Von dem Punkt an, an dem Callistus die passende Erwiderung auf Octavenas eigenen Spruch zurück gegeben hatte, hatte sie sich langsam, aber sicher wieder etwas beruhigt.
Zwar durchlief sie ein kleiner Schauer, als der Gode ihr das Hennenblut auftrug, und die Flüssigkeit fühlte sich seltsam in ihrem Gesicht an, aber beides verflog schnell und bedeutend aufmerksamer verfolgte sie die Anrufung der römischen Götter und die Eingeweidenschau durch ihren Onkel. Als er dann den Segen der Götter verkündete, atmete Octavena unwillkürlich leise aus, ohne gemerkt zu haben, dass sie scheinbar die Luft angehalten hatte, und Freude vertrieb ihre Aufregung fürs erste in die hinterste Ecke ihres Herzens, während es nun an die Treueschwüre ging.
Als er geendet hatte, schluckte Octavena erst einmal und blickte ihren Bräutigam einen Augenblick stumm an.
Zu behaupten, dass seine Worte sie völlig kalt gelassen hätten, wäre eine Lüge gewesen. Gut, vielleicht hatte er an der ein oder anderen Stelle etwas dick aufgetragen, aber unterm Strich schien er zu meinen, was er sagte. Und das fühlte sich gut an.
So hielt auch der Umstand, dass ihr Verstand da schon wieder vorsichtige Zweifel zu hegen begann – denn schöne Worte aufsagen konnte wahrscheinlich jeder – ihr Herz nicht davon ab, einen Schlag auszusetzen.
Noch im selben Moment wurde sie sich allerdings auch der Tatsache bewusst, dass es nun an ihr war zu sprechen und mit einem Mal war ihre Nervosität, die sich nach den Opferungen halbwegs verzogen hatte, wieder vollkommen da.
Mit einem Mal war Octavena froh, dass sie einander die Hände hielten, denn so hatte sie etwas oder viel mehr jemanden, an dem sie sich festhalten konnte, während sie den Mund öffnete, um den Schwur zu erwidern:
"Du hast Recht: Die Schicksalsfäden der Parzen nehmen manchmal seltsame und zugleich wunderbare Formen an. Zum Beispiel so, wie sie mich aus Tarraco hierher und zu dir geführt haben."
Ein kleines Lächeln glitt über ihr Gesicht, ehe sie noch einmal tief Luft holte, um dann nach dieser kleinen Überleitung damit fortzufahren, was sie sich selbst überlegt hatte.
"Aber niemals würde ich das bedauern oder bereuen, denn du, Witjon, Sohn des Evax, bist der Mann, an dessen Seite ich mit Freuden mein Leben verbringen will. Ich will mit dir durch alle Höhen und Tiefen gehen, egal, was das Schicksal für uns bereit halten mag. Dein Kummer soll der Meine sein, meine Freude soll auch Deine sein und sei es im Leid oder Glück, ich werde bei dir sein."
Die Worte sprudelten nur so aus Octavena heraus und mit jeder Silbe, die ihr sicher über die Lippen ging, entspannte sie sich etwas mehr. Ihre Finger entkrampften sich, ihr Herz schlug wieder gleichmäßig und ihre Knie fühlten sich auch langsam, aber sicher nicht mehr so weich an. Nun blieb das Lächeln von eben, während sie Marsus weiterhin fest ansah.
"Ich will immer hinter dir stehen und dich auffangen, wenn du fallen solltest. Will für dich da sein und dir einen Ort der Geborgenheit und Ruhe schenken genauso wie ich in Zeiten des Glücks mit dir dem Lachen unserer Kinder lauschen möchte."
Ihr Blick glitt kurz zu dem Tuch und ihren Händen darunter.
"Ich will dir von diesem Tag an und bis zum Ende aller Tage immer treu sein und nichts soll mich von dir trennen oder meine Treue schmälern können. All meine Kraft soll dazu dienen, dich zu unterstützen. Als deine Frau, Geliebte und Freundin."
Bei dem letzten Satz drückte sie kurz die Hände ihres Bräutigams und blickte ihn gleichsam ernst wie ehrlich an. Er sollte wissen, dass auch sie das alles genau so meinte, wie sie es sagte. Sie hoffte, dass diese Ehe eine glückliche werden würde und sie sich zumindest immer aufeinander würden verlassen können. Alles andere würde sich zeigen, aber das war etwas, das Octavena wirklich wichtig war.
"Denn dich will ich ehren und dich werde ich immer lieben. Denn für dich soll mein Herz bis in alle Ewigkeit schlagen. Und dir will ich meine Kinder gebären. Nichts soll mich von dir fortreißen können und dir soll jeder meiner Gedanken gelten. Das schwöre ich, Petronia Octavena, Tochter des Lucius Bassus, hier vor Göttern und Menschen. Das schwöre ich frei und aus eigenem Willen, denn ich liebe dich."
Damit atmete sie leise aus und lächelte erleichtert und froh darüber, das meiste so gesagt zu haben, wie sie es gemeint hatte. Ehrlich gewesen zu sein.