Beiträge von Faustus Duccius Decula

    Während Massula die gerade hereingekommene Post durchging und teilweise ein zufriedenes aber auch nachdenkliches Gesicht zeigte, was man an der Verformung seines Schnurrbartes, die mit seiner Mimik einher ging, festmachen konnte. Decula ging einige andere Unterlagen durch, um sich immer noch einen Überblick über den Staatsapperat zu verschaffen.
    Er schaute von den Unterlagen hoch, als Massula nach einigem stillen Arbeiten eben jene Stille mit einer Frage unterbrochen hatte.


    "Der Legatus schien nicht allzu erfreut über die Tatsache, dass er bald seinen Posten als Vertreter des Legatus Augusti pro Praetore abgeben muss." stellte er als allererste Beobachtung fest. Eigentlich war an der Sache nichts ungewöhnliches, denn welcher Mann freute sich schon darüber, wenn er sein zu vertretendes Amt wieder abgeben musste?
    "Des Weiteren schien er mir etwas überfordert mit der Sitaution.. vor allem aber mit den Dingen, die jetzt zu tun sind."

    "So ist es!" stimmte Dagwin seinem Vetter zu, prostete und nahm einen großen Schluck von seinem bereits zweiten Bier. Heute würden sie ordentlich die Sau raus lassen, denn in nächster Zeit würde es erstmal im Hause Duccia keine Vermählungen mehr geben. Mal sehen wie viel Bier in die Römer passt, bis sie kotzen müssen.. dachte er sich. Was er dabei nicht wusste war, dass sein Vetter just in diesem Moment mit ähnlichen Gedanken spielte, auch wenn sie schon vor Tagen diesen Plan ausgeheckt hatten. Als der Matinier mit einer Kopfbewegung auf das Brautpaar deutete, folgte die Gruppe kurz seinem Blick. Decula lehnte sich ein wenig zurück, sodass er an Pacatus vorbeischauen konnte, kniff die Augen zusammen, um das Bild von der Braut schärfer zu stellen. Nach einigen Augenblicken begann er an zu nicken "Gute Titten." ließ er für die anderen völlig unvorbereitet vom Stapel.
    Als Audaod eine Bemerkung über Dagwins unwissentliche Hochzeit machte, spuckte der junge Duccier den Schluck seines Bieres, den er gerade genommen hatte, in Form einer Sprühfontäne wieder aus und verschluckte sich. "Pass bloß auf oder ich stecke Marga, dass du sie anhimmelst!" Dabei verpasste er seinem Vetter einen Klapps auf den Hinterkopf.
    Als er sich wieder gefangen hatte, schaute Dagwin wieder durch den Garten und entdeckte einen Mann mit berühmt berüchtigtem Zinken und Schnauzer: Domitius Massula war eingetroffen! Nachdem Audaod ihn, wie es die germanische Gastfreundschaft verlangte, mit einem Becher voller Bier versorgt hatte, stießen sie zusammen an. "Sei gegrüßt Domitius Massula!"
    Die Traube um die Brautleute schien sich in Bewegung zu setzen, was sein Vetter auch verbal signalisierte. Scheisse.. fluchte Dagwin innerlich und trank seinen Becher aus, um ihn für den Weg zur alten Eiche und für das Ritual noch einmal zu füllen. Zusammen mit den anderen setzte er sich folglich in Bewegung.

    Während Dagwin weiterhin nach Audaod ausspähte, gesellte sich ein Römer, etwas älter als er, zu ihm und goss sich ein Bier ein. Als ihm der Mann zunickte, hob Dagwin kurz seinen Becher und prostete ihm zu. Fast zeitgleich tauchte endlich Audaod auf und klopfte seinem Vetter fest auf die Schulter. "Das wurde aber auch Zeit du Tagträumer." entgegnete er ihm im neckendem Ton und deutete auf die vollen Becher hinter ihm. Das Teufelsduo, welches diese Hochzeit in vollem Maße ausschöpfen und auf den Kopf stellen würde, war vereint - Die Sause konnte beginnen. Während Dagwin seinen ersten Becher Bier leerte, unterhielt sich Audaod mit dem Römer. Als er die Worte Magister Vici hörte zog er die Augenbrauen hoch und drehte sich den beiden zu. Ein Amt, was er laut der politischen Karriereweisung Witjons auch irgendwann inne haben sollte. "Prost Matinius!" grüßte er ihn, diesmal bekanntgemachter Weise, zurück und drückte ihm direkt den nächsten Becher Bier in die Hand ganz unabhängig davon, ob er seinen ersten schon leer getrunken hatte. Den folgenden Worten des Matiniers folgte er nur beiläufig, hielt er doch schon Ausschau nach der Braut und anderen hübschen Mädchen. Bei dem Wort Kneipen horchte er allerdings sofort auf.
    "Kneipen sagst du?" er stieß seinen Vetter an "Was denkst du Audaod? Da könnten wir doch mal vorbeischauen.." Es war etwas ungewohnt mit seinem Vetter auf Latein zu reden, aber in Anbetracht der Tatsache, dass es unhöflich war vor Rörmern Germanisch zu reden, hielt er sich an die höflichen Gepflogenheiten. Zudem war er auch noch nüchtern.. noch.

    Schon während Dagwin noch an diesem Tage in seinem Bett schlummerte gingen die Vorbereitungen für Witjons Hochzeit in die heiße Phase. In die Küche brauchte man gar nicht gehen, Marga hätte einen jeden schon auf b brutalste Weise aus dem Türrahmen gefegt, enn man nur daran dachte in die Nähe der Küche zu gelangen. Daher hatte Dagwin auch länger geschlafen als gewohnt: Frühstücken wollte er nicht. Er würde seinen Bauch an diesem Tag schon noch oft genug mit Fressalien, Met und Bier füllen, entleeren und wieder auffüllen.
    Seine Gedanken, die ihn bis spät in die Nacht neben dem Lärm in der Küche wach hielten, schob er für diesen und den nächsten Tag bei Seite - heute würde gefeiert werden und zwar ordentlich!
    Nachdem er sich also angekleidet hatte - er trug eine dunkelbraune Leinenhose, ein helles Leinenhemd und darüber eine olivgrüne Leinenjacke mit Knöpfen, die er offentrug. Unter seinem Hemd trug er die Kette seines Vaters, die den duccischen Wolf zeigte. Er dachte nicht mehr oft an seinen Vater, allerdings war diese Kette für ihn schon fast ein Bestandteil seines Körpers, bemerkte sie also kaum noch.


    Als er in den Garten hinaus trat sah er eine Traube von Gästen, die das Sippenoberhaupt begrüßten und schon miteinander angestoßen hatten. Dagwin stemmte seine Hände in seine Seiten, streckte sich und atmete tief durch. Dann klatschte er kurz in die Hände, das Fest konnte beginnen! Die erste Station: An den Gästen vorbei und ab zum Bier. Er schenkte sich einen ordenlichen Humpen ein, nahm einen kräftigen Schluck und nickte anschließend. Der Bierbart sprach für sich, ein gutes Bier! Apropos Bier, wo war eigentlich Audaod der alte Lump?

    Es war ein Soldat, anscheinend kannte sich die beiden schon. Dagwin staunte nicht schlecht über die Rüstung und die Waffen, die der Soldat trug. Interessiert begutachtete er ihn von oben bis unten mit dem Versuch, es nicht komisch aussehen zu lassen. Als die beiden einander vorgestellt wurden stand der junge Germane kurz auf und nickte dem Mann zu. "Salve, Miles." erwiderte er den Gruß.
    Was der Atier zu berichten hatte wusste Dagwin zu einem gewissen Teil schon. Die Schlacht bei Vicetia war, auch wenn es große Verluste gegeben hatte, siegreich verlaufen. Alrik, Hadamar und Sönke hatten nicht ihr Leben dabei gelassen und stießen nun weiter nach Rom vor, zumindest war das sein Kenntnis stand. Was der Atier dann aber noch erzählte erfreute den Duccier sehr: Der Usurpator war gefallen, der neue Kaiser und seine Truppen waren siegreich! Ein gutes Zeichen! Alrik, Hadamar und Sönke hatten es bestimmt geschafft.. das musste er unbedingt Witjon erzählen.
    Als Dagwin den Worten des Miles folgte fiel ihm auf, dass er gefallen daran fand, irgendwie schien ihn das Militär zu interessieren.. er würde unbedingt mit Hadamar und Sönke sprechen müssen, er wollte alles über die Schlachten erfahren. Dann verdrängte er diese Gedanken aber wieder schnell aus seinem Kopf, war er doch für etwas ganz anderes hier..

    Als Massula mit seiner Erklärung anfing nickte Decula. Der Princeps Praetorii war also eine Art Abteilungsleiter, der dafür sorgte, dass auch jeder seine Arbeit verrichtet. Die letzten Ausführungen des schnauzbärtigen Mannes schienen wieder möglichst einfach formuliert. So langsam war sich Dagwin sicher, dass es keine Absicht sondern viel mehr Humor war, den er bestimmt nach ein paar gemeinsamen Stunden mit dem Domitier mehr verstehen würde.


    Gerade als er eine Frage stellen wollte klopfte es an der Tür, worauf hin Massula mit einer Floskel, die er anscheinend öfters benutzte, da sie wie von einer Steinschleuder geschossen kam, Eintritt gewährte. Neugierig drehte er sich um in Richtung Tür.

    Während der Domitier sich die Nachricht von Witjon in alle Ruhe zu Gemüte führte, wanderten Dagwins Augen von einer Ecke des Officiums zur nächsten. So sah also ein Officium eines Lokalpolitikers aus. Irgendwie wirkte es ein wenig .. nunja .. öde, karg.. beklemmend. Der junge Duccius versuchte sich davon aber nicht davon abschrecken zu lassen, dass er vielleicht selbst bald in so einem Officium sitzen würde..


    Nachdem Massula die Nachricht gelesen und sich in einen Sessel gesetzt hatte fing er mit dem Sermon an, was Dagwin in seinem Tirocinium alles erwarten würde. Vieles wusste er schon von Witjon wie z.B. das mit dem Ordo Decurionum.
    Nach einer kurzen Pause schaute der Princeps Praetorii den jungen Germanen auf einmal ganz komisch an. Was war denn jetzt los?
    Irgendwie kam es Decula vor, als würde sein Gegenüber jetzt langsamer sprechen als vorher. Ja es wirkte fast so, als wollte Massula sicher gehen, dass sein Tiro auch alles verstand. Irritiert schaute der Junge zurück, wollte Massula ihn für doof verkaufen? Er wusste, dass er im Officium des Princeps Praetorii in der Regia saß. Zuerst hatte Decula überlegt, ob er seine Antwort auch in eher mäßigem Wortfluss antworten sollte, entschied sich aber dagegen, da es alles andere als respektvoll wäre und er war ja dankbar, dass Massula ihn als Tiro aufnahm. Die nächste Zeit zusammen mit dem Domitier würde eine witzige Angelegenheit, das wusste er jetzt schon.


    "Nun.." fing der Junge an, ohne auch nur einen Schimmer davon zu haben, was die Aufgaben eines Princeps Praetorii waren, außer, dass er Schreibkram für den LAPP erledigte.
    .. der Princeps Praetorii ist der Sekretär des Legaten und unterstützt ihn mit Organisatorischen und schriftlichen Angelegenheiten.." formulierte er dann so, als hätte er eine gewisse Grundkenntnis von dem, was Massula als PP denn so tut.

    Den junger Duccier beruhigte das freundliche Gesicht des schnaubartigen Mannes, der den Ducciern anscheinend sehr wohlgesonnen gegenüber stand. Eigentlich auch nicht verwunderlich, hätte Witjon ihn doch sonst nicht vorgeschlagen, um Dagwin in das politische Leben einzuführen, immerhin gab es auch Neider und falsche Zungen in der Stadt. Man musste jeden schätzen, der auf seiner Seite war und sich vor jedem in Acht nehmen, der sich mit aller Macht gegen einen stelle.


    Während der junge Duccius Platz nahm musste er kurz grinsen, als Massula die Worte politischen Hinterfotzigkeiten aussprach. Er schien ja ein witziger Kerl zu sein.. er sprach direkt die indirekter Seite der Politik an, bei der Mann Sachen mit vorgehaltener Hand sagte und bei diversen Angelegenheiten hinter dem Rücken handelte.
    Etwas irritiert schien Dagwin allerdings, als Massula in Frage stellte, wieso Witjon ausgerechnet ihn für ein Tirocinium auswählte.


    Er stand kurz von seinem Stuhl auf und reichte dem Princeps Praetorii Witjons Schreiben.


    "Das Schreiben von Duccius Marsus, Princeps Praetorii." sagte er dabei korrekt.


    Salve Massula,


    der junge Mann, der dir diese Wachstafel überreicht, ist mein Großneffe Faustus Duccius Decula. Er möchte Politiker werden in unserer schönen kleinen Civitas und ich denke, dass er alt genug ist und eine ausreichende Bildung genossen hat.


    Was er jetzt braucht, ist ein erfahrener Mann, der ihn in die alltägliche Arbeit einführen kann, die es in der Verwaltung zu tun gibt. Egal, ob städtische oder provinziale Verwaltung. Er braucht auch jemanden, der ihn in die Gepflogenheiten unter den hiesigen Honoratioren einweihen kann.


    Er muss ein tirocinium fori absolvieren und dabei dachte ich an dich. Sei so gut und tu mir den Gefallen, es wird dein Schaden nicht sein.



    MARSUS



    Irgendwie fühlte sich die Situation so an, als wäre er ein Gefangener, der zu seinem letzten Gericht geführt wurde. War das wirklich nötig? Zwei Soldaten, die einen 15jährigen Jungen zum Officium des Princeps Praetorii leiteten? Dagwin schien ja ganz schön Eindruck geschunden zu haben, wenn sie ihn für so gefährlich einstuften, dass ihn zwei Soldaten begleiten mussten. Vermutlich war es aber eher der Fall, dass dieser Umstand der routinemäßige Normalzustand war. Er könnte den Soldaten nämlich so viel anhaben wie ein Mann, der mit Kirschen auf einen nubischen Elefanten warf.


    Am Officium angekommen öffnete einer der Milites die Tür und der andere schob ihn in die Räumlichkeiten hindurch.
    An einem Schreibtisch saß ein - bis jetzt in Schriftrollen vertiefter - Mann mit Schnauzbart, der ziemlich skeptisch dreinschaute. Seine Frage schien darauf zu schließen, dass Dagwin nicht der erste war, dessen Weg am heutigen Tage in das Officium des Princeps Praetorii mündete.


    Selbstbewusst ergriff er das Wort, um nach der Aussage der Milites nicht als junger Burscher, der er noch war, dazustehen.


    "Ich bin Faustus Duccius Decula, es freut mich dich kennen zu lernen, Princeps Praetorii." dabei nickte er respektvoll und fuhr fort "Mein Vetter Duccius Marsus schickt mich. Er war der Meinung, dass du der richtige seist, um mich in das politische Leben einzuführen." Das damit ein Tirocinium gemeint war, erwähnte er nicht, da der Domitier das wohl wissen würde. Das Schreiben von Witjon behielt der Junge erst noch in der Hand.

    Dagwins Unnachgiebigkeit und Selbstbewusstsein schien den Soldaten überzeugt zu haben. Er nickte ihm zu und folgte dann den beiden anderen, die ihn zum Officium des Princeps Praetorii bringen würden.

    Zu Dagwins unwohlem Gefühl kamen jetzt noch Schwierigkeiten an der Porta hinzu.. die Götter schienen ihm diesen Tag nicht gönnen zu wollen.


    "Duccius Marsus, der Procurator Civitatium, schickt mich." entgegnete er firm und hielt dem Soldaten dabei das Schreiben seines Verwandten hin, falls er sich vergewissern wollte. "Es geht um ein Tirocinium".. was die Soldaten eigentlich nichts anging, aber er sagte es besser, um nicht noch mehr Schwierigkeiten zu bekommen.

    Es war noch recht früh am Morgen, als sich der junge Duccius mit dem Empfehlungsschreiben seines Verwandten zur Regia des Legati Auguste pro Praetore aufmachte. Auch wenn er wusste, dass dies ein guter.. wenn nicht sogar der beste, immerhin hatte Witjon ihm diesen vorgegeben, Weg war, brachte er gemischte Gefühle mit an die Porta Regiae. Dagwin atmete tief durch und schritt dann zielstrebig an die Porta, wo ihn die Wachen schon zu mustern begonnen hatten.


    "Salve milites. Mein Name ist Faustus Duccius Decula und ich möchte zu Princeps Praetorii Domitius Massula." brachte er sogar ziemlich sicher mit nur leichtem germanischen Akzent heraus. Ab diesem Tag war er auf sich allein gestellt, er hatte keinen Lehrer mehr, der ihn berichtigen konnte. Der junge Germane musste zeigen, was er in der Schule gelernt hatte.

    Es war sehr beruhigend zu hören, dass Witjon anscheinend schon einen Plan und somit eine Reihenfolge vor Augen hatte, die Dagwin befolgen sollte. Der Vicus des Bezirks Apollinensis zu sein würde für den jungen Germanen eine große Verantwortung sein, welche ettliche wichtige Aufgaben mit sich bringen würde, bei denen ihm sicher keiner mehr helfen konnte. Er wäre dann auf sich alleine gestellt! Daher kam es ihm auch ganz Recht, als Witjon davon sprach erst einmal etwas Erfahrung zu sammeln.
    Er schlug ein Tirocinium Fori bei Fautus Domitius Massula vor, der sowohl einer seiner Kollegen in der Freya Mercurioque war und einen Sitz im Ordo Decurionum hatte, als auch das Amt des Princeps Praetorii bei der Provinzverwaltung inne hatte. Es vielen also wichtige Begriffe, die Dagwin versuchte nebenbei richtig einzuordnen, während er den Worten seines Verwandten weiter folgte.


    Nach einer kurzen Pause, in denen der junge Germane alles sortierte, nickte er "Einem so wichtigen Mann über die Schulter zu schauen wird für mich von großem Nutzen sein.. denke ich." Er kannte den Mann ja nicht, vielleicht war er ja gar kein so guter Lehrer wie der gute alte Meister Xanthos, bei dem er sowohl seine elementare als auch vertiefende Schulausbildung absolviert hatte.
    Durch seine Schulzeit geprägt war er eigentlich gewöhnt die Dinge selbst in die Hand zu nehmen, da man sich auf sich selbst immer verlassen konnte, auf andere hingegen nicht. Doch um den Einstieg in seine politische Laufbahn zu finden, musste ihm sein Verwandter einfach unter die Arme greifen.
    "Wann wirst du mich ihm vorstellen?" fragte er ohne drängend zu wirken.

    Irgendwie kam es Dagwin so vor, als hätte er mit seinen Worten die heitere Stimmung beeinträchtigt. Witjon schien überrascht, was den jungen Germanen auf der einen Seite freute aber zugleich auf der anderen Seite auch überraschte. Hatte man ihm so etwas nicht zu getraut? Verwunderlich war es eigentlich nicht.. lebten weder sein Vater, der bedauerlicher Weise schon lange nicht mehr unter den Lebenden weilte, noch sein Onkel, der mit seiner Frau auf ein Landgut gezogen war, mit ihm unter diesem Dach. Er wohnte lediglich mit Verwandten aus der Sippe Wolfriks zusammen, die er eigentlich gar nicht kannte, als er vor ein paar Jahren dieses Haus betrat. Auch Castor, der lange Zeit fast wie ein Vater für ihn gewesen war, war nicht hier. Vielleicht war neben seiner Schulzeit das fehlen einer Bezugsperson auch ein Grund, wieso Dagwins Persönlichkeit sich so verändert hatte.


    "Eher so wie bei dir.." fing er zu erklären. ".. also ich möchte nicht weg von hier." stellte er an diesem Punkt klar. Auch wenn es ihn sehr reizte Rom zu sehen, ein Wunsch, den er sich als kleiner Junge liebend gern als sofort erfüllt ersehnt hätte, wollte er erstmal aus Mogontiacum nicht weg. Er hatte ja über die Jahre hier schon kaum Fuß fassen können und hier waren immerhin weit aus mehr als doppelt so viele Verwandte wie in Rom. Fragend schaute er in Witjons Richtung, er würde den Burschen schon unter die Vittiche nehmen.

    Bislang hatte sich Dagwin im kleinen Kreis des allabendlichen Abendessens zurückgehalten, stillschweigend gegessen und nur den Worten Witjons, Audaods, Eldrids und Albinds gelauscht.
    Die Nachricht über Alriks, Hadamars und Sönkes Wohlergehen und dem Sieg bei Vicetia ließ die Familie aufatmen. Eine wichtige Schlacht im Kampf gegen den Usurpator war geschlagen worden. Jetzt marschierten die Rebellen gen Rom, um den falschen Kaiser zu stürzen und den rechtmäßigen Kaiser an dessen Stelle einzusetzen. Dagwin war sich ziemlich sicher, dass dabei eigentlich nichts mehr schief gehen konnte. Es erfüllte ihn mit Stolz, dass seine germanisch-stämmige Familie im römischen Reich über die Jahre Fuß gefasst hatte und ihre Loyalität zum Kaiser erwies, in dem sie an der Seite der Rebellen gegen den Usurpator zog.. egal ob im Heer oder in der Heerfühung.. die Duccier waren mitten drin.
    Während er noch in den Gedanken daran verharrte, hatte Audaod, der neben ihm saß, die Aufmerksamkeit der Runde auf sich gezogen.
    Ein witziges Bild muss das gewesen sein: Zwei Burschen selben Blutes und doch so verschieden. Audaod schien große und von höchster Selbstsicherheit getränkte Pläne zu haben, die er anscheinend gerne offen bekundete. Sowohl Witjon als auch Eldrid und Albin hatten ihm und seinen Plänen ganz schön auf den Zahn gefühlt, sodass ihm seine vorlaute Klappe schon bald unangenehm schien.
    Nachdem Witjon und Albin das Thema dem Ende entgegen gelenkt hatten, setzte sich Dagwin auf und schon seinen leeren Teller in Richtung Tischmitte.



    Seine Augen wandte er fast ausschließlich auf Witjon. "Ich möchte wie du und Alrik in die Politik." stellte er als seine ersten Worte des Abends in die Runde. Eigentlich gab es auch nicht mehr zu sagen, er erhoffte sich nun, dass Witjon ihm eine Richtung vorgeben könnte, einen ersten Schritt, wie er am besten seinen langen Weg zu den politischen Ämtern antreten könnte. Wohin dieser Weg letztendlich führen würde, wussten weder er noch die Götter, ganz im Gegensatz seinem Vetter Audaod, der sich seiner Sache schon ziemlich sicher zu sein schien.


    Den noch vor einigen Jahren so energievollen und freudigen Jungen gab es nicht mehr. Er hatte sowohl die elementare Schulausbildung als sich auch weiterführend in Grammatik und sonstigem geschult und während dieser Zeit gelernt, dass das reale Leben knallhart war. Von seinen Schulkameraden gemobbt und ausgegrenzt hatte er die Jahre in der Schule abgesessen und sich nur auf sich und seine Zukunft konzentriert. Er hatte gelernt die Ellenbogen auszufahren und für sich selber zu sorgen - denn Hilfe gab es nicht. Aus dem Jungen von damals war ein junger Mann geworden, der mit seinem 15. Lebensjahr schon fast in sich gekehrt wirkte, da die kindliche Flamme seiner Neugierde erloschen war. Er hatte nur eins vor Augen: Sich nicht vom Weg abdrängen zu lassen und seinen Verwandten nachzueifern, allen voran Witjon und Alrik.