Beiträge von Petronia Octavena

    Auf die Nachfrage hin, ob sie auch in Germanien geboren worden war, huschte ein amüsiertes Lächeln über Octavenas Züge. Es war keine abfällige oder gar beleidigte Reaktion, viel mehr ließ die Frage eine gewisse bittersüße Überraschung in ihr aufsteigen. "Nein", erwiderte sie dann und lehnte sich etwas in dem Sessel zurück, in dem sie inzwischen Platz genommen hatte, und dreht dabei den Becher in ihren Händen zwischen den Fingern hin und her. "Ich stamme ursprünglich aus deutlich wärmeren Gefilden in Hispania. Ich bin in Tarraco geboren und aufgewachsen und erst als junge Frau nach Germanien gekommen, ein paar Jahre bevor ich meinen verstorbenen Mann dann hier geheiratet habe und geblieben bin." Sie zuckte mit den Achseln. "Aber das ist inzwischen auch schon eine ganze Weile her und ich lebe jetzt schon fast so lange hier wie ich vorher in Tarraco gelebt habe." Sie legte den Kopf ein klein wenig schief. "Und was hat dich dann von diesem anderen Stamm aus nach Mogontiacum gebracht? Hast du Familie hier?"


    Das Borkenschiffchen auf Adalheidis' Schoß dagegen registrierte Octavena erst in dem Moment aktiv, in dem Venusia es bemerkte, dafür hatte das Strahlen auf dem Gesicht ihrer angeheirateten Verwandten etwas Ansteckendes und auch bei Adalheidis' warmer Reaktion darauf konnte Octavena nicht anders, als selbst ein nostalgisch-warmes Gefühl in ihrer Brust zu spüren. Sie wusste nicht ganz genau, warum, aber in diesem Augenblick hatte sie plötzlich ein sehr gutes Gefühl bei dem Gedanken, Adalheidis öfter im Haus um sich zu haben.

    "Sicher", erwiderte sie dann auf den Vorschlag, mit den Kindern solche Schiffchen schwimmen zu lassen. "Sofern du es schaffst, mit den beiden mitzuhalten oder sie davon zu überzeugen, auf dich zu warten. Die beiden können manchmal etwas wild sein, gerade meine Älteste." Sie zögerte einen Moment, unsicher, wie viel sie jetzt schon offenbaren sollte, entschied sich dann aber doch für die geradlinige und ehrliche Variante. "Sie ... tut sich noch immer schwer mit dem Tod ihres Vaters und kann deshalb im Moment manchmal ganz besonders eigenwillig sein."

    Octavena blinzelte ein paar mal überrascht, als Adalheidis ihrer Beschreibung nicht einmal im Detail widersprach oder sonst irgendwelche Forderungen stellte, sondern nur direkt die Küche sehen und die Kinder kennenlernen wollte. Sie hatte eigentlich erwartet, dass die andere Frau, wenn sie schon nicht extra bezahlt werden wollte, zumindest irgendeine andere Form von Bedingung stellen würde, die wenigstens ansatzweise ausglich oder erklärte, warum sie so sehr darauf erpicht war, auf eine Weise für Octavena zu arbeiten, die eigentlich nicht wirklich zu ihrem Vorteil war. Ehe ihre kurze überraschte Stille aber unangenehm werden konnte, betrat Venusia den Raum und rettete Octavena so davor, ihre Überraschung erklären zu müssen. Sie schob ihre Überraschung von eben bei Seite und erwiderte das Lächeln, das die Duccia den anderen beiden Frauen zu warf.

    "Ah, du kommst gerade richtig", sagte sie dann und nickte in Adalheidis' Richtung. "Das ist Adalheidis, sie ist hier, weil sie eine Anstellung sucht, und ich wollte ja ohnehin gerne noch jemanden für den Haushalt und die Kinder einstellen."

    Sie überging damit, dass sie über diese Pläne bisher genau genommen nicht geredet hatten und der Grund dafür wenigstens zum Teil Octavenas eigene Überforderung mit der Situation seit dem Tod ihres Mannes war, aber das waren Details, die sie erstmal nicht vor Adalheidis breittreten würde. Ganz zu schweigen davon, dass die Venusia und Octavena zwar seit der Rückkehr ersterer nicht nennenswert Zeit miteinander verbracht hatten, Octavena aber vermutete, dass sie trotzdem zumindest lose darüber im Bilde war. Die Villa mochte zwar groß genug sein, um aneinander vorbeileben zu können, aber geredet wurde innerhalb dieser Mauern ja trotzdem.

    Germanicus Cerretanus also, das erklärte, warum die Frau Octavena vage bekannt vorgekommen war. Sie musterte Adalheidis dennoch einen Moment lang, während sie sich vorstellte. Sie wirkte freundlich und motiviert, auf eine angenehm zielstrebige, konstruktive Weise, die Octavena nur genehm war. Ein paar Hände, deren Besitzerin wusste, was sie tat und warum, schadeten selten und dass Adalheidis offenbar kein Geld wollte, war natürlich auch nicht wirklich ein Argument zu ihrem Nachteil.


    "Du hast Glück, ich suche tatsächlich gerade jemanden, um hier im Haushalt mitzuhelfen", sagte sie dann. "Deine Aufgaben könnten allerdings stark variieren. An manchen Tagen würdest du vermutlich in der Küche aushelfen und an anderen Tagen mir mit Besorgungen und was sonst so ansteht helfen." Wie aufs Stichwort erklang von irgendwo hinter ihr aus einem anderen Teil des Hauses das gedämpfte Gequäke von Kindern und Octavena meinte, die Stimme ihrer Tochter dabei rauszuhören, und stieß ein kleines, müdes Lachen aus. "Und dann wären da natürlich noch meine Kinder, die, wie man hört, das Haus auch gut im Griff haben. Die beiden sind inzwischen in einem Alter, in dem es ganz gut ist, wenn meistens ein Erwachsener ein Auge auf sie hat, weil sie tausend Ideen haben, aber nicht alle davon gut sind, und auch das würde sehr wahrscheinlich zu deinen Aufgaben gehören."

    Sie bedachte Adalheidis mit einem fragenden Blick. "Wie klingt das für dich?"

    Ilda musste nicht lang suchen und die Besucherin dementsprechend nicht lange warten, da betrat auch schon Octavena selbst das Peristylium. Als sie die Fremde sah, runzelte sie kurz die Stirn. Die alte Frau kam ihr vage bekannt vor, doch sie konnte nicht ganz genau sagen, woher, und so schob sie den Gedanken stattdessen so schnell wieder zur Seite, wie er aufgekommen war.

    "Salve", begrüßte sie stattdessen die Fremde. "Ich bin Petronia Octavena. Ilda sagt, du bist hier, weil du nach Arbeit suchst?"

    "Mama, Ildrun ärgert mich!"

    "Gar nicht wahr!"

    "Mama!" Farold setzte zu einer weiteren Beschwerde an, doch seine Schwester kam ihm zuvor und versetzte ihm einen Klaps gegen den Arm. Statt weiter zu protestieren, reagierte er jetzt sofort und griff nach Ildruns Haaren, um daran zu ziehen. Die schrie und machte sich daran, die Hände nach den Armen ihres Bruders auszustrecken und ihn zu zwicken, und innerhalb von Sekunden hatten Octavenas Kinder sich vor ihren Augen in ein schreiendes und schimpfendes Bündel verwandelt, bei dem es schwer war, zu erkennen, wo wer anfing und aufhörte.

    "Genug!", fuhr Octavena die Kinder an und stellte die Teller, die sie eigentlich gerade hatte verteilen wollen, klirrend auf den Tisch vor sich. "Alle beide!"

    "Aber-"

    "Kein aber!" Octavena warf ihrer Tochter einen so scharfen Blick zu, dass selbst Farold neben Ildrun ein wenig zusammenzuckte. "Farold, hör auf, deiner Schwester an den Haaren zu ziehen, und Ildrun, hör auf, ihn ständig zu ärgern."

    "Aber er hat angefangen!"

    "Das ist mir vollkommen egal. Du bist die Ältere von euch beiden. Du solltest wissen, wie man sich benimmt."
    Einen Moment lang erwiderte Ildrun darauf nichts, sondern starrte ihre Mutter nur wütend an, die allerdings diesem Blick standhielt, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Egal, wie wehmütig es Octavena manchmal machte, dass ihre Tochter inzwischen doch nicht mehr so klein war - Noch war Ildrun ein Kind und als solches unterschätzte sie noch immer sehr, wie viel von ihrer eigenen Sturheit sie von ihrer Mutter geerbt hatte. Und wie sinnlos es deshalb war, zu versuchen, Octavena einfach nur nieder zu starren.


    "Papa wäre auf meiner Seite."


    Der Satz saß wie ein fester Schlag in Octavenas Magengrube. Nicht nur, weil es gerade mal ein paar Wochen her war, dass sie Witjon begraben hatten und Octavena in dem Versuch, ihre Familie nun trotzdem irgendwie zusammenzuhalten, ihrer eigenen Trauer bisher kaum Raum gegeben hatte, sondern auch, weil es stimmte. Ildrun wusste das und Octavena genauso. Wäre Witjon hier gewesen, hätte er sehr wahrscheinlich Ildrun in Schutz genommen oder die Lage anders entschärft. Octavena hätte ihn später deswegen angefahren und vielleicht hätten sie sich sogar gestritten, weil sie es leid war, wie Witjons enges Verhältnis zu ihrer gemeinsamen Tochter ihre Autorität untergrub, aber in der Sache hatte das Mädchen schon recht. Ihr Vater wäre auf ihrer Seite gewesen. Und dass er es nicht mehr sein konnte und stattdessen Octavena mit ihrer Tochter statt ihrem Mann stritt, verdeutlichte nur wieder, wie sehr er in der Dynamik ihrer Familie fehlte.


    Octavenas Züge mussten inzwischen vollkommen entgleist sein, denn für den Bruchteil einer Sekunde huschte so etwas wie Bedauern über Ildruns Gesicht, doch noch bevor ihre Mutter etwas erwidern konnte, war der Ausdruck auch wieder verschwunden und sie machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Raum, dicht gefolgt von Farold, der sich bei der Wahl zwischen seiner wütenden Schwester und seiner frustrierten Mutter wohl entschloss, lieber Ildrun nachzugehen.

    Octavena dagegen sank, kaum dass beide verschwunden waren, auf einen Stuhl und vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Und wieder schien sie alles falsch zu machen. Ildrun entglitt ihr mit jedem Tag ein bisschen mehr und zu allem Übel saß auch noch Farold zwischen den Stühlen, einfach nur, weil er zu jung war, um ganz zu verstehen, was hier eigentlich vor sich ging. Das Schlimmste war vielleicht, dass sie, während sie selbst ihren Mann mehr vermisste als sie es zugeben konnte oder es gar vor der Familie oder ihren Kindern zeigen wollte, ihren eigenen Vater gleichzeitig in sich selbst wieder erkannte. Er hatte nach dem Tod ihrer eigenen Mutter auch nicht gewusst, wie er seine sture und eigensinnige Tochter anpacken sollte, und am Ende hatte das in Geschrei, Tränen und Octavenas Reise nach Mogontiacum geendet. Und bei allem Ärger, Octavena wusste, dass sie es sich selbst nie verzeihen würde, wenn ihre Beziehung zu Ildrun enden würde wie die zu ihrem eigenen Vater.


    Mit einem tiefen Seufzen rieb sich Octavena die Augen. Die Situation konnte nicht mehr lange einfach so weitergehen, das war ihr selbst klar. Sie hatte in den letzten Wochen versucht, einfach so weiterzumachen als wäre nichts gewesen, in der Hoffnung, dass Normalität schon von allein einkehren würde, aber wenn ihre wiederholten Schlagabtäusche mit ihrer Tochter eins verdeutlichten, dann, dass die Strategie alles andere als aufging. In ihrem Versuch, sich selbst mit dem Haus und ihren Kindern beschäftigt zu halten, wurde Octavena auch selbst nur immer gereizter und es war auch nicht das erste Mal, dass das nicht nur ihr selbst, sondern auch den Hausangestellten auffiel. Ganz davon zu schweigen, dass Octavena auch schon vor Wochen versprochen hatte, ein weiteres Paar helfende Hände im Haus einzustellen, das aber dann doch nicht getan hatte, weil sie den Moment gefürchtet hatte, in dem ihre Tage nicht mehr von morgens bis abends mit Arbeit gefüllt waren und sie sich mit ihren eigenen Gedanken auseinandersetzen musste. Trotzdem: Ganz egal, wie sie es drehte und wendete, es musste etwas geschehen. Egal, wie sie es drehte und wendete, so konnte es nicht mehr weitergehen. Nicht nur um ihrer Kinder willen, sondern auch weil sie selbst erst einmal etwas mehr Luft zum Atmen brauchte. Ansonsten würden sie nie wieder zu Normalität finden.

    Octavena liebte den Frühling. Das hatte sie immer, schon seit ihrem ersten Jahr in Mogontiacum. Damals hatte sie gemischte Gefühle bei dem Gedanken gehabt, Tarraco zu verlassen, und die kalten Winter im Norden waren nie etwas gewesen, womit sie sich richtig hatte anfreunden können. Doch wenn der Schnee endlich schmolz und die Sonne wieder hervorbrach, dann hatte auch Octavena insgeheim ein wenig das Gefühl, dass ihr eine Last von den Schultern genommen wurde. Ein wenig fand sie das selbst albern, aber diese Art von Sentimentalität konnte sie sich dann doch nicht verkneifen. Auch in diesem Jahr hatte sie sich eigentlich auf den Frühling gefreut. Darauf, dass die Tage wieder nicht nur länger, sondern auch wärmer wurden, auf entspannte Spaziergänge über den Markt bei Sonnenschein, auf frisches Grün im Garten und eine erwachende Natur. Sie hatte ja nicht ahnen können, dass in diesem Jahr alles ganz anders kommen würde.


    Es begann damit, dass ihr Mann hustend nach Hause kam. Eine Erkältung sagte er ihr, nichts Besonderes. Und tatsächlich dachte Octavena sich auch zuerst selbst nichts dabei. Ein paar Tage zuvor hatte Farold schon vor sich hin geschnieft und es wäre ja schließlich nicht das erste Mal gewesen, dass das halbe Haus sich irgendetwas von einem der Kinder eingefangen hätte. Doch dann kam zu dem Husten Fieber und zwei Tage später lag Witjon hustend und glühend im Bett, ohne dass sich sein Zustand zu bessern schien. Auch der Arzt, den Octavena schließlich rufen ließ, konnte offenbar nichts daran ändern. Er redete nur irgendetwas von Behandlungen und Mitteln, die Octavena, die sich zu diesem Zeitpunkt schon seit Tagen nicht nur mit ihren eigenen Sorgen, sondern auch mit ihren mehr und mehr verstörten Kindern rumschlug, allerdings kaum verstand. Am Ende schloss er mit dem Rat, dass sie am besten beten sollte - was sie auch tat. Doch vielleicht lag es daran, dass Witjons Götter andere waren als ihre, oder vielleicht hörte keiner von ihnen gerade zu, doch Octavenas Gebete wurden nicht erhört.


    Der Frühling erreichte Mogontiacum, die ersten sonnigen Tage tauchten die Villa Duccia in ein warmes Licht und Numerius Duccius Marsus starb. Und Octavenas so bequem gewordenes Leben geriet wieder einmal ins Wanken.

    Das geht jetzt ein klein wenig am eigentlichen Thema des Threads vorbei, weil ich (noch) keinen Thread habe, den ich selbst anzubieten habe, aber angesichts der Tatsache, dass Octavenas Mann vor kurzem auch offiziell verstorben ist, möchte ich versuchen, die ID etwas neu auszurichten. Meine Aktivität hier ist zuletzt aus verschiedenen Gründen etwas eingeschlafen, aber ich würde eigentlich gerne Octavena wieder etwas mehr beleben, auch weil mir das IR ein wenig fehlt. (Ein wenig fühlt sich das gerade an wie mein erstes Reinstolpern hier, auch wenn das inzwischen jetzt doch auch ein biiiisschen her ist :D) Wie auch immer, demnächst werde ich wohl erstmal Octavenas neugewonnes Witwendasein Sim-On an-/ausspielen, dazu sind dann schon einmal alle eingeladen, die Lust haben, und danach würde ich gerne neue (oder sonstwie belebtere) Pfade mit ihr beschreiten. Wem vielleicht ohnehin irgendeine Idee durch den Kopf spukt, bei der Octavena (entweder in Mogontiacum oder anderswo) gut dazu passen könnte, meldet euch gern.

    Es war ein trüber Herbsttag, kühl und regnerisch, noch dazu nicht der erste seiner Art in dieser Woche, und in der Villa Duccia fiel den Kindern die Decke auf den Kopf. Octavena konnte es ihnen nicht einmal verdenken. Den Sommer über und noch zu Beginn des Herbstes hatten Ildrun und Farold viel draußen verbracht, manchmal auch zu Octavenas Leidweisen, wenn sie wieder von oben bis unten eingedreckt wieder vor ihr gestanden hatten, aber dann war das Wetter umgeschlagen und hatte diese Gewohnheit jäh zunichtegemacht. Nicht mehr lange und es würde richtig Winter werden und der Schnee würde stattdessen ihr Interesse wecken, aber bis dahin blieb nur der Regen und das bedeutete im Moment auch viel Langeweile und überschüssige Energie. Der regnerische Tag hatte sich schließlich in einen noch immer kalten Nachmittag und schließlich frühen Abend gewandelt, doch immerhin war irgendwann das sanfte Prasseln des Regens auf dem Dach verstummt. Das Abendessen würde nicht mehr lange auf sich warten lassen und Octavenas Gedanken waren eigentlich schon wieder an tausend anderen Orten im Haus, als ihre Kinder es scheinbar wirklich nicht mehr aushielten.


    "Maaaamaaaa, dürfen wir noch etwas raaauuuus?", quäkte Farold mit großen Augen. "Biiitteee! Wir haben auch nachgesehen, es regnet ganz sicher nicht mehr!" Octavena hob die Brauen angesichts des gekonnt flehenden Tonfall ihres Sohnes und ihr eigener Blick glitt beiläufig zu seiner älteren Schwester, die mit einer ähnlich gekonnten Unschuldsmiene hinter ihm stand und sich redlich Mühe gab, so zu wirken als hätte sie nichts mit alldem zu tun. Eigentlich hätten beide eine Belohnung schon allein für diesen Auftritt verdient. Ildrun dafür, dass sie begriffen hatte, dass sie bessere Chancen hatte, ihren Willen durchzusetzen, wenn sie ihren kleinen Bruder vorschickte, und Farold dafür, dass er begriffen hatte, dass seine Schwester meistens die besseren Strategien auf Lager hatte, um ihre Mutter um den kleinen Finger zu wickeln. Octavena versuchte zwar, einen ernsten Gesichtsausdruck aufrechtzuerhalten, um sich wenigstens noch den Anschein von etwas mütterlicher Strenge zu geben, doch ehe sie es verhindern konnte, huschte natürlich doch ein kleines Lächeln über ihre Lippen. "In Ordnung, aber nur kur-", setzte sie zu ihrer Antwort an, doch der Rest wurde von fröhlichem Gequietsche der Kinder verschluckt.


    "Nicht so schnell! Und, Ildrun, pass auf Farold auf!", rief Octavena noch ihrer Tochter hinterher, doch das Mädchen war schon wieder nicht mehr zu bremsen. Lachend lief sie los, dicht gefolgt von ihrem Bruder, der noch immer Mühe hatte, mit ihr mitzuhalten, und stürmte mit so einer so offensichtlichen guten Laune nach draußen, dass selbst Octavena Mühe hatte, bei dem Anblick nicht breit zu grinsen.


    Sie gab das nur selten zu und sprach es noch seltener laut aus, aber in Momenten wie diesen musste sie manchmal an ihre eigenen Eltern denken, besonders an ihren Vater. Ihr Verhältnis war nie einfach gewesen und ein Teil von ihr würde ihm wohl nie vergeben können, wie kaltherzig er mit ihr nach dem Tod ihrer Mutter umgesprungen war, aber je älter ihre eigene Tochter wurde, desto mehr konnte sie zumindest seine Überforderung nachvollziehen. An manchen Tagen erkannte Octavena viel von sich selbst in ihrer Tochter, insbesondere wenn es um ihre Sturheit ging, und inzwischen tat sie sich immer schwerer, es weiterhin ihrem Vater zum Vorwurf zu machen, dass er nicht gewusst hatte, wie er damit umgehen sollte. Das glich noch immer nicht alles andere aus – erst recht nicht den vielen Streit, den Octavena ihrerseits ihren Kindern um jeden Preis ersparen wollte – doch es hatte wenigstens einen Teil ihres alten Zorns verrauchen lassen.


    Mit einem kleinen Seufzen bückte sie sich und sammelte ein paar Holzfiguren ein, die Farold offensichtlich wieder im Haus gestreut hatte, und nahm dabei auch noch direkt einen Schal an sich, den Ildrun wieder einmal drinnen liegen gelassen hatte. So wie das Kleidungsstück aussah, war das auch nicht das erste Mal in den letzten Tagen und vermutlich hatte er schon eine Weile hier gelegen und zumindest die Kinder waren ziemlich sicher ein paar Mal darüber hinweggestürmt, ohne ihn eigentlich zu bemerken. Alles wie immer also. Und ganz wie immer legte Octavena die Figuren in die Truhe, in die sie eigentlich gehörten, und schüttelte den Schal einmal aus.


    In den letzten Monaten hatte sich das zu einer Art Muster entwickelt. Während Octavena vor gar nicht so langer Zeit noch das Spielzeug beider Kinder eingesammelt hatte, sammelte sie inzwischen immer öfter nur noch das ihres Sohnes ein. Das lag weniger daran, dass Ildrun in letzter Zeit ordentlicher geworden wäre, sondern dass sie inzwischen meistens andere Dinge liegen ließ als früher. Sie merkte es vermutlich nicht, noch nicht, aber für Octavena war das eine dieser kleinen Erinnerungen, dass nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Tochter älter würde. Sie würde nicht ewig ihre Kleine bleiben. Sicher, noch blieb Zeit, aber in manchen Momenten stimmte der Gedanke Octavena doch melancholisch.


    Langsam schüttelte sie den Kopf und bemerkte erst jetzt richtig, dass sie gerade so in Gedanken versunken gewesen war, dass sie den Schal in ihren Händen angestarrt hatte. "Lass den Unsinn", murmelte sie dann so leise, dass nur sie es hörte, und drehte sich dann um, um kurz ihrer Tochter nachzugehen. Wenn der Schal hier drinnen lag, bedeutete das, dass Ildrun ihn nicht trug. Und das würde sich jetzt ändern.


    "Salve, Germanicus." Octavena bedachte Cerretanus mit einem freundlichen Lächeln, als er auf sie und Witjon zukam, um sie zu begrüßen. "Und natürlich vielen Dank für die Einladung." Sie ließ beiläufig ihren Blick kurz über ihre Umgebung gleiten. "Du hast ja wirklich keine Mühen gescheut. Und so wie ich das sehe hast du auch die Neugier einiger bekannter Gesichter geweckt."
    Dass das kein Wunder war - so groß war Mogontiacum auch wieder nicht - ließ sie dabei zwar unter den Tisch fallen, aber schließlich war sie auch nicht hier, um jeden Gedanken, der ihr durch den Kopf ging, auch auszusprechen.

    Zitat

    Original von Numerius Duccius Marsus
    Als langjähriger Duumvir der Stadt hatte Witjon allerdings eines drauf: Lächeln und Winken. Solange er also seine Frau nicht sah, begrüßte er bekannte Gesichter, schüttelte er Hände, lächelte er freundlich und schob sich unter Abwehr jeglichen unwichtigen Pausches bis hinaus in den Garten des Hauses. Dort sah er sie, seine Herzdame. Angemessenen Schrittes eilte er zu ihr unter hakte sich von hinten bei ihr ein.
    "Hallo Liebling", hauchte Witjon Octavena ins linke Ohr. "Puh, das war knapp. Wie war dein Tag? Welcher von denen ist der Gastgeber?" Liebevoll und möglichst unauffällig streichelte er ihren Handrücken und warf einen Blick in die Runde, bevor er sein Gesicht dem ihren zuwandte. Etwas erschöpft aber glücklich lächelte er Octavena an.


    Einmal angekommen ließ Octavena zunächst ihren Blick schweifen. Einen guten Teil der Anwesenden kannte sie - so groß war Mogontiacum schließlich auch wieder nicht - und während sie nun mit ein paar langsamen Schritten begann, weiter in den Garten und unter die Leute zu schlendern, grüßte sie ein paar Freunde oder Bekannte, denen sie über den Weg lief. Ihr suchender Blick galt dabei auch ihrem Mann, der entweder auch schon hier hätte sein oder jeden Moment hätte auftauchen müssen, aber zunächst nirgendwo zu sehen war. Octavena runzelte die Stirn. Hatte Witjon etwa vor, sie ausgerechnet bei einer Einladung zu versetzen, die eigentlich ihnen beiden galt?


    Noch während sich die Furchen auf Octavenas Stirn bei dem Gedanken vertieften, stellte sich die Sorge allerdings als unbegründet heraus, als sich jemand von hinten bei ihr einhakte. Im ersten Moment zuckte sie überrascht zusammen, entspannte sich dann aber sofort wieder, als sie Witjons Stimme direkt an ihrem Ohr vernahm, und die Überraschung auf ihren Zügen verwandelte sich stattdessen in ein kleines Lächeln. "Hallo zurück", erwiderte sie und ließ sich zur Begrüßung kurz in seine Berührung sinken. "Mein Tag war mal wieder chaotisch, aber davon erzähle ich dir später in Ruhe zu Hause." Mit einem amüsierten Grinsen wandte Octavena leicht den Kopf. "Immer angenommen uns erwartet kein Neues bis wir zurück sind."


    Sie drehte vollends den Kopf, um ihren Mann nun das erste Mal seit seiner Ankunft richtig anzusehen, und runzelte nun doch einen Moment lang wieder die Stirn. Er sah müde aus, auch wenn er sie anlächelte, und kurz dachte sie darüber nach, es anzusprechen, ließ es dann aber bleiben und verschob dieses Gespräch auf später. Stattdessen erwiderte sie sein Lächeln und nickte unauffällig in die Richtung ihres Gastgebers, den sie inzwischen ebenfalls unter den Anwesenden entdeckt hatte, um so Witjons zweite Frage zu beantworten. "Da drüben. Germanicus Cerretanus." Sie legte ihre freie Hand auf seinen Arm, mit dem er sich zuvor bei ihr eingehakt hatte. "Bereit für die Begrüßungsrunde?"

    Eine Einladung zur Cena und Octavena war spät dran. Das war nicht gerade die Art, wie sie sich vorgestellt hatte, an diesem Herbsttag in der Casa Germanica zu erscheinen, aber andererseits war es auch müßig, sich darüber zu ärgern, wenn es ohnehin schon zu spät war, etwas daran zu ändern. So trat sie also bewusst ruhig und selbstbewusst - denn im Zweifelsfall erschien sie selbstverständlich nicht zu spät, die anderen waren nur zu früh - zunächst über die Schwelle der Casa, um dann von der Eingangshalle direkt weiter in den Garten geführt zu werden.

    "Wunderbar." Octavena lächelte ehe sie einen Blick in ihren inzwischen leeren Becher warf und sich dann von ihrem Platz erhob. "Ich bin mir sicher wir sehen uns bald wieder. Schick ruhig eine Einladung in die Villa Duccia sobald du weißt, wann und wie du dein Fest veranstalten willst." Damit verabschiedete sie sich und machte sich auf den Heimweg und dem Chaos, das sie dort sicher erwartete.

    Etwas an seinem Enthusiasmus war ein wenig ansteckend und Octavena konnte nicht anders ein kurz und leise zu lachen. "Das hängt nicht nur von mir ab, aber ich vermute mal, dass so eine Feier das Interesse einiger Leute wecken könnte. Neuankömmlinge werden hier immer erst einmal neugierig beäugt, da kann ich bestimmt meinen Mann überzeugen." Tatsächlich gefiel ihr die Aussicht, dass so mal wieder etwas Bewegung in Mogontiacums Sozialleben kommen würde, ganz gut. Das könnte interessant werden.

    "Als ich heute morgen das Haus verlassen habe, war ich nicht alleine", erwiderte Octavena mit einem kleinen, aber ehrlichen Grinsen. "Ich wollte eigentlich meinen Sohn und meine Tochter zu meinem Marktbesuch mitnehmen, aber die beiden haben noch unterwegs angefangen zu zanken und schwupps, lagen sie beide in der erstbesten Pfütze und ich habe sie mit der Sklavin, die uns begleitet hat, wieder heimschicken müssen." Immer noch lächelnd lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück. "Aber nein, eigentlich stört es mich nicht, allein einkaufen zu gehen und ich mag allgemein die ... Atmosphäre. Es ermüdet nur, wenn meine Familie meine Pläne durcheinander wirft, aber na ja ... Kinder sind eben Kinder."
    Sie hob ihren Becher an den Mund, um an den Resten ihres Weins zu nippen, verschluckte sich aber fast vor Überraschung, als er seine eigenen Familienpläne ansprach. "Ich habe nie in Rom gelebt, aber ich würde sagen das kommt ganz darauf an, was dir wichtig ist. Mogontiacum kann manchmal etwas verschlafen wirken, aber das kann auch ein Segen sein." Sie zuckte mit den Achseln, beobachtete aber neugierig seine Reaktion. Ein Neuankömmling wie er auf Brautschau, vielleicht noch dazu einer mit Ehrgeiz, wäre eine interessante Neuigkeit, um sie bei Gelegenheit mit Freundinnen und Bekannten zu teilen. "Hier kennt man sich und solltest du auf der Suche nach einer Frau sein wirst du sicher nicht lange brauchen, um herauszufinden, welche Mädchen aus welcher Familie eine gute Wahl sein könnten."

    "Ah, nein, danke." Octavena schüttelte auf die Frage danach, ob sie sich nachschenken lassen wollte, knapp den Kopf. Ein kleines Lächeln huschte über ihre Züge, als ihre Gedanken kurz wieder zu ihren Kindern wanderten und sie sich insgeheim fragte, was für ein Schlachtfeld sie wohl bei ihrer Rückkehr erwarten könnte. "Ich sollte nicht mehr zu lange bleiben, sonst wundert sich am Ende meine Familie noch, wo ich bleibe."


    Die Frage, was sie in Mogontiacum machte, überraschte sie ein wenig. Nicht weil es keine legitime Frage gewesen wäre, sondern weil sie sie schon länger nicht mehr gestellt bekommen hatte. Vermutlich ein weiteres Zeichen, dass ihr Zuhause inzwischen schon länger ganz eindeutig hier und nicht mehr in Hispania war. "In Mogontiacum? Ich lebe hier", erwiderte sie schlicht und hob ein wenig die Schultern. "Mein Mann ist Duccius Marsus, eigentlich leben wir ein wenig außerhalb der Stadtmauern, aber ich gehe gerne selbst auf den Markt hier in der Stadt." Sie warf ihm ein schiefes Lächeln zu. "So wie heute."

    "Wenn du Ruhe suchst, kann Mogontiacum tatsächlich seine Vorteile haben, das stimmt." Ein kleines Lächeln zuckte um ihre Mundwinkel. "Mir war es lange fast ein wenig zu ruhig, aber das sind vermutlich die Art Dinge, aus denen man irgendwann einfach rauswächst."

    Octavena lachte leise. "Nein, entschuldige, du hast nichts Falsches gesagt. Als du dich vorgestellt hast, musste ich nur gerade daran denken, dass ein Vetter von mir glaube ich mit einer Germanica verheiratet war." Sie schüttelte den Kopf. "Aber das ist auch schon wieder ein paar Jahre her. - Was führt dich nach Mogontiacum?"

    Octavena hob überrascht die Augenbrauen, wenn auch nur für einen Augenblick, als sie der Fremde ansprach. Er war also neu in der Stadt? Das bedeutete immerhin, dass sie ihn ziemlich sicher noch nicht getroffen und nur vergessen hatte.


    "Ah, willkommen. Freut mich, deine Bekanntschaft zu machen." Sie lächelte ihm höflich zu und überlegte kurz, ob ihr schon einmal ein Germanicus in der Stadt begegnet war. Nein, sie glaubte nicht. Da war nur die Frau ihres Cousins, die war eine Germanica gewesen, wenn Octavena sich recht entsann. Aber andererseits hatten sie nie großartig etwas mit Marcellus zu tun gehabt und war sich nicht einmal sicher, ob sie jemals mehr als ein paar höfliche Floskeln mit ihm ausgetauscht hatte, also zählte das wohl nicht wirklich. "Ich weiß nicht, ob ich dir weiterhelfen kann, aber ich lebe hier nun schon seit ..." Sie überlegte kurz. Zehn Jahre? Oder hatte sie die fünfzehn inzwischen schon voll? Schließlich lachte sie leise, mehr zu sich selbst und schüttelte den Kopf. "... sagen wir einfach seit einer ganzen Weile. Ich bin Petronia Octavena."

    Octavena ließ sich nachschenken und während sie sich dann in ihrem Stuhl zurücklehnte, ließ sie ihren Blick erneut ein wenig durch den Raum wandern. Nicht dass es einen bestimmten Grund dafür gegeben hätte, aber sie mochte es, sich die Zeit zu nehmen, ihre Umgebung näher zu mustern, schließlich konnte man nie wissen, was man bei solchen Gelegenheiten doch mal aufschnappte.


    Sie war aber nicht die einzige, die ihren Blick schweifen ließ. Einer der Gäste, der zuvor noch mit den Fremden mit dem gallischen Akzent geredet hatte, schien sie zu beobachten. Kurz war sie versucht, die Stirn zu runzeln, aber dann bedachte er sie mit einem freundlichen Lächeln und einem kurzen Nicken. Wahrscheinlich wollte er nur höflich sein - hatte sie ihn vielleicht schonmal irgendwann getroffen? - und so erwiderte sie den Gruß mit einem kleinen Lächeln.