Nachdem dieses letzte Detail abgesprochen gewesen war, hatte sich Dives wieder auf den Weg gemacht, andere Dinge zu organisieren, Korrespondenzen zu bearbeiten und ähnliches. Erst zwei Tage vor dem Dankesopfer an Iuppiter schickte er einen Boten, der sich vergewisserte, dass auch alles, wie geplant durchgeführt werden könnte. Dann war es soweit:
ANTE DIEM XI KAL NOV DCCCLXI A.U.C. (22.10.2011/108 n.Chr.):
Zu Beginn der sechsten Stunde startete die Opfergesellschaft, bestehend aus Sklaven, Peregrini, einigen iulischen Klienten (wenngleich sie nicht Dives' Klienten waren) und Dives' Freunden aus Stadtverwaltung, städtischen Honoratioren und sonstigen bekannten an der Villa Rustica von Senator Iulius Centho, Dives' Cousin. Der Tross, dem Dives und in seinem Scatten seine beiden Liktoren voran schritten, zog am Theater vorbei und kam schließlich auf dem großen Platz vor dem Capitolium an. Dort blieb Dives zunächst auf den unteren Stufen zum Tempel stehen, flankiert von seinen beiden Liktoren, und wartete, bis auch der restliche Zug nach und nach eintraf. Vor allem war ihm wichtig, das Festmachen des blütenweißen Ochsen zu überwachen. Das Tier war schließlich mit großer Sorgfalt ausgesucht worden, mehrmals durch Dives selbst beschaut worden und am Morgen prächtig zurecht gemacht worden. So trug es weiße und rote infulae mit vittae um die Stirn, eine dorsule auf dem Rücken und hatte vergoldete Hörner. Zu guter Letzt war es - nicht dass es nötig gewesen wäre - weiß gepudert worden. Alles in allem war es für Dives' Verhältnisse sauteuer gewesen. Allein das Rind selbst hatte fast zwei Wochengehälter verschlungen und dazu kam eben jene Schmückung. Da war es nur verständlich, dass er auch sicher gehen wollte, dass das Tier an seinem Platz ankam und dort ordnungsgemäß festgemacht wurde.
Dann ging es die Tempelstufen hinauf, wo Dives bereits den Aedituus zu erspähen meinte. Die beiden Liktoren blieben unten stehen, während eine kleine Truppe von tibicines und wenige ministri, die die Opfergaben trugen, Dives folgten. Im Tempelinneren bedeckte Dives dann zunächst sein Haupt mit einem Teil seiner toga, bevor er die symbolische Reinung am Waschbecken vollzog:
"Möge dieses Wasser alle Unreinheit von meinem Körper waschen wie das Verwandeln von Blei in Gold. Reinige den Verstand. Reinige das Fleisch. Reinige den Geist. So ist es."
Während die Musiker leise spielten und damit die Geräusche fernhielten, die vor dem Tempel bei der Opfergesellschaft unweigerlich entstanden, schritt Dives weiter zum Altar, wo das Kultbild des Iuppiter stand und Opferfeuer brannte. Er kontrollierte den richtigen Sitz seiner Kopfbedeckung nochmals, bevor er die Hände mit nach oben zeigenden Handflächen in die Höhe streckte und sprach:
"Ianus, Gott des Wandels, der du gleichsam am Anfang und Ende aller Dinge stehst!
Gott der Götter, der du wachst über die himmlischen Tore! Gott des Übergangs!
Ich, Marcus Iulius Dives, Sohn des Caius Iulius Constantius, möchte dir diesen Weihrauch zum Geschenk machen!
Bitte nimm dies Opfer an und lass mich damit ein gutes Gebet sprechen!"
Dabei opferte er den Weihrauch, sodass sich ein wohlriechender Nebel ausbreitete. Abschließend wandte er sich nach rechts, womit dieses Gebet beendet war. Damit sollte durch Ianus die Verbindung mit Iuppiter hergestellt werden können. Nun könnte also das eigentliche Voropfer folgen, wofür Dives sich die gut vorbereiteten Opfergaben reichen ließ, während die Musiker noch immer spielten. Dann nahm er die Gaben und streckte sie einzeln dem Gott entgegen, sodass jener auch genau sehen konnte, was geopfert werden sollte. Anschließend legte er die Gaben am Altar ab: Blumen, Kräuter, Obst und Wein, der in eine entsprechende Öffnung gegossen wurde.
Es folgte das erste Gebet zu Iuppiter. Wieder streckte Dives beide Hände mit nach oben zeigenden Handflächen in die Höhe und sprach:
"Iuppiter Optimus Maximus, höchster aller Götter und Herr des Himmels!
Schwurgott und Gott der Blitze, dem alle Vögel heilig sind und der den Vogelflug lenkt!
Ich, Marcus Iulius Dives, Sohn des Caius Iulius Constantius, möchte dir mit diesen Opfergaben meine tiefe Ergebenheit zeigen!
Danken möchte ich dir damit für die gewonnene Wahl zum Quaestor der Civitas Ostia! Ich danke für den günstigen Vogelflug!"
Um dieses Dankesgebet an Iuppiter zu beenden, wandte er sich nun traditionsgemäß zur rechten Seite um. Das Voropfer war abgeschlossen und würdevoll schritt Dives wieder nach draußen, um mit dem blutigen Hauptopfer auch den letzten Teil der Opferzeremonie zu vollführen. Immernoch stand der Ochse in strahlendstem weiß da und lauschte stumm dem Spiel der Musikanten. Während Dives dann erneut mit Wasser besprengt und symbolisch gereinigt wurde, gab Dives ein Zeichen und die Worte "Favete linguis!" ertönten. Augenblicklich wurde es still auf dem Vorplatz des Tempels. Wer gerade dort war, ließ es sich nicht nehmen, diesem Teil der Opferung noch beizuwohnen. Vielleicht fiel am Ende ja noch ein wenig Opferfleisch für ihn/sie ab. Unterdessen wurde Dives eine Schüssel gereicht, in der er nun auch seine Hände nochmals wusch. Anschließend trocknete er sie sich mit einem weißen Tuch, dem mallium latum, ab.
Dann trat er neben das Opfertier, erhob seine Hände mit zum Himmel zeigenden Handflächen und sprach:
"Iuppiter Optimus Maximus, höchster aller Götter und Herr des Himmels!
Schwurgott und Gott der Blitze, dem alle Vögel heilig sind und der den Vogelflug lenkt!
Ich, Marcus Iulius Dives, Sohn des Caius Iulius Constantius, danke dir nochmals für deine große Hilfe!
Daher möchte ich dir nun diesen mit Argusaugen ausgesuchten schneeweißen Ochsen zum Geschenk machen!
Und damit möchte ich dich auch bitten, mich auch weiterhin auf meinem Weg in die Politik zu unterstützen!
Dann will ich auch in Zukunft geloben, dir große Opfer zu bringen! Do ut des."
Mit einer Wendung nach rechts symbolisierte Dives, dass er sein Gebet gesprochen hatte und sogleich wurde damit begonnen, das Opfertier abzuschmücken und mit mola salsa zu bestreichen. Dives bekam seinerseits das Opfermesser gereicht, mit welchem er nun langsam dem Tier scheinbar von Kopf bis Schwanz strich. Bei genauerer Betrachtung würde man sehen, dass er die Klinge knapp über dem weißen Fell hielt. Das schöne Puder sollte ja hierdurch nicht abgestrichen werden.
Dann übergab Dives das Opfermesser dem cultrarius, woraufhin der victimarius mit dem Hammer in der Hand ihm die Frage der Fragen stellte: "Agone?" - "Age!", antwortete Dives mit fester Stimme.
ZACK! - ZACK!
So fand erst der Hammer in perfektem Bogen den Weg auf den Kopf des Ochsen, bevor im Augenblick danach aus einer Halsschlagader zwei halbe wurden. raftlos, lautlos und irgendwie ganz unspektakulär sackte das Tier in sich zusammen. Sofort eilten einige Opferdiener herbei, um ein Teil des Blutes in paterae aufzufangen. Dennoch bildete sich innerhalb von nur wenigen Wimpernschlägen eine große Blutlache, die schonmal als gutes Omen gedeutet werden konnte.
Nachdem das Rind ausgeblutet war, wurde der Bauchraum vorsichtig geöffnet, die Eingeweide entnommen und in einzelne paterae gelegt. Die Eingeweideschau könnte beginnen. Dives war gespannt, ob der Größte und Beste sein Opfer angenommen hatte...