Beiträge von Valentin Duccius Germanicus

    "Ich kann sie schlecht aufhalten, dann würde sie wohl erst recht gehen," erwiederte er müde und nickte dann dankend. "Gut, wenn es irgendwas gibt... Naja, Du weisst, wo Du mich findest." Er musste für sich sein, fühlte sich nur noch unendlich müde und deprimiert.

    Nach dem Gespräch, oder sollte er eher sagen dem Desaster, mit Verina kam er langsamen und schweren Schrittes in den Garten und setzte sich unter einen Baum. Er dachte an das Gespräch und fragte sich, ob es besser gewesen wäre ihr einfach irgendwas zu sagen um die Stimmung und das ganze Thema gut zu überbrücken, aber er war sicher, dass er einfach die Wahrheit hatte sagen müssen. Auch sich selber zuliebe. Aber ob es wirklich klug war? Nun jedoch war es geschehen und er konnte und wollte es nicht rückgängig machen.
    So zog er nun die Beine an den Körper und legte seine Arme auf die Knie, während er seinen Kopf auf die Unterarme legte.

    Er drehte sich an der Tür noch einmal um und sein Blick zeigte die tiefe Trauer und den Schmerz, aber er wusste, sie würde es nicht sehen. Deshalb hatte er sich auch nicht umgedreht, sondern um etwas ganz Entscheidendes zu sagen: "Ich hab Dich lieb und Dein Glück ist mir wichtig, auch wenn Du es nicht glauben magst. Ich hab Dich lieb!" Er öffnete die Tür und schloß sie hinter sich langsam. Von außen sank er noch einmal erschöpft dagegen und schloß die Augen, aus denen nun die Tränen hervorquellen wollten, aber er wollte es nicht zulassen. Stattdessen ging er nach einer Weile in den Garten.

    "Ja," sagte er nachdenklich. "Und ein paar Monate, in denen nicht irgendwer einfach abgeschlachtet wird, entführt oder versucht mich umzubringen." Er rieb sich müde über das Gesicht. "Und in denen ich mich nicht mit irgendwem aus der Familie streite und mir irgendwelche bösen Überraschungen über den Weg laufen."

    Er sah sie an. Lange und schweigend. Schliesslich nickte er nur langsam. "Ich denke, ich kann Dich davon nicht abhalten. Wenn ich es versuchen würde, würde ich Dich wohl erst recht verscheuchen." Er drückte sich von der Fensterbank weg und trat auf sie zu, sah sie an und versuchte ihren Blick festzuhalten. "Tu mir nur bitte einen Gefallen: Werde glücklich mit ihm und wenn Du jemanden brauchst, dann denke daran, dass dies hier immer Dein Heim sein wird und Du jederzeit willkommen bist." Er fuhr einmal kurz mit dem Finger über ihre Wange und ließ den Arm dann wieder sinken. "Ich habe Dir immer und werde Dir immer alles erdenklich Gute wünschen!" Einen Moment sah er sie noch an, dann wandte er sich langsam um und hielt noch einmal inne. "Ich werde demnächst ein paar Wochen fort sein, in Magna, vielleicht...," Vielleicht können wir danach noch einmal reden, wollte er sagen, aber er wusste nicht, ob das im Moment überhaupt noch einen Zweck hatte. "Pass auf Dich auf, Verina," sagte er stattdessen und ging weiter zur Tür.

    Er schmunzelte leicht und schüttelte den Kopf. "Keine Angst, andere Dinge haben mich bis heute nicht zerbrechen lassen, da schaffst Du das erst Recht nicht," zwinkerte er ihm zu. "Hast Du mittlerweile wen gefunden, der Dir mehr von der Stadt zeigt?"

    Er seufzte und ließ ihre Hände los. Langsam erhob er sich und ging zum Fenster, wo er lange stehen blieb, den Rücken zu ihr und die Hände dahinter verschränkt. Er schwieg zunächst und die Minuten dehnten sich förmlich zu Stunden, zumindest für ihn. "Du hast Recht, ich habe Angst," gestand er nach einer Weile und er klang komisch, vielleicht sogar gebrochen, vielleicht auch nur unendlich Angst. "Ich habe Angst Euch zu verlieren," gestand er und merkte, wie ihm eine Träne in die Augen kommen wollte, während er immer noch aus dem Fenster sah, aber er drängte sie zurück. Es fiel ihm schwer genug sich selber das einzugestehen, was er ihr nun offenbarte. "Ich habe in den letzten Monaten zu viele Menschen verloren, die mir etwas bedeutet haben, nicht nur das, die irgendwie auch ein Teil von mir waren. Flavius und Julia, gleich zwei Mal und beides Mal hat es mir ein Stück meines Herzens herausgerissen und auch Desi, mit der ich einmal dachte, dass wir zusammen alt werden würden und dann bemerken musste, wie sie sich hier mit jedem Tag unwohler fühlte und dann einfach bei Nacht und Nebel verschwand. Ich nehme es ihr nicht übel, nein, aber dennoch ist damals etwas in mir gestorben." Er schluckte einen Moment, ehe er weiter fort fuhr.
    "Ich habe oft überlegt dem Allen zu entfliehen. Einfach Schluß zu machen und die Götter Götter sein lassen, aber da war immer etwas, zuletzt zwei Faktoren, die mir lieb und teuer sind und wichtig: Meine Familie und die Frau, die mein Herz gestohlen hat, welches ich gar nicht mehr von ihr wieder haben möchte." Er war kurz in einen liebevoll nachdenklichen Ton abgeglitten, ehe er wieder zurück in den Vorherigen rutschte.
    "Ich habe nicht vor Dir oder Venusia Eure Beziehung zu verbieten. Ihr seid alt genug es selber zu entscheiden und ich bin nicht mein Vater, der über Euch bestimmt hätte in der Beziehung, geschweige denn, dass wir noch im freien Germanien sind!" Das wollte er schon einmal klar stellen.
    Er traute sich nicht sie anzusehen, denn er spürte, dass er dann nicht lange mehr seine Gefühle zurück halten würde können, aber er wollte das nun ein für alle Mal klären und diesen verdammten Streit aus der Welt schaffen.
    "Verina, das Ganze hat schon einiges mit soldat oder nicht Soldat zu tun, wenn ich auch zugebe, dass vielleicht nicht so viel, wie ich darin sehe, zumindest hoffe ich es, bei den Beiden Männern, die Euch lieben. Ich habe die Befürchtungen, das eines Tages eine Situation kommen könnte, in der Ihr durch Eure Verbindung dazu gezwungen würdet Euch zu entscheiden, für Eure Partner und gegen Eure Herkunft oder für Eure Herkunft und gegen Eure Partner und ich fürchte, dass Euch diese Entscheidung zerreissen könnte. Die Götter mögen bewahren, dass es je soweit kommt," fügte er noch schnell an.
    "Aber," sagte er fast sogleich darauf und hielt einen Moment inne. Obwohl er noch immer mit dem Rücken zu ihr stand, wirkte er nun auch von der Statur her alt und müde. "Aber genau das ist auch der Grund, weshalb ich Angst habe Euch zu verlieren, nicht erst vielleicht dann, sondern auch schon vorher. Angst, dass wir uns entfremden und...." Er schwieg und fuhr sich kurz über das Gesicht. "Venusia ist die Einzige nächste Verwandte, die ich noch habe. Das einzige Bindeglied, was nach Allem übrig ist. Du mir meine liebste Cousine gewesen, früher und heute. Ich meine, heh, Du hast es immer geschafft mich zum Lachen zu bringen, als ich noch ein Kind war, damals, vor Allem, was dann geschah. Ihr seid ein Teil dessen, was mich ausmacht. Sicher, auch Aulus und Ancius und all jene, die noch irgendwo verstreut sind, aber ich habe zu ihnen nie eine solche Bindung entwickelt wie zu Euch Beiden und meinen Geschwistern." Seine Stirn sank gegen das Glas. "Wenn ich Euch verliere, verliere ich mich nicht dann auch selber? Verliere ich dann nicht auch meine Vergangenheit, mein Glauben, meine Lebensart?"
    Er lachte leise, aber es klang nicht freudig. "Herrjeh, Du musst mich für einen verdammten Egoisten halten! Wahrscheinlich bin ich das auch. Aber ich kann nichts dagegen tun. Ich liebe eine Römerin, wie Ihr einen Römer. Eigentlich müsste ich die selben Befürchtungen für mich haben, diese Entscheidungen und all das, aber irgendwie habe ich sie nicht. Vielleicht hab ich mich schon so weit verloren, ich weiss es nicht. Ich..." Er drehte sich um und sah Verina an. "Es tut mir leid, Verina," sagte er sanft und sie konnte sehen, dass er es ernst meinte. "Ich weiss momentan vieles nicht mehr. Ich weiss, dass ich Euch liebe und es nicht ertragen könnte Euch zu verlieren. Mag sein, dass man mir Egoismus, Schwarzmalerei und Sonstiges vorwerfen kann, aber ich kann nichts gegen mein Herzen und die Angst darin um Euch machen." Seine Augen, wie auch seine Worte baten sie um Verzeihung. "Verzeih einem alten und törichten Mann!" Obwohl er es ihr nicht verübeln konnte, wenn sie es nicht tun würde.

    Er seufzte. Seine Bemühungen, die Stimmung dank Aulus etwas aufzulockern war dann wohl voll nach hinten los gegangen. "Ich denke, Du verkennst die Situation," meinte er und er klang selber ein wenig enttäuscht und vor Allem alt in diesem Moment. Er erhob sich langsam und sah sie lange an. Dann wandte er sich an die Anderen am Tisch. "Ich denke, es ist besser, wenn ich das Essen nicht weiter störe. Lasst Euch nicht davon abbringen und geniest alle den Abend. Auch Ihr, Verina und Scipio," sagte er ernst und in einem Tonfall, der sagte, dass er es wirklich so wollte. Er neigte kurz seinen Kopf zu Scipio und sagte, im selben Tonfall: "Fühl Dich hier wie zu Hause." Dann wandte er sich an Verina und neigte auch ihr den Kopf zu. "Wir reden besser wann anders und in Ruhe darüber."
    Seine Hand fuhr sich kurz durchs Haar und Gesicht, welches ähnlich alt und müde wirkte, wie nach einem anderen Gespräch, und wie eigentlich oft in letzter Zeit, ehe er sich freundlich von Allen verabschiedete und sich anschickte den Raum zu verlassen.