Der divitische Aedilis Plebis saß gerade vor einer tabula rasa, einer leeren Wachstafel, welche er in der Ruhe und Stille seines Officium mit einer Nachricht an die Gattin seines befreundeten Mitsenators und Dominus Factionis Germanicus Sedulus zu füllen gedachte. Denn das im ersten Augenblick bereits als gelöst erhoffte Dilemma erforderte offenkundig doch weitere Schritte. Leider. Dabei konnte der Iulier nun natürlich einerseits eine Strafe verhängen, die im Zweifelsfall ebenso wenig beglichen wurde, wie die Strafe, die einer seiner Amtsvorgänger gegen die Iunia ausgesprochen hatte. Dies würde das Problem als solches folglich kaum lösen. Oder Dives marschierte zur Durchsetzung von Recht und Ordnung mit einer Delegation der Cohortes Urbanae vor der Casa Germanica auf, was allerdings ebenso wenig eine Lösung darstellen konnte, da auf diesem Weg sowohl die bereits belastete Freundschaft zu Sedulus als auch der eigene Ruf des Iuliers Schaden nehmen würden.
Womöglich also musste Dives einmal mehr einen neuen, alternativen Weg einschlagen, um diesen Fall von seinem Schreibtisch zu bekommen. Dazu wiederum müsste es ihm gelingen, das vorhandene Problem zu lösen, ohne zeitgleich dafür zu sorgen, dass neue Probleme Möglichkeit bekamen, überhaupt erst zu entstehen. Das bedeutete, dass er den Fernhandel der Iunia im Zweifel beschlagnahmen lassen musste, um den Kern des Problems zu beseitigen, wie er gleichzeitig jedoch keine Strafzahlungen verhängen konnte, um nicht durch die Möglichkeit, dass man dieser Zahlungen säumig blieb, nur den Grundstein für ein weiteres Verschleppen dieses Falls zu legen.
Die spannende und gewiss nicht ganz leicht zu beantwortende Frage lautete nur, inwiefern sich ein derartiges Vorgehen auch gesetzlich begründen lassen würde. Mitunter konnte Dives die erste Anordnung eines Aedilen gegen die Iunia als ersten, seine eigene Anordnung als zweiten Verstoß zählen, um nun in einer dritten Anordnung - weiterhin ohne Verhängen einer Strafzahlung, da einerseits niemand in dem Betrieb produzierte und sich der Aedil andererseits als Freund betrachtete - die Beschlagnahmung des Fernhandels für einen Tag X anzudrohen. Reagierte sie auch darauf nicht, ließe sich möglicherweise unter Berufung auf den Paragraphen 8 Absatz 2 am Tag X der Lex Mercatus der Fernhandel zwangsweise staatlich einziehen...
Konnte das funktionieren? Der amtierende Magistrat würde wohl noch einmal eingehend darüber nachdenken müssen - nachdem er den spontanen Besuch empfangen hatte.
"Salve, Consular Purgitius.", erhob sich der Iulier von seinem Platz, um den Gast angemessen und mit einem erfreuten Lächeln zu begrüßen. "Für dich nehme ich mir gerne die Zeit.", umging er anschließend die indirekte Frage danach, ob der Purgitier ihn hier gerade störte. "Bitte, setz dich.", lud er stattdessen seinen Gegenüber ein. "Kann ich dir eine kleine Erfrischung anbieten?", erkundigte er sich weiter, während er sich auch selbst wieder setzte.
"Wie geht es deiner kleinen Familia? Du hast eine Tochter, nicht wahr?", begann Dives im Anschluss das eigentliche Gespräch zunächst nur mit etwas Small-Talk. Denn er ging wohl davon aus, dass der Consular auch ohne eine direkte Nachfrage früher oder später darauf zu sprechen kommen würde, welches konkrete Anliegen ihn hierher führte.