bevor Dives die Möglichkeit hatte auf die folgenden Ausführungen Aculeos zu reagieren, hatte die Bedienung das Gespräch unterbrochen. Schon ein wenig geschockt war der Iulier dann von der Art, wie der Germanicer mit ihr sprach. Nicht dass sie es bei ihrer Art wie sie hier an das Geld der Leute zu kommen hoffte, nicht verdient hätte, nein. Aber er hatte Aculeo einfach noch nie so schroff erlebt.
    'Ob er vielleicht..? - Nein, wohl eher nicht. Er hat doch vor kurzem erst in Germanien geheiratet!' Solche Gedanken kamen Dives in letzter Zeit häufiger. Ganz aus heiterem Himmel trafen sie einen und man(n) sah einen Mensch plötzlich in einem anderen Licht - ob man wollte oder nicht. Und der Iulier wollte Aculeo bestimmt nicht in anderem Licht sehen. Wobei... Nein! Etwas zerknirscht starrte er auf den Tisch, starrte in sich hinein, versuchte Gedanken wegzuschieben und auszublenden. Er war froh, dass er sich nicht auch noch mit der Bedienung rumschlagen musste, denn...



    ... die hätte wirklich fast einmal mächtig zugelangt. Doch die Worte Aculeos trafen sie so unvorbereitet und überrascht, dass sie ihnen so schnell nichts entgegenzusetzen hatte. Mit offenem Mund stand sie einen Moment lang da, bevor sie ohne auch nur ein weiteres Wort zu verlieren beleidigt und gekränkt den Abflug machte. An den zweiten Gast am Tisch, Dives, verschwendete sie dabei keinen Gedanken. So eine ungeheure Frechheit war ihr selten untergekommen!
    Diese Bedienung würden die beiden Gäste der Taverne heute nicht mehr auch nur in die Nähe ihres Tisches kommen sehen. Doch der Wirt würde trotzdem einen Weg finden, wie der Weinkrug auf seinen Platz an den Tisch der Gäste kam...



    Bis dahin jedoch nutzte Dives die Gelegenheit auf Aculeos Worte zu reagieren.
    "Sich aus einem anbahnenden Bürgerkrieg heraushalten? Wie willst du DAS machen? Willst du aufs Land ziehen, dich auf irgendeinem Gut verkriechen und von dem leben, was die Felder bringen? Hoffen, dass sich alles möglichst schnell wieder normalisiert und dabei ständig Gefahr laufen Opfer irgendwelcher umherziehenden Truppen zu werden? ... Da spielst du nicht minder mit deinem Leben.", fügte Dives noch hinzu. Es war ihm ein Rätsel, wie Aculeo das anstellen wollte und nochmehr wieso. Klar, er wollte überleben - das wollten alle. Aus Sicht des Iuliers aber musste man dazu Farbe bekennen. Wer keine Stellung bezog, der würde im Zweifelsfall wahrscheinlich von beiden Seiten als Gegner angesehen werden. Ganz nach dem Motto "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich!".
    "Du sprichst von Exil. Was anderes ist es, wenn du dich jetzt versuchst aus allem herauszuhalten?" Nachdem der erste Teil sicherlich etwas stürmischer 'rübergekommen sein dürfte, sprach Dives nun wieder deutlich ruhiger und sachlicher. Feierlich, wie eigentlich geplant, war anders...

    "Nundenn, wie sieht's aus? Hättest du jetzt Zeit für einen kleinen Rundgang durch die Stadt oder wollen wir uns für später verabreden?", überging Dives seinerseits die ausgebliebene Antwort auf seine übergangene Nachfrage. Besonders viel interpretierte er da allerdings nicht hinein, denn er ging einfach mal davon aus, dass das Thema bei Bedarf schon wieder aufgegriffen werden würde.
    "Später muss auch nicht unbedingt heute sein, falls es dir heute nicht passen sollte. Ich weis ja nicht, wie deine ursprüngliche Planung aussah..." Der Decimer schien schließlich auch so einiges zu tun zu haben mit dem tirocinium fori bei einem angesehenen Consular, einem frisch geerbten Betrieb, einer vor der Tür stehenden weiteren Betriebseröffnung und dem weiteren Betrieb, von dem der Iulier jedoch erst Augenblicke später erfahren würde.


    Wieder nur ein freundliches Nicken in Flavus' Richtung. Was sonst hätte er auch sagen sollen? Dass sie ja nicht nur Auctrix der Acta war, was einem sicherlich reichlich Informationen über quasi jeden verschaffen dürfte, sondern auch noch die Frau des Praetorianerpraefecten, dem die vielen staatlichen Spitzel und die Post - zumindest das, was über den Cursus Publicus lief - unterstellt waren? Nein, damit hielt er sich besser zurück, denn der Mann hier war schließlich selbst ein Decimer und sogar noch mit ihr verwandt! Also schwieg Dives, eh seine Äußerungen am Ende noch falsch aufgenommen wurden.


    "Was! Du betreibst auch noch eine Barbierstube?", wechselte Dives möglichst unauffällig das Thema, da mehr wohl einfach nicht rauszuholen war an Gerüchten aus der Hauptstadt.
    "Decimus, ich bin beeindruckt! Du scheinst ganz schön vielseitig aufgestellt zu sein..." Ein anerkennender Blick ging zu Flavus. Ein reiner Dienstleistungsbetrieb, eine Gastronomie... und vielleicht bald eine zweite. Fehlte ja nur noch, dass er auch in Landwirtschaft oder Forstwirtschaft investierte. Dann wäre die Risikostreuung wohl kaum noch zu toppen.
    "Wenn du mir sagst, wo ich deine Tonstrina finden kann, verspreche ich, dass ich bei Gelegenheit mal vorbeikommen werde. Irgendwann wird sich sicherlich mal wieder ein längerer Aufenthalt in Roma ergeben." Und dass der Barbier dort stand und nicht in irgendeiner anderen Stadt, meinte Dives zwischen den Zeilen herausgehört zu haben.

    "Ja, hoffen wir es.", stimmte Dives zu und dachte dabei an sein großes blutiges Opfer an Apollo zurück. Mit dessen Heilfertigkeiten hatte der Iulier es wohl hauptsächlich diesem Gott zu verdanken, dass er überhaupt noch unter den Lebenden weilte. Vielleicht mag es auch Apollos Sohn Aesculapius gewesen sein, der ebenfalls für seine heilenden Fähigkeiten bekannt, im Auftrag seines Vater heilte - so wichtig war Dives global gesehen ja nicht. Aber letztlich auch egal, da das Opfer in der Familie blieb und es ja vor allem darauf ankam, dass Dives erstens wieder gesund war und zweitens es hoffentlich auch ersteinmal bleiben würde.


    "Also suchst du einen Baugrund für eine Kelterei. Verstehe ich das richtig?", fragte Dives nach und gab sich damit selbst etwas Zeit zum Nachdenken. Hätte ja auch sein können, dass Flavus hier irgendjemandem etwas abzukaufen gedachte.
    "Wenn du Zeit und Lust hast, dann kann ich dich gerne ein bisschen durch die Stadt führen.", bot er auf die letzte Aussage von Flavus zu diesem Thema an. Dann würde er die Tour durch die städtischen Betrieb eben erst morgen fortsetzen. Zeit genug für den Wahlkampf hatte er ja, dass er sich eine kleine Führung schon leisten könnte.


    "Deine Cousine ist Auctrix... der Acta Diurna?" Das musste Dives kurz abspeichern, denn so gut kannte er sich in den Stammbäumen der Decimer nicht aus. Aber es erschien ihm schon eine ganz brauchbare Information zu sein, wenn Decima Seiana wirklich mit Meridius verwandt wäre.
    "Ich habe sie auch mal kurz kennengelernt...", meinte der Iulier etwas gedankenversunken und völlig zusammenhangslos. Damals hatte er sie sogar nach Meridius gefragt. Hatte sie ihm da von einer Verwandtschaft ihrerseits mit Meridius erzählt? Er konnte sich nicht genau erinnern, zu lange war es her und zu viel war in der Zwischenzeit geschehen. Er trank noch einen Schluck aus seinem Becher und war dann wieder voll und ganz bei Flavus. Diese Bekanntschaft mit dem Decimer schien immer wertvoller zu werden!


    Bei den Göttern, stritt man sich jetzt hier, wer noch weiter am Anfang der senatorischen Laufbahn stand? Nein, streiten wäre nicht gut. Reichte ja schon, dass Centho der Acta spinnefeind war und wahrscheinlich auch umgekehrt. Wie die Auctrix zu Dives stand, vermochte er nicht einzuschätzen. Zu emotionslos hatte sie sich ihm gegenüber gegeben. Da musste man jetzt aber auch nichts heraufbeschwören.
    "Hmhm...", nickte Dives und versuchte dabei freundlich zu wirken. Während er erneut den Becher zum Mund führte - vorrangig, um damit Teile seines Gesichts zu verdecken, die eventuell verrieten, dass er noch immer nicht ganz der gleichen Meinung war - kam ihm der Gedanke, dass er sich vielleicht auch einfach nur geschmeichelt fühlen sollte. Und genau das zeigte das leicht veränderte Lächeln dann auch, als der Becher kurz darauf wieder den Weg auf festen Untergrund fand.


    Beruhigt stellte Dives fest, dass er doch ganz gut informiert zu sein schien. Zumindest erzählte Flavus ihm nur Dinge, die er so oder so ähnlich schonmal gehört hatte. Die die lange Zeit, die es gebraucht hatte, um das Testament zu verkünden, hatte den Iulier auch bereits ein wenig grübeln lassen. Allerdings konnte das letztlich natürlich auch andere Gründe haben.
    "Gibt es denn nichts Handfesteres? Irgendwelche Leute, die plötzlich einfach so aufgetaucht sind? Irgendwas?", fragte Dives vorsichtig und wohl wissend, dass der Decimer alle drei Fragen wahrscheinlich verneinen würde. Der Vescularier hatte das Testament sicherlich nicht selbst gefälscht, wenn es denn wirklich gefälscht war. Und ob es an der Kanzlei üblich war gute Fälscher einzustellen..? Zumindest Iulius Lucanus hatte auf ihn einen anständigen Eindruck gemacht und der arbeitete ja als Notarius in der Kanzlei. Allerdings schloss ein anständiger Arbeiter noch lange keine zwielichtigen Gestalten aus.
    "Und irgendwelche gesicherten Kenntnisse zum Mord an Valerianus selbst?" Wohl auch eher nicht, oder? Die Ausgangssperre war nun schon eine ganze Weile her und noch immer tat sich... nichts. Diese Stille wurde allmählich immer beängstigender, denn je länger die Ruhe dauerte, umso größer wäre vermutlich der Sturm, der über das Imperium herein bräche...

    Dives hörte nur das JA. Der Flavus Bekannte war also tatsächlich auch dessen Verwandter. Die Erinnerungen mochten alt und schwach sein, Verwandtschaft war Verwandtschaft - und dabei war die Entfernung in den Augen des Iuliers durchaus als relativ zu betrachten - und konnte einem Türen und Tore sperrangelweit öffnen oder sie natürlich in manchen Fällen auch verstellen. Er schätzte aber, dass hier der erste Fall zutreffend sein würde. Gern hätte Dives den Decimer auch noch ein bisschen über Meridius und Severa ausgefragt, die er bisher noch nicht kennenlernen durfte, aber er verstand den Wink mit dem Zaunpfahl.


    "Naja, wie gesagt nur Quaestor dieser Civitas, kein Quaestor Romas.", betonte Dives nochmal. Zwischen den beiden namensgleichen Magistraturen gab es ja schon einen erheblichen Unterschied. Konnten gewesene Quaestoren der Urbs Aeterna auf eine Berufung in den Senat hoffen, war Leuten wie Dives mit ihrer Quaestur gerade einmal der Weg in den lokalen Ordo Decurionum etwas geebnet. Nicht, dass der Iulier nicht auch stolz auf das Erreichte wäre - das war er nämlich, hatte ihm schon dieses Amt doch eine Menge abverlangt -, wollte er dennoch keine Missverständnisse aufkommen lassen. Am Ende ging Flavus wirklich davon aus, dass Dives der Senatorenwürde bereits derart nahe sein würde und würde ihn dann als Hochstapler sehen, wenn sich dies von dritter Seite aus nicht bestätigte. Dann wäre dieser Kontakt die längste Zeit freundlicher Natur gewesen!


    "Jaja, die Gesundheit ist ein hohes Gut... Ich hätte nicht gedacht, dass ich dies bereits in so jungen Jahren einmal sagen würde...", bestätigte er Flavus. Für Gewöhnlich redeten doch vor allem die Alten oder zumindest Älteren so. Seinen 20. Geburtstag hatte sich Dives beim Iuppiter wirklich anders vorgestellt, als allein mit einer Krankheit im Bett liegend. Naja, ändern ließ es sich nicht mehr.
    "Aber lass und nach vorne schauen und nicht zurück." Da gab es doch noch so einen Spruch, den der Iulier neulich irgendwo aufgeschnappt hatte. Wie ging der gleich? Wer uns nicht umbringt... der ist stärker? Nein, so war das bestimmt nicht. Egal. Chance vertan. Das Gespräch ging weiter.


    "Eine Weinkelterei? Das hört doch man gern!" Und wieder ein Glückstreffer! So könnte der Tag wirklich weitergehen! So wie sich der Decimer anhörte, würde es wohlmöglich nicht mehr lange dauern, bis er zur Gruppe der wichtigsten Unternehmer der Civitas den Anschluss gefunden hätte. Gut also, dass Dives bereits jetzt ersten persönlichen Kontakt zu ihm aufgenommen hatte, bevor ein anderes Mitglied aus dem Stadtrat ihn für sich entdeckte! Dementsprechend müsste der Iulier natürlich versuchen Flavus hier etwas den Rücken zu stärken, sodass er es auch wirklich schaffte. - Eben ein Geben und Nehmen. Do ut des. Ganz so, wie es auch mit den Göttern war.
    "Dann hoffen wir mal, dass Bacchus nicht nur dieser Brauerei, sondern auch deiner künftigen Kelterei gewogen sein wird.", meinte er und trank noch einen kleinen Schluck darauf. Allerdings machte sich Dives da nicht ganz so viele Sorgen. Wenn der Gott einen Betrieb gut hieß, der so ein Barbarengesöff herstellte, dann doch sicherlich erst recht einen, der einen schönen Wein produzierte!
    "Weist du denn schon, wo du sie eröffnen willst? Gleich hier in der Nähe... oder am anderen Ende der Stadt?" Oder irgendwo dazwischen, haha? Na, die letzte Frage sparte er sich, wusste er doch den Humor seines Gegenübers nicht einzuschätzen. Mancheiner fasste dies vielleicht noch als persönliche Beleidigung auf und so war es nun definitiv nicht gemeint.


    "Nun, ein guter Name ist sicherlich bei weitem nicht alles, da mag ich dir Recht geben. Aber er hilft doch mitunter ungemein.", antwortete Dives zum Thema des politischen Vorankommens. Er brauchte Flavus sicherlich nicht zu erklären, dass einen in seiner (Flavus') Position nicht nur die eigenen senatorischen Familienmitglieder wählten, sondern auch deren befreundete Senatoren und Parteigänger. Je mehr Familie man also bereits im Senat sitzen hatte, umso höher würden die Chance stehen auch selbst gewählt zu werden und sich bald ebenfalls unter ihnen wiederzufinden. Eigentlich eine ganz einfache Rechnung.
    "Ein Tirocinium Fori bei einem Consular..." Er warf Flavus einen anerkennenden Blick zu.
    "Dann wünsche ich dir viel Erfolg! Ich kenne den Purgitius nicht persönlich, aber ich habe ihn schonmal als vorsitzenden Richter in einem Prozess erlebt. Von dem kann man sicherlich eine ganze Menge lernen." Und diese ehrliche Meinung des Iuliers wurde auch nicht dadurch geschmälert, dass besagter Prozess eigentlich nur eine Vorverhandlung war.
    "Damit bist jetzt aber eindeutig du mir einen Schritt voraus...", fügte er letztlich noch zu diesem Thema hinzu. Sein eigenes tirocinium fori hatte Dives nämlich noch nichteinmal angefangen zu planen. Zuvor wollte er in Ostia den Weg zum Duumvirat weiterbeschreiten, um dann mit grundlegenden, praktischen Kenntnissen zurück nach Roma zu kommen. Dann würde er als Tiro hoffentlich mehr aufbauendes Wissen vermittelt bekommen, quasi 'Politik für Fortgeschrittene' wenn man das so sagen könnte.


    "Gefälschte Testamente? Es gab mehrere? Erzähl...!", sprach die Neugier aus ihm. Vom potenziellen Gegenkaiser und den Senatorenverfolgungen hatte er schon gehört und sich auch sogleich davon überzeugt, dass sein Cousin nicht zu den Gejagten gehörte. Auch die Octavier und Matinier, mit denen er über seine Mutter verwandt war, waren auf keiner Proscriptionsliste zu finden - bisher. Hoffentlich blieb das auch so!
    "Und von welchen Verschwörungstheorien weist du? Los, spann mich doch nicht nicht so auf die Folter!" Begierig auf Erklärungen und Details funkelten Dives' Augen wie zwei große blaue Saphire.

    Von den krassen Fehleinschätzungen seines Gegenübers hatte Dives keine Ahnung. Weder war er ein Patrizier, noch war er ein Jemand - naja, maximal noch hier in Ostia, wo er ja durch seine Quaestur doch schon diverse Bekanntschaft gemacht und Eindrücke hinterlassen hatte. Hätte der Iulier von diesen Gedanken gewusst, wäre es sicherlich interessant gewesen vor allem zu ergründen, wie der Decimer darauf kam, dass Dives patrizischer Herkunft sein würde. Weder legte seine Kleidung diesen Schluss besonders nahe, noch war seine Tante Severa Patrizierin gewesen.


    "Dann bist du wohlmöglich mit ihm verwandt?", machte Dives große Augen, denn einen Triumphator konnten wahrlich nicht viele Römer in ihrer mehr oder minder näheren Verwandtschaft vorweisen. Er folgte der Einladung und setzte sich, was sicherlich auch besser war, denn wer hätte schon gedacht, dass die Welt ihm gerade heute wieder einmal zeigen würde, wie klein sie doch manchmal sein konnte!
    "Die Freude ist ganz meinerseits!", gab der Iulier anschließend zurück. Das war ja auch ein Glücksfall gerade! Dass er automatisch davon ausging, dass Flavus seine Frage bejahen würde, bemerkte er nicht.


    Dann jedoch bekam seine Freude einen Dämpfer versetzt. Typisch für diese Geschäftsleute hinter allem und jedem einen Hinterhalt zu vermuten. Naja, dann musste der Iulier wohl ein bisschen ausholen.
    "Ah, du hast die Brauerei frisch geerbt? Gut, dann wirst du sicherlich nicht wissen, dass ich bis vor knapp einem Jahr Quaestor dieser Civitas war. Nach einer längeren Erkrankung, die ich mir irgendwo am Hafen eingefangen habe, ..." Ostia hatte eben große Hafenanlagen, an denen Schiffe aus allen Ecken des Imperiums einliefen. Und mit ihren Waren luden sie eben auch so manche Krankheit hier ab.
    "... warte und hoffe ich nun darauf, in den nächsten Wochen in den Kreis der Decuriones dieser Civitas aufgenommen zu werden. Und als solcher liegt es mir natürlich sehr am Herzen, dass es der Civitas wie auch seinen Bewohnern und den Betrieben hier gut geht." Vom angestrebten Duumvirat fing er jetzt nicht an. Das lag noch zu sehr in der Zukunft, waren doch die nächsten Wahlen noch nichteinmal ausgeschrieben. Das hielt den Iulier auf der anderen Seite jedoch nicht davon ab, dennoch bereits unterschwelligen Wahlkampf zu betreiben.


    "Nein, ich muss leider dankend ablehnen. Mein Custos verträgt nichts." Eine glatte Lüge. Und das ohne dabei auch nur ansatzweise rot zu werden. Antinoos könnte seinen dominus locker dreimal unter den Tisch trinken, aber das würde Flavus wohl kaum wissen. Interessant bei diesem Vergleich war im Übrigen, dass Antinoos, so hieß der Custos Corporis, keinesfalls überdurchschnittlich viel vertrug. Er konnte trinken wie jeder andere Grieche auch. Nein, vielmehr unterstrich es, wie wenig Dives zu vertragen imstande war.
    Warum er diese Lüge auftischte? Ganz schlicht gesagt, weil er gerade saß. Wobei er, selbst wenn er noch gestanden hätte, das Sitzen der Benachrichtigung seines Sklaven vorgezogen hätte. Fehlte ihm ja auch gerade noch, dass sein Custos am Ende einen über den Durst trank und ihn dann nicht mehr vor irgendwelchem Diebesgesindel schützen konnte!


    "Auf Bacchus!", erhob Dives nach den folgenden Worten des Decimers seinen Becher. Der Gott mochte es ihm hoffentlich verzeihen, dass er mit purem Wasser - sofern es denn hoffentlich wirklich pur war (Wer konnte das bei dem Braumeister schon mit Sicherheit sagen?) - auf ihn anstieß.
    Zu den Cervisia-Ausführungen von Flavus konnte Dives nicht mehr sagen, als gesagt worden war. Drum nickte er an den entsprechenden Stellen einfach mit dem Kopf als Zeichen, dass er verstand. Zum nachfolgend angeschnittenen Thema vermochte der Iulier allerdings ein wenig mehr hinzuzufügen:


    "Du willst auch eine senatorische Laufbahn einschlagen? Mensch, dann sehen wir uns vielleicht - hoffentlich - eines Tages in den Hallen dieses ehrwürdigen Gremiums." Dabei bezog er das Hoffentlich mehr auf sich selbst als auf Flavus, denn die Decimer hatten ja schon so einige Senatoren gestellt und stellten immernoch so einige (wenngleich diese auch nicht in Roma sein mochten). Da mochte es Flavus sicherlich schon irgendwie in den Senat schaffen. Die meisten Senatoren in Dives' Verwandtschaft stammten hingegen nicht aus seiner eigenen Gens. Lediglich sein Cousin Centho hatte es in die Reihen der Senatoren geschafft, wenngleich auch Iulius Proximus daran arbeitete.
    "Die Lage selbst vermag ich nicht annähernd so gut einzuschätzen, wie so mancher Bewohner der Ewigen Stadt, ..." Diese Anspielung galt insbesondere einer ganz bestimmten Frau, die ebenfalls aus Flavus' Gens stammte, wobei Dives weder so genau wusste, ob und falls ja, wie sie mit einem Decimus Meridius oder eben mit Decimus Flavus wirklich verwandt war.
    "... allerdings solltest du vorsichtig sein mit dem, was du sagst. Die in Ostia stationierten Truppen sind allesamt Abordnungen der Vigiles oder Stadtkohorten. Ein Glück, dass gerade sonst keiner hier ist." Der Iulier blickte sich nochmal kurz um, um dies auch bestätigt zu wissen. Dass der Vescularier als ehemaliger Praefectus Urbi und als politischer Förderer des Sohnes des Praefectus Vigilium auf die Treue insbesondere dieser beiden Truppen wohl unumwerfbar bauen könnte, müsste Dives sicherlich nicht noch hinzufügen.


    Der Iulier zuckte kurz mit den Schulter und fuhr mit deutlich gedämpfter Stimme fort:
    "Was hört man denn in Roma alles?" Egal, ob nun Wahrheit oder Erfindung. Zu ein bisschen Klatsch und Tratsch der Leute sagte Dives nicht nein.

    Ach, der Kerl war Braumeister?! Nur mäßig überzeugt schaute Dives den sich im nächsten Moment als Besitzer des Betriebes entpuppenden Mann an. Dann schickte der den aber wirklich in den hinteren Teil der Brauerei, was er wohl kaum mit einem Gast und ganz besonders nicht mit einem Preller gemacht hätte. Ein Kommentar zu diesem Braumeister gab der Iulier nicht ab, wobei sich ihm schon die Frage aufdrängte, wie sich ein... nunja, Qualitätsfanatiker, wie man es vielleicht ganz nett umschreiben könnte, in diesem Zustand noch um seine brauende Tätigkeit - was auch immer diese umfasste, denn damit kannte sich Dives nicht ansatzweise aus - kümmern konnte? Naja, das war im Endeffekt ja auch nicht sein Bier - im wahrsten Sinne des Wortes.


    "Es freut mich dich kennenzulernen, Decimus!", begann Dives mit einem das Lachen erwiedernden freundlichen Lächeln.
    "Eine meiner Tanten... zweiten Grades... war mal mit einem Decimus verheiratet; mit dem berühmten Triumphator Decimus Meridius!", erzählte er dann spontan, weil es ihm gerade dazu einfiel. Er ging dabei nicht davon aus, dass bei den vielen Decimi, die es im Imperium gab, da nun zu speziell diesem Decimus Flavus irgendeine verwandschaftliche Verbindung bestand.
    "Mein Name ist Iulius, ... Iulius Dives.", stellte er sich dann seinerseits auf seinen Praenomen verzichtend, da dieser für den Decimer eh nicht von Belang sein dürfte, vor.
    "Ich bin eigentlich hier, um mich ein bisschen zu erkundigen, wie die Geschäfte so laufen und um ein bisschen die Stimmung der Unternehmer in dieser Stadt aufzufangen.", erklärte er sich dann. Den Typ im Hinterkopf habend, der soeben nach Hinten verschwunden war, dazu die Aussage, dass eventuell die Menge dieses Besudelnden Zeugs im Getränk zu hoch sein könnte und wissend, dass er selbst nicht viel davon vertrug, fügte er dann hinzu:
    "Aber zu einem schönen Becher klaren Wassers sag ich bestimmt nicht nein. Ich will mir ja auch alles merken können, was du mir erzählst, damit eventuelle Missstände baldmöglichst ausgeräumt werden können." Wow, eine plausible Entschuldigung ohne die Ich-vertrag-nicht-viel-Karte ausspielen zu müssen. Dives war von sich selbst positiv überrascht. Er sollte soetwas vielleicht öfter machen, um dann in Zukunft noch die Ausrede zu haben, dass er ja so oft in Tavernen, Brauereien und Co. unterwegs wäre! Denn fast alles war besser, als als Römer kaum Wein und dergleich zu vertragen...


    Dann ging Dives auch schon auf den ersten Punkt ein, den Flavus ihm bereits aufgetischt hatte.
    "Hmhm...", nickte er.
    "Die ganzen Gerüchte, die man hier hört... Da hast du sicherlich nicht unrecht, dass die einige Leute verunsichern und dadurch deren Konsumbereitschaft in diesem Bereich senken." - Und dachte man neben den Gerüchten erst an die Tatsachen! Erst neulich stand doch in der Acta geschrieben, dass die Getreidereserven nur noch eine bestimmte Weile reichen, solange sich Aegyptus gegen den Vescularier stellt.
    "Aber gegen Gerüchte kann die Civitas kaum etwas machen. Die wird es wohl immer geben. Oder fällt dir eine Maßnahme ein, die dir den Verkauf hier noch erleichtern könnte?" Dives war offen für Ideen dieser Art, solange sie auch einigermaßen umsetzbar erscheinen würden. Dann wartete er ersteinmal auf eine Antwort, bevor er weitere Fragen stellte...

    Und einer dieser Kunden war der gewesene Quaestor Iulius Dives. Er hatte beschlossen sich nach seiner Krankheit wieder verstärkt in der Öffentlichkeit zu zeigen, auch um bei den Menschen hier angesichts der nächsten Wahlen langsam wieder ins Gedächtnis zurückzukommen. Zur Öffentlichkeitsarbeit zählte neben dem regelmäßigen Gang aufs Forum auch der Gang in die Thermen, das Aufsuchen der Tavernen (denn auch die Leute konnten potenzielle Wähler sein) und auch der Besuch der wichtigsten örtlichen Betriebe.
    Einer dieser Betriebe, der durch seinen Bierausschank auch mit einer stark spezialisierten Taverne vergleichbar war - so zumindest aus Sicht des Iuliers - war die Bierbrauerei Decima.


    "Salvete!", grüßte Dives beim Eintreten und schaute sich kurz um. Er erblickte einen seinem Aussehen nach von irgendwo jenseits der Alpen stammenden, wohl etwas angetrunkenen Typ, von dem Dives nicht zu sagen vermochte, ob es sich nun um einen Gast handelte oder um beschwippstes Personal. Ersteres war wohl aber naheliegender.
    Neben diesem stand ein deutlich kultivierterer, junger Mann - wahrscheinlich der Wirt oder der Besitzer der Brauerei oder beides in einem.


    'Typisch diese sauflustigen Barbaren...', dachte sich der Iulier. Tranken den lieben langen Tag so'n seltsames Zeug und drehten dann völlig am Rad! Im Norden machten sie Krieg und legten sich mit den römischen Legionen (!) an und die hier lebenden Barbaren, von denen man meinte, dass sie sich doch irgendwann wenigstens ein bisschen kultivierten müssten, verweigerten nun die Zahlung für komsumierte Güter, pöbelten rum und würden sicherlich in absehbarer Zeit auch gewaltsam werden. Ja, so nahm der Iulier diese Situation wahr und war doch ein wenig schockiert ob dieser vor Augen geführten Zustände!


    "Brauchst du Hilfe?", fragte Dives den vermeintlichen Wirt, nachdem er einige Schritte weiter nach drinnen gegangen war, und wies dann auf die Eingangstür.
    "Mein Custos Corporis wartet draußen. Ein Wort und er wird dir gerne behilflich sein..." Ein abschätziger Blick traf den Barbar.

    Von der Villa Rustica Iuliana kommend überließ Dives Aculeo den Vortritt beim Eintritt in die Taverne. Als er selbst folgte und das erste Mal seit seiner Erkrankung wieder einen Fuß in dieses Lokal setzte, schienen tausend Erinnerungen in seinen Kopf zu schießen. Welch ereignisreicher Ort, an dem der Iulier doch einst nach langer Zeit seinen Freund aus Kindertagen, Asinius Celer, getroffen hatte, der mittlerweile ein Klient von ihm war. Und auch Aculeo hatte er hier zugegebenermaßen nicht das alleserste Mal getroffen, aber dennoch das erste Mal hier in Ostia. Weiterhin war es wohl auch das erste Aufeinandertreffen, bei dem sich eine richtige Freundschaft zwischen den beiden begann aufzubauen, wenn sich der Iulier nicht täuschte.
    Dazu kamen natürlich noch unzählige weitere Erinnerungen, die man garnicht alle im Detail aufzählen könnte.


    "Dort drüben?", wies Dives fragend auf einen freien Tisch, der aber sogleich besetzt wurde.
    "Ach, geh einfach irgendwo hin...", meinte er dann mit einem Augenrollen. Es hatte ja nicht gereicht, dass der Iulier auf dem Weg hierher erzählt hatte, wie viel sauberer die Stadt doch seit Aculeos letztem Besuch geworden sei und prompt darauf in eine dreckige Pfütze getreten war. Oder dass er meinte, dass sich die Sicherheit erhöht und die Verkehrslage etwas beruhigt hätten und die beiden dann beinahe von einem berittenen Dieb über den Haufen gerannt wurden. Ganz zu schweigen von der bestolenen, pöbelnden, alten Dame, die nicht gerade das Bild des Iuliers von einer freundlicheren Stadt unterstricht. Aber so war das eben manchmal mit dieser goldenen Regel, die sich irgendwann als Murphys Gesetz einen Namen machen sollte.


    Dives folgte dem Germanicer an einen Tisch seiner Wahl und wartete gemeinsam mit ihm auf die Bedienung, die die beiden jungen Herren schon ins Visier genommen hatte, aber zuvor noch über einen anderen Tisch gebeugt die Trinkgelder einsammelte. Der Iulier überbrückte das Warten, indem er das alte Gespräch wieder aufnahm:
    "Und sag mal, Sedulus hat sich mit dem Vescularier überworfen? Ihm geht's doch gut, oder?" Nicht, dass der sich jetzt in einer kleinen düsteren Zelle... oder noch schlimmer: der Folterkammer befand!


    "Was deine Karriere betrifft, ist es wohl momentan eh etwas schwierig als Ritter, wie auch als Senator voranzukommen. Ein möglicher Bürgerkrieg nimmt immer deutlichere Konturen an und willst du deinen Weg fortsetzen, musst du dich wohl oder übel auf..." Dives blickte sich kurz und möglichst unauffällig um, denn man war in einer Taverne nie allein. Insbesondere vor den Soldaten musste man sich hüten, denn alle hier stationierten Einheiten, Abordnungen der Vigiles und der Stadtkohorten, galten als besonders Salinatornah. Aber glücklicherweise war niemand von denen zu sehen.
    "... musst du wohl oder übel Farbe bekennen. Dabei wirst du wohl vor allem im militärischen Bereich jetzt auf beiden Seiten sicherlich ganz gute Aufstiegsmöglichkeiten haben." In der Verwaltung sah es da sicherlich nicht ganz so rosig aus.
    "Weist du denn schon ungefähr, in welche Richtung du deine Karriere vorantreiben möchtest?", flüsterte Dives weiter, obwohl das bei dieser Frage wohl kaum notwendig gewesen wäre. Da Militär war es ja, zumindest beim letzten gespräch der beiden hierüber, nicht.


    "Na, was gibt's zu lästern, ihr beiden? Wollt ihr wissen, ob die echt sind? Nur zu...", unterbrach die Bedienung das Gespräch, baute sich tiefe Einblicke bietend am Tisch der beiden auf und verwies auf ihre pralle Oberweite, die mehr als offensichtlich nicht nur ausgestopft war. Mit den letzten beiden Worten deutete sie an, dass ein Fühltest zur Bestätigung dieser Tatsache durchaus erlaubt wäre, wobei offensichtlich war, dass sie dann auch entsprechende Trinkgelder zu kassieren gewillt war. Dives versuchte nicht darauf zu reagieren, empfand er dieses Bild doch eher Abstoßend als anziehend.
    "Was darf ich dir bringen, Schätzchen?", begann sie dann dementsprechend auch bei Aculeo die Bestellung aufzunehmen.

    Und ein weiterer Grund, weshalb es gut war, dass Dives sich seinen Umhang persönlich holte. So spontan hätte er garnicht gewusst, was er auf diesen kleinen Gefühlsausbruch hätte antworten sollten. Ihm war gänzlich neu, dass sich Sedulus mit dem Vescularier überworfen hatte. Da musste es wohl wirklich fast wie Hohn und Spott klingen, was Dives Aculeo von den tollen Posten bis hoch zum Praefectus Praetorio erzählte.



    Wieder ins Atrium zurückgekehrt, schien sich die Enttäuschung über die derzeitige Situation wieder etwas verflüchtigt zu haben, sodass der Iulier es auch ersteinmal dabei beließ. Nachdem er dann aus der Porta hinaus ins Freie getreten war, fiel sein Blick auf die Sänfte, die gerade von der iulischen Sklavenschaft in Position gebracht wurde. Daraufhin wandte sich Dives erneut an Aculeo:


    "Achso... Du gehst doch auch zu Fuß, oder?" So weit war es schließlich nicht und Aculeo machte einen alles andere als alten und gebrechlichen Eindruck! Auch wenn Dives das Alter des Germanicers nicht wirklich einzuschätzen imstande war. Aber wer verstand sich schon groß darauf anderer Leute Alter genau zu schätzen?
    "Oder wollen wir die Sänfte nehmen?", deutete der Iulier auf jenes für zwei gegenüber sitzende Personen vorgesehene Transportmittel.


    Auf die eine oder andere Weise ging es dann auf zur Taverne...

    Nicht sonderlich der rede Wert? Dass man zum Eques ernannt wurde? Gut, vielleicht verglichen mit einem Senator, ja. Aber wieviele Senatoren passten in den Senat? 300? Es da also zum Ritter zu bringen, war eine Leistung, die man erstmal vollbringen musste! Verglichen mit dem Ordo Senatorius, der ja 'nur' Voraussetzung für eine senatorische Karriere war und in den viele ja auch einfach ganz automatisch rutschten - allein die ganzen Senatorenkinder und -enkel - war Aculeos Standeserhebung... nunja... mindestens genauso bedeutend. So ganz in den Schatten stellen wollte Dives sich schließlich auch nicht.


    "Ach komm!", winkte er trotzdem ersteinmal ab.
    "Ich meine, denk nur an die ganzen hochdotierten Posten, die nur darauf warten, von dir erobert zu werden!" Das war natürlich etwas übertrieben, denn ganz so einfach ging das bestimmt auch nicht.
    "Und ist nicht dieser Marius Turbo, der Statthalter von Dacia, früher auch mal Eques gewesen? Praefectus Praetorio, wenn mich nicht alles täuscht?" Da war er sich sogar relativ sicher, denn bei der Truppenübergabe in Roma an den neuen (und aktuellen) Praefectus war Dives ja anwesend gewesen. Dass der auch den damals bereits de facto als Augustus amtierenden Vescularier als Patron hatte, ließ er einfach mal unter den Tisch fallen. Völlig und absolut ungewöhnlich war dieser Weg ja schließlich nicht.


    Auf den Kommentar zur Redseligkeit der Sklavin rang sich Dives mehr ein Grinsen ab, als dass er wirklich grinste. Einem eventuellen Blick des Germanicers wich er vorsorglich aus und schaute zur Sklavin. Er sah sie aber nicht direkt an, sondern blickte durch sie hindurch. In Gedanken war er für einen kurzen Moment wieder in seinem Cubiculum in der Nacht, die seine Welt, seine Ansichten, seine Wahrnehmung, sein ganzes Leben plötzlich so verändert zu haben schien. Der Fremde hatte in der Tat auch nicht viel gesagt...
    Seine Mundwinkel senkten sich. Anstatt dazu zu führen, dass er nun doch richtig mitgrinsen könnte, breitete sich mit diesem Gedanken eher soetwas wie Trauer und unerfüllbare Sehnsucht aus. Denn gerade den wenigen Worten war es geschuldet, dass Dives keinen Schimmer hatte, wer der Mann war oder wo er ihn finden könnte. In den Thermen hätten sie ihn aufgegabelt, hatte seinen beiden Leibsklaven dem Iulier am nächsten Morgen gestanden, doch wirklich weitergebracht hatte ihn das - auch nach mittlerweile unzähligen Besuchen der diversen Badeoasen Ostias - nicht.


    '... Bedingung!' Was? Mit fragendem Blick wandte er sich zu Aculeo. Worum ging es? Was hatte er gesagt? Von was für einer Bedingung redete er? So ganz folgen konnte der Iulier dem Germanicer nicht, aber dass der Eques ihn als Bedingung für irgendetwas in die Taverne einlud, hörte sich erstmal ganz gut an.
    "Gut.", antwortete er dann etwas vorsichtiger und mit spartanisch kurz.


    Bei der folgenden Bemerkung überlegte Dives für einen Augenblick, ob er Aculeo nicht den Praenomen anbieten sollte. Sie kannten sich ja eigentlich doch recht gut, wenn man von Dives' kleinem Geheimnis einmal absah, das aber auch sein Cousin Centho, seine Cousine Corona oder seine Tante Helena, eben die nächsten Verwandten von Dives nicht kannten. Außerdem war er auch schon mit Sedulus auf diesem Freundschaftsniveau angelangt. Wieso also nicht noch einem zweiten Germanicer dies zumindest anbieten?
    "Ehre dem, dem Ehre gebührt! So seh ich das auch.", wiederholte und bestätigte der Iulier Aculeo.
    "Und deshalb bestehe ich darauf, dass wir mindestens auch auf dich Anstoßen!" mit einer von Dives gezahlten Runde, verstand sich. Mit einem Grinsen auf den Lippen fügte er hinzu:
    "Keine Widerrede, verstanden?! Ich geh nur kurz und hole einen Umhang." Dann ließ er den Germanicer für einen Moment allein mit der Sklavin, die ihr Tablett mit dem Obstteller mit fragendem Blick nochmal ein wenig mehr in Aculeos Richtung hielt.



    Eigentlich hätte der Iulier sich den Umhang auch von einem Sklaven bringen lassen können, doch hätte ihm dies die Möglichkeit genommen sich nochmal kurz zu informieren, was er durch seine kurze Träumerei verpasst hatte. Zufrieden durch die Feststellung, dass dies kaum der Rede wert war, kam er wenig später in dunkelblau gehüllt wieder ins Atrium und war bereit für den Weg in die Taverne. Manchmal war es eben doch von Vorteil, dass der Flurfunk hier so übermäßig gut funktionierte.
    "Woll'n wir dann...?"