Die Aiolos war einer der richtig großen Kähne, die für die Getreideflotte gechartert worden waren. Lucius vermutete, dass eine solche Größe eines Schiffes sich überhaupt nur lohnte, weil der Kaiser die Einsätze für die Getreideflotte so fürstlich belohnte - die Dinger mussten wahnsinnig langsam sein, so kastenförmig, wie sie aussahen (er hatte da eine kleine Versuchsanordnung in der Lagertherme gemacht, die ihm diese Hypothese bestätigt hatte). Außerdem war die Wartung dieser Giganten wahnsinnig teuer, da man sie kaum zum Kalfatern an Land ziehen konnte...
Aber egal - der Petronier musste das Ding ja nicht bezahlen oder warten. Er musste nur dafür sorgen, dass es ordnungsgemäß beladen war, keine unangemeldete, zusätzliche Fracht transportierte - der Kaiser hatte immerhin das ganze Schiff gemietet - und die Ladung halbwegs ordentlich gelagert war. Also kletterte er an einer Strickleiter die Schiffswand hinauf an Bord - das Ding war nämlich so hoch, dass man keine Laufplanke anlegen konnte und die Benutzung des Krans, mit dem auch die Getreidesäcke vom Pier in den Schiffsbauch kamen, erschien dem jungen Petronier überflüssig. Immerhin war er ja noch jung und kräftig, da schadete ihm ein bisschen Sport auch nicht - außerdem mussten seine Begleiter ja auch keine Bewaffnung oder ähnliches mit herumschleppen, sondern nur ein paar Tabulae und einen Stylus.
"Chaire, ehrenwerter Subpraefektos."
begrüßte ihn der Kapitän mit einem breiten Lächeln.
"Ave. Halten wir uns nicht auf - ich will deine Ladung sehen!"
erwiderte der Petronier. Er erinnerte sich, dass der Kapitän der Aiolos bei der Besprechung auf dem Stützpunkt zu den eher Geschwätzigeren gehört hatte - da intervenierte er lieber sofort, bevor er ewig über irgendwelchen Seemannsgarn quatschen musste. Außerdem würde er diese ganzen Trottel ja sowieso bald nie wieder sehen - da war es auch irrational, sich jetzt noch ihr Gesülze anzuhören!
Der Kapitän wirkte ein bisschen irritiert, fügte sich aber:
"Wie du wünscht, Subpraefektos."
So gingen sie die Holztreppe hinab, die über eine Luke auf Deck in den Rumpf hinab führte. Das Schiff hatte mehrere Decks - in den oberen lagerte das Getreide in Säcken, weiter unten gab es auch große Holzkästen, in denen die Körner als Schüttgut verladen waren.
"Dir ist bekannt, dass wir dir einen Bonus zahlen werden, wenn die gesamte Menge des an dich abgegebenen Getreides in Ostia wieder das Schiff verlässt?"
fragte der Subpräfekt beiläufig. Er hatte versucht, die Transportverträge mit den Reedern zu ändern, die ja sogar teilweise für ihre Fahrten für die Getreideflotte vom Staat versichert wurden. Leider war an dieser Stellschraube jedoch nichts zu machen gewesen, sodass Lucius vorgeschlagen hatte, den Kapitänen eine kleine Prämie zu zahlen, die einen Anreiz bieten sollte, nicht Teile des Getreides zu unterschlagen oder durch fahrlässige Lagerung verschimmeln zu lassen.
"Das ist mir bekannt. Eine gute Idee, Subpraefektos."
Der geldgierige Seemann sah natürlich nur die Aussicht auf Zusatzgewinne - wahrscheinlich wäre er sowieso zu dämlich gewesen, etwas von dem Korn auf eigene Rechnung abzuzweigen.
"Funktionieren die Pumpen ordentlich? Du weißt, dass das Getreide keine Feuchtigkeit verträgt!"
fragte Lucius den nächsten Punkt ab. Bei der Größe des Schiffes war es unvermeidlich, dass Feuchtigkeit eindrang und sich am Kiel sammelte. Kleinere Schiffe hatten oft einen eigenen Matrosen, der das Kielwasser bei Bedarf abschöpfte und nach draußen trug - bei dieser Größe war es allerdings eine mechanische Pumpe.
"Das ist mir bekannt, Subpraefektos. Sie wurde geprüft, als das Schiff generalüberholt wurde."
"Funktioniert sie mit einer archimedischen Schraube?"
fragte Lucius weiter - er fand die technischen Hintergründe einer solchen Pumpe natürlich hochinteressant. Von der archimedischen Schraube hatte er unter anderem bei Vitruv gelesen... faszinierend, worauf die Griechen alles gekommen waren!
Dieser Grieche kam allerdings auf nicht ganz so viel:
"Äh, ich weiß nicht. Sie läuft schon mit einer Schraube, denke ich..."
Also wahrscheinlich die archimedische Schraube - aber Lucius fragte lieber nicht genauer nach, um sich vor dem Ärger über so viel Ignoranz zu schützen. Wenn sie unten waren, würde er sie einfach öffnen lassen und die Konstruktion selbst erkunden...