Beiträge von APPIUS CORNELIUS PALMA

    Mit einem leichten Nicken folgte Cornelius Palma den Ausführungen, auch wenn sie keine Nachrichten enthielten, die für ihn einen Fortschritt gegenüber dem bisherigen Kenntnisstand bedeuteten. Aber das war in der Kürze der Zeit auch kaum zu erwarten gewesen, brauchte doch alleine die Post bis Mantua zweifellos mehrere Tage, von der Reise einer Person ganz zu schweigen.


    "Gut. Halte mich bitte nach Möglichkeit auf dem Laufenden, soweit sich etwas Neues ergibt. Jeder vertriebene oder geflüchtete Senator, der baldmöglichst wieder in Rom zurück ist, ist ein Gewinn für die Stadt."


    Damit schien dieses Thema für ihn dann aber zumindest vorerst abgeschlossen und Cornelius Palma forderte Aurelius Lupus mit einer einfachen Geste zum Sitzen auf.


    "Aber nimm Platz. Was außer der Munera zu Ehren des Tiberius Durus wird sonst noch das Thema unseres heutigen Gesprächs sein?"

    Zum ersten Mal in diesem Gespräch hatte Cornelius Palma das Gefühl, seinem Gegenüber nicht wirklich folgen zu können. Forschend und mit einer Hand an der Schläfe schaute er ihn während seiner Ausführungen an und versuchte, seinen Gedanken zu folgen. Es gab einen Moment der Stille, bevor er zu einer Antwort anhob.


    "Täusche ich mich, oder ist dies ein sehr spezielles Beispiel? Was hat das Schicksal eines einzelnen Spiones in Arretium mit dem Wohle Roms zu tun, für das die Kanzlei angeblich sorgen wollte und trotz deiner Macht nicht konnte? Verstehe ich dein Beispiel falsch oder handelt es sich dabei tatsächlich nur um eine bürokratische oder juristische Detailfrage, mit der der Procurator a libellis eher seine Zeit vertrödelt, als das Schicksal Roms mitzubestimmen?"


    Die Fragen waren nicht scharf oder ungehalten formuliert, eher ruhig und nach Orientierung suchend, aber man konnte Cornelius Palma anmerken, dass er sich nach den vorherigen Ausführungen eher etwas anderes erwartet hatte als ein solches namenloses Einzelschicksal.

    Es waren sehr interessante Informationen, die Cornelius Palma hier erhielt und er bemühte sich, jedes kleine Detail zu erfassen und zu behalten, um es später beim ruhigen Nachdenken über dieses Gespräch in das große Puzzle einzufügen, das sich in seinen Gedanken ausbreitete.


    "Das sind offene Worte, die du sprichst und dafür muss ich dir danken. Doch kommen wir von den Taten deines Bruders noch einmal zurück zu dir und der Acta Diurna. Was lag dir an dieser Arbeit? Darum hast du den Druck auf dich genommen und den direkten Zugriff zugelassen, anstatt die Aufgabe einfach jemand anderem zu überlassen?"


    Die Frage drängte sich schließlich ebenso auf wie die umgekehrte Frage, warum Vescularius Salinator Decima Seiana nicht einfach durch jemand anderen ersetzt hatte, um die Acta Diurna unter seine Kontrolle zu bringen. Nur dass letztere Frage wohl kaum Decima Seiana selber beantworten konnte.

    Ganz sicher war sich Cornelius Palma nicht, ob die junge Vestalin, der die Virgo Vestalis Maxima den Vortritt bei der Antwort gelassen hatte, lediglich recht dramatische Worte wählte, oder ob die Lage der Vestalinnen unter seinem Vorgänger doch tatsächlich schlimmer gewesen war, als er angenommen hatte. Eine erleichterte Freude, die eine Menge Vertrauensvorschluss mit sich brachte, war auf jeden Fall unüberhörbar.


    "Es freut mich zu hören, dass ihr euren Dienst auch in schweren Zeiten sorgfältig und erfolgreich versehen konntet und dass ihr auch schon von Vesta ein Zeichen ihrer Zustimmung entgegennehmen konntet. Umso leichter werden unsere Herzen sein, wenn ich euch im Atrium Vestae besuchen werde, um alle Mitgliederinnen des Kultes näher kennenzulernen. Wie heißt du eigentlich?"


    Die letzte Frage stellte Cornelius Palma recht unvermittelt und mit einem herzlichen Lächeln auf dem Gesicht, so als wäre ihm gerade in diesem Augenblick eingefallen, dass man das Kennenlernen ja schon hier beginnen konnte und sich nicht erst im Atrium Vestae miteinander bekannt machen musste.

    Einen kleinen Augenblick dachte Cornelius Palma zu Beginn des Gesprächs darüber nach, ob er eine Liste darüber führen sollte, welche Anrede seine Gesprächspartner am häufigsten benutzten. In den Gesprächen seit seiner Ernennung zum Imperator Caesar Augustus hatte er schon viele verschiedene Kombinationen gehört und im übrigens selber noch keine feste Vorstellung, wie es ihm eigentlich am liebsten war. Aber allzu viel Zeit gönnte er sich für diese Gedanken nicht und er begann auch keine Liste, um nicht kostbare Gesprächszeit mit so etwas zu verschwenden. Zumal das Gespräch sicher seine volle Konzentration erforderte, wo der Senator doch schon mit einer subtilen Anspielung begann, die Cornelius Palma nicht entging, die er aber auch nur sehr vage aufnahm.


    "Senator Aurelius. Es freut mich, dass du dieser Einladung Folge leisten konntest und ich dir so deinen Wunsch nach einem baldigen Gespräch erfüllen konnte. In der Tat jagt im Moment ein Termin den nächsten und nicht wenige davon sind eine Folge dessen, wie der Machtwechsel abgelaufen ist. Doch ich denke, unser Gespräch wird mehr in die Zukunft denn in die Vergangenheit gerichtet sein, nicht wahr? Konntest du schon die Briefe versenden, über die wir im Senat sprachen oder hast du gar neuere Informationen?"


    Diese Frage schien Cornelius Palma sehr wichtig zu sein, wenn er sie gleich am Anfang des Gesprächs stellte. Offenbar hatte er sich zumindest soweit vorbereitete, dass er eben solche Fragen hatte, auf die er eine Antwort haben wollte um seine Interessen an dem Gespräch gesichert zu haben, bevor er mehr Redezeit seinem Gast überließ. Auch wenn er es bei diesem Gast zweifellos lieber tat als bei anderen, auch wenn es diesmal keine Zeichen auf einer Leber zu erklären gab.

    Cornelius Palma nahm die Mischung aus militärischem Gruß und angedeuteter unterwürfiger Geste als Begrüßung entgegen, ohne damit allzu viel anfangen zu können, denn schließlich war der Senator weder aktiver oder kürzlich entlassener Offizier, noch fremder Würdenträger oder Bediensteter. Aber er nahm an, dass sich das Motiv für die Wahl der Gesten wohl noch aus dem Gespräch ergeben würde. Entsprechend grüßte er relativ neutral zurück.


    "Senator Flavius. Ich danke dir für deine Gratulation. Danke du den Göttern, dass sie auch ohne dein Tutun jenes Ergebnis herbeigeführt haben, welches du dir erwünscht hast. Doch da wir beide die Zeit nicht zurück drehen können, ist es sicher nicht dein Wunsch nach einem nachträglichen eigenen Beitrag zu diesem Sieg, der dich zu mir führt. Hättest du der Kanzlei vorab dein Anliegen mitgeteilt, hätte ich mich gegebenenfalls auch vorbereiten können. So wirst du mich nun weniger vorbereitet mit deinen Wünschen konfrontieren müssen."


    Wenn man wollte, konnte man aus diesen Worten heraushören, dass Cornelius Palma diese Art der Gesprächsführung nicht unberdingt schätzte, aber vielleicht musste er einfach erst noch seine Art und Weise finden, wie er als Kaiser Audienzen vorbereiten und führen musste. Die ersten Audienzen, zu denen auch diese gehörte, waren in dieser Hinsicht zweifellos mehr oder weniger intensiv genutzte Experimentierfelder.

    Wieder einmal stellte Cornelius Palma fest, dass zwischen dem Auftreten eines Mannes in Toga und in Offizierskleidung ein nicht unerheblicher Unterschied bestand. Vielleicht lag es in diesem Fall auch daran, dass er das Gesicht seines Gastes noch nicht so gut kannte, hatte er ihn doch auf dem Marsfeld zum ersten Mal bewusst gesehen, aber ein Unterschied war auf jeden Fall zu merken. Wahrscheinlich lag es am Latus Clavus.


    "Senator Duccius. Es freut mich dich zu sehen. Nimm Platz. Wir haben etwas mehr Zeit als bei unserer letzten Begegnung auf dem Marsfeld und wir sollten sie gut nutzen. Zumindest legt dies der Bericht nahe, der mir vorliegt und nach dem du mit zahlreichen Gefangenen Gespräche geführt hast, deren Ergebnisse für meine Entscheidungen von Belang sind, wie du dir denken kannst. Sofern du nichts dagegen hast, würde ich dir gerne zu einigen dieser Gespräche noch einige Fragen stellen."


    Damit war das Thema des Gespräches und auch das von Cornelius Palma bevorzugte Vorgehen genannt, was aber nicht heißen sollte, dass er bei dieser Gelegenheit nicht auch ein Ohr für andere Themen und Anliegen haben sollte. Er verzichtete nur gerne bei solchen Schreibtischgesprächen auf unnötiges Vorgeplänkel, das nur Zeit kostete.

    Das Bild, dass Decima Seiana zeichnete, erschien Cornelius Palma durchaus klar und schlüssig und entsprach im übrigen auch dem, was er aus anderen Quellen für andere Personen gehört hatte, die unter Vescularius Salinator in einem Abhängigkeitsverhältnis arbeiten mussten. Auch wenn seine ursprüngliche Frage noch immer nicht beantwortet war, gab ihm dieses Bild jetzt zumindest etwas mehr Klarheit über das, was er von Decima Seiana halten konnte.


    "Du sprichst interessante Sachverhalte an. Dein Bruder ist Praefectus Praetorio, du hast ebenfalls einen Praefectus Praetorio geheiratet und trotzdem wurde also die Acta Diurna durch den Einsatz der Garde unter Druck gesetzt. Wie ist dein Verhältnis zu deinem Bruder und wie ist seines zu Vescularius Salinator gewesen? Welche Rolle spielte er in diesen Sachen, abgesehen davon, dass seine vorgeblichen Ermittlungsergebnisse über die Acta Diurna publik gemacht wurden?"


    Letzteres war zweifellos ein Umstand, der Cornelius Palma so oder so nicht gefallen konnte und mit dem er ohnehin umzugehen hatte, ganz gleich wie es mit der Führung der Acta Diurna weitergehen würde.

    Mit ehrlichem und nicht nur vorgespieltem Interesse folgte Cornelius Palma den Ausführungen des Haruspex, der nicht nur eine sehr detaillierte, sondern auch eine sehr überzeugende Interpretation vortrug. Mit dem Erkennen des Schimmers hatte Cornelius Palma zwar so seine Probleme, aber vielleicht waren seine Augen einfach nicht mehr die besten oder er stand falsch, so dass das Licht nicht richtig fiel. Auf umständliche Bemühungen, den Schimmer zu erkennen wollte er aber doch lieber verzichten, denn von Ferne hätte es sonst womöglich so ausgesehen, als ob er die Leber wegen eines bösen Vorzeichens so genau in Augenschein nehmen würde. Stattdessen nickte er lieber langsam und mit einem ernsten, aber zufriedenen Gesichtsausdruck, um schon ohne Worte erkennen zu lassen, dass das Opfer ein positives Ergebnis haben würde. Als der Haruspex seine Ausführungen beendet hatte, wandte Cornelius Palma sich dann auch mit genau diesem Ergebnis mit lauter Stimme an die Zuschauer.


    "Litatio! Iuppiter hat das Opfer angenommen. Die Zeichen sagen eine glänzende Zukunft voraus. Der Weg wird nicht ohne Hindernisse sein, denn die Schatten der Vergangenheit verfolgen uns noch, aber wir werden dies mit Iuppiters Hilfe zu überwinden wissen. Dies ist der erhoffte gute Tag für Rom!"


    Mit weit ausgebreiteten Armen lächelte er der Menge entgegen und blickte dann zum Himmel. Ein leichtes Seufzen konnte er nicht unterdrücken und auch die Müdigkeit, die langsam in seinen Körper schlich, konnte er nicht leugnen. Es war ein lager Tag gewesen und es würden noch viele lange Tage folgen. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Also sammelte er sich einen kurzen Augenblick, um dann wieder eine staatsmännische Miene aufzusetzen und sich noch einmal Aurelius Lupus zuzuwenden.


    "Ich danke dir für deine Dienste als Haruspex. Das war eine sehr kundige Interpretation, wie mir scheint. Zweifellos werden wir in Zukunft noch häufiger das Vergnügen miteinander haben."

    Auch Cornelius Palma war erleichtert, dass alles so verlaufen war wie geplant und die Götter rasch ein günstiges Zeichen geschickt hatten. So blieb nun tatsächlich sowohl Zeit als auch die passende Stimmung, um sich mit den Mitgliedern der verschiedenen Kulte vertraut zu machen. Immerhin wartete wohl auch einiges an Arbeit auf den neuen Pontifex Maximus, wenn Cornelius Palma die Worte des Rex Sacrorum richtig deutete. Und da war es wichtig, zu wissen, mit wem man es zu tun hatte und wer den Eindruck machte, eine Hilfe sein zu können.


    "Ich werde mich bemühen, ihm viel von meiner Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Ich denke, wir sollten baldmöglichst eine Sitzung des Collegiums abhalten, um zu sehen, wie wir die Arbeit verteilen können und wie wir die Reihen gefüllt bekommen. Wäre das machbar?"


    Nicht nur die Priester, auch die anwesenden Vestalinnen waren für Cornelius Palma wichtige Ansprechpartnerinnen, denn immerhin bildete ihr Haus auch in Zeiten der Krise so etwas wie einen ruhenden Pol, der zumindest weniger von den Wirren der Politik erfasst wurde als andere Ämter im Dienst der Götter.


    "Vestales, auch euch würde ich gerne noch einmal gesondert meine Aufmerksamkeit widmen, habe ich doch mit dem Amt des Pontifex Maximus auch die väterliche Verantwortung für euch übernommen. Wie steht es um euer Haus? Hat die Flamme der Vesta die unruhigen Zeiten wohlbehütet überstanden?"

    Es war den Menschen in seinem Umfeld nicht verborgen geblieben, dass Claudius Menecrates mit seiner Gesundheit zu kämpfen gehabt hatte in vielen Abschnitten des Feldzugs und auch in der Schlacht. So war es dann auch bis zu Cornelius Palma vorgedrungen und von diesem bei der Entscheidung über die Auszeichnung mit berücksichtigt worden.


    "Herius Claudius Menecrates, Legatus Legionis der Legio II Germanica. Du hast dich einem großen Ziel angeschlossen und dein Heer im Vertrauen auf deine Fähigkeiten und den klugen Oberbefehl über die Alpen und in die Schlacht geführt. Du hast dies getan ungeachtet des Zustandes deines eigenen Körpers und deiner Kräfte. Du empfängst eine Hasta Pura für deinen langen Dienst als Legatus Legionis, der mit dem Ablauf des heutigen Tages ehrenvoll beendet sein wird, um dir Gelegenheit zur vollständigen Wiederherstellung deiner Gesundheit zu geben, damit du Rom noch lange erhalten bleibst."


    Erneut trat ein Helfer hervor und überreichte die Auszeichnung.

    Die Antwort ging ziemlich geradwegs an der Frage vorbei, musste Cornelius Palma feststellen, obwohl er seine Frage für ziemlich direkt gehalten hatte. Nun galt es also wohl herauszufinden, ob Decima Seiana ihm absichtlich ausgewichen war, oder die Frage vielleicht doch nicht so klar gewesen war, wie er gedacht hatte.


    "Darf ich die Antwort so verstehen, dass du dich eher dem Senat verpflichtet siehst als dem Kaiser? Und kannst du mir ein Beispiel geben, wo es dir nicht gelungen ist, es so zu handhaben wie es deinem Wunsch entsprach? Am besten gleich mit den Gründen dazu?"


    An Beispielen schienen sich Urteile am einfachsten ableiten zu lassen, hatte Cornelius Palma sich schon in anderen Gesprächen gedacht. Im Gegensatz zu dort war der Posten an der Spitze der Acta Diurna zweifellos auch der, der sich mit den wenigsten Nebenwirkungen neu besetzen ließ, wenn das Gesprächsergebnis keine andere Wahl zuließ, wobei die Einbeziehung des Senates hier wiederum deutlich wichtiger war als an anderen Stellen.

    Dem Mann mangelte es ganz offenbar nicht an Selbstbewusstsein, wenn er sich als Anführer der Kanzlei sah, obwohl es dort definitiv mehr als einen Procurator gab. Cornelius Palma war davon einerseits beindruckt, andererseits macht ihm das die Beurteilung des Mannes nicht leichter. Also musste er weiter fragen.


    "Du sagtest eingangs unseres Gesprächs, dass die Kanzlei das Chaos nicht entwirren konnte, auch wenn sie es wollte. Nun sagst du, dass du zumindest Teile der Korrespondenz völlig unter deiner Kontrolle hattest. Gib mir ein Beispiel für eine Angelegenheit, die du völlig unter deiner Kontrolle hattest und trotzdem nicht zum Wohle Roms regeln konntest, sondern nach dem Willen des Vescularius Salinator regeln musstest."


    Zur Not würde Cornelius Palma anhand der Archive nachprüfen lassen müssen, wer in einem solchen konkreten Fall mit involviert war, aber immerhin hätte er damit eine konkrete Aussage in der Hand, die gegebenfalls eben auch den Wahrheitsgehalt der Aussagen des Procurators stützen konnte.

    Von seiner Position nahe am Altar, wo er das Gebet gesprochen hatte, hatte Cornelius Palma es nicht weit bis zu jener Stelle am Altar, wo der Haruspex die Leber betrachtete, so dass er auf dessen Wink hin selbstverständlich hinzu trat und ebenfalls einen Blick auf die Innereien warf. Mehr als ein Zeichen des Interesses als Opferherr war dies aber nicht, denn seine Kenntnisse in der Deutung der Zeichen beschränkten sich auf das, was man nach Jahren an blutigen Opfern zu verschiedenen Anlässen eben wusste. Und damit waren sie ganz sicher nicht ausreichend, um einem Haruspex bei einem Staatsopfer das Wort zu nehmen oder auch nur Fragen zu stellen. Also betrachtete er schweigend, was sich zeigen und wie der Haruspex es deuten würde.

    Hätte man Cornelius Palma nicht gesagt, dass Duccius Vala zahlreiche Befragungen von Gefangenen durchgeführt hatte, hätte er sich vermutlich mehr Zeit damit gelassen, diesen Mann im persönlichen Gespräch näher kennenzulernen. Neugierig wäre er zwar schon gewesen auf den Mann, der als Tribun eine Legion kommandierte, aber nach Monaten im Feld war sein akuter Bedarf nach Feldzugsberichten nicht allzu groß. Stattdessen waren es die Erkenntnisse aus den Befragungen von Gefangenen, die jenen Duccius zu einem willkommenen Mann im Arbeitszimmer des neuen Kaisers machten.

    Mit der Verleihung der Auszeichnungen an die Offiziere der Classis war dieser Teil der Zeremonie abgeschlossen. Cornelius Palma verzichtete darauf, noch einmal das Wort an die Soldaten zu richten. Stattdessen traten die Adlerträger der Legionen und ausgewählte Feldzeichenträger aller Einheiten nach vorne, um den Soldaten die Zeichen zu präsentieren und nacheinander die Schlachtrufe der einzelnen Einheiten anzustimmen.


    Damit war die Zeremonie dann endgültig beendet und Cornelius Palma verließ die Tribüne zusammen mit den Offizieren, nicht ohne dabei mit dem einen oder anderen noch ein Wort zu wechseln. Zum Beispiel mit Duccius Vala, dem kommandieren Tribun der Legio VIII Augusta.


    "Duccius Vala, ich habe von Flaminius Cilo erfahren, dass du die Befragungen zahlreicher Gefangener durchgeführt hast. Ich würde dich gerne morgen in meinem Büro empfangen, um über diese Befragungen zu sprechen."


    Andere Offiziere erhielten dagegen noch den einen oder anderen persönlichen guten Wunsch für die Rückreise mit ihren Einheiten, denen größtenteils eine erneute Überquerung der Alpen oder des Mittelmeeres bevorstand.

    Das Gesprächsansuchen von Senator Flavius Furianus war nicht völlig überraschend gewesen, war seine Verbannung doch durch Cornelius Palma aufgehoben worden, was ihm eine Rückkehr nach Rom ermöglichte. Trotzdem war Cornelius Palma nicht recht klar, ob er sich auf mehr als eine Dankbarkeitsbekundung hätte einstellen sollen, als er in seinem Arbeitszimmer saß und die Ankunft des Senators erwartete.

    Nicht nur die Tatsache, dass Aurelius Lupus ein ehemaliger Tribun aus dem nördlichen Rebellenheer war, sondern auch die Tatsache, dass Cornelius Palma ihn schon vor seiner eigenen Abreise aus Rom Richtung Syria kennengelernt hatte, machte ihn als Gesprächspartner interessant. Daher war es Cornelius Palma nicht schwer gefallen, ihn zu einem Gespräch einzuladen und sich darauf vorzubereiten, auch wenn seine Zeit für letzteres sehr knapp gewesen war angesichts vieler anderer Termine.

    Draußen hatte man ebenso perfekt wie drinnen alles vorbereitet, was für den blutigen Teil des Opfers notwendig war. Nach während Cornelius Palma auf den Altar zuschritt, begannen die Flöten zu spielen und die Menge verstummte. Man reichte ihm nacheinander die nötigen Utensilien, so dass Tiere und Opferwerkzeuge auf das Opfer vorbereitet werden konnten, wie es notwendig war. Tatsächlich hatte Cornelius Palma nicht vor, selber das Messer oder Beil anzusetzen, sondern würde dies den kundigeren Helfern überlassen, die darin wesentlich mehr Erfahrung hatten als er. Sein letztes Stieropfer lag auch schon ein wenig zurück und gerade bei großen Tieren sollte man wohl nichts falsch machen, erst Recht nicht bei einem Staatsopfer.


    Daher gab er das Opfermesser nach der rituellen Entkleidung der Tiere wieder zurück und wandte sich stattdessen dem Altar und dem Tempel zu, um das Gebet zu sprechen, mit dem die Tiere dargebracht werden sollten. Anders als drinnen musste er diesmal wieder laut sprechen und sein Text hatte einen wesentlich größeren Bezug zum Staat, als sein persönliches Gebet im Inneren.


    "Großer Iuppiter Optimus Maximus, Herrscher des Himmels, Beschützer des Staates, des Hauses, des Hofes und der Familie. Wir stehen gleichsam am Ende und am Beginn einer Ära und blicken voll Dankbarkeit und Hoffnung zu dir, ohne dessen Willen in diesem Staat nichts vergeht und nichts entsteht. Deshalb sieh diese beiden Stiere, die wir dir heute opfern wollen.


    Der erste Stier sei dir geopfert zum Dank, dass mit deinem Einverständnis und durch dein Wirken die Herrschaft des Vescularius Salinator beendet wurde, der nicht das Recht hatte als Nachfolger des Ulpius Valerianus auf dem Thron Roms zu sitzen. Es war ein blutiges Ende, doch das Blut des Opfertieres soll der letzte Tropfen sein, der aus diesem Anlass ehrenvoll vergossen wird.


    Der zweite Stier sei dir geopfert als Bitte, dass durch deinen Schutz und deinen Ratschluss die Zukunft eine bessere sei, in der das römische Recht und der göttliche Wille wieder geachtet werden in Rom. Lasse den Senat, die gewählten Magistrate und die kaiserlichen Legaten stets klug und umsichtig entscheiden und gewähre mir als vom Senat bestimmten Imperator Caesar Augustus, die mir auferlegten Pflichten zum Wohle Roms zu erfüllen. Das Blut des Opfertieres soll das einzige Blut sein, mit dem der Beginn dieser Ära markiert wird, die mit deiner Hilfe eine friedliche sein soll.


    Denn nichts in Rom geschieht ohne deinen Willen und wir können nichts tun in Rom ohne deine Unterstützung."


    Wie schon im Tempel verharrte Cornelius Palma einen Augenblick schweigend in seiner Gebetspose, legte dann die rechte Hand auf seinen Mund und wandte sich nach rechts. Sein Blick traf die Blicke der Opferhelfer, die auf sein Zeichen zum Vollzug des Opfers warteten.


    "Agite!"

    Cornelius Palma überlegte einen winzigen Augenblick, ob der Rex Sacrorum irgendein vages schlechtes Vorzeichen gesehen hatte und mit seinem Vorschlag die Zeremonie herauszögern wollte, um sich Gewissheit zu verschaffen, verwarf diesen Gedanken dann aber wieder. Jedes Zögern wäre ihm selber zumindest als schlechtes Vorzeichen erschienen und deshalb schüttelte er verneinend den Kopf.


    "Ich denke, wir sollten erst die Zeremonie abschließen, um uns dann umso entspannter dem Kennenlernen widmen zu können."