Beiträge von APPIUS CORNELIUS PALMA

    Von sanftem Wind getrieben gelangten die Schiffe der Classis Syriaca mit Cornelius Palma und einem Teil seiner Truppen an Bord Tag für Tag stetig und fast gespenstisch geräuschlos nach Westen, ihrem Ziel entgegen. Weniger geräuschlos, aber dafür nicht minder stetig schob sich an Land eine Marschkolonne die Straßen entlang und kam damit ebenfalls ihrem Ziel immer näher, auch wenn es nicht ganz so schnell ging. Aber dafür waren sie auch etwas früher losgelaufen und außerdem wollte Cornelius Palma gar nicht, dass alle zeitgleich am Ziel eintrafen, denn das machte die Organisation unnötig kompliziert.


    Das Ziel, das war letztlich natürlich Rom, aber erst einmal Halicarnassus, die Hafenstadt im Süden der Provinz Asia. Bis hierhin rechnete Cornelius Palma mit keinerlei Störung, einfach aufgrund der geographischen Lage. Selbst wenn die Classis Ravennas zeitgleich mit seiner eigenen Flotte ausgelaufen wäre, um ihm entgegen zu fahren - womit er nicht rechnete, denn Nachrichten über seine Aktivitäten brauchten ja einige Zeit bis nach Rom - wäre es ihr aufgrund der Entfernung schlicht unmöglich, zeitlich mit ihm im Mare Aegaeum einzutreffen. Dasselbe galt für den Landweg, auf dem seinen Truppen die Einheiten der Donauarmee entgegen kommen könnten, aber eben auch nicht so schnell, dass Halicarnassus nicht ein sicherer Hafen für alle gewesen wäre.


    Ärgerlich war für Cornelius Palma, dass er auf die Classis Alexandrina verzichten musste, zumindest für's erste. Dabei hätte er sie gerade jetzt gut gebrauchen können. Andererseits war es auch nicht das schlechteste, wenn sie woanders war und damit möglicherweise größere gegnerische Verbände auf sich zog, so dass sich Cornelius Palma nicht mit ihnen herumschlagen musste. Von daher konnte er sich mit der Lage durchaus arrangieren, ohne Bauchschmerzen dabei zu bekommen. Sein Vorhaben war ohnehin in jedem Fall wagemutig, egal mit wie vielen Schiffen, aber die Sache war es allemal wert.

    Cornelius Palma hatte viele Befehle gehabt und natürlich waren sie zu umfangreich und detailliert, um sie vor der versammelten Truppe zu geben. Aber er hatte auch Zeit, so dass er es erst einmal bei einigen symbolischen Worten beließ und sich anschließen wieder den Soldaten zuwandte, um seine Nähe zu ihnen zu demonstrieren und ihnen ein Donativum auszuzahlen.


    Die nächsten Tage nutzte er jedoch tatsächlich, um Befehle zu geben, Absprachen zu treffen und die Offiziere auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören. Er wollte nach Rom, auf den Thron des Kaisers, und das nach Möglichkeit ohne blutigen Bürgerkrieg. Dass sie nach Rom kamen, daran hatte niemand Zweifel. Dass Cornelius Palma es auf den Thron schaffen würde, dafür gab es zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit. Dass es unblutig enden würde, das war bei realistischer Betrachtung wohl nur ein frommer Traum. Aber einer, der eine zusätzliche Betonung darauf legte, dass Cornelius Palma der rechtmäßige neue Kaiser war.


    Bis zum Abmarsch ließ Cornelius Palma weitere Zeit verstreichen. Er wollte die poltischen Entwicklungen weiter abwarten und vor allem setzte er auf besseres Wetter. Und darauf, dass die Classis Syriaca schnell noch ein paar zusätzliche Schiffe zimmerte, denn darauf, dass die Classis Alexandrina sein Vorhaben unterstützte, wollte er nicht alleinig setzen. Sie wollte er erst informieren, wenn die ersten Kontingente schon unterwegs waren, damit diese außerhalb der Angriffsreichweite waren, sollte die aegyptische Classis nicht auf seiner Seite stehen.


    Als klar war, dass Salinator in Rom tatsächlich den Kaiserthron besteigen wollte und das Wetter langsam besser wurde, wurde es Zeit, loszuschlagen. Letzte Briefe wurden verschickt, dann ging Cornelius Palma mit etwas mehr als der Hälfte der Truppen an Bord. Ein weiteres Truppenkontingent befand sich bereits auf dem Landweg in Richtung Westen, der Rest würde im Idealfall von der Classis Alexandrina später gebracht werden oder würden im Eilmarsch ebenfalls über Land hinterherkommen müssen.

    Abordnungen von vier Legionen waren zusammen gekommen, etwa 10.000 Mann unter Waffen standen für ihn bereit. Auf seiner Reise durch die Provinz war Cornelius Palma vom Statthalter bereits als zukünftiger Kaiser Roms vorgestellt worden. Die Legionäre zweifelten offenbar nicht daran, dass dies der Wille der Götter und des vergöttlichten Valerianus war. Ein großzügiges Donativum hatte darüber hinaus letzte Zweifel beseitigt und man konnte fast glauben, die Männer würden darauf brennen, einmal in ihrem Leben einen Kaiser ausrufen zu dürfen.


    "Soldaten! Söhne des Mars! Bürger Roms! Ich bin in diese Provinz am Rande des Imperium Romanum gekommen, um von hier aus mit euch an meiner Seite die Zukunft unseres gesamten Reiches in die Hand zu nehmen. In Rom sitzt ein Mann auf dem Thron des Kaisers, der ein Mörder ist! Ein gieriger Mann, der sich durch Verrat auf diesen Platz gebracht hat! Ein feiger Mann, der durch falsche Versprechungen getreue Schergen um sich gesammelt hat, die ihn stützen und schützen! Ein frevlerischer Mann, der das Erbe des vergöttlichten Valerianus beschmutzt hat, um sich zu bereichern! Ein ehrloser Mann, der in seinem Denken und Handeln all das verraten hat, auf das ihr euren Eid geleistet habt! All das, für das Legionäre wie ihr in den Kampf gezogen sind! All das, was Rom zu dem gemacht hat, was es heute ist!


    Doch wir stehen dem nicht tatenlos gegenüber. Wir haben die Möglichkeit und auch die Pflicht, diesem Mann entgegen zu treten und Rom wieder zu dem zu machen, was es sein soll. Jeder einzelne von euch hat die Möglichkeit und die Pflicht, die Würde des Kaiserthrons in Rom wieder herzustellen. Mit euch an meiner Seite habe ich die Möglichkeit, auch meinen Teil dieser Pflicht wahrzunehmen und Rom ein besserer Kaiser zu sein! Heute ist der Tag gekommen, an dem der Militärstiefel die Straße nach Rom betritt, um den ersten Schritt in Richtung einer besseren Zukunft zu machen! Heute ist der Tag gekommen, für den uns unsere Nachfahren danken werden, weil heute der Tag ist, an dem wir Rom ein besseres Schicksal schenken! Heute ist der Tag gekommen, an dem wir unseren Vorfahren die Ehre erweisen, indem wir das fortführen, was sie begonnen haben!


    Soldaten, heute ist ein guter Tag für Rom! Folgt mir, und eure Taten werden ewig leben!"

    Als sich am Horizont die Stadt Antiochia in der Provinz Syria abzeichnete, entfuhr Cornelius Palma ein leichter Seufzer der Erleichterung und Dankbarkeit. Die hastige Reise war anstrengender gewesen, als er sich selber eingestehen wollte und selbst wenn er die zweite Hälfte wesentlich ruhiger angegangen war, hatte ihn die ständige Anspannung viele Kräfte gekostet. Er freute sich darauf, nun endlich mehrere Tage an einem Ort bleiben zu können, wirklich ruhig schlafen zu können und wieder Vertraute um sich zu haben. Zumindest war letzteres zu erwarten, wenn Tiberius Durus die gute Vorarbeit geleistet hatte, von der er in Rom zu berichten wusste.


    Tatsächlich war dies auch der Fall und der Statthalter empfing den besonderen Gast aus Rom breitwillig und freundschaftlich. Es waren sogar schon Zimmer vorbereitet und beim ersten gemeinsamen Essen konnte Veturius Cicurinus zudem zahlreiche Nachrichten weitergeben, die er auf eigene Initiative hatte ermitteln lassen. Nicht nur an diesem Tag, sondern auch an den folgenden verbrachten die beiden Männer viele Stunden miteinander, besprachen ihre Pläne und empfingen neue Nachrichten aus Rom und anderen Teilen des Reiches. Über den Notstand, der in Rom verhängt worden war, wussten sie inzwischen genauso Bescheid wie über die Haltung einiger Statthalter zu den Verschwörungstheorien. Nach und nach trafen auch noch weitere Vertraute und Helfer von Palma ein, die er auf der schnellen Reise abgehängt hatte oder die in Asia eine andere Route genommen hatten. Und nicht zuletzt sammelten sich auch Palmas Kräfte wieder, um nach einigen Tagen der Erholung bald wieder aktiver zu werden.

    Immer an der Küste entlang schlängelte sich nun der Weg von Cornelius Palma weiter gen Osten. Zu einer anderen Jahreszeit und unter anderen Umständen hätte er in Patara auch wieder ein Schiff besteigen können, um mit einem Zwischenstopp in Paphus auf Cyprus nach Osten vorzustoßen. Nun aber verbot die Jahreszeit solche Wagnisse und der politischen Notwendigkeiten erforderten den Landweg, um nach Cilicia zu kommen. Die kleine Provinz, ehemals berüchtigt für ihre Piraten, die die zahlreichen Buchten der Küste nutzen konnten, hatte zwar keinerlei politisches oder militärisches Gewicht, aber immerhin eine wichtige verkehrstechnische Lage und zahlreiche nicht allzu kleine Städte. Palma reiste daher auch von Stadt zu Stadt, machte Station wo es sich anbot und genoss die Vorzüge, die ein Consular und ehemaliger Proconsul eben genießen kann, wenn er sich auf die Gastrechte eines römischen Bürgers und ehemaligen Promagistraten in den Provinzen beruft. Unter welchen Umständen und Vorzeichen er reiste, drückte er stets auf verschiedene Weise aus und natürlich in keinem Fall so, dass er offen als erstes Aussprach, an einem Mordkomplett gegen den Kaiser beteiligt gewesen zu sein. Immerhin galt es, eben hier Unterstützung für seine Person zu sammeln.


    In Tarsus suchte Palma den Statthalter auf und gönnte sich einen ganzen Tag in der Provinzhauptstadt. Das Gespräch verlief etwas günstiger als jenes zuvor in Patara. Die Boten des Statthalters in Ephesus, die er vorausgeschickt hatte, hatten hier offenbar gute Arbeit geleistet beziehungsweise die Worte aus Kleinasien waren hier auf günstigeren Boden gefallen. Es war ein freundschaftliches Gespräch, das Palma bei einem guten Essen führen konnte und was ihn dazu brachte, diese Provinz auf der Haben-Seite zu verbuchen. Sollten seine Pläne aufgehen, würde er sicher eine Gelegenheit finden, sich beim Statthalter zu revanchieren.


    Am nächsten Tag ging es weiter. Antiochia war nicht mehr weit.

    Von Ephesus aus wählte Cornelius Palma nicht den direkten Weg ins Landesinnere, um entlang des Meander möglichst schnell nach Osten voran zu kommen, sondern blieb an der Küste auf zunächst südlicher Richtung. Das mochte zum einen daran liegen, dass dort die Witterung angenehmer war, als im Landesinneren, aber vor allem lag es an einer strategischen Reiseroute. In ganz Kleinasien standen keine nennenswerten Truppen, die ihm gefährlich werden konnten, wenn sie Befehle aus Rom erhielten. Hier konnte Palma sich also etwas mehr Zeit lassen und dafür alte Kontakte wiederbeleben. Deshalb der Weg an der Küste entlang, denn so kam er nach Patara, Hauptstadt der Provinz Lycia et Pamphylia. Zweifellos eine der unwichtigeren Provinzen, denen kaum jemand im Reich eine besondere Bedeutung zumessen würde, aber wenn man an der Ermordung des Kaisers beteiligt war und dabei war, die Zukunft des Reiches zu gestalten, gab es keine unwichtigen Provinzen. Andererseits war die Provinz klein genug und unwichtig genug, um keine Gefahr darzustellen - immerhin war sie eine Provinz unter Verwaltung des Kaisers und nicht des Senates.


    Als er den Amtssitz des Statthalters betrat, hatte Palma keine Ahnung, ob es ihm dieser Umstand besonders schwer machen würde, für sein Anliegen zu werben. Als er den Amtssitz wieder verließ, hatte er immerhin die Gewissheit, dass der Statthalter nicht völlig gegen ihn eingestellt war. Ein Empfang mit offenen Armen hätte allerdings auch anders ausgesehen. Wenn es so weiter ging, hatte Palma noch einige Arbeit im Osten vor sich, wenn seine Pläne und die seiner Kollegen in Rom erfolgreich sein sollten.


    Von dort hatte er noch nichts wieder gehört. Offenbar war er noch immer schneller als die nachlaufenden Nachrichten.

    Es fühlte sich für Cornelius Palma tatsächlich an, als betrete er ein Stück vertraute Heimat, als er im Hafen von Ephesos wieder festen Boden betrat. Immerhin hatte er hier mehrere Jahre als Proconsul verbracht und auch wenn dies wiederum selbst schon einige Jahre her war, war die Erinnerung noch nicht verblasst. Er erkannte Dinge wieder, die zu seiner Zeit gebaut worden waren und er erfreute sich am Anblick der Statue, die zu seinen Ehren errichtet worden war, als er seine letzte Amtszeit als Statthalter beendete. Eine Statue, die für ihn nun so eine Art Ausweis war, eine greifbarer Beleg dafür, dass die Stadt ihn respektvoll behandeln würde. Zum ersten Mal auf dieser besonderen Reise nahm er daher auch nicht anonym Quartier in einem Gasthaus, sondern meldete sich namentlich bei einem Gastfreund aus alten Tagen, der ihn mit offenen Armen empfing, wenn auch verwundert angesichts der unangekündigten und auch nicht ganz standesgemäßen Ankunft. Doch die Dinge, die Palma ihm berichten konnte, erklärten die Umstände mehr als gründlich und füllten den ganzen Abend. Ebenfalls zum ersten Mal auf dieser Reise hatte Palma auch keine Eile, zeitig zu Bett zu gehen, um am nächsten Morgen früh abzureisen. Vielmehr hatte er noch am Abend arrangieren lassen, dass er am nächsten Tag beim Statthalter vorstellig werden konnte, einem Senator und Consular, den er natürlich auch aus Rom kannte. Auch dieses Gespräch dauerte länger und Palma gab erneut ausführlichen Bericht, der sich bald in alle Richtungen verteilen würde. Diesmal sogar schneller als seine eigene Reise, denn die ersten Boten in die benachbarten Provinzen und auch an das Ziel seiner eigenen Reise verließen Ephesus noch am selben Tag.


    Palma gönnte sich dagegen einen ausgiebigen Besuch der Thermen und reiste erst am nächsten Tag weiter ostwärts.

    Die Seereise ab Demetrias verlief wesentlich schlechter, als von Cornelius Palma vorgesehen. Dabei war nicht einmal das Wetter schuld, denn der Winter war im Mare Thracium nicht so hart wie auf dem offenen Mittelmeer, sondern es waren einfach allerlei widrige Umstände, die ihn zu vielen spontanen Entscheidungen zwangen. Es war ein regelrechtes Insel-Hopping (um mal einen lateinisch-griechischen Begriff dafür zu verwenden), welches ihm zumindest zweiweilig wie ein Zickzackkurs mit Extrakringel vorkam, statt einer geradlinigen Reise. Mehr als einmal fragte er sich unterwegs, ob der Landweg durch Thracia mit einer Überquerung des Propontis nicht doch schneller und sicherer gewesen wäre, aber dann fiel ihm doch recht schnell immer wieder ein, warum er die andere Route gewählt hatte: Ephesus. Es musst schon eine Menge passieren, damit der Landweg auch bis dorthin noch schneller war als eine Überquerung des Mare Thraciums. Auch wenn Palma länger auf Inseln festsaß als geplant, weil der nächste Kapitän seine eigenen Pläne hatte. Oder sein Schiff ein Loch.


    Aber Ephesus war diese Mühen wert. War diese Stadt erreicht, würde sich Palma erstmals wieder wirklich sicher fühlen.

    Die Winde standen nicht allzu gut, aber bei einer Schiffspassage zu dieser Jahreszeit wollte Cornelius Palma auch nicht zu viel erwarten. Es war ohnehin Glück gewesen, dass er einen Kapitän gefunden hatte, der die Fahrt machen wollte. Glück und vielleicht auch ein bisschen Geld. Die Länge der Tage ließ sich von letzterem aber nicht beeindrucken und die Dämmerung war schon gefährlich weit fortgeschritten, als das Schiff das Hafenbecken von Phoenice in Epirus erreichte. Palma zahlte großzügig und bezog Quartier in einer Herberge. Er ging früh zu Bett, um am nächsten Morgen früh aufstehen zu können.


    Im Morgengrauen brachen er und seine Begleiter auf, um auf dem Landweg Epirus und Macedonia zu durchqueren. Demetrias an der Küste des Mare Thracium war diesmal das Ziel, um die Reise im günstigsten Fall von dort aus wieder mit dem Schiff nach Kleinasien fortsetzen zu können. Aber bis es soweit war, standen noch zwei Übernachtungen im Landesinneren an. Palma nutzte die Stationen, um Briefe zu schreiben, vor allem auch in Richtung Italia. Schließlich hatte er dort Männer zurückgelassen, die ihm später noch einmal hilfreich sein sollten und die es zu informieren und zu intruieren galt.


    Von Demetrias aus schickte er auch Briefe an die Statthalter in Thessalonica und Corinthiensis. Vielleicht würde ihm auch das noch eines Tages hilfreich sein.

    Die Tore Roms hatte Cornelius Palma erfolgreich hinter sich gelassen und war nun mit einer kleinen Schar an Begleitern auf dem Weg Richtung Südosten. Sie ritten nicht in einer geschlossenen Gruppe, denn das wäre zu auffällig gewesen. Sie machten nicht einmal unbedingt nachts im selben Rasthaus Station. Und Palma war es auch egal, ob alle durchkamen. Ihm war klar, dass seine Abreise aus Rom bald entdeckt würde und dass er mit Verfolgern rechnen musste. Deshalb mied er im direkten Umland Roms die Stationen des Cursus Publicus und wechselte die Pferde auf privaten Gehöften, während Helfer in andere Richtungen ritten, um falsche Spuren zu legen.


    Weit genug weg von Rom bediente sich Palma aber mehr als großzügig an den Pferdewechselstationen der Staatspost, denn als Consular war es kein großes Problem gewesen, an entsprechende Berechtigungsscheine zu kommen. War der Vorsprung erst einmal groß genug, war er für eventuelle Verfolger kaum mehr aufzuholen, selbst wenn sie so nun seine Spur besser verfolgen konnten.


    Eine Spur, die zwar nach Südosten führte, aber nicht nach Brundisium. Palma mied die Hafenstadt ganz bewusst und das aus zwei Gründen. Zum einen würde jeder ihn dort vermuten, der mit einer Abreise nach Osten rechnete. Zum anderen wollte Palma um diese Jahreszeit so wenig Strecke auf See verbringen wie möglich, weshalb er bis nach Hydruntum weiter ritt. Das kostete zwar mehr als einen halben Tag, minimierte aber sowohl das Risiko einer Entdeckung als auch einer ungünstigen Schiffspassage. Als er die Stadt erreichte, konnte er zufrieden feststellen, dass seine Helfer gute Vorarbeit geleistet hatten. Ein Kapitän fand sich tatsächlich bereit, ihn an Bord zu nehmen, um ihn nach Phoenice in Epirus zu bringen, bei günstigen Winden und gutem Wetter auch bis nach Buthrotum.


    Palma wartete nur wenige Stunden, um seinen Begleitern das Erreichen der Stadt zu ermöglichen, dann ließ er ablegen. Die anderen würden seine Nachricht finden, dass er sich erfolgreich eingeschifft hatte.

    Wie verlässt man eine Stadt, über die der Notstand verhängt wurde und in der eine Ausgangssperre galt? Natürlich durch eines der Stadttore. Auf welchem Weg auch sonst? Cornelius Palma war nicht untätig gewesen, als der Notstand ausgerufen wurde und hatte zahlreiche seiner Helfer auf verschiedenen Wegen die Stadt hinaus geschickt, um Anlaufpunkte vorzubereiten und Gepäck heraus zu schaffen. Und einige von ihnen kamen in dieser Nacht wieder, denn auch wenn Ausgangssperre herrschte, waren Roms Tore nicht gänzlich verschlossen. Es mussten schließlich auch jetzt die Waren herbeigeschafft werden, die die Einwohner Roms täglich satt machten.


    Aber wie verlässt man eine Villa in einer nobleren Gegend, in der viele Senatoren wohnen und die daher unter besonders argwöhnischer Bewachung steht? Indem man sie gar nicht betreten hat. Zwar hatte sich Palmas Sänfte nach der Senatssitzung am Morgen, in der der Tod des Kaisers bekannt gegeben wurde, wieder zu seiner Villa begeben und es war auch ein Mann mit Toga aus ihr ausgestiegen und in die Villa gegangen, aber dies war nicht Palma gewesen. Der hatte den Trubel einer sich auflösenden Senatssitzung genutzt, um schon knapp hinter dem Forum Romanum die Sänfte unbemerkt zu verlassen, um sich in den (pflichtschuldig geschlossenen) Laden eines Klienten zu begeben und dort den Einbruch der Dunkelheit abzuwarten. Und genau dieser Laden bekam rein zufällig in dieser Nacht eine Lieferung, die auf einem Eselskarren angeliefert wurde. Zwei Männer in abgenutzten braunen Tuniken saßen auf dem Bock, als der volle Wagen in die Stadt einfuhr. Zwei Männer in abgenutzten braunen Tuniken saßen auf dem Bock, als der leere Wagen die Stadt wieder verließ.


    Palma hatte die Mauern Roms erfolgreich hinter sich gelassen. Im Morgengrauen wechselte er auf einem Hof auf ein Pferd, um begleitet von weiteren Männern weiter zu reiten.

    Mit unverändert bestürztem Blick und weiterhin schweigend verfolgte Cornelius Palma die Vorgänge. Auch wenn er aus der Abwesenheit bestimmter Senatoren und der Anwesenheit einer bestimmten Peron schließen musste, dass der Plan nicht völlig aufgegangen war, verlief die Debatte zu seinem Vorteil. Man forderte die Öffnung des Testaments und außerdem gab es wertvolle Informationen darüber, was die Praetorianer machte und wie man sich die Sicherheit der Stadt vorstellte. Dass er diese baldmöglichst heimlich verlassen musste, war Palma klar. Der Praefectus Urbi würde es niemals zulassen, dass das Testament, dass sich zu dieserm Zeitpunkt im Atrium Vestae befand, öffentlich verlesen wurde. Und sobald er seinen Namen auf diesem Testament finden würde, war er auf der Abschussliste. Was wiederum bedeutete, dass es ihm mehr als Recht war, wenn das Testament nicht heute geöffnet wurde.

    In den Reihen der Consularen konnte man auch Cornelius Palma erblicken. Alles andere als heute hier zu erscheinen, wäre unklug gewesen, das wusste er genau. So notwendig, wie eine Flucht aus Rom war, nachdem der Plan nicht vollständig aufgegangen war, so notwendig war es auch, dafür den richtigen Zeitpunkt zu finden. Die Drohungen Salinators sprachen eine klare Sprache. Palma wusste, dass ein Fehler ihm von nun an sein Leben kosten konnte. Aber er bewahrte die Ruhe, die er in dieser Angelegenheit bisher schon bewahrt hatte und blickte angemessen bestürzt umher, um die Reaktionen der anderen Senatoren einzufangen. Dass seine Leute schon längst dabei waren, seine Abreise vorzubereiten und er die weiteren Vorgänge in Rom schon bald erst einmal nur aus weiter Entfernung würde beobachten, brauchte keiner zu spüren.

    Ein unbedeutender Sklave aus dem Haushalt des Cornelius Palma war einer der ersten, der von der Veröffentlichung des Verbotes etwas mitbekam. Pflichtbewusst machte er sich gleich auf den Weg nach Hause, um seine Herrschaften zu unterrichten. Nicht ahnend, was er damit auslösen würde, denn für seinen Herrn bedeutete die Nachricht nichts Gutes. Deshalb dauerte es auch nicht lange, bis einige Männer - die sich bei einer eventuellen Befragung allesamt als Nichtbürger und Nichteinwohner Roms herausstellen würden - zügig, aber unauffällig und in verschiedene Richtungen die Stadt verließen.

    Cornelius Palma war ein wenig erstaunt, dass man seinem Plan nicht sofort zustimmte. Vielmehr schienen alle abzuwarten, was Flavius Flaccus dazu erwidern würde. Doch auf Palma wirkte es doch, als habe der Flavier keine echte Alternative, denn er mied ein Wort. So blieb es wohl vorerst an ihm, detailliertere Erklärungen abzugeben.
    "Nun, ich kenne einen kaiserlichen Freigelassenen recht gut. Er diente unter mir als Sekretär des Procurator von Syria und ist ein absolut vertrauenswürdiger Mann. Er wiederum kennt jemanden aus dem kaiserlichen Haushalt, einen unbedeutenden Küchensklaven. Er könnte diese Angelegenheit problemlos erledigen. Wie man Ulpianus, dem Freigelassenen, versicherte, schätzen sowohl Aelianus Valerianus, als auch sein Sohn die Saucen, die der Sklave bereitet, sodass das Gift wohl seinen Weg finden wird. Mein Mann wiederum hat angedeutet, dass er im Namen einer bedeutenden Person in Rom handelt, ohne dass mein Name gefallen ist. Da unter den gegebenen Umständen allerdings auf der Hand liegt, dass Vescularius Salinator am meisten von einem Tod des Kaisers profitiert, sollte der Verdacht leicht auf diesen fallen."
    Mit einem zufriedenen Blick sah Palma in die Runde, zumal sein Plan ihm durchaus gelungen erschien.
    "Um dies vielleicht noch gesagt zu haben: Ulpianus, der Freigelassene, steht nicht direkt in meinen Diensten, sondern ist nur ein Bekannter von mir. Tatsächlich hat er aber auch schon mit verschiedenen Freunden des Praefectus Urbi zusammengearbeitet, sodass sich hier zweifellos eine Verbindung konstruieren ließe."

    Die Taberna Metelli war ein beliebter Treffpunkt in Hafennähe. Metellus, ein bärbeißiger Wirt mit Armen wie Baumstämmen, verköstigte hier Männer verschiedenster Gewerbe mit einfachen Speisen: Seeleute, Fuhrleute, einfache Handwerker, Tagelöhner, Krämer und anderes einfaches Volk. An diesem Tag hatte sich aber ein besonderer Mann aus Rom hierher aufgemacht. Er trug eine Paenula, deren Futter andeutete, dass er oder sein Herr sich mit seinem Kapital doch vom gemeinen Kaufmann abhob. Er saß am Tisch mit einem jungen Sklaven, dessen Medaillon, das er um den Hals gebunden hatte, bei näherem Hinsehen anzeigte, dass er der Familia Caesaris entstammte.
    "Bibulus, da hast du's wirklich geschafft!"
    sagte der Mann aus Rom zu seinem Tischnachbarn. Offensichtlich kannten die beiden sich.
    "Ahjo, ich hab'n gut's Händchen für 'ne guate Soß'n, weißte'?"
    Ein Gespräch entspann sich und wer aufmerksam zuhörte, konnte erahnen, dass es sich hier um alte Bekannte handelte, die beide einstmals gemeinsam auf dem Palatium Augusti ihren Dienst versehen hatten. Einer von ihnen, nämlich derjenige mit der Paenula, hatte mit dem Tod des Divus Iulianus seine Freiheit erlangt, während der andere, der sich Bibulus nannte, weiterhin in der kaiserlichen Küche als Saucier und Einkäufer arbeitete. Ebenso wurde klar, dass Bibulus zwar ein gutes Händchen für würzige Saucen auf Garum-Basis, allerdings keinesfalls ein solches für Würfel hatte. Doch nicht nur das:
    "Und sonst? Läuft's wenigstens in der Küche?"
    Bibulus machte ein wütendes Gesicht und stellte seinen Weinbecher mit besonderem Nachdruck ab.
    "Weißt', der kranke Mann spinnt a'bissl'! Gestern, da kummt'er Koch zu mir mit ein'm Kopf, so rot wia der Mant'l vom Mars und schleppt mich in's Triclinium 'nei! Meint der Spinner doch, mei' Soß'n wär' versalz'n! Mei' Soß'n! Ich mein', ich hab' zur Zeit ein' Hauf'n zum Überleg'n, grad' weger'm Geld und so, da kann sowas ja wohl einmal - einmal passier'n! Aber nee, er macht mir'an Vortrag und scheißt mich 'zamm und der Koch meint g'rad', ich komm' in die Minen, wenn ich noch'mal sowas mach'!"
    Er schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass ein Mann am Nachbartisch sich umdrehte. Dann aber wandte sich das Interesse der anderen Gäste wieder ihren eigenen Dingen zu, während die Gestalt in der Paenula an dieser Stelle weiterbohrte. Ob seine Wut auf den Kaiser tatsächlich so groß sei, inwiefern er eine Versetzung in kaiserliche Bergwerke fürchte, wie er seine Gesamtsituation einschätze.
    "Iich könnt'n umbring'! Ratzfatz, einfach so! So geht ma' doch net mit sein'm best'n Soß'nkoch um! Weger einmal 'biss'l z'viel Salz! Am End' verreck' ich in der Mine und mei' Mäd'l muss ganz allein's sein!"
    Trotz der traurigen Stimmung, die Bibulus in seiner Verzweiflung verbreitete, blieb der Fremde an dieser Sache weiter interessiert. Er ließ sich genauestens über die Liebschaft seines augenscheinlichen Freundes aufklären, malte die Konsequenzen einer Verurteilung zu harter Arbeit in den dunkelsten Farben aus und spendierte dem Küchensklaven einen Becher Wein nach dem anderen.
    "Bibulus, wir zwei sind doch alte Freunde! Und mir tut's richtig weh, zu sehen, wie man mit dir umgeht! Aber ich hätt' da 'was für dich: Ich arbeite für einen guten Mann, der gute Männer sucht!"
    Nun wandte sich das Gespräch stärker der Politik zu. Der Fremde rühmte seinen Herrn oder Arbeitgeber in schillerndsten Farben, pries seine Freigiebigkeit und Geduld, seine Freundlichkeit und seinen Respekt gegenüber gutem Personal. Und nicht zuletzt seinen Bedarf an einem guten Saucier...
    "Und weißt du was, Bibulus? Ich wette um hundert Sesterzen, dass mein Chef so jemand' wie dich brauchen könnte! Jede Wette!"
    Der inzwischen völlig niedergedrückte Bibulus sah trübsinnig auf.
    "Du wa'ssd scho', dass ich a' Sklave bin? Ich kann mir mein' Herrn net aussuch'a!"
    Die Augen des Fremden mit dem Mantel begannen ein wenig zu leuchten und seine Stimme wurde leiser, als er das Gespräch fortführte. Bibulus' Augen dagegen wurden groß, geradezu schreckhaft. Wenig später aber schien er immer mehr nachzudenken und am Ende fragte er
    "Bist' sicher? Weißt', ich riskier' net gern vill! I' mog mei' normal's Leb'n, a biss'l Arbeit in der Küch'n, a'n gut'n Würf'l und a lieb's Weib! Sowas mog i' eig'ntlich net!"
    Nun wurde der Fremde ernst.
    "Bibulus, das ist die Chance! Mein Herr bietet dir alles: Geld gegen deine Schulden, die Freiheit für dich und deine kleine Freundin, eine sichere Arbeit! Was willst du mehr? Und was willst du jetzt mit dir anfangen? Zittern, dass dein Herr dich nicht umbringt?"
    Noch eine ganze Weile rang Bibulus mit sich, doch letztlich musste er erkennen, dass sein Freund Recht hatte. Sein aktuelles Leben war zu einer Sackgasse geworden, man wollte ihn ersetzen, ihm am Ende gar das Leben nehmen! Was hatte er zu verlieren? So schlug er schließlich ein.
    "Weißt', weil du mei' Freund bist, wär' i dabei! Sag' mia B'scheid, wenn'sd mehr weißt! Vielleicht wär' des echt 'was für mi!"
    Der Fremde aus Rom wirkte zufrieden, schlug ein, hob aber zugleich mit der anderen Hand den Zeigefinger.
    "Aber merk dir eins: Kein Wort zu niemandem! Ich melde mich bei dir!"
    Tatsächlich hatte Bibulus auch nichts in der Hand. Zwar wusste er den Namen seines alten Kollegen, doch war der Name des ominösen Auftraggebers niemals gefallen, ebenso der Aufenthaltsort des Fremden, die Hintermänner oder irgendetwas, was auf die Spur von Cornelius Palma, dem Arbeitgeber des Mantelmannes, geführt hätte. Dieser aber würde sehr erfreut sein, wenn sein Kontaktmann ihm Bericht erstattete...

    Cornelius Palma verfolgte die Einführung von Tiberius Durus schweigend. Auch er schätzte sie patriotisch, doch nicht übertrieben ein. Dann verfolgte er weiter das Geschehen, da er sich bei seiner ersten Sitzung nicht zu sehr in den Vordergrund spielen wollte, nachdem er wusste, dass er selbst in Absenz manchen hier bereits vor den Kopf gestoßen haben mochte.


    Dann aber schließlich doch die Frage nach dem Zugang zu Ulpius Valerianus im Raume stand und Flavius Flaccus sich offenbar nicht zu Wort meldete, beschloss er, seine Erfolge nun doch bekanntzugeben. Möglicherweise konnte dies als Beweis dienen, dass er für das Amt des Imperators geeignet war:
    "Wenn ich mich an anderer Stelle einmischen darf: Ich habe einen Freund, der wiederum einen Freund hat, dessen Bekanntschaft einer der Leibsklaven von Ulpius Valerianus ist. Wir man mir versicherte, wäre es möglich, über diesen Gift in das Essen der Familia zu bringen. Sollten wir etwas finden, dessen Wirkung erst nach mehr als einer Stunde offenbar wird, sollte es sich problemlos einrichten lassen, dass sich auch ein möglicher Vorkoster als unwirksam erweist."
    In der Tat war ihm dies über einen vertrauenswürdigen Klienten gelungen, was ihn nicht wenig mit Stolz erfüllte.
    "Mein Kontaktmann hat mir ebenso versichert, dass er sich bislang nicht als mein Mann zu erkennen gegeben hat, womit es möglich wäre, eine Verstrickung von Vescularius Salinator zu inszenieren."

    Nachdem Cornelius Palma sich bereits mehrfach mit Tiberius Durus über die Modalitäten der Verschwörung beraten hatte und sogar bereits Vinicius Lucianus getroffen hatte, stand heute die Zusammenkunft mit den übrigen Verschwörern bevor. Dies erschien ihm allerdings als leichter, denn wie man ihm mitgeteilt hatte, hatte die Mehrheit von ihnen ihn als zukünftigen Kaiser erkoren.


    Demnach erschien er relativ entspannt im Triclinium, in das ihn der Ianitor geführt hatte, und grüßte freundlich in die Runde:
    "Salvete! Wenn ich mich kurz vorstellen darf: Ich bin Appius Cornelius Palma."
    Sein Blick suchte nun Vinicius Lucianus, versuchte zugleich aber auch die Anwesenden zuzuordnen und einzuschätzen.