Die Taberna Metelli war ein beliebter Treffpunkt in Hafennähe. Metellus, ein bärbeißiger Wirt mit Armen wie Baumstämmen, verköstigte hier Männer verschiedenster Gewerbe mit einfachen Speisen: Seeleute, Fuhrleute, einfache Handwerker, Tagelöhner, Krämer und anderes einfaches Volk. An diesem Tag hatte sich aber ein besonderer Mann aus Rom hierher aufgemacht. Er trug eine Paenula, deren Futter andeutete, dass er oder sein Herr sich mit seinem Kapital doch vom gemeinen Kaufmann abhob. Er saß am Tisch mit einem jungen Sklaven, dessen Medaillon, das er um den Hals gebunden hatte, bei näherem Hinsehen anzeigte, dass er der Familia Caesaris entstammte.
"Bibulus, da hast du's wirklich geschafft!"
sagte der Mann aus Rom zu seinem Tischnachbarn. Offensichtlich kannten die beiden sich.
"Ahjo, ich hab'n gut's Händchen für 'ne guate Soß'n, weißte'?"
Ein Gespräch entspann sich und wer aufmerksam zuhörte, konnte erahnen, dass es sich hier um alte Bekannte handelte, die beide einstmals gemeinsam auf dem Palatium Augusti ihren Dienst versehen hatten. Einer von ihnen, nämlich derjenige mit der Paenula, hatte mit dem Tod des Divus Iulianus seine Freiheit erlangt, während der andere, der sich Bibulus nannte, weiterhin in der kaiserlichen Küche als Saucier und Einkäufer arbeitete. Ebenso wurde klar, dass Bibulus zwar ein gutes Händchen für würzige Saucen auf Garum-Basis, allerdings keinesfalls ein solches für Würfel hatte. Doch nicht nur das:
"Und sonst? Läuft's wenigstens in der Küche?"
Bibulus machte ein wütendes Gesicht und stellte seinen Weinbecher mit besonderem Nachdruck ab.
"Weißt', der kranke Mann spinnt a'bissl'! Gestern, da kummt'er Koch zu mir mit ein'm Kopf, so rot wia der Mant'l vom Mars und schleppt mich in's Triclinium 'nei! Meint der Spinner doch, mei' Soß'n wär' versalz'n! Mei' Soß'n! Ich mein', ich hab' zur Zeit ein' Hauf'n zum Überleg'n, grad' weger'm Geld und so, da kann sowas ja wohl einmal - einmal passier'n! Aber nee, er macht mir'an Vortrag und scheißt mich 'zamm und der Koch meint g'rad', ich komm' in die Minen, wenn ich noch'mal sowas mach'!"
Er schlug mit der Faust auf den Tisch, sodass ein Mann am Nachbartisch sich umdrehte. Dann aber wandte sich das Interesse der anderen Gäste wieder ihren eigenen Dingen zu, während die Gestalt in der Paenula an dieser Stelle weiterbohrte. Ob seine Wut auf den Kaiser tatsächlich so groß sei, inwiefern er eine Versetzung in kaiserliche Bergwerke fürchte, wie er seine Gesamtsituation einschätze.
"Iich könnt'n umbring'! Ratzfatz, einfach so! So geht ma' doch net mit sein'm best'n Soß'nkoch um! Weger einmal 'biss'l z'viel Salz! Am End' verreck' ich in der Mine und mei' Mäd'l muss ganz allein's sein!"
Trotz der traurigen Stimmung, die Bibulus in seiner Verzweiflung verbreitete, blieb der Fremde an dieser Sache weiter interessiert. Er ließ sich genauestens über die Liebschaft seines augenscheinlichen Freundes aufklären, malte die Konsequenzen einer Verurteilung zu harter Arbeit in den dunkelsten Farben aus und spendierte dem Küchensklaven einen Becher Wein nach dem anderen.
"Bibulus, wir zwei sind doch alte Freunde! Und mir tut's richtig weh, zu sehen, wie man mit dir umgeht! Aber ich hätt' da 'was für dich: Ich arbeite für einen guten Mann, der gute Männer sucht!"
Nun wandte sich das Gespräch stärker der Politik zu. Der Fremde rühmte seinen Herrn oder Arbeitgeber in schillerndsten Farben, pries seine Freigiebigkeit und Geduld, seine Freundlichkeit und seinen Respekt gegenüber gutem Personal. Und nicht zuletzt seinen Bedarf an einem guten Saucier...
"Und weißt du was, Bibulus? Ich wette um hundert Sesterzen, dass mein Chef so jemand' wie dich brauchen könnte! Jede Wette!"
Der inzwischen völlig niedergedrückte Bibulus sah trübsinnig auf.
"Du wa'ssd scho', dass ich a' Sklave bin? Ich kann mir mein' Herrn net aussuch'a!"
Die Augen des Fremden mit dem Mantel begannen ein wenig zu leuchten und seine Stimme wurde leiser, als er das Gespräch fortführte. Bibulus' Augen dagegen wurden groß, geradezu schreckhaft. Wenig später aber schien er immer mehr nachzudenken und am Ende fragte er
"Bist' sicher? Weißt', ich riskier' net gern vill! I' mog mei' normal's Leb'n, a biss'l Arbeit in der Küch'n, a'n gut'n Würf'l und a lieb's Weib! Sowas mog i' eig'ntlich net!"
Nun wurde der Fremde ernst.
"Bibulus, das ist die Chance! Mein Herr bietet dir alles: Geld gegen deine Schulden, die Freiheit für dich und deine kleine Freundin, eine sichere Arbeit! Was willst du mehr? Und was willst du jetzt mit dir anfangen? Zittern, dass dein Herr dich nicht umbringt?"
Noch eine ganze Weile rang Bibulus mit sich, doch letztlich musste er erkennen, dass sein Freund Recht hatte. Sein aktuelles Leben war zu einer Sackgasse geworden, man wollte ihn ersetzen, ihm am Ende gar das Leben nehmen! Was hatte er zu verlieren? So schlug er schließlich ein.
"Weißt', weil du mei' Freund bist, wär' i dabei! Sag' mia B'scheid, wenn'sd mehr weißt! Vielleicht wär' des echt 'was für mi!"
Der Fremde aus Rom wirkte zufrieden, schlug ein, hob aber zugleich mit der anderen Hand den Zeigefinger.
"Aber merk dir eins: Kein Wort zu niemandem! Ich melde mich bei dir!"
Tatsächlich hatte Bibulus auch nichts in der Hand. Zwar wusste er den Namen seines alten Kollegen, doch war der Name des ominösen Auftraggebers niemals gefallen, ebenso der Aufenthaltsort des Fremden, die Hintermänner oder irgendetwas, was auf die Spur von Cornelius Palma, dem Arbeitgeber des Mantelmannes, geführt hätte. Dieser aber würde sehr erfreut sein, wenn sein Kontaktmann ihm Bericht erstattete...