Beiträge von APPIUS CORNELIUS PALMA

    Cornelius Palma spielte ein wenig mit einem Stylus auf einer seiner Wachstafeln herum, während Flaminius Cilo ihm einige Namen nannte, aber ob er sie sich wirklich alle notierte oder andere Notizen machte, war nicht ersichtlich. Den weiteren Gedankengängen folgte er dann jedenfalls wieder ohne die Hände zu rühren.


    "Die Senatorenliste werden wir wohl in der Tat durchgehen müssen. Und das recht bald, denn ich beabsichtige, schnellstmöglich Wahlen abhalten zu lassen für den Cursus Honorum. Immerhin sind die beiden zuletzt gewählten Consuln tot, wie mir berichtet wurde und die Suffektconsuln sicher auch Günstlinge Salinators. Es befinden sich zahlreiche Senatoren noch im Exil, oder? Für diese wird es dann sicher knapp werden, rechtzeitig in Rom einzutreffen, aber das muss ich in Kauf nehmen. Stellen wir lieber sicher, dass bis dahin unpassende Personen aus dem Senat entfernt sind und die Reihen durch jene aufgefüllt wurden, die es sich verdient haben. Abzüglich der Plätze jener, die aus einer Verbannung zurückkehren mögen, versteht sich. Hast du hier konkrete Namen, die es zu beachten gilt?


    Bei den Vermögen sollten wir wohl zuerst darauf achten, dass nichts eilig beiseite geschafft wird. Proskribieren können wir dann später immer noch, aber besten nach einem ordentlichen Prozess, um jeden Anschein von Willkür zu unterdrücken. Welchen Spielraum wird da bezüglich der Staatskasse haben, weiß ich auch nicht. Ich konnte mir darüber noch kein Bild machen, aber die Ausgaben alleine für die gekaufte Leibgarde des Vescularius Salinator werden sicher nicht gering gewesen sein. Hoffen wir, dass er möglichst viel davon aus seinem eigenen Vermögen bezahlt hat. Wurden von den Palastbeamten, denen die Staatskasse untersteht, auch welche festgenommen?"

    Der neugierige Blick des Cornelius Palma blieb bestehen, während er den Ausführungen folgte und es war nicht erkennbar, welche weiteren Gefühle er dabei hegte und ob ihn die Ausführungen auf Anhieb überzeugten. Stattdessen herrschte einen Augenblick Stille im Raum, bevor er wieder das Wort ergriff.


    "Die Kanzlei vermochte das Chaos also nicht zu entwirren. Wollte sie dies denn? Welches waren deine Aufgaben, welches deine Verantwortung, was übernahm Vescularius Salinator selbst? Sein Vertrauen in dich scheint groß gewesen zu sein, nicht wahr?"

    Die Empfehlungen schienen auf verständige Ohren zu stoßen, denn Cornelius Palma nickte einige Male, während Flaminius Cilo sprach.


    "Das klingt sinnvoll. Dann soll es so sein, dass jene Männer, die einen neuen Eid auf mich abgelegt haben, ihre Posten behalten sollen. Jene, die es noch nicht getan haben, sollen dazu noch einmal aufgefordert werden. Wer den Eid nicht leistet, wird aus dem Militär entfernt werden, wer zögert wird zu Einheiten versetzt, bei denen er keinen Schaden anrichten kann. Ich bitte dich, dies insbesondere für die Cohortes Urbanae sicherzustellen. Für die Cohortes Praetoriae werde ich mich selber um eine Lösung kümmern. Der Austausch der Offiziere wird ohnehin selbstverständlich sein. Hast du in deinem Heer Männer, die sich dafür anbieten? Kommandeure oder verdiente Tribunen?


    Wie sieht es auf der Verwaltungsebene außerhalb des Kaiserpalastes aus? Müssen wir da irgendwelche Entscheidungen von Vescularius Salinator kurzfristig rückgängig machen? Edikte oder Personalentscheidungen? Oder soll ich da auch erst einmal in die Verhörprotokolle mit dem Curator Rei Publicae und anderen schauen?"


    Cornelius Palma schien sich wirklich ein umfassendes Bild machen zu wollen und hatte gleichzeitig schon lange das Gefühl, dass er auf dem Marsch zwar viele Informationen per Boten erhalten hatte, deutlich mehr Informationen aber eben noch nicht vorliegen hatte. Und dass ein Regieren ohne diese Informationen kaum sinnvoll möglich war. Es würden wohl noch einige Gespräche nötig sein, bis er alles wusste, was er wissen wollte.

    Viele Antworten kamen auf die gestellten Fragen auch wenn sie teilweise wieder neue Fragen aufwarfen. Trotzdem konnte Cornelius Palma mit dem Bild, was sich ihm bisher bot, zufrieden sein. Was nicht hieß, dass er nicht weitere Fragen stellte.


    "Gut. Dann werde ich mich an Tribun Duccius wenden. Der Name sagt mir nichts. Ritterlicher Tribun oder senatorischer? Bezüglich der Verwaltung habe ich in der Tat schon einige Leute im Kopf, die ich einbinden möchte. Du gehörst auch dazu, aber davon später mehr.


    Wie sieht es militärisch aus? Welche EInheiten genau hast du noch hier und welche sind schon auf dem Rückmarsch zu ihren Standorten? Welche Einheiten habt ihr auf dem Weg hierher überwunden und haben sie inzwischen schon einen neuen Eid geleistet oder wurden zumindest dazu aufgefordert? Gibt es relevante Überläufer oder Unruhestifter? Ich halte es derzeit weder für möglich noch für ratsam, die Cohortes Praetoriae und Cohortes Urbanae gänzlich aufzulösen und neuaufzustellen. Was meinst du? Reicht ein Austausch der Führungsspitze und eine Versetzung Einzelner aus?"


    Während Cornelius Palma die Cohortes Urbanae selber gesehen, mit ihnen gesprochen und zumindest einen großen Teils elber von Misenum nach Rom geführt hatte, konnte er die Lage bei den Cohortes Praetoriae wesentlich schlechter einschätzen.

    Hatte Cornelius Palma eben noch seine Freude über die unerwartete und günstige Aufforderung zu sprechen unterdrücken müssen, so musste er nun aufpassen, nicht auch noch breit zu grinsen oder laut zu lachen. Kaum war der Usurpator vertrieben und Rom wieder frei, kaum hatte man den Senat wieder einberufen und frei sprechen lassen, schon ergossen sich die Senatoren in wilden Debatten, Reden und Gegenreden, Spekulationen und Anträgen, und schienen darüber ganz die eigentlich gestellte Frage zu vergessen. Bisher hatte er gedacht, dass es seine Erinnerung an frühere Zeiten gewesen war, die ihm solchen Szenen besonders farbig vor seinem inneren Auge ausgemalt hatte, während sie in der Realität nicht möglich waren, aber jetzt konnte er wieder entdecken, dass Rom tatsächlich so war. Genüsslich lehnte er sich zurück, warf Flaminius Cilo einen verstohlenen Blick zu und ließ die Senatoren sprechen. Wenn es so weiter ging, wurde er am Ende irgendwann nebenbei zum Imperator und Caesar erklärt, zusammen mit einem ganzen Stapel an Anträgen und Gesetzesvorlagen. Aber die Zeit konnte er prima nutzen, einen genaueren Blick über die Reihen der Senatoren streifen zu lassen und gezielt nach Gesichtern zu suchen, die er gerne wiedersehen würde und von denen er zumindest gehofft hatte, dass sie den heutigen Tag erleben würden. Aber er fand zu seinem Bedauern nicht allzu viele solcher Gesichter, was es ihm zumindest etwas leichter machte, die ernste Miene zu wahren.

    Ein neugieriger Blick des Cornelius Palma lag auf Pompeius Imperiosus, als er in das Büro geführt wurde. Das also war der Kanzleichef des Vescularius Salinator und der Ehemann von Iunia Axilla. Cornelius Palma ersparte es sich, sich Gedanken über den ersten Eindruck zu machen, den der Mann auf ihn hinterließ, denn bei seiner kommenden Aufgabe musste er sich wohl ohnehin auf mehr Eindrücke stützen können als nur seinen eigenen ersten.


    "Pompeius Imperiosus, Mitglied des Ordo Equester, Procurator a libellis unter Vescularius Salinator und ebenso sein Klient, ehemals Tribun der Classis, verheiratet mit Iunia Axilla, Vater zweiter Kinder, richtig? Du kannst dir sicher denken, warum es mir wichtig ist, mit dir zu sprechen. Du warst einer der wichtigsten Vertrauten des Mannes, der Rom beinahe in sein Verderben gestürzt hat und gleichzeitig warst du derjenige, der es ermöglicht hat, dass ich meine Ankunft hier in Rom nicht nur auf Schwerter, sondern auch auf ein Schriftstück stützen konnte. Wie habe ich mir diese deine Rolle zu erklären? Auf wessen Seite stehst du?"

    Cornelius Palma hörte aufmerksam zu, um all die Informationen, die er erbeten hatte und bekam, nun auch tatsächlich zu erfassen und zu verarbeiten. Viele Namen waren dabei, die man ihm dankenswerter Weise auf einer Liste zusammengefasst hatte. Den Vergleich, was sich gegenüber einer früher per Post an ihn geschickten Liste verändert hatte, ersparte er sich.


    "Danke für diesen ausführlichen Bericht. Ich werde mich nicht um alles sofort kümmern können. Wir werden einige Offiziere aus unseren Heeren zumindest temporär für verschiedene der dringendsten Aufgaben einsetzen müssen. Und wir müssen sicherstellen, dass wir uns auch nicht alles selber beibringen müssen, während wichtiges Wissen im Kerker versauert, auf der Flucht ist oder sonstwie verschwindet. Wen hältst du da für vordringlich interessant? Könnte der erwähnte Praefectus Praetorio wichtige militärische Geheimnisse für uns haben? Habt ihr ihn deswegen gefangen behalten oder aus anderen Gründen? Der Tribun Iulius Proximus hat die Tore geöffnet und sitzt trotzdem in Haft? Wieso das?


    Was ist mit dem a libellis? Ist das jener Pompeius, der der Ehemann von Iunia Axilla ist, die ich auf dem Weg nach Rom getroffen habe? Dann möchte ich ihn in jedem Fall sehen. Welche Rolle hat der Curator Rei Publicae gespielt? Wieso sitzt er in Haft? Und wie bekommen wir die Acta Diurna schnell unter unsere Kontrolle? Sitzt die Auctrix nur pro Forma in Haft oder steht sie unseren Plänen im Weg?"


    Weitere Fragen drängten sich auf, aber zu viele Gedanken gleichzeitig konnte auch Cornelius Palma nicht im Kopf behalten. Ein Grund mehr, schnellstmöglich für einige der offenen Fragen fähige Stellvertreter zu finden.

    Sein Auftritt auf dem Forum beim Einzug in die Stadt hatte Cornelius Palma gezeigt, dass er in Rom durchaus willkommen war und als Hoffnungsträger gesehen wurde, aber noch lange nicht ganz Rom unter seiner Kontrolle hatte. Dazu war offenbar noch einiges zu tun und in Erfahrung zu bringen, um die Massen vollends auf seiner Seite zu haben. Zum Beispiel auch ein Gespräch mit Decima Seiana, der Auctrix der Acta Senatus, die er dafür zu sich hatte rufen lassen.

    Es gab ziel zu tun für Cornelius Palma, seit er in Rom eingezogen war. Senat, Capitol, Marsfeld, Treffen mit Vertrauten. Aber um sich ein komplettes Bild über die Lage zu machen, gehörten auch Gespräche mit jenen hinzu, die auf der anderen Seite gestanden hatten. Zum Beispiel ein Gespräch mit Decimus Serapio, dem Prätorianerpräfekten seines Vorgängers, den er dafür zu sich hatte bringen lassen.

    Jeden Augenblick, den Cornelius Palma nicht im Büro saß, hatten seine Helfer genutzt, um Akten aus Schränken durchzusehen und Zeichen seines Vorgängers zu entfernen. VIel Zeit blieb ihnen dazu aber selten, denn Cornelius Palma wollte das Büro ja auch nutzen für wichtige Gespräche. Zum Beispiel jenem mit Pompeius Imperiosus, dem Kanzleichef seines Vorgängers, den er dafür zu sich hatte rufen lassen.

    Ein wenig übermüdet wirkte Cornelius Palma, aber ansonsten frisch und tatendurstig, wie er in einer vergleichweise schlichten Tunika gekleidet hinter seinem neuen Schreibtisch saß. Oder zumindest hinter dem Schreibtisch, den er zunächst für sich okkupiert hatte. Ob er ihn später gegen einen anderen tauschen würde, musste er noch entscheiden. Aber die Arbeit, die sich auf eben jenem Tisch befand, war zunächst wichtiger.


    "Flaminius Cilo, guten Morgen! Ich hoffe, du hast du Nacht etwas angenehmer verbracht als ich? Nach Wochen im Feld bin ich Schlaf in einem festen Gebäude wie diesem anscheinend fast nicht mehr gewohnt. Aber genug davon, es liegt viel Arbeit vor uns. Zunächst einmal brauche ich ein besseres Bild über die Lage in Rom. Wer ist hier? Wer fehlt? Von wem wissen wir, wo er ist? Wer ist wichtig? Mit wem konntest du vor meiner Ankunft schon sprechen?"


    Ein neugieriger Blick voller Fragen lag auf dem Legaten, der seinem Imperator den Weg nach Rom hoffentlich nicht nur militärisch, sondern zumindest ein ganz klein wenig auch schon organisatorisch geebnet hatte.

    Seine Leute hatten noch nicht einmal in alle Räume des kaiserlichen Palastes geschaut, geschweigedenn in alle Schränke. Einen Überblick hatte zumindest von den Neuankömmlingen noch niemand, und trotzdem hatte Cornelius Palma schon einmal das kaiserliche Arbeitszimmer okkupiert, um sich dort mit Flaminius Cilo zu besprechen. Das würde zwar nur sehr bedingt dabei helfen, einen Überblick über den Palast zu bekommen, aber für einen Überblick über die Lage in und um Rom würde es ganz sicher helfen. Briefe und Berichte, die Cornelius Palma auf dem Marsch von Flaminius Cilo und anderen erhalten hatte, lagen dazu schon bereit, um sie bei Bedarf im Detail durchgehen zu können.

    Zügig wie der Einzug in die Stadt vonstatten gegangen war, nahmen die Dinge nun auch hier im Senat ihren Lauf. Kaum hatte sich Cornelius Palma versichert, dass Flaminius Cilo und die anderen Offiziere, Iunia Axilla mit dem Testament und schließlich auch die ganzen Senatoren in der Curia versammelt waren, begann auch schon der Princeps Senatus mit der Sitzung. Ebenso schnell kam dann wenig später auch schon Flaminius Cilo zum ersten und einzigen Tagesordnungspunkt und hielt eine Rede, die Cornelius Palma gut gefiel. Nicht nur wegen ihres Inhalts, sondern auch schon alleine deshalb, weil es zum ersten Mal seit Monaten war, dass er wieder im Senat einen Senator reden hören konnte. Wie erwartet und geplant hab es Beifall und in dessen Ausklang hinein meldete sich ein Mann zu Wort, der einer der letzten gewesen war, mit denen Cornelius Palma vor seiner Abreise aus Rom gesprochen hatte - und der vor allem wohl auch einer der wenigen war, der genauso wie er wusste, was es mit dem Testament auf sich hatte. Was er dann sagte, hätte man wohl auch mit einer Absprache nicht besser hinbekommen können und Cornelius Palma musste sich zwingen, die Freude über die Aufforderung zu sprechen unter einer staatstragenden Miene zu unterdrücken.


    "Patres conscripti, ich kann die eben gestellte Frage nur aus ganzem Herzen und im Angesicht der Götter, denen wir zu Beginn dieser Sitzung geopfert haben, mit einem klaren Ja beantworten. Ja, ich bin gewillt, die Rechte und Pflichten zu tragen, die ihr mir mit dem Titel und Namen eines Caesar Augustus übertragen wollt. Ja, ich bin bereit, meinen Anspruch prüfen zu lassen vor dem Senat und vor jedem anderen Gremium, welches der Senat dafür bestimmen sollte. Alles, was auf dem Forum gesagt wurde, stelle ich zur Überprüfung für jetzt oder später, gerade auch meine Versprechen auf eine bessere Zukunft, an die ihr mich jederzeit erinnern dürft."

    Nachdem er zum zweiten Mal gesprochen hatte, vergewisserte sich Cornelius Palma mit einigen prüfenden Blicken, dass sich die Soldaten angemessen der Situation auf dem Forum annahmen und wandte sich dann erst einmal Iunia Axilla zu.


    "Ich nehme an, dass wir uns das beide etwas reibungsloser vorgestellt haben. Ich hoffe, ich habe nicht zu viel verlangt, dich dieser Situation zu stellen und kann mich für deinen bewundernswerten Mut noch einmal nur bedanken. Du wurdest nicht ernsthaft getroffen, oder? Lass uns zum Senat gehen, dort wird man gesitteter mit der Überbringerin göttlicher Zeichen umzugehen wissen."


    Mit einem Wink holte er einige Männer herbei, die sie schützend begleiteten für den Fall neuerlicher Wurfattacken, während Cornelius Palma erhobenen Hauptes die Rostra verließ und die Curia ansteuerte. Dicht auf dem Fuß folgten ihm bald Flaminius Cilo und etwas langsamer die weiteren Senatoren, während die Masse auf dem Forum schon bald mit sich selbst beschäftigt schien.

    Wie er es von der Rostra auf dem Forum verkündet hatte, schritt Cornelius Palma nach seiner Rede als einer der ersten Männer in die Curia, in der tatsächlich gleich nach seiner Ankunft eine Senatssitzung stattfinden sollte. Dass nicht alle Senatoren in Rom waren, war ihm bewusst, aber es kam ihm mehr auf das Zeichen einer möglichst baldigen Senatsitzung an und weniger auf eine möglichst volle. Trotzdem wartete er nach dem Betreten der Halle natürlich geraume Zeit, damit sich auch die anderen Senatoren versammeln konnten. Zeit, die er gut nutzen konnte, um sich nach dem aufwühlenden Auftritt auf dem Forum ein wenig zu sammeln und zudem sicherzustellen, dass alle wichtigen Personen ebenfalls den Weg hierher gefunden hatten.

    Von seiner Position an der Seite der Rostra verfolgte Cornelius Palma den Auftritt der Iunierin. Sie erzählte im Wesentlichen dasselbe, wie bei ihrem ersten Treffen auf der Straße von Ostia nach Rom und so wie damals, als das Testament dort zum ersten Mal in der Öffentlichkeit verlesen wurde, war er sich auch hier, vor einer wesentlichen größeren Öffentlichkeit sicher, dass er einer der sehr wenigen Menschen war, der die vollständige Wahrheit kannte. Vielleicht nicht der einzige, aber einer der sehr wenigen. Aus diesem Gefühl heraus beobachtete er auch die Reaktion der Masse eine Weile, und versuchte sie zu lesen, wie die Schlachtaufstellung eines Gegners. Es gab Rufe für ihn, es gab Rufe gegen die Iunierin, es wurde von Einzelnen gar mit Gemüse geworfen. Cornelius Palma konnte nicht leugnen, dass ein Einzug eines neuen Kaisers in eine Stadt reibungsloser hätte verlaufen können, aber andererseits wunderte er sich auch nicht zu sehr angesichts der Wunden, die die Herrschaft des Vescularius Salinator zuvor geschlagen hatte.


    Da sich die anwesenden Soldaten offenbar schon um die Störer zu kümmern begannen, brauchte er keine Anweisungen zu geben, sondern schritt gleich wieder in die Mitte der Rostra. Er passierte Iunia Axilla mit einem leisen Wort des Dankes und richtete seine Stimme dann wieder an die Menschen auf dem Forum.


    "Ich höre euch Verrat beklagen und ich höre euch meinen Namen rufen! Und so vehement wie ihr das eine fordert, so Recht habt ihr mit dem anderen. Unter Vescularius Salinator ist Rom verraten worden! Seine Herrschaft hat tiefe Wunden geschlagen, die euch nun noch einmal aufschreien lassen! Magistraturen wurden verschenkt und verkauft unter seiner Herrschaft und ehrenwerte Männer aus der Stadt vertrieben. Unschuldige Bürger wurden unter ihm gestraft und gerichtet und Verbrecher von ihm protegiert. Soldaten wurden von ihm in den Kampf geschickt, gegen die Bürger Roms zu kämpfen! Er selbst hat euch alle betrogen!


    Doch heute ist der Tag, an dem mit alle dem Schluß ist! Noch in dieser Stunde soll der Senat zusammentreten, um mit all dem zu beginnen, als ihm unter Vescularius Salinator nicht möglich war. Noch in dieser Stunde sollen die Beratungen darüber beginnen, wie die Folgen seines schändlichen Wirkens getilgt werden können. Verräter werden gestraft werden, Gesetze werden wieder hergestellt werden, Verbannungen werden revidiert werden. Rom wird wieder strahlen - nicht vom Glanz der Waffen gekaufter Barbaren, die als Leibgarde eines Lügners das Pomerium schänden, sondern durch die freien Reden der Senatoren in der Curia, die sich für eure Belange einsetzen; nicht durch den Glanz geraubten Goldes proskribierter Senatoren, sondern durch den Klang von Hörnern, die zu Spielen und Festlichkeiten laden; nicht durch das Blut erschlagener Bürger und Soldaten, das die Straßen tränkt, sondern durch Kultur, Wohlstand und Weisheit, die von Rom aus in alle Winkel unserer Provinzen dringen und noch darüber hinaus!"


    Seine Stimme war im Laufe der Rede immer lauter, immer eindringlicher geworden. Nach Monaten des Kriegszuges und der regelmäßigen Ansprache an Soldaten erwachte in Cornelius Palma wieder die Lust auf eine politische Rede und er musste aufpassen, nicht jetzt schon heiser zu werden, bevor er im Senat überhaupt begonnen hatte.

    Jubel und allerlei Rufe brandeten auf, als Cornelius Palma und seine Begleiter langsam in Richtung Forum zogen. Viele Gedanken gingen ihm dabei durch den Kopf, von letzten Ideen für eine Rede ans Volk bis hin zu Plänen für die ferne Zukunft. Dadurch nahm er zwischendurch die Menschen gar nicht so direkt wahr, dann aber wieder umso intensiver, wenn er sich von einem Gedanken losriss und die Realität Roms auf ihn einprasselte.


    Schließlich war das Forum erreicht und der Zug bewegte sich auf die Rostra zu. Während die Soldaten an den Seiten des Forums aufstellung nehmen konnten und die Senatoren neben der Rostra ihren Platz fanden, stieg Cornelius Palma von der Quadriga und ging direkt auf die Rednerbühne zu. Oben angekommen, wartete er ab, bis sich die Lautstärke der Massen etwas gelegt hatte, so dass er mit erhobener Stimme zu ihnen sprechen konnte.


    "Bürger Roms! Ich danke euch für diesen Empfang! Heute ist ein guter Tag für Rom, denn es ist ein guter Tag für euch! Mit dem heutigen Tag soll eine neue Zeit anbrechen, die an jene guten Zeiten anschließt, die unsere Väter und Vorväter genießen konnten. Eine Zeit der Schreckensherrschaft liegt hinter uns und wir dürfen den Göttern danken, dass sie kurz geblieben ist und nun beendet ist. Eine neue Zeit soll vor uns liegen, in Verbundenheit mit den Göttern, in Einklang mit den Sitten und Gesetzen Roms, in Eintracht zwischen Senat, Magistraten, Volk und Kaiser."


    Cornelius Palma machte eine kurze Pause, um seine Worte wirken zu lassen, sprach dann aber doch zügig mit weiter erhobener Stimme weiter.


    "Doch ich kann es euch nicht verdenken wenn ihr euch fragt, warum ausgerechnet ich derjenige sein soll, der euch in dieses neue Zeitalter führt. Was qualifiziert mich dafür? Wer bezeugt euch, dass ich der legitime Nachfolger des Ulpius Aelianus Valerianus bin, der sein Leben durch einen Anschlag verlor? Wie ist es zu verstehen, dass ich Rom vor einiger Zeit verlassen habe, um in den Osten unseres Reiches zu reisen und von dort mit einer Armee zurück zu kehren, die mir den Weg nach Rom erst eröffnet hat? Steht es mir zu, Gewalt mit Gewalt zu schlagen und dann eine bessere Zukunft zu verkünden? Nun, nicht ich bin es, der euch diese Fragen beantworten wird. Nicht ich bin es, der euch bezeugen wird, dass jenes Testament, welches angeblich Vescularius Salinator zum legitimen Nachfolger des Ulpius Aelius Valerianus machte, gefälscht war. Die Götter selbst werden es bezeugen können, denn sie haben es gefügt, dass mir auf dem Weg von Ostia nach Rom eine Person begegnet ist, die jenes Testament vor der Vernichtung retten konnte, dass durch die dreiste Fälschung des Vescularius Salinator ersetzt wurde. Sie bitte ich nun nach hier oben, um vor euch zu bezeugen, was Rom bisher verheimlicht wurde."


    Mit diesen Worten trat er von der Mitte der Rostra zurück und deutete auf den Reisewagen, der ihm bisher gefolgt war.

    Schweigend und mit einem möglichst würdevollen Gesichtsausdruck nahm Cornelius Palma die Begrüßungen entgegen, auch wenn er nicht leugnen konnte, aufgeregt zu sein. Er schien an seinem Ziel angekommen. Die Truppen des Vescularius Salinator waren besiegt, der Usurpator selber tot, wie man ihm inzwischen berichtet hatte, und der Senat begrüßte ihn als Befreier Roms.


    "Ich danke euch für diese Begrüßung, für eure Worte und vor allem für eure Taten zum Wohle Roms! Dadurch, dass ihr hier steht und mir freudig EInlass gewährt im Einvernehmen mit den Göttern weiß ich nun endlich nach anstrengenden Monaten, dass ich richtig und im Sinne Roms gehandelt habe. Schließt euch meinem Zug zum Forum an, damit ganz Rom an diesem schönen Tag teilhaben kann!"


    Mit diesen Worten stieg er von seinem Pferd herab und begrüßte einige der Männer persönlich, allen voran natürlich Flaminius Cilo. Dann ließ er sich die bereitstehende Quadriga zeigen und gab kurze Anweisungen, wie ihm die Offiziere folgen sollten und wo sich der geheimnisvolle Reisewagen einreihen sollte, der bisher hinter ihm gewartet hatte. Dann ging es die Straße hinein ins Herz der Stadt, auf das Forum Romanum

    Die Via Appia hinunter, am Circus Maximus rechts abgebogen Richtung Amphitheatrum Flavium, an selbigem nach links und geradewegs aufs Forum Romanum führte der Weg von Cornelius Palma, den er bei seinem Einzug in die Stadt in einer Quadriga zurücklegte. Vor ihm schritten der Princeps Senatus und einige Priester aus den Reihen des Senates, hinter ihm folgten die Offiziere seines Heeres und jene, die ihn vor Rom begrüßt hatten, dann ein geheimnisvoller Reisewagen und weitere Vertreter des Senates, schließlich etruskische Reiter mit bunten Feldzeichen und weitere unbewaffnete Teile seines Heeres. Dahinter und natürlich an den Rändern der Straßen und überall auf dem Forum Romanum war Platz für jene, die den Einzug des neuen Kaisers in der Hauptstadt des Reiches miterleben wollten.

    Nur wenige Augenblicke nach der kurzfristig durchgeführten Eingeweideschau war es dann auch so weit und eine berittene Vorhut erreichte das Empfangskomitee, bildete ein Spalier und ließ schließlich Cornelius Palma auf seinem Pferd nach vorne durch, bis dieser vor den Vertretern des Militärs und des Senates zum Stehen kam. Einen Augenblick genoß er den Anblick, vor den Toren Roms zu stehen, dann richtete er sein Wort an die Anwesenden.


    "Salvete! Ich, Appius Cornelius Palma, Consular und legitimer Nachfolger des Gaius Ulpius Aelianus Valerianus, erbitte nach meinem und eurem Sieg über die Truppen des verräterischen und schändlichen Vescularius Salinator Einlass in die Stadt Rom, sofern ihr keine irdischen Gesetze oder göttliche Ratschlüsse benennen könnt, die es mir verbieten sollen, den mir übertragenen Platz einzunehmen und die mir übertragene Verantwortung wahrzunehmen."


    Er sprach laut und deutlich, so dass nach Möglichkeit nicht nur die Angesprochenen, sondern auch die unübersehbaren Schaulustigen hören konnten, was er zu sagen hatte. Und dann blieb ihm nichts anderes übrig, als auf die Antwort zu warten. Abgesehen von seiner berittenen Eskorte wartete das Heer weiter hinten, die Straße hinunter und damit weitgehend außerhalb des Sichtfeldes. Schließlich wollte er als Retter kommen und nicht als Eroberer, der die Übergabe der Stadt forderte.