Natürlich, da lachte Serapio jetzt auf. Denn ein Attentat syrischer Freiheitskämpfer - und hatte der Decimer nicht gerade eben noch von judäischen Zeloten gesprochen, als es um die Art und Weise des Mordes ging? - war natürlich vollkommen unwahrscheinlich. Insbesondere war es weitaus unwahrscheinlicher, dass derartige Radikale einen solchen Mord verübt hatten, als dass eine junge und unschuldige Römerin plötzlich zur eiskalten Mörderin wurde. Und nicht zuletzt durfte man natürlich auch nicht vergessen, dass dieses zufällig auch - denn da war er gewiss nicht der einzige - vom Syrer verbreitete Lügen-Märchen ganz offenkundig Torquata weitaus verdächtiger als Täterin erscheinen ließ, als ein öffentliches Bekenner-Graffiti etwaige Freiheitsfanatiker. In der Tat, das ergab nur Sinn.
Doch immerhin setzte Serapio wenigstens vorerst nicht noch einmal nach. Die Worte über den Cornelius - sehr bewusst durch den hier unter Beschuss stehenden Iulier in dieser Weise ins Feld geführt - schienen ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben. Tatsächlich nämlich erachtete auch Dives den Angriff in seiner jetzigen Situation als die beste Art der Verteidigung und des Schutzes nicht nur seiner selbst sondern auch seiner Familie.
Und dann also hatte Quintilia Valentina ihren Auftritt und drängte den ohnehin schon 2:1 in Unterzahl befindlichen Iulier noch weiter in die Ecke. Jetzt stand es gar 3:1 in diesem Raum, was in der Tat den Worten der drei in diesem Augenblick ein ungleich stärkeres Gewicht verlieh - jedoch eben nicht basierend auf Inhalt und Überzeugungskraft von Argumenten, nicht auf Qualität gefußt, sondern nur aufgrund der bedrohlicher werdenden Quantität. Und wessen Behauptungen sich nur auf diese Weise kraftvoll darzustellen imstande waren, dessen Behauptungen, so drängte sich förmlich auf, musste es wohl ganz offenkundig bei anderer Art und Weise der Präsentation doch erheblich an Überzeugungskraft mangeln. Geneigter irgendeines der gesprochenen Worte hier auf- und anzunehmen wurde Dives jedenfalls vorerst ganz sicher nicht.
"Salve, Quintilia.", begrüßte er die ihm in der Tat noch von einem gemeinsamen Essen mit seinem Freund Aculeo bekannte Frau, die er wenigstens flüchtig auch auf seiner Hochzeit gesehen zu haben meinte. Trotz seiner in die Ecke gedrängten Lage rang er sich zu einem höflichen Lächeln durch. "Glaub mir, du gehörst ganz sicher zu den letzten Menschen in Roma, die ich mit einem Mord in Verbindung bringen würde, Quintilia.", erklärte er dann, bevor er sich kurz von ihr zurück an Serapio wandte. "Ganz genauso wie ich meine Tochter Torquata gewiss niemals mit irgendeinem Mord in Verbindung bringen würde und es garantiert niemandem vergessen werde, der dies dennoch wider besseren Wissens tut." Denn ein Angriff auf ein Mitglied der divitischen Familia war stets natürlich auch ein Angriff gegen den Familienvater selbst. Da würde bestimmt auch Decimus Livianus keinen Spaß verstehen, wenn jemand seinen Adoptivsohn Serapio attackierte, vermutete der Iulier stark. Doch zurück zur Quintilia. "Und du wirst dich vielleicht fragen, wieso ich mir da so sicher bin, denn wir beide kennen uns ja im Grunde kaum. Dafür jedoch, Quintilia, kenne und schätze ich Aculeo sehr - als Mitglied der Factio Veneta und Decurio der ostiensischen Curia, als allzeit geduldigen Gesprächspartner, ... als guten Freund. Und nicht nur, dass er mir darob ganz gewiss berichtet hätte, wenn er auch nur einen einzigen Wimpernschlag lang etwas so Böses und zu einem Mord fähiges hinter deinem lieblichen Gesicht erblickt hätte, glaube ich vor allem, dass eure Verlobung beim weisen Apoll nie und nimmer zustande gekommen wäre, wärst du so ein kaltblütiger Mensch." Dieses Vertrauen in Aculeo besaß der Iulier in der Tat und es war mehr als bedauerlich, dass Serapio nicht ähnliches Vertrauen bezüglich Torquata in Dives aufbringen konnte. Doch damit musste er wohl leben - ganz genauso wie mit der Stück für Stück immer rissiger werdenden Erinnerung an 'ihr' Theatererlebnis in Ostia. Wie trockener und poröser Putz bröckelte und zerbröselte das einstmals schöne Bild allmählich.
"Aber sag, Quintilia, was hat es mit der Tabula auf sich, von der du sprachst?", konnte er sich mit nachdenklich gerunzelter Stirn nicht helfen und musste einfach nachhaken. "Du sprichst von einer beim Händler gefundenen Tafel? Ich weiß durch meine Soldaten lediglich etwas von einer gestohlenen Tafel..." Da diese Tafel damit jedoch ihre zwingende Beweislast längst eingebüßt hatte, brauchte sich die Quintilierin wohl kaum noch darum zu sorgen. Nur woher wusste sie, was vermeintlich auf genau dieser einen Tafel gestanden haben sollte? Es lag nahe, dass sie sie gesehen haben musste. Doch wer hatte sie ihr gezeigt? Oder aber hatte vielleicht auch nur jemand behauptet, die entwendete Tafel gefunden zu haben? Falls ja, mit welchem Zweck? Ganz sicher: Hier war irgendeine Intrige in Gang gebracht worden. Doch weshalb Serapio darüber nicht allein mit der Quintilia sprach, sondern Dives unbedingt dabei haben wollte, erschloss sich dem Iulier noch immer nicht - es sei eben denn, dass der Decimer die hier zur Sprache gebrachte Torquata in diese ganze Geschichte mit hineinziehen und womöglich gar zur Schuldigen erklären wollte. Doch wer wäre es, der dann intrigierte?
Edit: auf richtige Signatur umsatteln vergessen - und jetzt nachgeholt.
DECURIO - OSTIA
TUTOR - IULIA TORQUATA
VICARIUS PRINCIPIS FACTIONIS - FACTIO VENETA