Beiträge von Marcus Iulius Dives

    Tja, dann... hatte Dives alles getan, was er in dieser Sache derzeit tun konnte. Selbstverständlich bestünde die theoretische Möglichkeit auch den anderen Duumvir nochmal in gleicher Angelegenheit aufzusuchen, doch verzichtete der Iulier besser darauf. Das hätte er nämlich auch schon vor seiner Erkrankung als unangemessenes Drängen und Drängeln empfunden und hatte es folglich auch nie vor gehabt.
    Falls sich letztlich doch noch irgendwelche Dinge ergeben sollten, die mit Dives geklärt werden mussten, so würden die beiden Stadtobersten ja sicherlich wissen, wo der Iulier wohnte.


    Den Worten des Duumvirs folgte eine kleine Pause, ehedem Dives sich verabschiedete. Der Mann sprach von einem 'interessanten Gespräch' und der Iulier vermochte es nicht einzuschätzen, inwiefern der Stadtoberste das wirklich so meinte oder ob er dabei nicht noch andere Gedanken hatte. Es war beinahe so, als wenn jemand von einer 'aufschlussreichen Unterhaltung' redete und damit je nach Intonation meinen konnte, dass er absolut nichts Neues erfahren hat oder dass sich sein Gesprächspartner entscheidend verplappert hat oder aber irgendwelche anderen Dinge, an die Dives gerade nicht dachte. Doch er wollte sich von diesen Gedanken nichts anmerken lassen, sodass er sich nach besagter kurzer Pause angemessen höflich verabschiedete und mit einem "Vale bene, Duumvir!" das Amtszimmer verließ.


    In undefiniertem zeitlichen Abstand würde der Iulier mit diesem Brief versuchen seinen Worten dieser Unterredung auch Taten folgen zu lassen. Ob der Versuch als solcher erkennbar war, geschweige denn gelang, stand natürlich auf einem anderen papyrus. Aber wie sagte man so schön:


    'Der Wille zählt!'

    Da dieses Schreiben keine empfindlichen Inhalte in sich barg - also weder irgendeine Bestechung noch auch nur ein Wort zu Valerianus, Salinator, Palma oder anderen Proscribierten - traf es mit einem ganz gewöhnlichen Boten aus Ostia an der Casa Iulia ein:


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    Ad
    Marcus Iulius Proximus
    Casa Iulia
    Roma, Italia



    Salve Marce, patrue mi,


    Ich will dir, wennauch verspätet, dafür aber umso herzlicher zu deiner Wahl zum Decemvir litibus iudicandis gratulieren! Es freut mich, dass du damit die erste Stufe auf der steilen Treppe des Cursus Honorum erklommen hast und hoffe natürlich sowohl dir eines Tages nachfolgen zu können als auch, dass du noch einige weitere Stufen nehmen wirst!


    Neben diesen längst überfälligen Glückwünschen zu deinem politischen Vorankommen möchte ich dir aber auch noch in einer anderen Angelegenheit schreiben. Als einer der zehn Männer, die den Praetoren in den Erbschaftsprozessen helfend zur Hand gehen, wirst du vielleicht auch einige Einblicke in die Arbeit deiner Amtsvorgänger und collegae haben und mir eventuell mit einer Auskunft weiterhelfen können.


    Es geht speziell um den Erbschaftsfall des Titus Decimus Verus. Diesem gehörte unter anderem ein regelmäßig in Ostia liegendes Schiff, genauer ein Navis Actuaria namens 'Xenophon'. Wie du vielleicht über Lucius oder auch auf anderem Wege erfahren haben wirst, wird in Ostia seit meiner dortigen Quaestur eine Hafengebühr erhoben. Aufgrund des besagten Erbschaftsprozesses war es mir während meiner Amtszeit nicht möglich gewesen diese auch in diesem Fall der Civitas zuzuführen. Nach meinen Informationen gibt es aber auch seither keinen neuen Erkenntnisstand bei der verantwortlichen Behörde diesbezüglich.


    Um nun den Zweiflern unter den Decuriones Ostias an mir und der Hafengebühr zu zeigen, dass es mir ernst ist mit meinem Engagement für die Civitas - und um so eventuell auch meinem politischen Vorankommen wieder etwas auf die Sprünge zu helfen - möchte ich also die Bitte an dich herantragen, mir Auskunft über den Fortschritt in dieser Erbschaftssache zu geben. Wenn es im Rahmen des Möglichen und Erlaubten ist, wäre ich auch über einen Namen sehr dankbar.


    Zwar würde ich diese Nachricht aus genannten Gründen gern persönlich an die entsprechenden Stellen weiterleiten, hätte jedoch auch Verständnis dafür, wenn du ein Schreiben lieber an den amtierenden Quaestor Ostias oder die Hafenverwaltung selbst richtest.*


    In jedem Fall hoffe ich von dir zu hören. Mögen die Götter eine schützende Hand über dich und die Deinen legen und dir eine gute und erfolgreiche Amtszeit ermöglichen.
    Vale bene.


    Marcus Iulius Dives
    EX-QUAESTOR - OSTIA



    Sim-Off:

    * Briefkasten für beide Adressaten: Epistulae Municipii - Post
    private Nachrichten für Dives in die: [Villa Rustica] Iuliana Ostiensis

    Ein leichtes Zucken in dessen Mundwinkeln konnte Dives bei seinem Gegenüber mal hier mal dort ausmachen, während er ihm in die Augen sah und sprach. Allerdings war er nicht dazu in der Lage diese Reaktionen auch entsprechend zu deuten. Dafür kannte er den Duumvir schlicht und einfach zu wenig. Als dieser dann aber dem Iulier zustimmte und nicht nur beim anderen Duumvir, sondern auch bei den älteren Decuriones - die in der Curia wohl eh die einflussreichsten waren und deren Meinung nicht wenige folgten - ein gutes Wort einlegen wollte, stand für Dives fest, dass er zumindest nichts allzu Verkehrtes im letzten Teil geäußert hatte.
    Und in gewisser Weise war der für den Duumvir so erstaunliche Wandel des Iuliers ja auch gar nicht mal so erstaunlich. Zumindest dann nicht, wenn man nur den heutigen Tag betrachtete. Ja, er mochte unangepasst und schwierig gewesen sein, als er damals hier nach Ostia kam. Spätestens mit seiner Erkrankung war er jedoch physisch ersteinmal am Ende gewesen, was ihn leicht zeitversetzt selbstverständlich auch psychisch schwächte. Nun stand er gestern vor den versammelten Decuriones Ostias, körperlich wieder durchaus einsatzfähig, wenngleich noch nicht wieder bei alter Stärke, gleichzeitig jedoch psychisch verwundbarer denn je. Er würde niemals soweit gehen und davon sprechen, dass er auch nur in irgendeiner Weise gebrochen worden war, aber de facto hatte er ja bereits am Ende seiner Ausführungen - also noch während er vor der Elite Ostias stand - innerlich beschlossen, dass er zukünftig mehr auf Durchschnitt setzen würde. Bei der Frage nach den Widerständen, gegen die der Schöpfer der Lex Munuicipalis bestehen musste, war heute sein Kampfgeist vielleicht noch einmal kurz aufgeblitzt. Abgesehen vielleicht noch von den Verwandten und Ahnen, auf die er sich mal wieder berufen hatte, denn was konnte er sonst schon vorweisen, das hier relevant wäre? Aber ansonsten... war er nun deutlich windschnittiger geworden.


    Mit einem leichten Lächeln nickte Dives.
    "Ich danke dir für deine Mühe... und für deine Geduld." Eine kurze Pause folgte.
    "Ich gehe davon aus, dass mich positive Neuigkeiten aus der Curia schnell erreichen würden, ..." Ernenungen wurden schließlich öffentlich bekannt gegeben durch Aushänge oder ähnliches.
    "... doch wäre ich auch bei einer negativen Entscheidung ebenso an einer Nachricht von dir oder deinem Collega interessiert, um ..." dann in alte Verhaltensmuster verfallend mit der Lex in der Hand hierher zu stürmen und das einzufordern, was er glaubte, dass ihm zustand. Das konnte er so jetzt natürlich nicht sagen. Noch gab es weder Grund noch Anlass, um alte Gewohnheiten wieder aufleben zu lassen.
    "... aus eurer zweifelsfrei weisen Entscheidung meine Schlüsse und Lehren für die Zukunft ziehen zu können." Ja, das konnte man so sagen, ohne dabei den vorherigen Gedanken völlig auszuschließen, ohne ihn aber auch nur ansatzweise ins Spiel zu bringen, wie Dives fand. Denn er ging davon aus, dass man ihm nach diesem geäußerten Wunsch auch eine zumindest kurze Begründung für die Ablehnung seiner Ernennung übermitteln würde.


    Noch war der Iulier aber guter Dinge und erhob sich nach der Reaktion auf seine Bitte, um nachfolgend die Verabschiedung einzuleiten:
    "Wenn es dann auch von deiner Seite aus nichts mehr hinzuzufügen gibt, dann will ich deine Zeit nicht länger in Anspruch nehmen."


    Aus einem großen Segel, das ein Schiff stark nach vorn bringen konnte, wenn der Wind günstig stand, das weder Vor- noch Nachteil war bei Windstille, das Schiff bremste bei Gegenwind, in jedem Fall jedoch weithin sichtbar war, war ein kleines leicht übersehbares Fähnchen im Wind geworden, das sich vielleicht nicht gleich jeder leichten Brise vollends ergab, das aber auch nie groß Widerstand leistete. Menschen verändern sich, davon war Dives überzeugt. Von Tag zu Tag mag man diese Veränderung nicht wahrnehmen, sieht man einen Mensch hingegen über ein Jahr lang nicht, so kann man doch hier und dort Unterschiede ausmachen. Dieser Prozess würde wohl erst mit dem Tod enden, sagte man alten Leute doch oft eine gewisse Sentimentalität nach, die diese mit Sicherheit nicht von Geburt an hatten. In diesem Sinne würde sich auch der Iulier in Zukunft wohl noch einige Male mehr oder weniger merklich verändern und dabei in die eine oder andere Richtung gehen, unklar ob das Fähnchen ein Fähnchen bleiben oder zur Fahne werden würde. Von einem Segel allerdings war ersteinmal höchstens zu träumen. Nunja, man würde sehen...

    '... dass du uns nicht ewig erhalten bleiben wirst.', hallte es in Dives' Kopf nach. An genau solchen Formulierung erkannte er die Frenudlichkeit des Duumvirs, die dieser gegenüber ihm an den Tag legte. Dass damit noch lange nichts über Zuspruch oder Ablehnung zu den Plänen des Iuliers gesagt war, war ihm aber auch klar. Dennoch schaffte der Mann den Balance-Akt zwischen einer relativen Offenheit des Gesprächsinhaltes bei gleichzeitiger höflicher Zurückhaltung im Ausdruck. Dafür war Dives seinem Gegenüber auch dankbar.
    Doch es besaß eben nicht jeder die Fähigkeit für einen solchen Drahtseil-Akt. So sehr sich der Iulier in der Vergangenheit und Gegenwart auch bemüht hatte, war die Wirkung seiner selbst auf andere Leute in den seltensten Fällen so, wie er es beabsichtigte. Im Prinzip war es ein ständiges Auf und Ab, einer Sinuskurve gleich, deren Amplitude sich zwar tendenziell verringerte, die aber selbst im Unendlichen wohl zu keiner Geraden werden würde und deren Periodenlängen etwa konstant blieb. Im Klartext war er zunächst nur wenig zurückhaltend und bescheiden gewesen, was man ihm als übermäßige Arroganz angelastet hatte. Er nahm, was er kriegen konnte, ohne weiter nachzudenken. Das war seine frühe Jugend. Als Reaktion auf die Kritik an ihm schlug Dives dann ins andere Extrem um und übte sich in absoluter Zurückhaltung, was sogar soweit ging, dass er kaum noch Geschenke, die über einen einfachen Glückwunsch hinaus gingen, annahm. Bis er auch mit diesem Verhalten den ersten vor den Kopf stieß, war nur eine Frage der Zeit.
    Aktuell befand er sich wohl gerade wieder auf der zu selbstfixierten Seite, wie er die Worte des Duumvirs interpretierte. Der würde nämlich sicherlich nicht von Selbstlosigkeit, Demut und Bescheidenheit im Zusammenhang mit dem, was Dives zur Überzeugung der Decuriones von sich tun sollte, reden, wenn der Iulier diese Dinge perfekt beherrschen würde. Ein Großteil dessen waren wohl die vielen Verwandten, auf die er sich gerne berief und die er äußerst gern anführte. Dass das wieder auf ein moderates Niveau umzustellen sich als schwierig erweisen würde, da es allein gefühlsmäßig zunächst ein Verrat an jenen Verwandten wäre, dämmerte Dives schon.


    "Hmhm...", nickte Dives langsam mit starrem Blick zum Duumvir.
    "Das verstehe ich. Das einzige, was ich neben der Beteuerung, dass ich hier in Ostia BIN, weil ich im Dienste OSTIAS tätig sein will und nicht in irgendeiner anderen Civitas, noch sagen kann, ist, dass der Gang hierher von Beginn an keinesfalls der widerstandsfreiste zu sein schien." Verdammte Schachtelsätze. Zum Glück war er ruhig und mit entsprechenden Betonungen und Pausen gesprochen, sodass er hoffentlich nicht mehr ganz so komplex wirkte.
    "Ich weis nicht, wie vertraut dir die Curia von Misenum ist. Wäre ich damals nur darauf aus gewesen die Stufen der Karriereleiter möglichst schnell hinauf zu stolpern, dann wäre ich sicherlich eher dorthin gegangen. Zwei iulische Verwandte als Duumviri Misenums... ich denke, du weist, worauf ich hinaus will." Natürlich hatte auch die Nähe zur Factio Veneta die Entscheidung beeinflusst, aber sicherlich nicht primär.
    "Ich wollte aber den schwierigeren und steinigeren Weg gehen, wollte auch mal Kritik einstecken müssen und nicht nur einen kleinen Klapps auf die Finger bekommen. Zugegeben... ich war so manches Mal schon ganz schön überrascht von der Intensität der Debatten und auch davon, was ich auszuhalten im Stande sein muss. Aber andersherum bin ich froh, dass ich diese Erfahrungen jetzt sammle und nicht erst bei einer Bewerbung zum Vigintivirat in Roma, wo der Gegenwind sicherlich noch stärker bläst.", erklärte Dives ganz ruhig und blickte dem Duumvir dabei immer wieder in die Augen. Wenn er auch nur ein bisschen Empathie hätte, was zweifelsohne der Fall war, dann würde er im iulischen Blick lesen können, dass dieser die Worte ehrlich und frei heraus sprach.
    "Ohne die Standhaftigkeit, die ich hier lernen musste und auch noch lernen muss, glaube ich, dass mich der Gegenwind völlig gnadenlos umgeworfen hätte, sodass ich letztlich wahrscheinlich auch nichtmehr die Kraft zum Aufstehen gehabt hätte." Er holte kurz Luft und begann leicht zu nicken.


    "Ja, ich glaube, dass ich auch jetzt den stürmischen Böen im römischen Senat noch nicht genug Erfahrung entgegenzusetzen hätte, um eine Bewerbung auch nur für das unterste Amt erfolgreich zu bestehen." Gut, das war jetzt vielleicht doch etwas dick aufgetragen. Dives hatte nicht wenige Verwandte im Senat, darunter auch einen Consular und einen Praetorier, sodass ein Vigintivirat vielleicht sogar machbar war - abhängig natürlich auch von den Gegenkandidaten. Aber letztlich würde er sich doch sicherer fühlen und wahrscheinlich auch erfolgreicher sein, wenn er sich mit einem Master-Abschluss in Roma bewarb statt 'nur' mit einem Bachelor.
    "Aus diesem Grund möchte ich also auch ersteinmal weiter hier in Ostia bleiben, weiter lernen und meine Erfahrungen machen - vorzugsweise bald als Decurio Ostiensis. Die Civitas Ostia war mir bislang ein guter Lehrmeister und wenn ich etwas von ihr gelernt habe, dann dass ich noch einiges mehr von ihr lernen kann." Das war doch ein ganz schönes Schlusswort für seine Reaktion und so hoben sich die Mundwinkel des Iuliers leicht zu einem Lächeln, während er dem Duumvir noch immer in die Augen schaute.

    Auch während der folgenden zwei Sätze des Besuchers war Dives noch viel zu sehr mit vergangenem Ärger aufgrund der Störung sowie der späteren Konsequenzen für den Ianitor und dessen Geliebte beschäftigt, um zu merken, wer da wirklich vor ihm stand. Lediglich in seinem Unterbewusstsein regte sich etwas, weil er die Stimme doch irgendwoher kannte. Erst als sein gegenüber Interesse an der Sklavin bekundete, begann der Iulier den Gast genauer zu mustern.


    Schlagartig bahnte sich die vorherige Information ihren Weg vom Unterbewusstsein in den Vordergrund seiner Gedanken. Dazu diese gewisse Direktheit mit der der Eques sprach... Dives machte vor lauter Überraschung ersteinmal einen Schritt zurück. Sein Mund war leicht geöffnet. Er wollte sprechen, aber konnte es nicht. Erst bei der Frage nach seinem Vorankommen die Pläne vom Senator werden betreffend fasste der Iulier sich wieder, musste nun jedoch unweigerlich grinsen. So konnte er erst antworten, als die Feige den Ritter ein zweites Mal unterbrach:


    "Aculeo!", begrüßte er den Germanicer dann nochmals. Diesmal jedoch wesentlich enthusiastischer und durch den schlichten Cognomen auch deutlich persönlicher. Es folgte eine kurze freundschaftliche Umarmung des Mannes, den er schon so lange nicht mehr gesehen, gehört oder gelesen hatte. Ja er hatte manchmal sogar schon spekuliert, ob Aculeo die Überquerung der Alpen überhaupt überlebt hatte. Zum Glück schien er das zu haben - sogar zweimal! - denn andernfalls stünde er ja jetzt nicht hier.
    Dives legte die Hände auf die Schultern seines Gegenübers und streckte die Arme. Sein Blick wanderte vom Kopf zu den Füßen und zurück.
    "Du bist also wieder zurück! Und noch dazu als Eques Romas, ich gratuliere!", stellte er das Offensichtliche fest und noch immer wollten oder konnten sich seine Mundwinkel einfach nicht wieder senken.


    "Du musst mir unbedingt erzählen, wie es war - und zwar alles! Wie ist Germania? Wie sind die Mensch dort? Und natürlich: Wie war deine Hochzeit?", plätscherten die Fragen nun nur so aus dem Iulier heraus.
    "Sind die Alpen wirklich so hoch und gefährlich, wie man sich erzählt?" Wenn Dives gerade an etwas nicht dachte, dann war es die aktuelle Politik. Es wäre logisch gewesen den Germanicer nach Neuigkeiten aus dem Norden zu fragen, aber wenn man einen guten Freund so lange nicht gesehen hatte, dann rückte soetwas in den Hintergrund. Genauso wie der Iulier auch erst jetzt im Nachtrag die ihm gestellten Fragen beantwortete.


    "Lass uns am besten in die Exedra gehen. Da haben wir die angeprisene frische Luft und können uns bei einem schönen Wein gut unterhalten. Oder wollen wir lieber in die Stadt gehen und in der Taverne auf deine Ernennung anstoßen?" Je nachdem, wie sich Aculeo entscheiden würde, würde Dives ihn hier bewirten lassen oder ihm in der Stadt einen ausgeben.
    "Das Mädchen hier kommt übrigens aus Iberien... ist leider ein bisschen wortkarg.", erklärte er dann mit Blick auf die Sklavin. Als dann der Ianitor still und leise ins Atrium schlich, fügte er hinzu:
    "Aber sie hat trotzdem ihre Wirkung auf so manchen hier." Er selbst konnte der Ibererin zwar nicht ganz so viel abgewinnen, doch das würde er dem Germanicer jetzt nicht gleich auf die Nase binden. Es reichte schon, dass die April-Geschichte unter der Sklavenschaft der Villa ihre Runde machte.


    "Ach, und für dich bin ich natürlich immernoch Dives. Das werde ich auch immer bleiben, ob ich es später in den Senat schaffe oder nicht.", fügte er abschließend hinzu. Außerdem war er sich sicher, dass Aculeo ihn auch sonst weiterhin mit Dives ansprechen würde und nicht mit irgendeinem unpersönlichen Titel oder Rang. Und dafür mochte er den Germanicer auch irgendwie.

    Der Duumvir blieb scheinbar skeptisch. Dabei hatte Dives doch gerade auch klarzumachen versucht, dass es aus seiner Sicht nichteinmal sinnvoll wäre Ostia nur als kleinen, unbedeutenden Schritt im eigenen Leben zu betrachten. Da musste der Iulier also nochmal nachhaken:


    "Aber es hat sich doch sicherlich rumgesprochen, dass ich eine senatorische Laufbahn anstrebe, oder?", fragte er vorsichtig. Davon ging er einfach mal aus, wenn unter den Decuriones auch bekannt war, dass Dives nicht ewig in Ostia zu bleiben gedachte.
    "Das ist doch kaum zu vergleichen mit einer militärischen Ritterkarriere, die einen hierhin und dorthin führt." Denn dass der erwähnte Eques in der kaiserlichen Administratio tätig war, wäre dem Iulier neu. Einer seiner Verwandten arbeitete schließlich dort, wie auch ein anverwandter Pompeier, wenngleich Dives zu beiden nicht den engsten Kontakt hatte.


    "Was ist zum Beispiel mit meinem Cousin, Senator Octavius Macer? Als ich ihn kennenlernte - und da war er bereits Mitglied des römischen Senats - sprach er davon, wie wichtig ihm Ostia sei und wie sehr er es folglich begrüße, dass sich mit mir ein Verwandter in den Dienst dieser Civitas stellt." Und so in der Art hatte Dives das Zusammentreffen wirklich noch in Erinnerung. Damals machte der Octavier den Eindruck wirklich am Wohl der Stadt interessiert zu sein - oder aber er war ein verdammt guter Schauspieler...


    "Es muss doch auch im Interesse der Decuriones von Ostia sein, wenn einige Söhne der Civitas den Weg in den Senat schaffen, oder nicht?" So hätte die Stadt stets auch Ansprechpartner im Senat, deren Ohren für Wünsche oder Probleme vielleicht etwas offener waren, als die anderer Senatoren. Unerwähnt eventuelle hohe Posten in der Verwaltung Italias. Hatte Macer nicht gar einen solchen?
    "Und ich mag zwar nicht hier geboren und auch nicht hier aufgewachsen sein, aber dennoch fühle ich mich dieser Civitas wie ein Sohn verbunden. Schon deinem Amtsvorgänger habe ich erzählt, dass der iulische Zweig, dem ich entstamme, stets in besonderem Maße um Ostia bemüht ist. Meine Tante Iulia Helena bekleidete hier einst das Duumvirat, mein Cousin Senator Iulius Centho hat ein Anwesen hier erworben..." Von Cousin Ocatvius Macer hatte er ja bereits eben erzählt. Außerdem gehörte er ja genauso wenig zu dem iulischen Zweig, von dem Dives da sprach, wie sein bereits verstorbener Großonkel Octavius Dio, der ebenfalls der Civitas Ostia gedient hatte.


    Es folgte eine kleine Pause, in der der Iulier wieder etwas abkühlte. Wie es sich aus seiner Sicht für einen richtigen Römer gehörte, hielt er seine römischen Vorfahren, ob nun Iulier oder nicht, stets hoch. Gleiches tat er auch mit den meisten seinen lebenden Verwandten - vor allem natürlich in einer solchen Situation. Hoffentlich hatte der Duumvir diese aufkeimende Leidenschaft auch als solche wahrgenommen, nachdem er zuvor selbst von dieser gesprochen hatte. Und hoffentlich wirkte es nicht andererseits zu hitzig, wenn man an den Anfang des Gesprächs zurück dachte. Dives hatte den Spagat versucht, doch die Wirkung von Worten und Taten auf jemanden hing stets nicht unwesentlich auch von diesem jemand selbst ab. Der Iulier war also gespannt.
    Den Satz mit den nicht einmal 20 Jahren überging er. Er war 19 geworden kurz vor seiner Quaestur, okay. Kurz vor Beginn des Duumvirats seines gegenübers hatte er sein 20. Lebensjahr vollendet und kurz vor den nächsten Wahlen würde er sogar schon 21 Jahre alt werden. Bei den Göttern, dann ging er also schon schurstracks auf die 30 zu. Er wollte garnicht daran denken.


    "Was kann ich noch tun, um die Curia von meiner Person zu überzeugen?", überlegte er laut. An eine Bestechung dachte er dabei allerdings nicht. Wie bereits erwähnt, kam er im Glauben hierher, dass er auch einen gewissen Anspruch auf eine Ernennung hätte. Außerdem war ja auch das Honorarium nicht gerade winzig gewesen.
    "Als Decurio wollte ich eine Theatervorstellung mit entsprechender Brotspende veranstalten.", erzählte er also. Gut, er wollte das auch für eine Kandidatur zum Duumvirat nutzen. Aber das musste man ja jetzt nicht unbedingt dazu sagen, zumal sich der Duumvir das sicherlich auch selbst zusammenreimen könnte...

    Ein zunächst verwunderter Blick Italicus'. Dann die Bestätigung durch dessen Worte. Er kannte die Societas nicht. Aber sowohl seine Nachfrage als auch sein Gesichtsausdruck schienen ein gewisses Interesse an der Vereinigung auszudrücken. Dives folgte Italicus' Blick zu Centho. Der machte auf seinen Cousin den Eindruck, als würde er Dives bei der Beantwortung der Frage durchaus den Vortritt gewähren. Vielleicht würde er später noch dies oder das hinzufügen...


    "Das ist eine Kultvereinigung, die sich der Verehrung und dem Gedenken aller großen Mitglieder der iulisch-claudischen princeps-Dynastie widmet.", antwortete Dives zunächst ganz allgemein.
    "Hauptaufgabe ist daher die Veranstaltung öffentlicher Opferungen und Feste vor allem zu Geburtstagen jener Iulier und Claudier.", erklärte er dann. Das machte eine Mitgliedschaft vor allem für angehende Politiker sicherlich durchaus interessant.
    "Ursprünglich wurde der Kultverein von einem Claudier gegründet, um wohl diese ehemalige Aufgabe der Arvales Fratres zu übernehmen. Bereits mit der flavischen Dynastie wurden die Gedenktage für die iulisch-claudische ja aus dem Festkalender der Arvalbrüder gestrichen. Mittlerweile ist es jedoch an uns Iuliern das fortzusetzen, was jener Claudius vor etlichen Jahren begann." Ein bisschen geschichtlicher Hintergrund war sicherlich nicht verkehrt.


    An Centho gewandt fügte Dives hinzu:
    "Nicht wahr, Magister?"

    Dives war gerade in dem für ihn eingerichteten officium tätig, als er durch das geöffnete Fenster irgendeinen Krach vernahm. Hatte er in der Vergangenheit nicht deutlich genug klar gemacht, dass er es hasste, wenn direkt vor seiner Nase laut gearbeitet wurde? Das Anwesen war groß genug, dass die Bediensteten auch woanders ihren Tätigkeiten nachkommen könnten!
    Nicht gerade bester Laune begab sich der Iulier also ans geöffnete Fenster. Das war einer der Vorteile vom Leben außerhalb der stickigen Straßen Romas. Man musste nicht in der schlechten Luft einer Arbeitskammer schuften, wo keine Luke nach draußen half die Qualität der Luft großartig zu verbessern. Hier war das anders... auch wenn man dafür jeden Holzfäller doppelt so laut hacken hörte!


    Grimmig schaute Dives nach draußen und durch die schmalen Schlitze seiner Augen - die Sonne schien recht hell - suchte er den Feind. Zu seinem eigenen Erstaunen entdeckte er jedoch keinen einzigen Holzfäller. Nein, es schien ein Gast vor der porta zu stehen und auf Einlass zu warten. Die Statur kam ihm bekannt vor, aber aus der Ferne konnte das natürlich auch täuschen.
    Einen Moment lang betrachtete Dives die Situation und erwartete jeden Augenblick einen Sklaven an seiner Tür, der ihm berichtet, wer da gerade eingetroffen war. An der porta tat sich nämlich nichts, sodass davon auszugehen war, dass der Ianitor seiner Pflicht bereits nachgekommen war. Doch es dauerte... und dauerte... und dann war es dem Iulier über!


    'Warum informiert man mich nicht?!', fragte er sich und seine Laune verbesserte sich dadurch nicht ein bisschen. Sauer schritt er nun eigeninitiativ auf flinker Sohle in Richtung Atrium. Er wollte schließlich wenigstens wissen, wer das war und zu wem er sonst wollte, wenn nicht zu ihm. Mit der Intention den Besucher zumindest 'zufällig' kurz kennenzulernen kam Dives am impluvium an und stellte überrascht und auch entsetzt fest, dass ein gewisser Ianitor nicht dort war, wo er eigentlich zu sein hatte!
    Ein kleiner Sklavenjunge kam ins Atrium gerannt und wurde abrupt vom Iulier gestoppt. Ein Blick reichte und der Junge meinte, dass er den Ianitor gerade informiert hätte und dieser sich auf dem Weg befände. Noch etwas durchdringender geschaut und der Kleine erweiterte seine Aussage um den Nachsatz '... aus der culina'.


    Während Dives nun die letzten Schritte zur porta nahm, vor welcher der Gast hoffentlich noch stand, kam er zu dem Schluss, dass die neue Sklavin wohl Schuld an dieser Situation war. Schon als sie das erste Mal einen Besucher mit Speis und Trank im Atrium versorgte, hatte er Typ seine Augen nicht von ihr lassen können! Das verlangte später noch nach einer Lösung.



    Erstmal jedoch öffnete sich nun die porta - endlich.
    "Salve!", grüßte der Iulier mit einem freundlichen Lächeln und bedeutete dem Mann, den er als einen Ritter identifizierte, mit einer einladenden Geste einzutreten. Im Hintergrund eilte die neue Schönheit im Hausstand mit einem silbernen Tablett herbei, auf welchem sich zwei Becher, zwei Krüge - einer mit Wasser und einer mit Wein - und ein Teller frisches Obst befanden. Die Frisur der Sklavin war nicht mehr ganz so perfekt, wie sie hätte sein sollen, um es gelinde zu formulieren. Ihre Haut glänzte leicht und ihre Wangen waren etwas gerötet.


    "Bitte verzeih die Unannehmlichkeiten. Aber vielleicht kann ich dich dafür hiermit ein bisschen entschädigen.", deutete Dives auf das sich nähernde Tablett.
    "Mein Name ist Iulius Dives, der Cousin des Eigentümers. Was kann ich für dich tun?", erkundigte er sich und nahm anschließend ein Stück Obst vom Teller. Der ganze Ärger ließ ihn weder genau merken, was er da gegriffen hatte und nun im Begriff war zu verspeisen, noch dass er den Besucher bereits kannte. Seit ihrem letzten Treffen war zudem auch schon einiges an Zeit ins Land gegangen, in der viel passiert war.

    Salvete.


    Erstmal danke fürs Freischalten der Chroniken von Februar und März!


    Und noch ein paar kleine Ergänzungen:


    September 2011 - Italia


    November 2011 - Italia


      [*]NON NOV DCCCLXI A.U.C. (5.11.2011/108 n.Chr.):
      Ergänzung des Codex Universalis, Pars Prima, § 16 Ordo Senatorius, Absatz 7. [ Link ]

      [*]ANTE DIEM VIII KAL DEC DCCCLXI A.U.C. (24.11.2011/108 n.Chr.):
      Marcus Iulius Proximus wird in den Ordo Senatorius erhoben. [ Link ]
      [*]ANTE DIEM III KAL DEC DCCCLXI A.U.C. (29.11.2011/108 n.Chr.):
      Marcus Iulius Dives wird in den Ordo Senatorius erhoben. [ Link ]


    Ianuarius 2012 - Italia


      [*]ANTE DIEM VIII ID IAN DCCCLXII A.U.C. (6.1.2012/109 n.Chr.):
      Sextus Aurelius Lupus wird zum Senator Roms ernannt. [ Link ]


    Martius 2012 - Italia


      [*]ANTE DIEM V KAL APR DCCCLXII A.U.C. (28.3.2012/109 n.Chr.):
      Nach den Wahlen wurde Marcus Iulius Proximus zum Decemvir litibus iucandis ernannt. [ Link ]


    Martius 2012 - Restliche Provinzen


    Nicht sicher bin ich mir, inwieweit auch die Proskriptionen (darunter immerhin auch ein ausgerufener Imperator) erwähnenswert sind.
    Oder auch solche außergewöhnlichen Ereignisse, wie den Adventus Principis Vescularii oder die Überführung des Valerianus nach Roma.


    In der Hoffnung etwas geholfen zu haben (und ohne Anspruch auf Vollständigkeit!),
    MID



    PS: Auch bei dem rot markierten Punkt bin ich mir unsicher. Passt das unter den Punkt kaiserliches Dekret?

    Der Duumvir schien zögerlich. Die Frage, die auch dem Iulier recht spontan in den Kopf und dann über die Lippen gekommen war, hatte den Mann wohl ebenso überraschend getroffen, sodass er keine fixe Antwort parat zu haben schien. Nunja, wenn Dives dies recht betrachtete, dann war ja auch nichteinmal gesagt, dass der Duumvir den Initiator der Lex Municipalis Ostias überhaupt so gut kannte und wusste, mit welchen Hürden und Hindernissen dieser seinerseits zu kämpfen gehabt hatte.


    "Verzeih, ich hätte diese Frage nicht stellen sollen.", entschuldigte sich der Iulier also. Mimik und Gestik zeigten, dass er es ehrlich meinte. Dabei war seiner Tonlage durchaus zu entnehmen, dass er keinesfalls für irgendeine Unterstellung oder einen Vorwurf um Verzeihung bat, sondern sich für eine zu neugierige Frage entschuldigte. Ersteres entsprach ja schließlich nicht der Intention seiner Fragestellung, was damit hoffentlich nochmals unterstrichen wurde.
    "Sie ist ja auch keinesfalls zielführend, wenn ich damit auf den ursprünglichen Anlass meines Gespräches zurückführen darf.", leitete Dives wieder weg von dieser Frage, um ihr wieder etwas von der Wirkung zu nehmen, die sie scheinbar gehabt hatte. Um den Grund seines Erscheinens dann nicht nur wieder anzusprechen, sondern die ganze Unterhaltung wieder mehr darauf zu fokussieren, fügte er gleich an:
    "Ich bin hier, um mit dir über die von mir angestrebte Ernennung zum Decurio Ostiensis zu sprechen." Damit wiederholte der Iulier fast haargenau das, was er schon zu Gesprächsbeginn gesagt hatte. Auch seine Intonation war ähnlich und trug keine Spur von Drängen oder Drängelei. Maximal ein Hauch von Penetranz schwang mitunter in seinen Worten.


    Der Grund dafür war wahrscheinlich die eigene Einstellung, mit der er heute hierher gekommen war. Er wollte seine Ernennung zum Decurio vorantreiben. Denn anderes als es wohl der Duumvir sehen würde, hatte der Iulier schon das Gefühl auch einen gewissen Anspruch auf die Ernennung zu haben. Er hatte vorher neben der Lex Municipalis Ostiensis extra sogar nochmal den entsprechenden Paragraph der Lex Octavia et Aelia de administratione regionum Italicarum gelesen, auf den in erstgenanntem Gesetz verwiesen wurde. Und die Maßgaben erfüllte der Iulier. Er hatte nach Darlegung seines Abschlussberichtes seine Quaestur offiziell beendet. Für die Zahlung des Honorariums hatte er sich sogar von einem seiner vormaligen Untergebenen einen Nachweis aushändigen lassen. Seinen Willen zur Ernennung zeigte er durch sein heutiges Erscheinen hier deutlich. Mehr verlangten beide leges nicht.
    Im Gegenteil sprach die Lex Municipalis ja sogar davon, dass bei Erfüllung der beiden ersten Voraussetzungen der Bewerber von den Duumviri zum Decurio ernannt würde. Nirgens stand etwas von Ermessensspielräumen, wie 'kann ernannt werden' oder 'darf ernannt werden'. Nein, er wird ernannt. Dessen hatte sich der Iulier heute vor Aufbruch hierher extra nochmals versichert. Überhaupt waren die Regelungen zum Ordo Decurionum in Dives' Augen teils... nunja... etwas seltsam. So hatten die Decuriones nicht das Recht andere Decuriones mittels Mehrheitsbeschluss - wie groß die Mehrheit auch hätte sein müssen - aus dem Ordo auszuschließen. Das ging auf legalem Wege, so wie Dives das sah, nur über den princeps. Damit war de facto jeder, der es einmal geschafft hatte Quaestor oder Aedil dieser Civitas zu werden, so gut wie im Ordo Decurionum - vorausgesetzt natürlich, dass er mit dem verdienten Gehalt auch einigermaßen zu haushalten wusste - und man konnte ihn kaum wieder loswerden. Das hörte sicherlich keiner der Decuriones gern, doch... naja... so stand es geschrieben. Oder zumindest interpretierte Dives das Gesetz so. Iurist und damit ein Fachmann dafür war er ja nicht.


    Aber Dives hatte auch garnicht vor, hier nun mit diesen Gesetzen und Paragraphen zu kommen, deren zu hinterfragende Formulierung ihm bereits vor seinem ersten Antrag in der Curia aufgefallen war. Natürlich hatte er damals auf einen diesbezüglichen Änderungsantrag verzichtet, hätte er sich damit doch ins eigene Fleisch geschnitten.
    Nein, der Iulier war dem vor ihm sitzenden Duumvir dankbar, sehr dankbar sogar, dass dieser es ihm ermöglicht hatte seinen Abschlussbericht als Quaestor zu halten. Daher würde er auch jede Frage über sich ergehen lassen und so gut es ging beantworten. Wer ihm wohlgesonnen war, dem würde auch Dives stets versuchen den nötigen Respekt zu erweisen und Freundlichkeit mit Freundlichkeit zu erwiedern. Natürlich spielte dabei auch eine Rolle, dass er anschließend eine Wahl zum Duumvir anstrebte, für die er jede positive Stimme gut gebrauchen könnte. Außerdem wusste der Iulier, dass er heute auch nur einen Anstoß für seine Ernennung geben könnte, da laut Gesetz nicht ein Duumvir allein diese vornehmen kann. Und er hoffte, dass sich die Mühlen der Bürokratie schneller drehten, wenn man sich nett und freundlich, höflich und kooperationsbereit zeigte. Nicht dass sich die ganze Chose noch über Jahre hinzog, wie eine verschleppte Krankheit, die man einfach nicht wieder los wurde. Die Möglichkeiten dazu soetwas zu bewirken hätte sein Gegenüber sicherlich, wenn er es nur wollte...


    Unschuldig freundlich lächelte Dives seinen Gegenüber leicht an. Seine Gedanken blieben Zweiten verborgen. Er war nicht hier, um Ärger zu machen.

    | Cito


    Einigermaßen verblüfft schaute der divitischte Cursor wohl im ersten Augenblick drein. Woher wusste der Ianitor das bloß? Erst im zweiten Moment ging ihm auf, dass jener Sklave, der wohl eine der vertrauensvollsten Aufgaben im Haushalt übernahm, sich vielleicht auch einfach nur an das letzte Mal erinnerte, dass Cito hier gewesen war. Natürlich war das schon ein bisschen her, aber gut. Es sollte ja Menschen geben, die nie ein Gesicht vergaßen... selbst so einen unscheinbaren 0-8-15-Typ wie Cito.


    "Salve.", grüßte der Bote den Ianitor, nachdem er seine kurze Verwirrung überwunden hatte. Zügig kam er dann zur Sache und brachte sein Anliegen vor:


    "Genau. Senator Iulius Centho erwartet eine Nachricht von seinem Cousin Iulius Dives. Und ich soll ihm diese Nachricht nun persönlich überbringen.", erwiederte der Bote wahrheitsgetreu.



    CURSOR - MARCUS IULIUS DIVES

    Hoppla! Mit so einer Prüfung auf Herz und Nieren hatte Dives wirklich nicht gerechnet. Diese Überraschung stand ihm auch für einen Augenblick ins Gesicht geschrieben, bevor er sich fing. Klar klangen die Worte des Duumvirs irgendwie loglisch und schlüssig, aber stand die Logik immer und automatisch vor der Tradition?


    "Wenn ich dazu etwas sagen darf.", begann Dives und versuchte die eigenen spontanen Gedanken irgendwie in seinem Kopf zu ordnen.
    "Zunächst möchte ich versichern, dass ich alles, was ich tue, stets aus ganzem Herzen tue und sogut, wie es mir mein Körper und Geist erlauben. Als ich also die Idee von einer Hafengebühr für die Civitas Ostia hatte, war meine Intention nicht, dass ich auf lange Sicht eh nicht mehr hier sein werde. Nein, ich habe diese Idee in die Curia eingebracht, weil sie mir eine gute Sache für die Civitas zu sein schien. Davon war und davon bin ich überzeugt.", erklärte der Iulier ruhig aber bestimmt.


    "Aber auch ganz allgemein gesprochen. Ostia ist kein kleines, unbedeutendes Nest irgendwo am Rande der Welt. Ostia ist der Hafen Romas in die Welt. Würde hier jemand, der eine Karriere in der ewigen Stadt anstrebt, nur halbherzig seine Arbeit tun, meinst du nicht auch, dass das sehr bald auch in Roma bekannt würde? Ich denke also, dass man der Verantwortung gegenüber den Bewohnern Ostias genauso gerecht werden muss, wenn man die Senatorenwürde anstrebt, wie wenn man ausschließlich in dieser Civitas Politik zu machen gedenkt." Hoffentlich war das verständlich genug ausgedrückt. Die Gedanken, die einem gerade erst in den Kopf gestiegen waren, im nächsten Moment einigermaßen geordnet wiederzugeben, war ja nicht unbedingt so einfach. Aber Dives gab sich Mühe.


    "Zuletzt möchte ich eine Frage stellen. Hatte der Schöpfer der Lex Municipalis ebenso gegen solche Vorurteile zu kämpfen, wie ich? Er hat ja immerhin die ganze Lex in die Curia eingebracht, während ich... 'nur' einen Paragraph der Hafenverordnung etwas erweitert habe. Heute ist er, wenn mich nicht alles täuscht, ein Eques und irgendwo im Imperium unterwegs. Fakt ist, dass er zumindest nicht hier in Ostia ist und nicht an den Sitzungen der Curia teilnimmt." Seinen Verdacht sprach Dives nicht aus. Er glaubte kaum, dass der Mann damals mit dertigem Widerstand fertig werden musste. Aber bei ihm war es auch in keinem Punkt - sah man einmal vom Honorarium ab, dessen Mindestmaß aber bereits in einem anderen, übergeordneten Gesetz festgelegt worden war - auch nur um einen Sesterz gegangen. Geld regierte die Welt und daran würde sich wohl auch in Zukunft kaum etwas ändern. Dennoch meinte der Iulier diese Frage keinesfalls als Angriff gegen irgendjemanden. Vielmehr hoffte er, dass der Duumvir Dives' Meinung widerlegte, wenngleich er eher davon ausging, dass jener sie möglicherweise gar noch unterstrich.

    Das war eben Marcus von den Iuliern, der nicht umsonst den Cognomen Dives trug. Schon in jüngsten Kindestagen brabbelte er tagaus tagein viel zugegebenermaßen Unverständliches. Da bekam er den sonst für finanzielen Reichtum üblichen Spitznamen, der ihn als 'reich an Worten' bezeichnen sollte, was selbstredenend noch lange nichts über die Qualität seiner Worte aussagte.


    "Ich danke dir für dein Beileid.", meinte Dives mit freundlichem Lächeln und einem leichten Nicken. Mittlerweile war er jedoch darüber hinweg gekommen - zumindest solange er nur so oberflächlich über das Thema Eltern sprach.


    "Gerne werde ich ihm deine Grüße ausrichten.", sprach der Iulier dann. Centho würde sich bestimmt freuen, hoffte Dives. Dann könnte er auch gleich mal nachfragen, was es mit dieser Mietsache auf sich gehabt hatte. Dass die Sergia nicht weiter darauf eingehen wollte, schien offensichtlich, da sie kein weiteres Wort dazu verlor. Nichteinmal zu Octavius Anton sagte sie etwas. Da kam ihm noch ein ganz anderer Gedanke:
    "Dabei fällt mir ein, dass eine der Schwestern meiner Mutter mit einem Sergier verwandt war." Dives überlegte einen kurzen Moment. Aber der genaue Name wollte ihm nicht einfallen. Aglaopes hätte ihm da sicherlich weiterhelfen können, aber er stand ja abseits des Tisches und es wäre wohl einer Beleidigung gleich gekommen, wenn Dives den Sklaven nun wieder heran holen ließe. So beließ er es einfach bei diesen allgemeinen Worten. Es war ja auch keinesfalls sicher, dass die Sergia diesen einen Sergius überhaupt kannte, geschweige denn mit ihm in irgendeiner Weise verwandt war.


    Dives hatte das Gefühl, dass seine Wangen leicht warm wurden und folglich eine leichte rötliche Färbung bekamen. Statt etwas zu erwiedern blickte er unsicher auf den Tisch, an dem er saß. Hätte er seinen Becher Traubensaft schon vor sich, den er bestellt hatte, als auch die Sergia ihre weitere Bestellung aufgegeben hatte, dann hätte er sich nun nippend hinter diesem Becher verkrochen. Stattdessen musste der ausweichende Blick nun aber reichen, um seine Verunsicherung zu verbergen. Allerdings wäre er bei diesem Versuch eher weniger erfolgreich, da es mit seiner praktischen Übung auf diesem Gebiet nicht sehr weit war.


    "In jedem Fall ist mir deine Gesellschaft eine Freude und einer der wenigen Lichtblicke, die dieser Tag wohl für mich bereithalten wird.", wich Dives aus. Hätte er sagen sollen, dass sie ihm keinesfalls ernst und streng vorkam? Oder hätte er die Unwahrheit sagen sollen, weil... weil sie vielleicht ernst und streng wirken wollte? Nein, lieber blieb der Iulier da unkonkret, um die Gefahr möglicher Fettnäpfchen so gering wie möglich zu halten. Zumindest hoffte er, dass er das damit tat, denn auch das Nicht-Festlegen könnte ja ungewollt zu einem Fettnäpfchen interpretiert werden. Lieber nicht weiter darüber nachdenken, beschloss er.


    "Denn ich werde heute noch nach Ostia weiterreisen, wo ich dann an meinem weiteren politischen Vorankommen arbeiten werde. Nach meiner dortigen Quaestur steht nun der Weg in den Ordo Decurionum auf meinem Programm.", griff er den vorherigen Gedanken auf, um die Frage der Sergia grob zu beantworten.
    "Und wie füllst du deine Tage?", fragte Dives mit einem Lächeln und ohne jeden Unterton oder Hintergedanken. Natürlich hoffte er darauf, Severa damit vielleicht etwas besser kennenzulernen und beispielsweise herauszuhören, ob sie verheiratet war oder nicht. Erst gestern abend hatte er seinem Cousin Centho ja versprochen, dass er Augen und Ohren diesbezüglich offen hielt.

    Der Duumvir schien der Antwort des Iuliers zumindest nicht völlig abgeneigt zu sein. Seine Schlussfolgerung legte jedoch den Verdacht nahe, dass er in Dives' Worte doch etwas zu viel hineininterpretierte.


    "Ja und nein. Langfristig strebe ich noch immer danach nach Roma zurückzukehren und dort eine senatorische Laufbahn einzuschlagen. Meine Wirkungsstätte soll also nicht Ostia sein, wenngleich ich mich auch für die Civitas Ostia stark machen möchte, wie es beispielsweise auch die Senatoren Iulius Centho und Octavius Macer tun." Das war das erste Jain: Das Verständnis des Wortes Wirkungsstätte. Sah man es als Ort, an dem jemand wirkte, oder vielleicht auch als Ort, an dem die Taten einer Person wirkten? Dives hatte bereits gesagt, dass er eher Anhänger der ersten Meinung war. Doch es gab noch ein weiteres Jain, auf das der Iulier nach kurzer Pause einging:


    "Daher würde ich sagen, kannst du ein langfristiges Bekenntnis zu Ostia heraushören - nur eben nicht als Wirkungsstätte.", fasste Dives zusammen und machte nochmal klar, weshalb er auf die Frage mit ja und nein geantwortet hatte. Er rutschte auf seinem Platz ein kleines Stück nach hinten und setzte sich dabei nochmal richtig gerade hin. Vermutlich machte es kaum einen sichtbaren Unterschied zu vorher, aber ihm war eben gerade danach. Was der Duumvir wohl als nächstes wissen wollte? Gab es noch offene Fragen?

    Tja ha! Welche Lehren hatte der Iulier gezogen? Zumindest in nächster Zukunft nicht mehr durch derart umstrittene Vorstöße in den Mittelpunkt zu treten, wäre sicherlich ein guter Anfang! Aber sich mehr zurückzunehmen wäre sicherlich kaum das, was sein gegenüber hier und jetzt von ihm hören wollte. Andererseits... Er würde es am besten versuchen möglichst diplomatisch und verwaschen auszudrücken:


    "Nun, auf jeden Fall werde ich mich auch weiterhin nach bestem Wissen und Gewissen für die Civitas Ostia einsetzen. Allerdings wirst du sicherlich verstehen, dass ich in nächster Zukunft etwas vorsichtiger sein werde mit dem, was ich in der Curia beantrage und vorschlage.", wenngleich Dives sich ja eigentlich nichts vorzuwerfen hatte. Schließlich hatte die Mehrheit der Decuriones für die Hafengebühr gestimmt und es war ebenfalls eine Mehrheit, die sich für die gestrigen Vorschläge gefunden hatte.


    "Mittlerweile habe ich ja auch ein paar mehr Kontakte in die Curia zu einflussreichen Decuriones wie dir, mit denen ich mich gegebenenfalls schon im Vorhinein über neue Ideen besprechen kann." Ein verstecktes Kompliment, das dem Duumvir hoffentlich eher schmeicheln als sauer aufstoßen würde. Durch die Blume sagte der Iulier damit gleichzeitig, dass im Fall der Fälle (also wenn Dives wirklich wieder eine größere Idee haben sollte) wahrscheinlich eher ein anderer vor der Curie den Antrag stellen würde. Dives war ja auch kein Cicero zu dessen Glanzzeiten. Er könnte also durchaus von einigen der städtischen Eliten rhetorisch noch etwas lernen. Weshalb also sollte er nicht lieber jenen den Vortritt lassen, von denen er noch zu lernen hoffen konnte? Ja, dieser rechtfertigender Gedanke beruhigte den Iulier irgendwie.

    | Cito


    Noch am Abend dieser Sitzung der Curia Ostiensis machte sich einmal mehr Cito auf den Weg in die ewige Stadt, um eine Nachricht an den Cousin seines dominus, Senator Lucius Iulius Centho, zu überbringen. Am darauffolgenden Vormittag traf er - einigermaßen übermüdet - an der Casa Iulia ein...


    ... und klopfte gut vernehmbar an die porta: *Poch Poch Poch*



    CURSOR - MARCUS IULIUS DIVES

    Dives fiel ein Stein vom Herzen! Der erste Schritt in dieser Richtung war also schonmal gemacht. Mussten nur noch sein morgiges Gespräch mit einem Duumvir, sowie die soeben verabredete Cena bei seinem Cousin erfolgreich verlaufen...


    "Sehr gern werde ich meinem Cousin diese Nachricht zukommen lassen.", nickte Dives freundlich und mit einem Lächeln auf den Lippen.


    "Nun, dann will ich dich auch nicht länger aufhalten, Sicinius.", leitete der Iulier anschließend bereits wieder die Verabschiedung ein. Das war sicherlich auch im Interesse seines Gegenübers, der sich hier bestimmt auch nicht ewig lang festquatschen wollte.
    "Vale bene!", wünschte Dives zum Abschied und würde noch heute einen Boten mit der Zusage des Numerius Sicinius Corbulo zu seinem Cousin Centho nach Roma losschicken.