Octavena nahm den Saft entgegen und nickte langsam, während sie Venusias Worten zuhörte. Sie erinnerte sich zumindest dunkel an die Sache mit den überschriebenen Grundstücken, auch wenn sie die Angelegenheit als solche garantiert vergessen hätte, wenn Venusia sie nicht noch einmal angesprochen hätte. Die Grundstücke interessierten Octavena nicht und sie hatte sich bisher ohnehin davor gescheut, sich mit dem Thema von Witjons Erbe auseinander zu setzen. Dass dadurch ihr Überblick über die Finanzen der Villa und der Familie nicht so gut waren wie sie hätten sein sollen, war da leider auch ein unangenehmer Nebeneffekt.
"Ich überschreibe dir dein Land natürlich zurück", erwiderte Octavena und nippte an ihrem Saft. "Sag mir um welche Grundstücke es geht und ich kümmere mich darum." Sie zögerte kurz und überlegte, ob sie das, was ihr auf der Zunge lag, wirklich ansprechen sollte. "Und ich weiß, ich habe es bisher nicht so deutlich gesagt die ich es hätte sagen sollen, aber du hast natürlich auch mein herzliches Beileid zum Tod deiner Tochter."
Octavena sparte sich dabei bewusst irgendeine Floskel darüber, dass sie sich gar nicht ausmalen wollte, wie es war, das eigene Kind zu überleben. Diese Art Bemerkungen hatte sie selbst schon als Kind gehasst, als ihre Mutter gestorben war und sie hatte sich seitdem abgewöhnt, sie zu wiederholen.
Venusias zweite Angelegenheit dagegen ließ Octavena kurz verstummen, während sie über den Vorschlag nachdachte. Die Idee, das Haus mal wieder voller Leute zu haben, gefiel ihr durchaus. Sie hatten länger keine Gäste mehr gehabt und auch Octavenas Kontakte in der Stadt waren seit Witjons Tod etwas eingeschlafen. Noch so eine Sache, die sie wieder ändern wollte und musste, wenn sie nicht früher oder später den Anschluss ab das soziale Leben in Mogontiacum verlieren wollte.
"Ein Fest ist sicher eine gute Idee", erwiderte sie schließlich. "Wir könnten das Sommerwetter ausnutzen und es im Garten veranstalten." Ihr Blick glitt wieder zu Venusia. "Ich bräuchte aber sicher deine Hilfe bei den Vorbereitungen. Adalheidis ist eine große Hilfe mit den Kindern, aber alleine wird das schwierig."
Das entsprach zwar nicht ganz der Wahrheit - Octavena hatte über die Jahre oft genug die Gastgeberin gespielt, um so ein Fest schon organisiert zu bekommen, auch wenn im Moment noch immer mehr drunter und drüber ging als sonst - aber tatsächlich würde es auch sicher nicht schaden, Hilfe zu haben. Zumal es ihr nun die Möglichkeit gab, das Fass aufzumachen, das ihr auch selbst nun immer mehr unter den Nägeln brachte.
"Das ist aber eigentlich ein gutes Stichwort", sagte Octavena und entschloss sich kurzerhand, gar nicht erst um den heißen Brei herumzureden und stattdessen geradeheraus zum Punkt zu kommen. Nach den anstrengenden letzten Monaten hatte sie keinen Nerv mehr für blumige Worte und Andeutungen. "Ich will dir damit nicht zu nahe treten oder dich gar angreifen, aber wir sollten wohl einmal offen darüber reden, wie es hier im Haus weitergehen soll." Sie blickte ruhig zu Venusia hinüber und zwang sich dazu, auch weiter ruhig zu bleiben, als sie fortfuhr. "Witjon ist tot, Audaod als sein ältester Sohn ganz genauso und auch sonst wird so bald wohl kein männlicher Verwandter versuchen, den Platz als Familienoberhaupt einzunehmen. So wie ich das sehe, liegt die Zukunft der Villa und ihrer Bewohner also fürs erste an uns beiden." Seufzend ließ Octavena kurz ihren Blick über das Grün des Gartens um sie herum gleiten. "Du bist wohl die Letzte, der ich erklären muss, dass wir alle es zuletzt nicht einfach hatten, und genau deshalb gefällt mir auch die Idee mit dem Fest, aber ich möchte auch allgemein sichergehen, dass meine Kinder eines Tages auch wirklich etwas vom Erbe ihres Vaters haben. Und ich bin es zwar gewohnt, mich um den Haushalt der Villa zu kümmern, aber nun, da Witjon tot ist, werde ich deine Hilfe brauchen, mich endlich einmal mit seinem Erbe und der Verwaltung des damit verbundenen Besitzes auseinander zu setzen." Ein Lächeln zuckte um ihre Lippen, als ihr ein weiterer Gedanke kam, der ironischer Weise ganz auf die Art Außenwirkung und Fassade ausgerichtet war, die sie gerade vermied, indem sie direkt offen mit Venusia war. "Ganz davon zu schweigen, dass es auch nach außen besser wirken wird, wenn wir zum Beispiel bei dem Fest, das du vorgeschlagen hast, vereint auftreten können."