Die Reaktion der Augusta gefiel Lucius gar nicht - anstatt hier als Denunziant aufzutreten, fühlte er sich jetzt fast wie ein Angeklagter: Sie unterstellte ihm interne Machtkämpfe und schien es sogar für möglich zu halten, dass er versucht hatte, den Tiberier umzulegen! Das ganze Gespräch schien von vornherein komplett in die falsche Richtung zu laufen!
Daran konnte Maros umfangreicher Kommentar, der hervorragend die Position des Petroniers unterstrich - der Octavier war ein loyaler Untergebener! - , offensichtlich nichts ändern. Auch wenn er nicht sonderlich empathisch war, spürte er doch eine gewisse Feindseligkeit der Kaiserin! 'Da ihr ausreichend Zeit habt euch mit Staatsgeschäften zu befassen'... - er hätte sich doch direkt an den Kaiser wenden sollen!
Jetzt hieß es, die Situation zu retten - denn die Vorwürfe der Augusta waren völlig ungerechtfertigt! Aber wie sollte er das dieser arroganten Schnepfe klar machen?
Der Tribun atmete tief durch.
"Der Mord an einem Senator ist ein Staatsgeschäft, das nicht in unseren Zuständigkeitsbereich fällt. Tiberius Verus hat diesen Fall selbst übernommen."
erklärte er dann so ruhig, wie es ihm möglich war - wobei es ihm nicht ganz gelang, die Anspannung aus seiner Stimme zu verbannen.
"Vom dem Anschlag auf ihn habe ich auch gehört, aber meine Anzeige hat natürlich nichts damit zu tun."
Dass er nichts mit dem Mord selbst zu tun hatte, schien Lucius nicht erwähnenswert - denn erstens war es völlig irrational, wegen seiner Meinungsverschiedenheit einen Mord zu begehen, zweitens wäre es noch viel irrationaler gewesen, so einen Mord zuzugeben!
"Dieser Anschlag ist tragisch, aber es erscheint mir sinnlos, deshalb diese gefährlichen Behauptungen zu verschweigen."
Er machte eine kurze Pause, um die letzte Frage der Augusta so zu beantworten, dass die Tragweite von Verus' Worten deutlich wurde:
"Die Beleidigung des Kaisers erfolgten wie gesagt im Zuge der Untersuchungskommission, namentlich in Anwesenheit des Consul, der Consulare Decimus Livianus und Purgitius Macer und einiger anderer wichtiger Persönlichkeiten. Konkret entlud sich diese Beschimpfung an der Befragung der ehemaligen Procuratrix deines Gatten, Sergia Fausta. Tiberius Verus kritisierte nicht nur den Umstand, dass der Kaiser sie beschäftigt hatte. In ihrer Anwesenheit - er beleidigte also auch eine Eques Imperii - begann er darüber zu schimpfen, dass Frauen generell unfähig wären und zu selbstsüchtig, arrogant und verantwortungslos wären, um irgendwelche Ämter zu nehmen. Dass der Kaiser also der Tradition seiner Vorgänger folgte, und Frauen zu Equites bestellte und in seiner privaten Verwaltung einsetzte, wäre eine Beleidigung des Mos Maiorum machten es einem aufrechten Römer schwer, ihm zu folgen."
Er sah erwartungsvoll zu der jungen Frau, die dafür bekannt war, dass sie auch mal etwas unkonventionell war - solche Beleidigungen gegen ihr Geschlecht konnten ihr unmöglich egal sein!
"Das ist in meinen Ohren geradezu ein Aufruf zur Rebellion gegen deinen Gatten. Deshalb konnte ich unmöglich die Füße still halten, selbst wenn er vorerst außer Gefecht ist."