Beiträge von Marcus Iulius Dives

    In der Tat gab es Ereignisse im Leben, in denen man von jetzt auf gleich von einem zum nächsten Augenblick die ganze Welt mit anderen Augen erblickte. Dabei hatte man manchmal Glück und die Welt wurde heller. Und manches Mal gehörte man zu den weniger Glücklichen, deren Welt ein Stück weit düsterer wurde. Der Iulier vor einiger Zeit hatte Letzteres erfahren, sah sich gefangen in den Klauen einer zu allem - unzwar wirklich allem - bereiten Furie, die sich selbst an seinen unschuldigen Kindern zu vergehen drohte, wenn er sich nicht schützend vor jene stellte. Es war, wann immer sie in seiner Nähe war, der reinste Tartarus! Weitgehend unberührt von seinem inneren Befinden blieb einzig die äußere Fassade des Iuliers, der sich bereits seit seiner Zeit in Ostia stets gegenüber jedem zu verstellen gehabt hatte und folglich mittlerweile auch nicht wenig Übung in solcherlei Dingen vorweisen konnte.


    Mit einem unverändert unbeschwerten und freundlichen Gesichtsausdruck nahm Dives folglich die Worte seiner Ehegattin entgegen, während er sich für den restlichen Weg wieder in stilles Schweigen hüllte. Vor dem Brautpaar dann ließ er Fausta den Vortritt, bevor er selbst zu reden begann.
    "Salve, Flavia.", begrüßte er selbstredend zunächst die Braut, da auch Fausta selbige zuerst begrüßt hatte. "Die Freude, da sei versichert, liegt ganz auf unserer Seite, in diesem stilvoll hergerichteten Haus heute Gast sein zu dürfen - nicht nur, aber auch, wenn man bedenkt, welche anderen Namen heute noch mit auf der Gästeliste dieser Feier stehen." Allen voran natürlich der des quasi frisch inaugurierten aquilischen Pontifex Maximus. "Überdies darf ich hoffentlich feststellen, dass deine Erscheinung heute in jedem Fall der Anwesenheit eines Princeps würdig ist.", schloss Dives mit einem Kompliment, bevor die Gelegenheit günstig erschien, Fausta auch bei Lepidus abzulösen.


    "Das selbstredend gilt auch für dich, Lepidus.", sprach der Iulier mit einem amüsierten Schmunzeln im Gesicht und ließ offen, wie ernst oder weniger ernst er dies meinte. "Salve und noch einmal vielen Dank nicht nur für eure Einladung, sondern auch für das Vertrauen, welches du in mich legtest, mich zu einem deiner Trauzeugen zu bestimmen." Er lächelte bei diesen Worten des Dankes. "Und ich verspreche dir, mit der Kaiserfamilie selbst vermag ich es zwar nicht aufnehmen zu können, indes auf meine Freundschaft kannst du dich stets verlassen." Auch Dives lehnte sich im Folgenden nun ein wenig zum Bräutigam: "Beständiger als das Gentilnomen der letzten Augusti ist sie allemal.", ließ er sich zu einem Kommentar zu deren jeweils doch nur recht kurzen Regierungszeit hinreißen.
    "Was meine in der Tat neue Frisur betrifft" - wie überaus aufmerksam von Lepidus, dass von allen Menschen gerade ihm dergleichen scheinbar sofort ins Auge fiel - "so war es für mich zuletzt einfach an der Zeit unter ein Kapitel meines Lebens" Der Name dieses Kapitels lautete im Übrigen Serapio. "einen Schlussstrich zu ziehen.", erklärte Dives ein wenig ernster, bevor er das Thema aber sogleich wieder auf den heutigen Tag zurücklenkte. "Aber wem erzähle ich, dass es Tage gibt, an denen sich das Leben schlagartig von einem zu nächsten Augenblick in vielerlei Hinsicht verändert? - Du heiratest heute! Und dazu wünsche ich dir, dazu wünsche ich euch", bezog er anschließend auch die Flavia mit ein, "den Segen der Götter sowie auch sonst alles Gute!"

    Publius Gabinius Cimber, dieser Name sagte dem Iulier auf Anhieb erst einmal nicht viel. Doch warum sollte er sich nicht auf den Versuch einlassen, sich über die Bekanntschaft des Annaeers zu diesem Mann helfen und unter die Arme greifen zu lassen? Da musste Dives in der Folge also nicht lange überlegen, bevor er zusagte.
    "Das, Senator", fiel er sogleich unbeabsichtigt in eine förmlichere Anrede zurück, "ist ein Angebot, welches ich unmöglich ausschlagen kann. Es wäre mir daher eine Ehre, deinen einstigen Collega an deiner Seite zu besuchen und durch dich mit ihm über das Collegium Septemvirorum ins Gespräch zu kommen.", bekundete er. "Teile mir nur einen günstigen Termin mit. Ich werde stets bereit sein." Nach seinem Tätigkeitsbericht vor dem Senat hatte er ja eh wenig anderes zu tun, wenn man vom Besuch der einen oder anderen gesellschaftlichen Veranstaltung einmal absah.


    Der kleinere und jüngere Dives, während die Erwachsenen sprachen, nährte sich immer weiter dem bunten Gefieder. Kurz vor Erreichen seines Ziels dann hielt er inne. Auf seine rechte Hand gestützt erhob er die linke, um sie ganz vorsichtig und langsam immer näher und näher an die Federn zu führen. Ganz gebannt fokussierte er dabei die Stelle, welche er zu berühren beabsichtigte. Wie ein großes Auge, so sah die Stelle aus. Aus dem Mund des Jungen lugte indes seine Zunge hervor, so konzentriert war er bei der Sache. Und dann endlich war der Augenblick der Wahrheit gekommen und er berührte die Feder mit der flachen linken Hand...

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    Original von Paullus Germanicus Aculeo


    "Fortuna?" Dives lächelte unglücklich. Denn er kannte diese Göttin ganz gewiss nicht so gut, ausgehend von der Lage, in der er sich hier wiederfand. "Glaub mir, Aculeo, nicht alles was von außen glänzt und sich schön anhört, ist bei genauerer Betrachtung auch tatsächlich goldenes Glück.", antwortete er seinem Freund anschließend. "Fausta wurde zur Procuratrix Annonae ernannt und ist deshalb zur Zeit in Misenum. Und unter uns gesagt, Aculeo, bin ich nicht einmal traurig darüber, dass sie weg ist." Er atmete einmal hörbar tief ein und wieder aus, bevor er seinem Freund vertraulich - und in einer entsprechend geringen Lautstärke - erklärte:
    "Denn ich habe dir einst geschrieben, wie ich meine... nunja... wie ich ES überwunden hätte. Aber die Wahrheit ist, dass ich damals erpresst wurde in diese Ehe." Dives schluckte. "Dabei habe ich anfänglich auch durchaus das Gute darin gesehen. Denn Fausta ist unter anderem mit dem Senator Annaeus Modestus verwandt. Und sie hat mich zu Beginn auch so akzeptiert, wie ich bin. In unserer Hochzeitsnacht, das sage ich dir, waren wir nicht allein...", grinste Dives ein wenig verstohlen beim Gedanken an den damaligen Dritten im Bett... äh... im Bunde. "Mittlerweile jedoch", und da wurde er wieder ernst, "gerät meine Ehe von Tag zu Tag zu einer größeren Qual für mich. Denn nicht nur dass ich das Gefühl habe, dass sie nun auf einmal doch mehr will und etwas zu bekommen verlangt, das ich ihr nicht geben kann. Nein, ich musste im Verlauf meines Ehelebens auch lernen, dass sie ohne mit der Wimper zu zucken zur Erpressung fähig ist, mich hintergeht, indem sie meine Freunde, wie deinen Verwandten Sedulus, anklagt. Und mittlerweile traue ich ihr sogar" Kurz zögerte er, bevor er sich entschied, es besser nicht so explizit auszusprechen. "fast alles zu." Dives senkte seinen Kopf. "Glaube mir, Aculeo, wenn nicht das Wohl meiner Kinder, vor allem das meines Sohnes, sowie meine gesamte Laufbahn daran hängen würden, ich würde diese Frau sofort verlassen." So jedoch, ihre Drohungen in Form eines Damoklesschwertes über ihm, seinen Kindern und seiner Karriere schwebend, sah er sich dazu nicht in der Lage.


    "Und diese Leute, von denen ich eben sprach... diese Leute, die mich hintergangen und verraten haben, und mein Vertrauen schamlos ausgenutzt haben", setzte Dives an, um sogleich wieder innezuhalten. Nachdem Serapio der Quintilia direkt oder indirekt von Dives Neigungen erzählt hatte, war der Iulier nicht wenig in Versuchung geführt, an just dieser Stelle den Spieß schlicht einmal umzudrehen und seinem Freund Aculeo aus dem Nähkästchen heraus auszuplaudern, wie Serapio es dereinst am liebsten mochte. Jedoch, und deshalb hielt er sich zurück, hatte es der Germanicer nicht verdient, in diese ganze Geschichte so derartig hineingezogen zu werden. Es wäre nicht richtig, Aculeo so zu benutzen, nur um sich an Serapio zu rächen. "Mindestens zwei von denen sind heute auch hier.", blieb Dives folglich eher vage und erwähnte weder Serapio noch diesen Borkan namentlich.
    "Glaube mir also, wenn ich dir sage, dass mein Stern bei Fortuna nicht halb so hoch steht, wie du auf den ersten Blick vielleicht vermuten würdest.", schloss er seine Ausführungen hernach erst einmal ab. Denn da erklang nun das nächste Lied dieser Frau, auf welche Dives vorhin seinen Weinkelch erhoben hatte. "Und wieder singt sie, als wenn die beiden wirklich echte Gefühle für einander hätten.", kommentierte Dives den Vortrag bitter und trocken und schüttelte dabei kaum merklich seinen Kopf. Ob Serapio wohl sah, dass er sich hier - wie er es einst dem Iulier vorwarf - in einen einzigen Lügenkäfig begab? Ob Serapio wohl sah, dass auch er diese Quintilia am Ende nur deshalb ausgewählt hatte, weil sie genauso um sein Geheimnis wusste, wie Fausta um das divitische? Und ob Serapio wohl sah, dass es praktisch egal war, ob die Quintilierin eine Drohung laut ausgesprochen hatte oder nicht? Immer war sie mit ihrem Wissen eine potenzielle Bedrohung... und das nicht nur für die Karriere Serapios, sondern ihm sei Dank auch für jene des Iuliers. Am Ende des Tages aus keinem anderen als diesem Grund, davon war Dives überzeugt, hatte der Decimer sich hier und heute nun mit ihr verlobt. Und damit war er letztlich, mochte er dereinst in Trans Tiberim noch so hoch über der Gesellschaft und ihren Konventionen gethront haben, auch nicht besser als Dives oder andere...

    Die decimische Vestalin machte sich bemerkbar und Dives folgte ihrer Bitte und schritt in ihre Richtung. Nicht zum ersten Mal fragte er sich dabei, wie die Vestalin und er eigentlich zueinander standen. Zweifellos, sie nannte ihn heute nicht zum ersten Mal nur bei seinem Cognomen Dives. Bereits in vielen ihrer Briefen hatte sie den Iulier in dieser Form angesprochen. Dabei in der Tat konnte er sich jedoch nicht an den Moment erinnern, in welchem sie ihm oder er ihr das Cognomen je angeboten hätte. Doch was sollte er machen? Sollte er seine eigenen Ansichten einfach über Bord werfen und sie nun ebenfalls einfach beim Cognomen Messalina nennen? Ohne dass sie ihm dergleichen von sich aus ausdrücklich anbot? Nein, das konnte er nicht. Er fühlte sich absolut unwohl, ohne ihre explizite Erlaubnis eine persönlichere Anrede zu wählen.
    Die zweite Möglichkeit, welche in dieser Situation wohl jeder Verhaltensratgeber als einzig richtige empfehlen würde, wäre schlicht und einfach die Vestalin darauf anzusprechen und sie zu fragen, welche gegenseitige Anrede zwischen ihnen beiden nun angemessen wäre. Das würde die Lage klären und ganz egal, für welche Variante man sich entschied, gäbe es nachfolgend weder diese Unsicherheit noch dieses unangenehme Gefühl, der Vestalin womöglich ungewollt zu nahe zu treten. Doch bereits in seinen Briefen an die Decima hatte der Iulier die Courage zu dieser Frage nicht aufbringen können. Denn diese Frage schließlich beinhaltete, selbst wenn man sie noch so zurückhaltend und rücksichtsvoll stellte, dennoch stets auch den indirekten Vorwurf, dass der andere ungefragt eine imaginäre Grenze überschritten hatte. Und Dives wollte die Decima ja nicht verärgern...


    "Salve, Vestalin Decima.", grüßte er also in der Folge - genau wie in seinen Briefen - die vestalische Jungfrau zurück und entschied sich damit letztlich für die Variante Nummer drei: Er überging ihre Anrede und versuchte sie einfach auszublenden. Dabei lächelte er ihr entgegen - umso mehr, als sie davon sprach, dass ihre Keks nicht dick machten. "Dann bedanke ich mich und probiere sehr gerne einen Keks.", antwortete Dives anschließend und nahm eines der einladend aussehenden Backwerke. "Und ich danke dir für deinen Hinweis, auch wenn ich mir um meine Figur in aller Regel keine allzu großen Sorgen mache." Denn wer hier von den Göttern bevorteilt war, für den war die Sorge um Übergewicht eben wirklich nur selten ein Thema.
    "Ich bin übrigens Iulius Dives.", stellte er sich hernach der anderen Dame vor, während er noch immer amüsiert lächelte ob des Kommentars der Decima. Anschließend nahm er einen Bissen von dem Keks und kam um ein anerkennendes Nicken nicht herum. "Mmh. Die sind wirklich ausgezeichnet!" Dives schmunzelte, während er sich die Frage verkniff, ob womöglich Vesta selbst diese Kekse gesegnet hatte.

    | Caius Caelius Caldus


    Irritiert runzelte der bibliothekarische Archivschreiber seine Stirn. Denn erst war es Liebe auf den ersten Blick, dann forderte sein Gegenüber ganz abgeklärt, dass Caldus Roma verließ. Anschließend nun erklärte er sich erst wieder und erzählte ihm von dem Blitz, der ihn getroffen hätte. Hernach folgte seine Drohung, den Caelier gar zu töten, bevor der vermeintliche Corvinius gänzlich unerwartet ein Versprechen abgab, Caldus alle Wünsche zu erfüllen. Was nun sollte der Hausgast darauf bloß antworten? Was bloß sollte er davon halten und darüber denken? Mit diesem es wohl Hot'n'Cold-Spielchen konnte er nur wenig anfangen.
    "Du willst, dass ich mit dir komme?", begann Caldus nach einem kurzen Moment der Stille. "Du willst, dass ich dir nach all dem hier trotzdem noch vertraue und mit dir komme?" Er schüttelte seinen Kopf. "Du vertraust mir so sehr, dass du mir nicht sagst, wer dich schickt. Du stellst deinen Auftrag über mich und über alles andere. Und du drohst mir sogar, mich umzubringen!", warf der Caelier seinem Gegenüber entgegen. "Und da soll ich dir noch irgendwie vertrauen können?!?" Nein, das konnte Caldus nicht. Er wagte es ja noch nicht einmal, diesem vermeintlichen Corvinius den Rücken zuzudrehen. Wer wüsste schon, ob der Fremde nicht nur darauf wartete, ihm ein Messer zwischen die Schulterblätter zu rammen. "Ich will, dass du gehst.", forderte er und versuchte zu überspielen und zu unterdrücken, wie sehr ihm der Hintern gerade auf Grundeis ging. Der Kerl hatte immerhin gedroht, ihn zu töten, wenn er nicht spurte. "Bitte! Ich will, dass du jetzt gehst." Unbewusst setzte Caldus seinen rechten Fuß einen Schritt zurück. "Geh!", wies er mit seiner linken Hand in Richtung Zimmertür.




    SCRIBA LOGEI - BIBLIOTHECA MARINAE

    Das war wohl die zu erwartende Reaktion Faustas gewesen. Sie begann dem Iulier zu drohen. Erst wollte sie ihren gemeinsamen Sohn gegen Dives aufwiegeln und anschließend bedrohte sie auch noch seine Adoptivtochter. Und... halt! Gab sie hier nun zwischen den Zeilen etwa auch noch zu, dass Serapio recht hatte; und dass dieser 'Borkan' recht hatte; und dass es letztlich tatsächlich ihr Tun war, dass der syrische Händler nicht mehr lebte?! Dives schluckte. Das konnte doch unmöglich sein! Es hatte doch Bekenner-Graffitis gegeben! Es war doch auch mit Sicherheit nur ein Gerücht von vielen, das seinen Ursprung bei dem Syrer gehabt hatte! Vor allen Dingen aber war Fausta zwar erpresserisch, intrigant und nie um einen Hinterhalt verlegen... aber einen Auftragsmord, den hatte der Iulier ihr bisher eigentlich nicht zugetraut. Ja, sie war berechnend. Aber für eine solche Tat musste man schon kaltherzig sein. Und man musste Kontakte haben... Dives zog sich der Magen zusammen, während er mehr und mehr zum Nachtgespenst wurde, so sehr verlor er an Farbe im Gesicht. Wieder schluckte er.


    Es verging eine gefühlte Ewigkeit, in der Dives einfach nur stumm dakniete. Reglos blickte er seine Ehefrau an, wusste nicht, was er sagen oder denken sollte, wusste nicht, was er tun sollte, erkannte sie nicht mehr. Zugleich musste er sich eingestehen, dass sie in einem Punkt wohl zweifellos recht hatte: Er sollte sich mehr Gedanken machen! Und es sollten Torquata und in allererster Linie sein leiblicher Sohn sein, die dabei Priorität hatten. So schlussendlich löste sich Dives mit einem winzigen Ruck aus seiner Starre und nährte sich mechanisch seiner Frau. Dann schloss er seine Augen und versuchte an seine Tochter und an seinen Sohn zu denken. Sie waren unschuldig und konnten nichts für die Lage, in der sich ihr Vater nun wiederfand. Sie sollten folglich auch nicht die Leidtragenden seiner Fehler sein. Sie waren die Zukunft.
    So lag Dives innerlich abwesend und gedanlich bei seinen Kindern folglich neben seiner Frai und ließ hernach widerstandslos geschehen, was geschah...




    DECURIO - OSTIA
    VICARIUS PRINCIPIS FACTIONIS - FACTIO VENETA

    Durchaus überrascht nahm Dives zur Kentnis, was sein Großonkel seinem vormals Geliebten da offenkundig angeboten hatte.
    "Nun, das ist in der Tat eine edle Geste von dir. Jedoch möchte und muss ich dir zu bedenken geben, dass du nie aus den Augen verlieren solltest, dass du als Eques einen gewissen Census zu erfüllen hast - und das nicht nur bei deiner Standeserhebung, wie es bei den Senatoren ist, sondern ständig.", sprach der Iulier besorgt. Denn jeder Ritter konnte so ganz grundsätzlich seines Standes verlustig gehen, wenn die Administratio Imperatoris feststellte, dass ein Eques den nötigen Census nicht mehr erfüllte. Das könnte Licinus genauso treffen, wie auch ein ehemaliger Praefectus Aegypti aus dem Hause Annaea sicherlich nicht vollkommen davor gefeit wäre. - Dass letzterer im Falle einer behördlichen Überprüfung zur Zeit tatsächlich ein kleines Census-Problem bekommen könnte, war Dives in seinen lediglich beispielhaft geäußerten Gedanken selbstredend in der Form nicht bekannt.
    "Wenn dein Verwalter sich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr angemessen um seine Aufgaben zu kümmern vermag, solltest du vielleicht sehen, dass du in absehbarer Zeit für einen adäquaten Ersatz sorgst.", widmete sich Dives anschließend auch jenem Punkt. "Hast du bereits jemanden dafür in Aussicht?", erkundigte er sich dann. Denn so dem nicht so wäre, sollte sein Großonkel vielleicht die Zeit hier in Roma auch dazu nutzen, um sich auf dem hiesigen Sklavenmarkt mal ein bisschen umzusehen...

    Der Annaeer schien eine weitaus optimistischere Sicht auf die Situation des Iuliers zu haben als jener selbst. Dazu sprach er beständig von einem 'wir', teilte seine eigenen Erfahrungen mit Dives und bot ihm seine Unterstützung an. Zweifellos, davon ging der gewesene Quaestor aus, tat der Senator dies nicht nur aus reiner Freundschaft oder einem familiären Pflichtgefühl. Wahrscheinlicher war es, dass auch er im Gegenzug etwas wollte: Womöglich plante er in einem Jahr seine Kandidatur zum Consulat. Mitunter strebte er eine Gesetzesinitiative oder ähnliches im Senat an und wollte dort auf eine weitere Stimme bauen. Unter Umständen reichte die Weitsicht des Iuliers auch einfach noch nicht aus, zu sehen, worauf sein Gegenüber hier eventuell abzielte. Fest indes stand, dass die Gelegenheit, die sich Dives hier bot, ohne Zweifel eine überaus gute war, die er nicht einfach so verstreichen lassen durfte.
    "Dies ist tatsächlich eine überaus interessante Idee, der gewiss ich auch keineswegs abgeneigt gegenüberstehe. Einst dachte ich sogar in ähnlicher Weise und versuchte meine Chancen in der stadtrömischen Politik zu steigern, indem ich dem Magister Septemvirorum schrieb.", begann Dives zu erzählen. "Ich berief mich auf meinen Cousin, den Senator Iulius Centho, der als Augur ebenfalls in einem der stadtrömischen Collegia engagiert ist. Ich berief mich auf meine Tätigkeit als zweimal gewesener Duumvir von Ostia" Ein solches Verwaltungsamt war wohl nicht die schlechteste Basis dafür, als Septemvir dem Collegium Pontificum unterstützend zur Seite zu stehen. "und auf ein inzwischen leider eingestelltes Bauprojekt eines Tempels zu Ehren des Iuppiter Serapis. Und nicht zuletzt berief ich mich auch auf eine schriftliche Empfehlung meines Patrons, des Consulars Vinicius Hungaricus.", führte er in sachlichem Tonfall aus und zuckte hernach kurz mit den Schultern. "All dies jedoch vermochte den Magister Septemvirorum dereinst dennoch nicht dazu zu bewegen, auf mein Beitrittsgesuch auch nur in irgendeiner Weise zu reagieren." Mit bedeutungsschwerer Miene legte Dives seinen Kopf leicht schräg. "Nachdem ich vor einiger Zeit mithilfe zweier guter Freunde und dennoch nur unter größter Anstrengung meiner Adoptivtochter Torquata gegen die infamsten Gerüchte einen Platz bei den Vestalinnen zu sichern vermochte, bin ich - ganz unter uns gesprochen - mittlerweile fast überzeugt, dass es mindestens in Teilen der stadtrömischen Collegia eine allgemeine Ablehnung gegen die Iulier gibt, basierend vermutlich auf unserer vermeintlichen Nähe zu Vescularius Usurpator." Kurz schaute Dives zu Boden, bevor er den Senator erneut anblickte. "Ich denke, das solltest du wissen, wenn du mir deine Hilfe anbietest." Nicht dass der Annaeer seine eigenen kultischen Pläne womöglich gefährdete, indem er sich für die falsche Person an richtiger Stelle stark machte.


    Der jüngere Dives unterdessen war endlich auf seine eigenen wackeligen Beine gestellt worden. Zufrieden sah er sich kurz um, dann stützte er sich am Bein der brünetten Sklavin ab, um sich hernach auf seine Knie zu begeben. Denn auf allen vieren war er noch immer am schnellsten unterwegs und definitiv flinker, als wenn er nur auf seinen Beinchen stand und sich auch noch um sein Gleichgewicht kümmern musste. Und so machte er sich dann also auf und hielt schnurstracks auf den Gehstock des Hausherrn zu... Doch was war das? Ein lauter Ruf machte klar, dass der kleine Dives hier nicht der einzige war, der sich gerade auf dem Weg zum Annaeer und seinem schicken Stock befand. Zielsicher tapste auch ein schillernd blau-grüner Vogel auf dieses Ziel zu. Sofort änderte der Kleine seine Krabbelrichtung. Vor den Füßen der brünetten Sklavin hielt er an und inne und beobachtete das fremdartige Tier. Und so wie das Federkleid des Vogels schimmerte und glänzte, so begannen auch die Augen des Jungen kurz darauf zu glänzen. Langsam krabbelte er wieder los und versuchte sich in einem Bogen von hinten den hübschen Schwanzfedern des Tieres zu nähern. Wie die sich wohl anfühlten..?

    Die allerersten waren sie wohl ganz gewiss nicht, die in der hohen Villa Flavia zu den Hochzeitsfeierlichkeiten seines Verbündeten Lepidus und dessen Verlobter Flavia eintrafen. Zu lange hatte der Iulier damit verbracht, sich im Vorfeld dem Anlass entsprechend - und immerhin sollte er hier und heute wohl auch den Augustus erblicken dürfen - einkleiden und zurechtmachen zu lassen. In einer von smaragdgrün domonierten Kombination - denn in seiner Lieblingsfarbe fühlte man sich vermutlich auch in der Gegenwart des Princeps noch immer am Entspanntesten und Wohlsten - betrat Dives letztlich also zusammen mit seiner Frau das flavische Anwesen.
    Ihren Sohn selbstredend hatten die beiden am heutigen Tage natürlich in der Obhut mehrerer Sklavinnen und Sklaven in der Casa Iulia gelassen. Der Junge war für derlei Veranstaltungen dem Befinden des Vaters gemäß nämlich einfach noch nicht alt genug. Und eh er sich folglich vor dem Augustus daneben benahm und damit ein schlechtes Licht auf die gesamte Familia Iulia Dives warf, war es folglich das beste, ihn von Beginn an einfach zu Hause zu lassen. Doch auch seine Adoptivtochter Torquata hatte der Iulier hier und heute nicht mit bei sich, nachdem er im Anschluss an seine eigene Hochzeit hatte von der Vestalin Decima lernen müssen, dass eine Vestalin stets ihre eigene Einladung zu erhalten hatte und sich nicht in die Invitationen anderer inkludierte. Und so waren sie folglich also nur zu zweit hier und machten sich selbstredend zunächst auf, das glückliche Hochzeitspaar aufzusuchen.


    "Sehr stilvoll, diese rot-goldene Dekoration, nicht wahr?", kommentierte der Iulier auf dem Weg zu Bräutigam und Braut an seine Frau gewandt, um letztere nicht nur anzuschweigen. Geschwiegen schließlich hatte er auch in der Sänfte hierher bereits genug - und nicht jeder sollte und musste ja gleich merken, wie unwohl sich Dives zur Zeit - mehr noch als sonst - in Gegenwart Faustas fühlte...

    "Vielen Dank, Annaeus Modestus.", begann Dives mit dankbarem Nicken ob des Angebots, hier und heute auf etwaige Titel zu verzichten und stattdessen die etwas persönlichere Anrede aus Gentil- und Cognomen zu benutzen. "Und glaube mir, wenn ich dir sage, dass ich durchaus noch entfernt davon bin, an meine Aedilität", bevorzugte der Iulier hier selbstredend jene traditionellere Begrifflichkeit, die auch sein Grammaticus dereinst kannte und ihn lehrte, statt auf irgendeine temporäre begriffliche Erscheinung zurückzugreifen, die auch seinem damaligen Grammaticus wohl nur fremd gewesen wäre. "zu denken. Denn zwar habe ich meine Quaestur mit meinem dem Senat vorgetragenen Tätigkeitsbericht nun auch offiziell abgeschlossen und beendet. Inwieweit ich allerdings wirklich nur kurz vor der Berufung in den Senat stehe, das vermag ich kaum so genau zu sagen und abzuschätzen." Kurz wiegte Dives mit seinem Kopf. "Sieh, ich will nicht klagen und uns allen damit diese Cena verderben, die sich doch vor allem darum drehen sollte, wie schön es ist, dass Roma dich wiederhat. Jedoch erfülle ich zur Zeit weder den senatorischen Census, noch weilt mein Patron Vinicius Hungaricus, der sich als Statthalter zur Zeit in Germania Superior befindet, hier in Roma und kann mich direkt unterstützen." Dives ließ die Luft aus seinen Lungen entweichen, während er sich um ein dennoch möglichst optimistisches Lächeln bemühte. "Der nächste Schritt meiner Karriere wäre folglich also zwar in der Tat meine Berufung in den Senat. Ich rechne jedoch eher weniger damit, bereits kurzfristig dieses Ziel zu erreichen. Hätte ich hier mittelfristig Erfolg, dann würde ich mich bereits überaus glücklich schätzen." Und erst dann würde es sich überhaupt lohnen, auch nur einen Gedanken auf die eigene Aedilität zu richten. Eventuell würde er im Zusammenhang damit dann auch noch einmal - nachdem sein erster Anlauf wortwörtlich im Nichts verlaufen und er dem Magister Septemvirorum dereinst nicht einmal eine kurze Ablehnung wert gewesen war - versuchen, einen Platz bei den Septemviri zu bekommen. Doch nach seiner damaligen Enttäuschung sowie dem doch erst jüngst durchlaufenen und mehr als nervenaufreibenden Unterfangen, seine Adoptivtochter Torquata in einem aufwändigen Prozess bei den Vestalinnen unterzubringen, handelte es sich hier tatsächlich nur um eine mögliche Option, kein festes Ziel. Denn als Enkel des Censoriers Cicero Octavius Anton hatte Dives auch gewiss nicht vor, über die Maßen hinaus um einen Platz in einem der Quattuor Amplissima Collegia betteln zu gehen.


    Nachdem sich so allmählich eine Unterhaltung aufzubauen begann, fühlte sich zunehmend auch der jüngere Dives wohl und begann darob seine Schüchternheit so langsam aber sicher abzulegen.
    "Mata!", antwortete er beispielsweise seiner Mutter, als diese ihn so direkt ansprach und streichelte. Anschließend giggelte er amüsiert und nahm die zuvor zeigende rechte Hand inform einer Fausta vor den Mund. Dann sprach sein Vater zu dem unbekannten Mann und es machte in der Folge natürlich nur Sinn, das ganze Spiel noch einmal zu spielen: "Pata!", mischte sich der Kleine also in das Gespräch der Großen ein und zeigte auf seinen Pater. Neuerlich dann nahm er seine zur Fausta geballte rechte Hand vor den Mund und grinste vergnügt. "Mann!", war hernach sodann auch der annaeische Hausherr noch einmal an der Reihe. Dann wippte und schaukelte der jüngere Dives in den Armen der brünetten Sklavin auf und ab und hin und her, um ihr zu signalisieren, dass er runter wollte von ihrem Arm. "Mmh!", quengelte er dabei.

    | Caius Caelius Caldus


    Liebe - nein, sowas war dem Genussmensch Caldus bisher noch nicht passiert; von Liebe auf den ersten Blick einmal ganz zu schweigen. Und es schien, als würde sich auch am heutigen Tage wohl nichts mehr daran ändern. Denn kaum hatte er den ersten Schreck ob dieses vermeintlichen Geständnisses überwunden, da folgte schon der nächste große Schock: Auf einmal deutlich unberührter von der Situation, emotionsloser, sachlicher, in einer völlig anderen Welt befindlich - es fühlte sich mechanisch und unterkühlt, fast schon kalt an - eröffnete der Corvinius dem Caelier den wahren Grund für seinen Besuch.
    "Wie?", fragte Caldus aus allen Wolken fallend ungläubig und nicht verstehend. "Was für ein Auftrag? Wovon redest du da?" Er schüttelte den Kopf. "Und WER will, dass ich Roma verlasse?" Der Caelius kniff unverständig die Augenbrauen zusammen und verstand die Welt nicht mehr. "Eben redest du noch von... und jetzt..." Nüchtern und abgeklärt, so wirkte der Corvinier. Zweifellos, das hatte auch ein bisschen etwas Anziehendes an sich... wäre da nicht dieser komplette Sinneswandel, mit dem Caldus just in diesem Augenblick doch ziemlich überfordert war. Was sollte das und was hatte das zu bedeuten?


    Nur ganz allmählich klarten seine Gedanken wieder auf. Dabei begannen seine Augen ein wenig zu funkeln.
    "Ist es etwa nur das, wofür du gekommen bist? War das dein ganzer Plan?", fragte Caldus vorwurfsvoll. "Ja. Wolltest du mich erst verführen und dann damit erpressen, um mich loszuwerden? Wahrscheinlich heißt du in Wirklichkeit nicht mal Corvinius, was?" Andernfalls hätte Caldus schließlich auch umgekehrt sein Wissen gegen den vermeintlichen Corvinius einsetzen können. "Also los, sag schon! Trau dich! WER will, dass ich hier verschwinde?! WER hat dich geschickt, hm?" Aufgebracht und zunehmend aggressiv verließen seine Fragen die caelischen Lippen. Dabei jedoch bewegte er sich nicht einen einzigen Digitus vom Fleck. Denn auch wenn er äußerlich vielleicht bellte, und auch wenn er sich einredete, dass er vor einer ganzen Weile mal zum ostiensischen Bürgerwehrler ausgebildet worden war, so versuchte er hier schlussendlich dennoch nur, seinen Gegenüber wie auch sich selbst zu täuschen: Unsicherheit machte sich in ihm breit. Wer wollte ihn loswerden? Wer war dieser Corvinius wirklich? Woher wusste er von den Neigungen des Caeliers? Woher wusste er, wo Caldus gerade wohnte? Wie hatte er ihn gefunden?


    Ja. Und mitunter bekam der bibliothekarische Archivschreiber auch ein kleines bisschen Angst vor seinem unerwarteten Gast.




    SCRIBA LOGEI - BIBLIOTHECA MARINAE

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    Original von Paullus Germanicus Aculeo


    Aculeo sprach von Sorgen und Problemen. Da konnte Dives nur verstehend nicken. Verglichen mit ihrer gemeinsamen Zeit in Ostia - vor dem Bürgerkrieg, vor der Verlobung mit Fausta, vor dem Bruch mit Serapio, vor der Ehe mit Fausta, vor der Adoption Torquatas, vor den Gerüchten über sie, vor dem Mord an dem syrischen Händler, ... vor letztlich einer ewig langen Liste von Ereignissen war die Welt für den Iulier noch so viel einfacher gewesen. Wie leicht war es da beispielsweise noch gewesen, die salinatorfeindliche Theatervorstellung auf und über die Bühne zu kriegen? - Dann jedoch runzelte Dives die Stirn.
    "Ihr vorstellen? Wem ihr?", fragte er nach, da er an dieser Stelle den Gedanken seines Freundes irgendwie nicht so ganz folgen konnte. "Über Etruria", eine etwas altmodischere Bezeichnung für die Toskana, "habe ich auch schon viel Gutes gehört. Florentina am Arnus soll beispielsweise eine glänzend schöne Stadt sein, wie Cornelius Tacitus schreibt." Selbst dort gewesen war der Iulier allerdings bisher nicht. "Wenn du dir dort in der Nähe also ein Haus kaufst, dann würde ich mich über eine Einladung dorthin gewiss überaus freuen."


    "Ob ich dir vergebe? Natürlich vergebe ich dir!", versuchte sich Dives hernach in einem aufmunternden Lächeln, während er seinem Freund spätestens an dieser Stelle nun auch tatsächlich vergab. Denn immerhin kam der Germanicer ja wenigstens auf die Idee, sich beim damaligen Bräutigam einmal in diese Richtung zu erkundigen. Das hatte vor ihm noch kein anderer getan. Und umso höher rechnete der Iulier seinem Freund diese Geste an. "Und meine Frau ist nicht hier, nein. Sie befindet sich von Amtswegen aus zur Zeit in Misenum.", klärte er Aculeo noch auf, bevor er im Anschluss selbstredend das Angebot einer Umarmung in seiner aktuellen Lage nur allzu gerne annahm. Ein Seufzen kam ihm dabei über die Lippen. "Ich habe einen guten Freund wie dich echt vermisst.", sprach er während der Umarmung, bevor er selbige löste und sich tatsächlich zumindest ein kleines bisschen besser fühlte.
    "Im Senat bin ich noch nicht, nein. Morgen habe ich erstmal einen Termin in der Curia Iulia, um meinen quaestorischen Tatenbericht vorzustellen. Damit wird dann meine Amtszeit als Quaestor vollständig beendet sein und ich kann mich auf die nächsten nötigen Schritte konzentrieren." Dives stockte. Der nächste Augustus? Dann musste auch er grinsen. "Ja, da hinterher zu kommen, das ist wahrlich nicht einfach. Zählst du Valerianus noch mit, dann ist der Aquilius jetzt der vierte Princeps, den ich hier in Roma erlebe, wobei ich in der Tat die Hoffnung habe, dass mit ihm nun allmählich wieder Ruhe und Frieden auf dem Palatin einkehren. Der nächste Kaiserwechsel darf ruhig noch warten, bis mein Sohn mein jetziges Alter erreicht hat.", so hoffte Dives.


    "Ja, du hast mich nach Neuigkeiten gefragt - ich habe einen Sohn. Er heißt Marcus Iulius Dives Minor und ist jetzt etwa 12 Monate alt. Dazu habe ich inzwischen aber auch eine Tochter, Iulia Torquata. Ich habe sie nach dem Tod ihrer Eltern adoptiert und dafür gesorgt, dass sie mittlerweile eine Vestalin ist." Sein Blick wurde etwas trüber, während er Letzteres erzählte. "Aber du glaubst gar nicht, was für eine Anstrengung das war, Aculeo. Denn aus irgendeinem Grund - ich vermute die Zeit des vescularischen Regimes als ausschlaggebend - versuchen einige Leute mit aller Kraft die Iulier von allen stadtrömischen Kultkollegien fernzuhalten. Ich habe dir das nie erzählt, aber einst hatte auch ich mich beim Magister Septemvirorum auf Aufnahme beworben und war diesem nicht einmal einen winzigen Satz der Ablehnung wert. Und jetzt, wo ich Torquata bei den Vestalinnen untergebracht habe, musste ich auch gegen erheblichen Widerstand ankämpfen, weil irgendwer die unglaublichsten Gerüchte über sie verbreitet hat." Kraftlos schüttelte Dives den Kopf. "Und das schlimmste ist, dass sogar Menschen, die mir einst nah waren, denen ich einst vertraut habe und von denen ich soetwas im Leben nicht erwartet hätte, sich offen und vor meinen Augen an diesem infamen Gerede beteiligt haben, mich hintergangen und verraten haben, und mein Vertrauen schamlos ausgenutzt haben.", steigerte sich der Iulier hinein in seine Aufzählung, bei der es am Ende hörbar nicht mehr nur um Torquata und die Gerüchte über sie ging. Anschließend und ohne darüber nachzudenken, nahm Dives dann doch noch einen ersten Schluck Wein aus seinem Kelch, um seinen Frust damit etwas herunterzuspülen.

    Mit einem freundlichen Lächeln und einem stummen Nicken grüßte Dives die offenkundig das Haus gerade im Verlassen begriffenen Männer zurück, während er selbstredend registrierte, dass sich der annaeische Senator auf einen Gehstock stützte. Es schien folglich, dass er wohl noch immer mit der einen oder anderen Nachwirkung des Bürgerkriegs zu kämpfen hatte. Doch dies selbstredend machte man wohl besser nicht gleich zum Thema.
    "Der bin ich.", bestätigte der Iulier stattdessen im Anschluss, nachdem der Praetorius das Wort an ihn richtete. "Salve, Senator Annaeus. Es ist mir eine ausgesprochene Ehre, dass du meine Familie und mich heute in deinem schönen Haus empfängst.", erklärte er dann, dass er es gewiss nicht als Selbstverständlichkeit betrachtete, zu einer privaten kleinen Cena bei einem gewesenen Praetor und vormaligen Statthalter eingeladen zu sein.
    "Sein Name ist Marcus Iulius Dives Minor.", fügte der Dives zuletzt den Worten Faustas mit einem Lächeln hinzu und richtete seine Aufmerksamkeit sodann auf den eigenen Nachwuchs.


    Jener Nachwuchs auf dem Arm der Sklavin indes hatte zuvor die anderen Gäste des Annaeers geflissentlich ignoriert. Dafür war das Klick und Klack des schönen Stocks des Hausherrn ja auch viel zu interessant. Was man wohl dafür machen musste, damit es mal etwas heller klickte und mal etwas dunkler klackte? Gebannt ließ der Kleine diesen faszinierenden Stock nicht aus den Augen... bis die ihn tragende Sklavin seine Aufmerksamkeit auf den unbekannten Mann richtete, dem der Stock offensichtlich gehörte. Neugierig aber zugleich auch ein bisschen schüchtern - der Mann strahlte ja eine gewisse Autorität aus, nicht zuletzt aufgrund seines tollen Klick-Klack-Stocks - sah er den Fremden einen Moment einfach nur an. Was ihm die Sklavin unterdessen erzählte, entging seiner Aufmerksamkeit. Er merkte nur, dass sie irgendwann still wurde und offenkundig etwas von ihm erwartete. Er sah sie mit seinen großen braunen Kulleraugen an.
    "Mann!", stellte er dann überzeugt fest und riss seine Augen noch ein Stückchen weiter auf. Dabei wandte er seinen Blick sogleich wieder dem Unbekannten zu, beobachtete ihn und wartete erstmal ab.

    Kleinigkeiten. Es kam wohl stets darauf an, mit wessen Augen man auf eine Situation sah, wenn man beurteilte, ob etwas nur eine Kleinigkeit war oder nicht. So mochte es für den Wissenden, den es jedoch nicht interessierte, lediglich eine Kleinigkeit sein, was Dives in seinen Privatgemächern tat und mit wem er es tat. Aus Sicht desjenigen, in dessen Privatgemächer man ohne sein Wissen und Einverständnis jedoch geschaut hatte und folglich eingedrungen war, handelte es sich um in der Tat sehr viel - mitnichten jedoch nur um eine Kleinigkeit. Serapio hatte hinter dem divitischen Rücken intimSTes Wissen über den Iulier weitergegeben, sodass der Iulier sich nicht weniger als vollkommen entblößt von seinem ehemalig Geliebten fühlte. In jeder Erinnerung an ihre einstmals intim geglaubten Zweisamkeiten schwebte fortan das wissende Auge der Quintilia. Es fühlte sich an, als wäre die Quintilierin in jeder dieser Erinnerungen verborgen hinter einem Vorhang gestanden - nicht zwangsläufig aus eigenem Antrieb, jedoch weil Serapio sie im Nachhinein genau dort platziert hatte. Er hatte sie wissen lassen, was ihr über den Iulier zu wissen niemals bestimmt gewesen war. Verraten, benutzt und in seinem Vertrauen ausgenutzt, so kam sich Dives in der Folge vor und war daher genau davon - dem Decimer irgendwann wieder wenigstens freundschaftlich zu vertrauen - nun doch sehr weit entfernt. Genauso allerdings war Dives auch nicht mehr dazu in der Lage die Frau, die - egal ob beabsichtigt oder völlig unbeabsichtig - in sein intimstes Privatleben eingedrungen war, ganz vorurteilsfrei zu betrachten, sodass er ganz selbstverständlich auch weiterhin für sich annahm, dass das intime Wissen der Quintilierin mindestens einen Teil, einen wichtigen Teil dessen ausmachte, weshalb sie sich ihm gegenüber so ablehnend zeigte.


    Wie wohl zu erwarten war, denn die Kunstfertigkeit der Vortragenden konnte ihr vermutlich keiner der Anwesenden hier abstreiten, wurde der iulische Trinkspruch auf Apollon im Allgemeinen gut aufgenommen. So stimmten Licinus, der mit seiner kräftigen Militärstimme kaum zu überhören war, und nicht wenige der übrigen Gäste mit ein und erhoben ihre Kelche auf den Gott. Und auch der Verlobte selbst, Serapio, trank auf den Glänzenden. Dives indes lächelte nur abschätzig in dem Wissen, dass der Decimer vermutlich keine Ahnung hatte, in welcher Beziehung Apollo hier zu ihnen beiden stand. Doch da! Der Iulier erblickte einen Bediensteten zwischen all den Gästen und versuchte sich seinen Weg zu diesem zu bahnen... bevor er nur einmal mehr dem verlobten Paar in die Arme lief.
    "Nein.", brachte er noch hervor. Doch Serapio schien sich nicht daran zu stören und füllte den divitischen Kelch einfach erneut. 'Wie wunderbar', dachte der Iulier in der Folge nur grimmig im Stillen. Und dann wollte Serapio auch noch auf Minerva trinken, welche Dives spätestens seit seiner Freundschaft mit dem Tiberier Lepidus als eine in erster Linie kühl berechnende Taktikerin, bewaffnet mit List und Tücke, wahrnahm. Zweifellos war sie damit prädestiniert, einem politisch ambitionierten Senator wie Lepidus zur Seite zu stehen. Hier und heute allerdings, und nachdem es nicht das erste Mal wäre, dass der Iulier dem Gastgeber auf den Leim ging - allein hatte er ins Theater kommen sollen, um dort sodann unvorbereitet auf diesen Borkan zu treffen und neben jenem anschließend dann das dritte Rad am Wagen zu sein - trank er bestimmt nicht auf Minerva; nicht solange der Trinkspruch auch noch von Serapio selbst kam und womöglich auch nur wieder den Beginn einer List darstellte. So also - ob paranoid oder nicht - ließ Dives ein neuerliches Trankopfer aus und führte stattdessen nur einmal mehr seine Lippen symbolisch zum Kelch ohne auch nur einen Schluck daraus zu trinken.


    "Auch der noch.", nuschelte der Iulier in seinen nicht vorhandenen Bart, als sich zum glänzenden, wissenden und von allem - selbst von der Liebe - heilenden Apoll und zur kühl berechnenden Minerva auch noch Bacchus gesellen sollten. Denn Bacchus in der Tat war wohl einer jener Götter, zu denen Dives gewiss nicht das beste Verhältnis hatte. So vertrug er kaum Wein und wollte in gewissem Maße auch nicht einmal besonders viel Wein vertragen. Denn für ihn hatte es nur wenig Entspannendes, wenn er nicht mehr die volle Kontrolle hatte über sich, seinen Körper, seine Handlungen und Taten, seine Aussagen und Worte.
    Welches Glück war es da, dass Serapio sodann voll Elan zur Wahl eines Rex bibendi aufrief. Dives, der wohl der letzte wäre, dem dieses 'hochedle Amt' je angetragen würde, nutzte die Gelegenheit, um sich still und leise von den beiden Verlobten wieder zu entfernen und sich zusammen mit senem Groll an den Rand der Feier zurückzuziehen. Dort musste er nicht mitbekommen, welche sonstigen Gäste nun noch hier eintrafen, sondern konnte sich ganz und gar um sich und seine Gedanken kümmern. Dabei kam ihm unverhofft die Idee. Warum stellte er nicht einfach den neu befüllten Weinkelch hier ab - irgendein Sklave würde ihn spätestens morgen schon hier finden - und verschwand einfach klammheimlich von der Party? Der einzige, der ihn womöglich vermissen würde, wäre wahrscheinlich sein Großonkel Licinus, dem er jedoch bereits erklärt hatte, dass und warum er heute würde früher wieder gehen müssen.


    "Beim Iuppiter, hast du mich erschreckt!", fuhr er kurz darauf um und fühlte sich für einen kurzen Augenblick wie ertappt durch seinen ritterlichen Freund. "Aculeo.", stellte er sodann überrascht fest und konnte sich seiner Grundstimmung zum Trotz beinahe zu einer Art Lächeln durchringen. "Du hier?" Dass der Ex-Verlobte der Quintilierin zu ihrer heutigen Verlobungsfeier mit einem anderen eingeladen worden war, ließ den Iulier kurz die Stirn in Falten legen. Denn ein bisschen ungewöhnlich war das doch schon, oder? "Wie schön, dass du wieder in der Stadt bist!" Und wie schön auch, dass er - wie auch immer - gerade hier war. So nämlich verhinderte er zwar, dass Dives die Feier jetzt bereits verließ. Andererseits war Aculeo wohl einer der wenigen, mit denen der Iulier einigermaßen offen reden konnte. Denn wieviele Jahre der Freundschaft verbanden die beiden ostiensischen Decurionen? Viele. Sehr viele. Unzählige.
    "Aber sag, wie geht es dir, mein Freund?", wollte er anschließend wissen. "Wo warst du gewesen und was hast du gemacht?" Vielleicht lenkte es ihn ja ein wenig von seinen eigenen Gedanen ab, wenn Aculeo erzählte, was er in letzter Zeit so getrieben hatte. "Wir haben uns ja seit meiner Hochzeit nicht mehr gesehen.", stellte er schlussendlich noch fest und begann bei diesem Satz unweigerlich zu spekulieren, ob Aculeos damaliges Verlassen der Urbs wohl etwas mit der Auflösung seiner Verlobung mit der Quintilierin zu tun gehabt hatte...

    Dives schüttelte den Kopf.
    "Genau darum geht es - um die Einstellung. Dabei versucht man sich weniger auszumalen, was alles verkehrt laufen könnte. Vielmehr ist entscheidend, sich ein positives Bild zu imaginieren. Man muss sich vor Augen halten, wie man erfolgreich und gut seine Rede hält.", erklärter der Iulier hier ganz in seinem Element. "Doch das kostet Zeit - genauso wie es auch Zeit kostet, seine Rede nicht nur still und heimlich vor und für sich selbst zu sprechen, sondern sie mit finaler Gestik und Mimik, in angemessenem Tempo und mit akzentuierenden Pausen sowie mit ordentlicher Betonung und akkurater Haltung auch wenigstens einige Male vor Zuhörern zu sprechen. Das gibt Selbstvertrauen und Selbstsicherheit und trägt damit ebenfalls entscheidend zum Erfolg einer Rede bei." Er nickte. "Darüber hinaus schlussendlich ist es auch wichtig, sich vor einer Rede ganz bewusst auf sein Publikum einzustellen. Dazu braucht es einen Spiegel, einmal mehr den Faktor Zeit sowie einen Funken Selbstüberwindung. Denn es mag sich etwas seltsam anhören, doch gerade vor so wichtigen Rede hilft es der eigenen Anspannung und Nervosität mitunter enorm, wenn man sich bewusst und penetrant einredet, dass die eigene Rede ein Erfolg wird, dass man das schafft, dass man die Senatoren mit seinm Vortrag fesseln wird, dass man den Höhepunkt quaestorischer Abschlussberichte des vergangenen Amtsjahres bilden wird", und Quaestoren hatte es immerhin ganze 20 an der Zahl gegeben, "und so weiter. So lächerlich und albern es sich vielleicht anhören mag... es funktioniert und wirkt, wenn man es ernsthaft macht und nicht nur ein- oder zweimal versucht.", schloss Dives letztlich und nickte noch einmal bekräftigend, ehe er sich gewahr wurde, dass er mit dieser Erklärung wahrscheinlich ein paar Meilen über das Ziel hinausgeschossen war.
    "Aber wie gesagt, werde ich dich selbstredend auf die Verlobungsfeier begleiten. Denn wir sind beide Iulier, wir wurden beide eingeladen und wir sollten daher auch beide genau eine Entscheidung treffen.", schnitt Dives folglich noch einmal kurz an, dass er sich von seinem Großonkel hier also breitschlagen ließ, ebenfalls zu der Feier zu gehen. Nicht zuletzt würde sich Licinus andernfalls wohl auch selbst ein wenig in eine missliche Lage bringen, da man eine divitische Absenz mit Leichtigkeit auch auf die explizite Ausladung seiner Frau würde ummünzen können, was schlussendlich die Frage aufwürfe, weshalb der eine Iulier nicht zum vermeintlich aus Rücksicht auf Fausta daheim gebliebenen anderen hielt... Eine Situation, der auf diese Weise nun also vorgebeugt wurde.


    Im Anschluss an Trinkspruch und selbstredend sowohl ein kleines Trankopfer als auch einen kleinen Schluck aus dem Becher war Dives auf die 'Stern von Heraklion' zu sprechen gekommen. Er lächelte leicht bei den Worten seines Großonkels, während er versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass er so explizit die Zustimmung seines Verwandten zur hölzernen Sabina gar nicht hatte einholen wollen. Stattdessen in seinem Fokus hatte vielmehr die Tatsache gelegen, sich bereits eingehender mit dem Schiff beschäftigt und Pläne für die Corbita gemacht zu haben.
    "Das freut mich, dass du das so siehst.", zeigte er sich selbstredend dennoch erfreut und stieß Licinus nicht vor den Kopf, indem er ihn auf seine eigentliche Intention aufmerksam machte. Man musste schließlich keine Probleme heraufbeschwören, wo sich selbige mit einem kleinen, schmerzlosen Schweigen auch einfach vermeiden ließen. "Ich habe mir auch gedacht, dass es für Sabinus.. für ihn als Künstler", betonte er anschließend noch einmal und zeigte, dass er den Wink seines Großonkels durchaus verstanden hatte, "und mit seiner Liebe zum Meer ganz passend wäre." Dives ließ eine kleine Pause folgen, um das Thema abzuschließen und hernach von der künstlerisch Passion seines verstorben Cousins über die militärischen Profession seines Großonkels hin zu dessen Landgut überzuleiten:


    "Über deine Legio, über Mantua, über Esquilina und deinen reisenden Sohn hast du ja bereits kurz gesprochen. Sag, wie steht es eigentlich sonst so um dich? Was machen beispielsweise die Geschäfte in Cremona?" Und bevor es zur Gegenfrage kam: "Meine eigene Wirtschaft bei Bovillae läuft ganz gut zur Zeit." Dives lächelte freundlich, während er hoffte, dass Licinus das Thema sah als das, was es war - ein kleines Stück Smalltalk, von welchem der Lagerpräfekt so mehr oder weniger leicht zu jedem ihm beliebigen anderen Thema überleiten konnte - ganz wie er es wünschte.

    Hinter seiner Frau sodann betrat also auch Dives die Domus Annaea und gelangte hernach ins Atrium derselben.
    "Schön sieht es hier aus.", verbalisierte er dabei sogleich seinen ersten Eindruck von der Einrichtung dieser Räumlichkeit, während er nun in der Tat mit steigender Spannung das Eintreffen auch des Annaeus erwartete. Wie er wohl war, dieser Onkel Faustas? Und ob er wohl tatsächlich so große bunte Pfauenvögel hielt, wie Serapio ihm dereinst erzählte? Noch sah der Iulier ja kein derartiges Tier hier herumlaufen...


    Der kleinere und jüngere Dives unterdessen war auf dem Arm der Brünetten erstmal ganz zufrieden. Ein bisschen Ruhe kam ihm im Moment nämlich ganz gelegen. Die Fahrt mit der Sänfte war schließlich - wie immer - überaus spannend gewesen. Und überhaupt waren Sänften etwas ganz Tolles! Man setzte sich rein, dann sagten Mama oder Papa los, dann fing die Sänfte an zu schaukeln und die Welt draußen begann sich zu bewegen. Ein paar Mal hatte Marc auch schon probiert, mit seinen Händen nach draußen zu fassen - vielleicht konnte man die Welt so ja aufhalten, dass sie sich nicht mehr an der Sänfte vorbeibewegte. Aber irgendwer hatte ihn bisher jedes Mal davon abgehalten. Leider.
    Mit großen Augen sah sich der kleinste der Besucher in dieser ihm völlig neuen, völlig fremden Umgebung um...

    "Vielen Dank.", war der Iulier selbstredend zunächst erfreut darüber, dass der im Hause der Vestalinnen tätige Mann offenbar der Meinung war, dass der gewesene Magistrat eine gute Arbeit als Quaestor geleistet hatte. Als sein Gegenüber dieses Kompliment jedoch selbst ganz frei heraus als bloße Schmeichelei abtat, wurde das erfreute Lächeln des Iuliers etwas angespannter. Er sollte sich wohl, so ging ihm dabei auf, daran gewöhnen, dass man ihm mit jedem Schritt, den er näher an die Senatorenwürde herankam, vielleicht zwar mehr Komplimente machte, dass ebenjene Komplimente jedoch vermehrt auch einfach nur Schmeichelei sein mochten, um die Gunst des Iuliers zu gewinnen.


    Dives nickte. Dann folgte er der Einladung einzutreten und ließ sich den Weg in besagte Bäckerei zeigen...

    Vom Eingang kommend erreichte Dives die Bäckerei des Atrium Vestae. Hier wurde also unter anderem die so wichtige Mola Salsa hergestellt. Ob wohl auch Torquata bereits hier tätig gewesen war? Oder war sie dafür womöglich noch zu kurz bei den Vestalinnen? Denn bekanntlich lernte man ja nicht alles auf einmal und an einem Tag. Bis zu dem Punkt, wie man die Mola Salsa traditionsgemäß herstellte, war die Ausbildung Torquatas folglich vielleicht auch einfach noch nicht vorangeschritten.


    Doch wie dem auch war, stand Dives nun also in der Bäckerei des Atrium Vestae und sah sich um - in der Hoffnung irgendwo hier nun also die hohe Vestalin Decima anzutreffen...

    In der Tat war dem Iulier die Entscheidung, den Verwandten seiner Frau zu sehen oder nicht zu sehen, recht lecht gefallen. Denn allein schon weil dieser Mann ein Senator war, mit dem Dives hoffte in absehbarer Zeit schon gemeinsam - wennauch aufgrund des unterschiedlichen Ranges gewiss nicht direkt nebeneinander - im Senat sitzen zu dürfen, war es ohne jeden Zweifel sehr ratsam, besser früher als später auch seine persönliche Bekanntschaft zu machen. In der Folge also entstieg auch der Iulier hier und heute jener größeren Familiensänfte, welche die kleine Familie zur Domus Annaea gebracht hatte.


    "Immer nach dir.", wandte er sich hernach im Hinblick auf das Eintreten ins Haus an Fausta. Es war letztlich schließlich auch ihr Verwandter und nicht jener des Iuliers. Stattdessen warf der Familienvater lieber noch einen kontrollierenden Blick auf die beiden Sklavinnen, die sich heute um seinen Sohn kümmern sollten. Hoffentlich wussten die beiden, das heute nicht wenig von ihnen abhing, wollte Dives bei seinem Schwiegeronkel einen guten Eindruck hinterlassen.

    "Oh, verstehe.", nickte Dives. Im adriatischen Raum kannte er sich weit weniger gut aus. Der Veneta-Auriga Hamiris kam, so er sich denn recht erinnerte, irgendwo aus der Provinz Dalmatia. Da hörte das spezielle Wissen des Iuliers über diese Region dann allerdings auch schon so langsam auf. Mehr eigene Verbindungen in dieses Gebiet hatte er nämlich zur Zeit nicht.


    "Das wirst du, versprochen.", antwortete der Großneffe seinem Großonkel anschließend mit einem Lächeln. Denn selbstverständlich gefiel es ihm durchaus, dass Licinus sich ganz offenschtlich für den Kleinen interessierte. "Und Torquata wirst da bestimmt ebenfalls noch persönlich kennenlernen." Als erste und bisher einzige Vestalin in der gut 150-jährigen Geschichte der Iulii Caepiones wäre das schließlich auch nur angebracht.


    "Nun...", begann Dives eher zögerlich, nachdem er dem Wunsch seines Großonkels gemäß einem Sklaven ein Handzeichen gegeben hatte, dass dieser für den nachgefragten Wein sorgte. "allzu viel weiß ich über Quintilia Valentina auch nicht. Mir ist nur bekannt, dass sie damals als Verlobte des Eques Germanicus Aculeo zu Gast auf meiner Hochzeit war... und selbige am Ende wohl entlobt wieder verließ.", ersparte er seinem Verwandten die unnötigen Details, welche ihm seine Frau dereinst leider nicht erspart hatte. "Das erste Mal begegnet bin ich ihr allerdings bei einer Cena in der Casa Germanica. Ich würde sie als eine junge Frau beschreiben, die" insbesondere verglichen mit Fausta "angenehm zurückhaltend ist und sicherlich auch ganz gut aussieht.", teilte der Iulier auf die Nachfrage hin einen Teil seines wenigen Wissen. (Von ihrer jüngsten Begegnung im Pegasus-Theater selbstredend erzählte er nicht. Denn allzu gerne nur mochte er verdrängen, dass auch sie dort gewesen war, und dass auch sie wusste, was sie niemals hätte über Dives wissen sollen.) Während anschließend dann der Sklave mit einer Kanne Wein, der obligatorischen Kanne Wasser sowie zwei Bechern zurück ins Officium kam, erhielt Dives eine kleine Standpauke vom iulischen Praefectus Castrorum.
    "Es geht ja nicht nur um den Wein. Es geht ja auch um das Gefühl der Sicherheit. Denn eine Rede kann nur dann die Senatoren überzeugen und einen von ihnen vielleicht dazu bewegen, mich vor den anderen für eine Berufung in den Senat zu empfehlen", und dies war in der Tat die große Hoffnung, welche der Iulier hier hegte, "wenn auch ich selbst voll und ganz überzeugt bin von dem, was ich morgen sage. Deshalb muss ich ganz sicher sein, wenn ich da in der Curia Iulia stehe. Denn jede kleine Unsicherheit wird meine Chancen auf diese Empfehlung nur schmälern.", erklärte Dives, dem es in der Tat schon reichte, dass er sich baldmöglichst darum kümmern musste, an weiteres Land für den senatorischen Census zu kommen. Deshalb strebte er diesen Erhalt einer öffentlich geäußerte Empfehlung eines Senators so an. Nicht letztlich war darüber hinaus ja auch sein vinicischer Patron noch immer fern der Urbs und könnte folglich später auch nur begrenzt Einfluss darauf nehmen, dass Dives einen Sitz im Senat erhielt. Vieles spielte letztlich also hier hinein. "Aber du hast natürlich trotzdem recht, Großonkel. Es geht nicht, dass nur einer von uns auf der Verlobungsfeier Serapios erscheint. Wir sollten als Iulier geschlossen auftreten - und wenn du dort also hingehen willst, dann werde ich dich natürlich auch begleiten." Noch hatte sich Licinus ja nicht völlig eindeutig geäußert, sondern nur angedeutet, dass er vermutlich auf diese Feier gehen wollte. Deshalb hielt sich Dives auch weiterhin sehr zurück und knüpfte seine Zusage eben an jene eine Bedingung, was nicht zuletzt auch den Vorteil hatte, dass er später auch gegenüber Fausta ehrlich behaupten könnte, lediglich seinen Großonkel auf dieses Fest begleitet zu haben, und nicht etwa aus eigenem Antrieb dort aufgeschlagen zu sein. "Trinken wir darauf? Auf ein geschlossenes Auftreten?", fiel dem Dives hernach kein besserer Grund zum Anstoßen ein.


    "Übrigens wollte ich dir auch noch einmal danken, Licinus - dafür, dass wir uns darauf verständigen konnten, dass ich mich um Tante Livillas Corbita 'Stern von Heraklion' alleinig kümmern darf." Entsprechende Anteile an diesem Schiff hatten nach dem Tod Livillas schließlich sowohl Pacuvius als auch Licinus und Dives geerbt. "Ich habe den Magister Navis auch bereits damit beauftragt, das Schiff nach Misenum zu überführen, wo es wieder ein bisschen auf Vordermann gebracht werden soll. Der Kapitän hat dort nämlich wohl ein paar ganz gute Kontakte.", begründete er anschließend, warum die Corbita nicht in Ostia geblieben und dort ausgebessert und repariert wurde. "Außerdem würde ich gerne meinem verschollenen und für tot erklärten Cousin Sabinus ein kleines Andenken dort widmen wollen. Ich dachte daran, vielleicht den Schiffsbug mit einer Meeresnymphe schmücken zu lassen und diese nach ihm Sabina zu nennen. Denn sowohl dem Meer und den Schiffen, als auch den Künsten von Malerei, Schnitzerei und Steinhauerei war Sabinus alles andere als abgewandt." Noch gut konnte sich Dives erinnern, wie Sabinus einst gar angeboten hatte, den Iulier selbst inform eines strahlend schönen Apollon in Stein zu verewigen... "Ich hätte dir in den kommenden Tagen jetzt natürlich auch einen Brief wegen all dem geschrieben. Aber wo du nun so überraschend einmal hier bist, kann ich dir natürlich auch persönlich meinen Dank aussprechen."