Beiträge von Eginhard

    Seneca hatte also schon einmal etwas über den Praefectus gehört. Das hatte Eginhard zwar nicht, aber er war auch nicht wegen dem Octavier zur Flotte gegangen. Für ihn war die Seefahrt an sich der Grund.


    Die Anordnungen des Optio befolgte er sofort. "Zu Befehl, Optio!" antwortete er und stand kurz stramm, dann ging er unter Deck, wo er als erstes mit dem Kopf vor einen Balken rannte. Der Rekrutierungsoffizier hatte recht: Eginhard war zu groß gewachsen, um unter Deck Dienst schieben zu können. "Bi Odins berstand age! Urmalediade threkk!" fluchte er, während er sich die Stirn rieb. Dann ging er, etwas tiefer gebeugt, zu dem Alten, der ihm grinsend den Weg zum Ersatzsegel wies.

    Eginhard stand mit den anderen Tirones in angemessenem Abstand, so wie es befohlen war und wartete auf Befehle. Bis dahin galt es nur, einen militärischen Eindruck zu machen und damit die Bedeutung des Praefectus Classis zu unterstreichen. Was da besprochen wurde, hatte ihn nicht zu interessieren und so stand er, den Blick geradeaus, an seinem Platz.

    Eginhard hatte sich vorgenommen, sich beim Einlaufen in den Hafen nützlich zu machen. Deshalb war er sofort zur Stelle, als es um das Reffen des Segels ging. Natürlich ging er nicht hinauf in die Rah, dazu fehlte im schlicht die Übung und Erfahrung, aber er packte bei den Reffleinen mit an und zog kräftig mit, als es so weit war. Er lernte schnell, dass kräftig ziehen aber nicht alles war. Man musste durfte nur so weit ziehen, wie die anderen, oder das Segel ging nicht gleichmäßig nach oben. Bei seinen ersten beiden Zügen hatte er es etwas zu hoch gezogen, aber er bemerkte seinen Fehler rechtzeitig, so dass schließlich das Segel doch ordentlich gerefft war. Mit ein wenig Stolz blickte er nach oben, dann betrachtete er seine Hände. Die Handflächen waren rot und brannten. Das Tauwerk war recht rau. Daran war er schon eine Weile nicht mehr gewöhnt. Er war sich aber sicher, dass sich das bald ändern würde. Übung war alles, und er würde üben.

    Das Schiff fuhr einen geraden Kurs, so dass Eginhard am Ruder momentan nichts lernen konnte. Deshalb ging er so, dass er niemandem im Weg stand, über das Deck. Besonders aufmerksam sah er sich die Takelage an. Er merkte sich genau, wo das laufende Gut entlanglief, insbesondere die Schoten und Reffleinen. Schließlich wollte er nicht dumm da stehen, wenn es ein Segelmanöver gab. Er wollte lieber mithelfen. Nachdem er sich alles gemerkt hatte, ging er zu Decimus Seneca.


    "Salve, Kamerad. Du bist auch schon mal gesegelt? Und hast auch etwas Kampferfahrung, wie ich wohl zu Recht vermuten darf?", fragte er höflich, dann stellte er sich vor. "Ich bin Eginhard. Meine Segelerfahrung habe ich im Mare Germanicum gesammelt. Über eine gute Kampfausbildung verfüge ich auch. Zumindest, was germanische Verhältnisse angeht." Er grinste kurz. "Also ganz klar nicht genügend für den Kampf in einer römischen Einheit. Verglichen mit den anderen Tirones gehöre ich, ebenso wie du, aber zu denjenigen, die immerhin schon Erfahrung mitbringen. Vielleicht können wir ja in der dienstfreien Zeit zusammen üben?"

    Eginhard hatte wie befohlen den Platz neben dem Gubernator eingenommen, um von diesem zu lernen. Er merkte recht schnell, dass die Liburne nicht ganz so schnell auf das Ruder reagierte, wie er es von den Booten seiner friesischen Heimat gewohnt war. "Mit wieviel Verzögerung muss ich denn rechnen, bis das Schiff seinen Kurs ändert?" fragte er dann auch.


    "Sieh es dir einfach auf See an, Tiro. Beim Manövrieren im Hafen hatten wir Unterstützung von den Rojern. Das fällt beim Segeln weg." antwortete der Gubernator, ohne den Blick vom Horizont abzuwenden.


    Eginhard nickte. "Verstehe. Der Drehpunkt des Schiffes ist ohne Rojer so ungefähr nach dem ersten Drittel ab dem Bug?" fragte er dann. Die Sache mit dem Drehpunkt war recht wichtig, weil das Schiff sich bei Kursänderungen um diesen drehte, während es auf den neuen Kurs schwenkte. Das bedeutete, dass sich zwar der Drehpunkt in einer Kurve bewegte, das Schiff aber schon zuvor um diesen rotierte. Das Heck schwenkte also aus. Bei einer Kurve nach Backbord war der Teil des Schiffes, der sich hinter dem Drehpunkt befand, entsprechend steuerbords der zu fahrenden Kurve. Gerade beim Ausweichen war das wichtig.


    Der Gubernator nickte nur kurz. Eginhard genügte das als Antwort. Er beobachtete genau, was der erfahrene Steuermann machte und versuchte, dabei möglichts viel zu lernen.

    "Prinzipiell gibt zwei Wendemanöver, einerseits die Wende, andererseits die Halse, Centurio." begann Eginhard mit seiner Antwort. "Der Unterschied liegt darin, dass man bei der Wende mit dem Bug durch den Wind geht, während man bei der Halse mit dem Heck durch den Wind geht. Meiner Meinung nach ist die Wende anspruchsvoller, also beschreibe ich erstmal dieses Manöver. Zunächst bringt man das Schiff auf einen Kurs möglichst nah am Wind, ohne dass die Segel killen. Dann wird das Kommando "Klar zur Wende!" gegeben. Damit wissen die Seeleute bescheid, dass die Schoten gelöst werden sollen, was sie dann auch machen. Sobald alle Schoten gelöst sind, geht die Meldung "Ist klar!" heraus. Eine gut geübte Besatzung schafft das binnen sehr kurzer Zeit. Danach wird angeluvt, wobei das Schiff noch auf der Luvseite bleibt. Erst, wenn das Ruder voll in den Wind gedrückt wird, so dass der Bug durch den Wind gehen wird, ergeht das Kommando "Ree!" vom Gubernator. Damit beginnt das Eigentliche Wendemanöver. Durch das Kommando "Holt back!" wird das Segel auf die neue Leeseite gezogen, sobald sich das Schiff so weit gedreht hat, dass der Wind leeseitig kommt. Dadurch wird das Schiff leichter über die Fock gezogen. Bei mehr als einem Segel gelten die Kommandos erstmal nur für die Fock. Danach können die weiteren Segel ebenfalls auf die leeseitig gezogen werden. Anschließend werden die Schoten wieder festgemacht." Eginhard machte kurz eine Pause in seinem Redefluss, dann sprach er weiter. "Am wichtigsten ist nach meiner Einschätzung, dass das Schiff genug Fahrt hat, um sauber durch den Wind zu gehen. Außerdem muss man aufpassen, dass das Manöver nicht als Aufschießen endet. Ebenfalls von extremer Wichtigkeit ist, dass die Segelmannschaft gut aufeinander abgestimmt ist und alle Handgriffe möglichst synchron ausführt." Gespannt wartete er auf die Reaktion des Centurios.



    Sim-Off:

    Ich habe versucht, das Segelmanöver von moderneren Schiffen ausgehend auf Galeeren umzuschreiben. Ich hoffe, dass das so für rein rahgetakelte Schiffe halbwegs passend ist.

    Eginhard meldete sich zu Wort. "Schon mehrfach auf dem Mare Germanicum, Centurio. Auch bei Sturm, falls das relevaant ist." Es sollte ruhig jeder wissen, dass er auch schon unliebsame Erfahrungen mit der hohen see gemacht hatte. Er sah nach links und rechts, wo sich noch der eine oder andere meldete. Die Mehrheit waren aber wohl eher Landratten.

    Während sie wartend da standen, wanderten Eginhards Blicke über das Schiff. Es war größer als die Boote, die er kannte. Die lange, schlanke Form machten es sicher schnell auf See. Der Mast war recht hoch und das Segel nicht gerade klein. Prinzipiell mussten die Segelmanöver, die er zu Hause gelernt hatte, aber auch hier funktionieren. Er ging sie noch einmal im Kopf durch. Die Wende. Mit dem Bug durch den Wind. Das Segel von der einen auf die andere wechseln. Die Halse. Mit dem Heck durch den Wind. Auch hier die Seite des Segels wechseln. Aufschießen. Das Schiff mit dem Bug in den Wind stellen, um das Schiff zu stoppen. Die Aussicht, wieder zu segeln, ließ Eginhard kurz lächeln. Aber dann kam ihm in den Sinn, dass das Schiff auch gerudert werden konnte. Da würde er wohl wenig von Nutzen sein. Er passte fast sicher nicht unter Deck bei seiner Körpergröße.

    Das war doch mal ein Angebot. "Danke, Praefectus. Ich werde mein Bestes geben und dich nicht enttäuschen." Eginhard fühlte sich bei dem alten Offizier irgendwie an seinen Vater erinnert, vor allem nach dem Klaps uf den Oberarm. Als sich Dragonum zum Gehen wandte, nahm der Friese Haltung an und wartete einen Moment, bis der Kommandant ein paar Schritte gegangen war. Dann machte er sich im Laufschritt auf den Weg zu den Unterkünften.

    Eginhard kam auch bei der Ausbildungsliburne an. Das war also eine Liburne? Die hätte er sich größer vorgestellt. Aber das Beladen sollte eigentlich so ähnlich funktionieren wie bei jedem Schiff. Er wollte sich gerade melden wie befohlen, aber im Moment war ja ein anderer Tiro angesprochen.

    Eginhard stellte sich ebenfalls zu den Schwimmern. Er war ein ganz passabler Schwimmer, auch wenn es sicher noch besser ging. Man konnte immer besser werden. Er war dann aber doch erstaunt, wie viele bei den Nichtschwimmern standen. Warum meldeten die sich zur Flotte?


    Eginhard zog seine Tunika aus und faltete sie zweimal, so dass sie schön quadratisch aussah. Dann stellte er sich in die zweite Reihe. Dann kamen noch zwei aus der ersten Reihe zu ihnen. Jetzt waren sie zu neunt. "Zählen kannst du aber schon?" fragte Eginhard den Tiro, der nun bei ihm zu viel war. "Wir sind jetzt neun, das ist einer zu viel. Ab, eins nach hinten!" Wenigstens war der nicht aus seinem Contubernium.

    Nun gab es kein zurück. "Praefectus, bei der Musterung wurde mir mitgeteilt, dass ich für Aufgaben unter Deck nicht in Frage komme. Wegen meiner Größe. Andererseits kann ich ganz gut Segel setzen und verstehe auch ein wenig von Navigation. Deshalb möchte ich Dich fragen, ob ich nach der Grundausbildung, so ich sie denn bestehe, die Möglichkeit habe, einem Gubernator als Assistent zugeordnet zu werden? Geht so etwas?"

    Eginhard lächelte. "Das Meer ist mir ziemlich gut bekannt. Ich war schon oft auf See, aber noch nie mit einem römischen Schiff. Unsere Boote sind kleiner, mit vielleicht 20 Mann Besatzung. Aber auch damit kann man Stürmen trotzen. Ich war schon in einem kleineren Sturm als Steuermann unterwegs." Natürlich war mit einem "kleineren Sturm" das gemeint, was man bei der Nordsee als so etwas sah.


    Der Friese überlegte kurz, dann fragte er "Praefectus, darf ich offen sprechen?"

    Auch in Eginhards Quartier sah es nicht so aus, wie der Optio das haben wollte. Sie räumten alles so auf, wie der Optio es angeordnet hatte. Die Rationen passten zu Eginhards Verwunderung wirklich in das zugewiesene Regal. Und die Tunicae sahen an den Haken doch ganz ordentlich aus. Es war doch anders als in der Heimat. Aber irgendwie machte alles Sinn. Man kam direkt an die Sachen ran, ohne suchen zu müssen. So, wie Eginhard es bei Fahrten hinaus aufs Meer gelernt hatte. Damals, in Friesland. Im Boot musste man auch sofort wissen, wo was war. Sonst konnte das bei Sturm ganz übel enden.