Beiträge von Lucius Petronius Crispus

    Als Herophilus mit seiner Vorlesung begann, seufzte Lucius enttäuscht - die Götter! Er hatte gehofft, hier im Museion knallharte Wissenschaft zu hören, nicht wieder die abergläubische Spekuliererei, die sonst die ganze Welt beherrschte! Zeus, Asklepios, Blitze und Priesterärzte - was für ein Schwachsinn! Wenn Gesundheit die Tochter des Heilgottes war, war es ja genauso, wie wenn Weberinnen Stoffe gebaren - also wirklich...


    Wenn es so weiter ging, würde er hier schneller wieder draußen sein, als der Philologos "Podaleiros" sagen konnte...

    "Chaire, Soldat!"
    begrüßte der Serapis-Priester Lucius mit einem überheblichen Lächeln.
    "Ich habe euch schon erwartet!"
    Natürlich hatte er das - der Subpräfekt hatte ja auch nach ihm schicken lassen! Dieser ganze Unsinn nervte ihn jetzt schon, obwohl sie noch gar nicht begonnen hatten. Aber was nützte es:
    "Bringen wir es hinter uns!"
    Mit diesen Worten ging er, den Priester an seiner Seite, hinauf in den Tempelhof, der von einem Säulengang umgeben war und eine erstaunliche Menge Weihegeschenke enthielt: Ägyptische und griechische Götterstatuen, Obelisken, Säulen - alles mögliche hatte man hier aufgestellt, um die Popularität des ptolemäischen Reichsgottes zu beweisen. Für den jungen Petronier war das ganze allerdings eher eine grandiose Verschwendung von Wert, der hier sinnlos herumstand, anstatt die Häuser reicher Leute zu dekorieren oder sonst einen Nutzen zu entfalten...


    "Der erste Schritt der Entsühnung ist ein Bad deiner Männer im großen Becken."
    Er deutete auf ein... naja: großes Becken eben, das mitten im Hof stand. Etwas ungläubig blickte Lucius zu den 311 Mann, die er mitgebracht hatte - die sollten sich jetzt alle waschen?
    "Muss das sein?"
    fragte er deshalb genervt. Der Priester wirkte irritiert:
    "Natürlich! Der Schmutz eures schuldigen Handelns muss abgewaschen werden, um euch vor den Heimsuchungen der Totengeister zu schützen!"
    Einen Moment überlegte Lucius, ob er diese ganze Scharade abbrechen sollte - dann erinnerte er sich aber an den abergläubischen Präfekten und zuckte mit den Schultern.
    "Milites state! In aciem venite!"
    brüllte er den ihm folgenden Soldaten zu, sodass der Priester zusammenzuckte, die Truppe aber sofort in Linie antrat.
    "Wir werden uns jetzt alle in diesem Becken waschen! Einer nach dem anderen! Und die Ohren nicht vergessen!"

    Sim-Off:

    Was lange währt...


    Es war eine Affenhitze, als der Subpräfekt an der Spitze einer beachtlichen Truppe Nautae und Milites Classici durch das Rhakotis-Viertel marschierte - überall wurden die Fensterläden zugeklappt und Ägypter rannten davon. Sie dachten wahrscheinlich, es gäbe eine Razzia - bei näherem Hinsehen konnte man allerdings erkennen, dass die Soldaten keine Waffen trugen. Ihre Mission betraf heute nämlich ihre eigene spirituelle Sicherheit, nicht die der Stadt.


    Lucius hatte keine Zeit, sich über die Ängstlichkeit der Ägypter lustig zu machen - zu sehr ärgerte er sich über den Aberglauben des Präfekten, der ihnen das hier eingebrockt hatte. Wahrscheinlich - so glaubte der Petronier - würden sie hier sogar über ihn lachen, wenn bekannt wurde, warum sie heute das Sarapeion besuchten!
    Zumindest war dies aber mal eine Gelegenheit, dieses auch nicht grade unimposante Gebäude aus der Nähe zu betrachten. Darauf versuchte Lucius sich zu konzentrieren, als er schwitzend die ewige Treppe vom Morast von Rhakotis in die religiösen Höhen des Tempelkomplexes aufstieg.


    Oben angekommen gab es aber keine Ablenkung mehr - einer der hiesigen Priester stand schon am Absatz und wartete auf sie. Lucius fiel zuerst der absurde Zopf auf, den der Ägypter - oder war es ein Syrer? - hatte. Das konnte ja heiter werden...

    Unbeeindruckt begann Lucius also wieder das Seil hinter sich herzuziehen, während Armin es immer schön an der Kante straff ziehen musste. Dann ging das ganze noch einmal so. Und noch einmal. Und noch einmal. Jetzt sah es fast so aus, als würde es reichen - aber am Ende fehlte ganz wenig und zuletzt hatten sie noch drei Knoten und ein bisschen was übrig. Darauf war der junge Petronier aber natürlich vorbereitet und so griff er nach einem kleinen Maßstab, der einmal nach Pedites, einmal nach Palmi sogar Digiti aufgeteilt war. Die Striche waren jeweils in unterschiedlichen Farben, sodass man den Stab leicht bedienen konnte - ein unersetzliches Werkzeug für einen echten Geometer!
    Die letzten Messungen nahm Lucius persönlich vor und kam am Ende schließlich zum Ergebnis: 155 Passi und 2 Pedites! Nun hätte er sich natürlich damit zufrieden geben können, dass die Pyramiden eine quadratische Grundfläche hatten - aber dann hätte er ja auch einfach bei der Höhenangabe aufhören und sich das ganze Spiel sparen können! Also war nun die andere Seite dran. Dann die dritte, die voll in der Sonne lag, sodass Lucius sich auf halbem Weg den Mantel über den Kopf legte, wie die Beduinen es machten - es war tatsächlich angenehmer als barhäuptig, zumal er schon wieder das Gefühl hatte, ein wenig Olivenöl gegen den Sonnenbrand zu brauchen...
    Als sie schließlich die vierte Seite vermessen hatten, schnaufte Valerius ganz schön und auch Armin wirkte ziemlich angesäuert. Der junge Petronier war dagegen weiter voller Tatendrang und packte seinen neuesten Besitz aus: ein Groma! Er hatte es auf einem Markt in Alexandria gekauft, wo er auch seinen Maßstab erhalten hatte. Er sollte jetzt dazu dienen die Grundwinkel zu bestimmen, was im Grunde ziemlich kinderleicht war, sodass er fast überlegte, es Armin zu überlassen und sich stattdessen zu den Zelten zurückzuziehen, wo Souvenirshändler kleine Pyramiden und Sphinxen verscherbelten, vor allem aber lauwarmes Wasser, das bei der Trockenheit und Hitze recht verführerisch wirkte...


    Schließlich machte er es doch selbst - das ganze machte ja auch irgendwie ziemlich Spaß! - und so war kurze Zeit später bestätigt: die Pyramide des Cheops war eine ordentliche Pyramide mit quadratischer Grundfläche mit einem Flächeninhalt von viereinviertel Heredia - ganz genau hatte er es nicht berechnet, weil es für seinen Zweck unerheblich war. Inzwischen war es sowieso schon Nachmittag und je länger sie warteten, desto länger mussten sie messen. Also war es nun höchste Zeit, den Stab aufzustellen und die Schattenlänge der Pyramide zu messen. Und natürlich die des Stabs.

    Am nächsten Tag hatte der Subpräfekt dann glücklicherweise frei und Zeit für einen kleinen Ausflug zu einem der Sieben Weltwunder, von denen er schon in Alexandria so viel gehört hatte. Also hatte er sich Kamele, Armin, seinen Diener und einen Trupp Soldaten geschnappt und war in die Wüste aufgebrochen. Der Weg war etwas unangenehm - Kamele schaukelten fast so schlimm wie Schiffe und Lucius wurde ein bisschen übel. Als er dann aber von seinem Tier abstieg und ein Weilchen zu Fuß ging, war es wieder besser.


    Als Lucius endlich vor der Großen Pyramide stand, staunte er nicht schlecht - er glaubte nicht, jemals so ein gewaltiges Bauwerk gesehen zu haben. Von oben bis unten von Kalkstein bedeckt, oben mit goldenen Spitze bedeckt, in der sich das Sonnenlicht spiegelte - obwohl es natürlich irrational war, Ehrfurcht vor einem Steinhaufen zu haben, fühlte der junge Petronier so etwas ähnliches. Von unten bis oben maß sie 98 Passus, wie er gelesen hatte. Und natürlich hatte er auch gelesen, wie man das herausgefunden hatte, was der größere Grund für seine Begeisterung war.


    Denn wenn er schon einmal hier war, wollte er den berühmten Versuch des Thales von Milet gern überprüfen. Dafür hatte er einen Stocke mitgebracht, der genau einen Passus lang war. Das hieß, er war etwas länger, aber an der richtigen Stelle markiert, sodass man ihn in den Sand stecken konnte und er dann genau einen Passus über den Boden ragte. Dazu hatte er zwei sehr lange Seile, seinen Scriba Valerius und natürlich Armin mitgebracht, die ihm assistieren mussten. Es gab einen einfachen Weg und einen komplizierten: Der einfache war der zu warten, bis die Sonne genau so stand, dass die Länge des Schattens genau der Höhe entsprach, sodass man einfach den Schatten messen konnte, um die Höhe des Objekts zu erhalten. Das hätte aber bedeutet, den ganzen heißen Tag hier in der Sonne zu sitzen und die Schattenlänge zu prüfen.


    Spannender und mathematisch anspruchsvoller war der komplizierte Weg, den Euklid in seinen Elementen beschrieben hatte. Lucius hatte den Beweis sehr genau studiert, sodass er jetzt guten Gewissens loslegen konnte:
    "Wir müssen zuerst die Seiten messen!"
    stellte er voller Tatendrang fest und schaute in die verdutzten Augen seines Scriba. Was für ein Trottel er doch war...
    "Na los, los! Macht euch an die Arbeit!"
    Mit wenig Elan schlurften seine Diener auf die Pyramide zu, die zumindest einen ordentlichen Schatten warf, sodass sie bald nicht mehr in der prallen Sonne marschieren mussten. Der Subpräfekt marschierte hinterher, bis sie endlich eine Ecke der Pyramide erreicht hatten. Dann musterte er kurz seine beiden Begleiter - der Scriba war eindeutig die größere Trantüte. Also würde er den langweiligeren Job bekommen:
    "Du bleibst hier, Armin und ich rollen das Seil ab!"
    Dann ging es los: Windung um Windung wickelten sie das Seil ab, das Lucius mit größter Akribie in regelmäßigen Abständen - nämlich genau an jedem Passus - mit Knoten versehen hatte. Während Armin wickelte, zog der junge Petronier das Seil immer schön straff und zählte gedanklich die Knoten - 5, 6, 7, 8... Er blickte zurück und sah, dass Valerius sich hingesetzt hatte. In den Schatten natürlich! Aber schon ging es weiter ... 14, 15, 16, 17, 18 ... Als sie bei 25 angekommen waren, war das Seil zu Ende - Lucius hatte kein längeres vom Zeugmeister der Flotte bekommen, aber das war auch nicht so schlimm, denn man konnte es ja wiederverwenden.
    "Valerius, komm her!"
    rief Lucius und der Scriba sah ihn verdutzt an. Dann schlurfte er los - man konnte die Schleifspuren, die er machte, weil er zu faul war die Füße richtig zu heben, bis hierher sehen! Ungeduldig wartete der Subpräfekt - wie konnte jemand bei der Armee nur so unendlich langsam sein? Er würde sich dringend darum kümmern müssen, dass dieser Typ wieder zur kämpfenden Truppe kam! Oder zu den Ruderern, die würden ihn auf Vordermann bringen!
    Als Valerius dann endlich da war, deutete Lucius wieder auf die Stelle, an der Armin noch immer das Seil hielt.
    "Halte das fest!"
    Valerius gehorchte und Lucius griff nach der jetzt freien Seite. Dabei bemerkte er zwei Ägypter, die sie neugierig betrachteten - jaja, vielleicht hatten ihre Vorfahren einmal diese steinernen Monstren gebaut! Aber jetzt waren sie nur noch degenierte Orientalen, die kein Verständnis für wahre Wissenschaft hatten!

    Obwohl Lucius nach wie vor kein Akroates war - er hatte ja bekanntlich auch genügend anderes zu tun - hatte er sich wieder für einen Kurs eingeschrieben. Nach seiner Strafarbeit war seine Begeisterung für Medizin - vor allem die Anatomie - richtiggehend explodiert und er hatte bereits begonnen, ein paar Schriften zu lesen und diese bei alltäglichen Beobachtungen zu verifizieren: Es war faszinierend, wie Muskelpartien zusammenarbeiteten - wie eine komplizierte Mechanik, etwa ein Flaschenzug zur Beladung der Getreideschiffe. So war er auch neugierig, als er heute das Iatreion betrat, um ein paar allgemeinere Informationen zur Medizin zu gewinnen - anders als Mathematik war das wenigstens eine praktische Wissenschaft, die ihm als Soldat sicher helfen würde...

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    Sie besuchten tatsächlich den Stier - gleich nach der Begrüßung. Scheinbar hatten die Pharaonen irgendein seltsames Faible für Stiere, dass sie immer zuerst ihr Schoßtier besucht hatten. Wahrscheinlich was Sexuelles - immerhin waren sie beide ja Götter auf Erden. Und wer eine Schwester heiratete, der trieb es vielleicht auch mit einem Stier.


    Immerhin sah der junge Petronier nach einem kleinen Triumphzug durch die Straßen der Stadt den wohl imposantesten Kuhstall der Welt - der Tempel des Ptah: Ein riesiger Komplex - größer als die Tempel in den anderen besuchten Städten - umgeben von einer gewaltigen Mauer, die anders als in Heliopolis auch noch relativ neuwertig oder besser gepflegt war. Sie betraten den Tempel durch das Westtor, wo ein gewisser Ramses eine riesige Säulenhalle errichtet hatte - das erzählte zumindest ein Priester, der neben Lucius herging und von Selbstbewusstsein nur so strotzte. Unbeeindruckt davon, ob der junge Petronier zuhörte oder nicht, plapperte er einfach weiter - scheinbar war er in seinem früheren Leben einmal Fremdenführer gewesen.


    So ging es weiter durch eine imposante Anlage bis zum Apieion oder - wie der Priester natürlich berichtete - dem Palast des lebenden Apis. Als sie eintraten, sah Lucius dann endlich den inkarnierten Apis: Er stand einfach im Hof und mampfte frisch geschnittenes Gras. Abgesehen von dem goldenen Kopfputz ein stinknormaler, schwarzer Stier - und Lucius wusste, wie ein stinknormaler Stier aussah, denn er hatte in den letzten drei Tage mehr als genügend von diesen Tieren bei der Viehzählung gesehen. Als das Vieh aufsah, verneigten sich die Priester tief. Lucius konnte sich nicht halten - er prustete los und nur die bösen Blicke, die er sofort auf sich zog, zwangen ihn dazu, sich zu beherrschen. Schnell verneigte er sich ebenfalls tief, damit niemand sein breites Grinsen sah.
    Als er wieder aufblickte, hatte er sich wieder einigermaßen unter Kontrolle - trotzdem war das wirklich das absurdeste, was er in seinem kurzen Leben gesehen hatte. Menschen, die ein dämliches Zug- und Fleischvieh anbeteten...


    Quelle: Wikimedia
    Autor: Jastrow

    https://commons.wikimedia.org/…_and_the_Memphis_gods.jpg

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    Hatte Lucius geglaubt, Heliopolis oder Letopolis wären religiöse Zentren von Aegyptus gewesen, dann musste er spätestens als sie in den Hafen von Memphis einfuhren feststellen, dass er sie unendlich unterschätzt hatten. Memphis war die alte Hauptstadt der Pharaonen gewesen - hier hatte man die Könige Ägyptens gekrönt, bis die Römer mit diesem Unsinn Schluss gemacht hatten. Neben dem Strategos, einem Griechen, wartete der Hohepriester des Ptah, der höchste Priester der Ägypter. Aber natürlich auch der des Serapis und der Hathor und und und...


    Als der junge Petronier hinter dem Präfekten von Bord der Sonnenbarke ging, schwirrte ihm der Kopf ganz von den komplizierten ägyptischen Namen, die ein Schreiber ihnen in griechischem Akzent mitteilte. Für den Subpräfekten war es teils fast anstrengend, nicht zu lachen - so seltsam waren de Hohenpriester gekleidet. Vor allem, als der Hohepriester des Ptah dann aber noch erklärte, dass sie den Apis-Stier besuchen müssten, musste er schnell die Hand vor den Mund halten, dass niemand sein höhnisches Grinsen sah - ein Stier in einem Stall, den man als Gott verehrte! Was für ein Schwachsinn! Damit setzten die Ägypter dem Blödsinn des Götterglaubens wirklich die Krone auf - die von Unter- und Oberägypten zusammen!


    Bildquelle: Världens Historia 13/2010

    Letopolis war selbst im Vergleich zu Iamu nicht sonderlich eindrucksvoll gewesen. Zwar gab es auch hier einen großen Tempel mit einer Sphinxen-Allee und die lokalen Eliten auf dem Empfang des Strategos am Abend hatten große Töne gespuckt von einer Unterwelts-Gottheit namens Cherti, die dort ihren Haupttempel hatte. Als Lucius ihn am nächsten Tag vor der Rinderzählung besucht hatte, war es aber nur eine heruntergekommene Bauruine gewesen, die wohl vor Jahrhunderten einmal eindrucksvoll gewesen war. Das gute an den ägyptischen Tempeln war, dass sie sehr massiv und geometrisch waren - sofort hatte der junge Petronier die Idee gehabt, das Volumen dieser riesigen Quader zu berechnen. Dafür hätte er allerdings die Höhe schätzen müssen, denn ein Gerüst konnte er auf die Schnelle natürlich nicht aufstellen. So blieb ihm nur eine grobe Schätzung, die er aber nie würde bestätigen können.
    Trotzdem dachte er weiter darüber nach, während er wieder unter dem Sonnensegel saß und Kühe zählte. Das beste an Letopolis war dann schließlich, dass es von dort aus ein Katzensprung nach Heliopolis, der nächsten Gau-Hauptstadt gewesen war.


    Heliopolis war da schon eindrucksvoller gewesen - aber nicht so eindrucksvoll, wie es offensichtlich dreihundert Jahre zuvor gewesen war. Natürlich hatten die abergläubischen Ägypter hier auch wieder eine ganze Reihe von Tempeln errichtet - für einen Sonnengott namens Ra, von dem Lucius sogar schon in Alexandria gehört hatte. Das Eindrucksvollste, was er auf dem Empfang von einem kleinen Priester erfuhr, war, dass Eudoxos, der berühmte Mathematiker - Lucius kannte ihn schon seit Xanthippus' Unterricht - hier studiert hatte: Der Mann hatte sich viel mit Proportionen beschäftigt - seine Definitionen von Verhältnis und Proportion hatte Lucius in den Elementen gelesen. Außerdem hatte er - wie Lucius von dem kleinen Priester erfuhr - auch viel zur Astronomie geforscht. Für den Priester waren Planeten und Sterne natürlich irgendwelche Götter und berichtete stolz, das Eudoxos wohl als erster die Sternenbilder auf dem Himmelsglobus festgesetzt hatte. Interessanter war für den jungen Petronier aber wohl, dass er auch eine Sphärentheorie über die Laufbahnen der Gestirne entwickelt hatte - das ganze war im Grunde ein mathematisches Problem, das man an der Empirie überprüfen musste. Wieder ein Grund mehr, sich endlich einmal mit Astronomie zu beschäftigen...


    Eine weitere Sache, die Eudoxos beschäftigt hatte, waren aber auch Volumenverhältnisse - nicht zuletzt das Verhältnis von Prisma und Pyramide. Und Pyramiden gab es hier ganz in der Nähe - die großen Pyramiden von Gizeh standen nämlich auf der anderen Nilseite nicht weit von hier. Aber der Nil dazwischen war natürlich ein Hindernis, das man nicht so einfach überwand. Zwar gab es Fähren - aber da sie am nächsten Tag sowieso in Memphis anlegen würden, hatte er sich von Minidius Geminus die Erlaubnis geholt, während des längeren Aufenthalts dort einen Tag freizunehmen.


    Ein Glück, dass Memphis eben auch eine uralte Hauptstadt von Aegyptus war und deshalb auf dieser "Fahrt auf dem Land" traditionell mehrere Tage angesteuert wurde...

    https://commons.wikimedia.org/…ProduceOfTheEstates-3.JPG

    https://commons.wikimedia.org/…ProduceOfTheEstates-3.JPG


    Die Begrüßung am Abend im Haus des Strategos war ein rauschendes Fest gewesen - nicht ganz so rauschend wie die Empfänge des Präfekten in Alexandria, aber das hier war ja auch nur irgendein unbedeutendes Gau im Nildelta. Trotzdem hatten sie sich redlich Mühe gegeben und Lucius spürte noch den Wein im Schädel, als er am nächsten Morgen unter einem Sonnensegel stand, um die Viehzählung vorzunehmen. Minidius Geminus schlief wahrscheinlich noch, außerdem musste er dem Hathor-Tempel einen Besuch abstatten und den Rest des Tages zu Gericht sitzen - also war die traditionelle Rinderzählung an den Subpräfekten deligiert worden. Was ganz gut passte, denn der junge Petronier mochte Zahlen ja sowieso viel lieber als Menschen.


    Was er allerdings nicht mochte, war der Gestank von hunderten Rindern, die auf der staubigen Ebene vor Iamu zusammengetrieben worden waren. Ein lokaler Aristokrat hatte am Vorabend erklärt, dass Iamu schon beim Bau der Pyramiden Rinder für die Baustelle geliefert hatte - was in Lucius' Ohren aber weder damals, noch jetzt besonders eindrucksvoll klang. Die Bevölkerung des Örtchen hatte auf jeden Fall eher ärmlich gewirkt und die Rinder, die nun vor ihm die letzten trockenen Halme abgrasten, waren auch nicht unbedingt die prächtigsten, die er je gesehen hatte.


    "Dann fangen wir an."
    erklärte er in Richtung des fetten, glatzköpfigen Schreibers, der ihn für diese Aktion begleitete. Natürlich war hier wie beim Empfang gestern alles ritualisiert - jeder Bauer trieb seine Rinder vor, jedes einzelne Rind musste unter der Nase des Petroniers vorbeigetrieben werden, sodass der neben ihm hockende Schreiber einen Strich auf seinem Tontäfelchen machen konnte. Sicherheitshalber zählte Lucius mit, aber bei Nummer 487 verlor er die Geduld. Genervt fragte er:
    "Können die die Rinder nicht so gruppieren, dass man sie schneller erfassen kann? Fünfergruppen beispielsweise?"
    Der Schreiber blickte kurz auf, machte dann aber zuerst einen Strich, bevor er antwortete:
    "Nein, Kyrie. Es ist uralte Tradition. Schon die ersten Pharaonen-"
    Lucius brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen.
    "Verschone mich mit euren uralten Traditionen."
    Ägypten mochte einmal groß gewesen sein - aber das war offensichtlich Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende her. Heute waren sie ein sklavisches Volk von verschlagenen Orientalen, die immer noch Dynastien hinterhertrauerten, die vor tausend Jahren erloschen waren. Er musste an Epikur denken - was vorbei war, musste man hinter sich lassen! Nur, wer im Hier und Jetzt lebte, konnte auf Glück hoffen!
    Die Ahnen dieses fetten Schreiberlings hatten wahrscheinlich unter der Peitsche die Steine für die Pyramiden gezogen und jetzt kuschte er eben vor dem Strategos - dieses Jahr wurde schon seit über dreihundert Jahren von Griechen beherrscht und jetzt waren es eben die Römer. Aber vielleicht war das eine Notwendigkeit: Manche Völker waren eben zum Sklavendasein geboren und irgendjemand musste immer über sie herrschen.


    Also trieben die Bauern brav ihre Kühe weiter durch das kleine Gatter vor dem Sonnensegel und gaben jedes soundsovielte Rind als Tribut ab. Dieser Rest würde dann auf den Schlachtbänken Alexandrias landen und dem Kaiser, den man hier noch Pharao nannte, schöne Gewinne abwerfen.
    Aber so erfreulich es war, auf der Seite der Herrscher zu stehen, war der junge Petronier doch gezwungen, den ganzen Tag hier zu sitzen und sich mal dürrere, mal fettere Kühe anzusehen. Es begann deshalb wieder wie früher mit dem gedanklichen Suche nach der Primzahl-Reihe - die ersten kannte er noch auswendig von früher, aber irgendwann war es zumindest wieder so anspruchsvoll, dass er sich damit ablenken konnte und die Zeit schneller vorbei ging...


    Bildquelle: Wikimedia
    Autorin: Didia

    Iamu hatte einen Hafen, an dem das Empfangskomitee den Repräsentanten des Pharaos erwartete. Ganz vorn am Pier stand eine steinerne Kuh mit einer Scheibe zwischen den Hörnern - sie erinnerte Lucius ein wenig an die prächtig geschmückten Rinder für Staatsopfer in Rom, wenn auch Decken und anderer Quatsch fehlten. An der Kaimauer wartete der Strategos des Gaus, ein schmaler Ägypter mit glatt polierter Glatze, dessen Augen so bunt geschminkt waren, wie es in Rom keine Lupa gewagt hätte. Um den Hals hatte er diese typische Schmuck-Scheibe, die hochgestellte Ägypter gerne trugen und die selbst von den Kolossalstatuen der Ptolemäer auf die Menschen herableuchteten. Neben dem Strategen war außerdem die Priesterschaft der Hathor angetanzt: schlanke Ägypterinnen in halbdurchsichtigen Gewändern, die mit quäkenden Doppelflöten, Pauken und Leiern für die musikalische Untermalung des Aufmarsches sorgten. Neben diesen wichtigeren Gestalten des Gaues hatte sich aber auch eine riesige Menge an Schaulustigen versammelt.


    Als die vergoldete Barke auftauchte, die für die Einfahrt in den Hafen die Führung der Flotille übernahm, erhob sich wilder Jubel, der von den Priesterinnen - Hathoren genannt - durch pures Lärmen mit den Instrumenten begleitet wurde. Einen Moment glaubte Lucius dem Schauspiel sogar und freute sich, dass die Ägypter ihre neuen Herren so vorbehaltlos bejubelten - dann erinnerte er sich aber, wie schnell so ein Jubel verklingen konnte. Sie waren immerhin nicht hier, um ein paar Salben zu verteilen, sondern vor allem, um die hier angeblich so zahlreichen Rinder für die Steuerschätzung zählen zu lassen!

    Tugenden waren Konventionen - Lucius hatte es schon immer gewusst! All das leere Geschwätz von Tugendhaftigkeit, Bescheidenheit und was es sonst so gab...


    Der letzte Rat leuchtete ihm dagegen nicht besonders ein - Freundschaft war etwas, was sich für ihn noch nie als sonderlich nützlich erwiesen hatte. Selbst wenn diese arroganten Schnösel von Decurionensöhnen ihn mal mitspielen hatten lassen, hatten sie irgendwann auch wieder über ihn gelacht. Wie sehr er es hasste, ausgelacht zu werden! Aber wenn er es rational betrachtete, war Freundschaft ja auch nur eine Konvention - er beschloss also, einfach die soeben gehörte Regel auch hier anzuwenden. Am Ende des Tages war dieses philosophische System doch wieder irgendwie rationalisierbar...

    Obwohl der Subpraefectus sich gern von allem fernhielt, was mit Ausfahrten zu tun hatte - was bei einer Flotte gar nicht so einfach war - musste auch er gelegentlich das Kommando über ein Schiff übernehmen, um den Flottensoldaten auf die Finger zu sehen. Zumindest vermied er dabei größere Überfahrten über das Mare Nostrum, bei denen er zuletzt immer sehr unangenehme Erlebnisse gehabt hatte. Zwar verlief es manchmal auch weniger verheerend - beispielsweise auf der Patrouillenfahrt nach Carthago Nova - aber sobald er weiter nach draußen fuhr, wo die See etwas rauher war, hing er wahlweise über der Reling oder einem Eimer an einem möglichst uneinsehbaren Ort auf dem Schiff. Ein Kompromiss waren Tagesausfahrten mit einer der schnellen Liburnen der Classis, die regelmäßig vor Alexandria patrouillerten und bei Bedarf Schiffe kontrollierten, die nicht sowieso den Hafen der Alexanderstadt anliefen.


    Für genau so eine Fahrt war er also heute eingetragen worden, weshalb er neben einem vielschrötigen Nubier am Heck der Lupa stand, die aufgrund der Windstille an diesem Tag (die Lucius sehr zupass kam, weil dadurch auch das Meer ruhiger war) nur von den Ruderern angetrieben wurde. Alles in allem war dieser Dienst eigentlich unglaublich langweilig, aber von seiner Position unter dem Sonnensegel aus konnte er zumindest gut die klar definierten Muskeln der Ruderer beobachten, die sich im Takt zusammenzogen und entspannten - seit der junge Petronier sich für Medizin interessierte, war auch das eine halbwegs interessante Beschäftigung!

    Der erste Halt der Reise war Iamu, die Hauptstadt des Gaus Gynaikopolites. Lucius stand am Bug der Horus-Barke, auf der sich für die Einfahrt in die Gau-Hauptstadt auch der Praefectus Aegypti aufhielt. Schon von Ferne konnte man die Stadt erkennen, die, umgeben von einem Ringwall, auf einem Hügel über dem Fluss lag. Sein Scriba hatte berichtet, dass diese Stadt früher einmal ein zentraler Lieferant für Vieh beim Bau der Pyramiden gewesen war und heute einen Tempel der Hathor - oder Aphrodite, je nach dem, wie man diesen Götzen nennen wollte - beherbergte. Sonst schien die Stadt aber wenig interessant zu sein.


    Trotzdem war der junge Petronier gespannt, was ihn erwarten würde - bisher hatten sie hier und da am Ufer des Nilarms kleine Volksfeste gesehen, doch außer für das Nachtlager waren sie nie an Land gegangen. Heute aber würde es eine offizielle Zeremonie dieser "Fahrt auf dem Land" geben.
    Der Praefectus hatte gesagt, dass Lucius für blitzblanke Infanteristen sorgen sollte, die ihn als persönlichen Repräsentanten des Pharaos - oder Kaisers - beim Landgang begleiten mussten. Was diese ägyptischen Bauern dachten, war ihm eigentlich egal - aber seinen Vorgesetzten wollte er auf keinen Fall enttäuschen. Also machte er sich noch ein letztes Mal daran, die Parade-Ausrüstung der Männer zu kontrollieren. Auf der Horus-Barke war natürlich nur ein Bruchteil der Eskorte, aber sie würden die Pedites Singulares des Statthalters bilden und damit besondere Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
    "Da sind Schlieren auf dem Helm!"
    kritisierte er bei einem Soldaten, der erblasste - es hatte sich inzwischen herumgesprochen, dass mit Lucius nicht gut Kirschen essen war.
    "Putz das weg!"
    fügte er an und der Soldat stellte Schild und Lanze beiseite und band den Helm vom Kopf. Lucius ging währenddessen zum nächsten weiter.
    "Zeig mir dein Schwert!"
    befahl er dem nächsten. Der Soldat sah ihn zuerst verdutzt an, dann lehnte er seine Lanze ebenfalls an die Reling und zog seine Waffe aus der Scheide. Hatte der Subpräfekt es sich doch gedacht - nicht poliert und nicht geschliffen!
    "Du glaubst wohl, was man nicht sieht, muss man nicht pflegen! Das wird Folgen haben, Miles!"
    So ging es immer weiter. Die Centurionen und Optionen auf den anderen Geleitschiffen würden es hoffentlich genauso machen!


    Als sie näher kamen, setzte auch Lucius seinen Helm auf und befahl
    "Milites state!"
    und kehrte an seinen Platz an der Seite des Statthalters unter dem Sonnensegel zurück. Er hatte den Auftrag, nicht von der Seite seines Vorgesetzten zu weichen - zusammen mit einem ganzen Grüppchen an Priestern, kahlgeschorenen Schreibern und dem persönlichen Sekretär des Minidiers.

    Ein Bote brachte die Strafarbeit des Subpraefectus in der Regia ab - ohne Begleitbrief oder Erläuterungen.

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    Die Griechen sind den Römern vor allem in den Wissenschaften überlegen. Sie sind die Erfinder der Logik und haben sie in vielen Bereichen ausgeb durchdacht. Ein besonders bekanntes Beispiel dafür ist Euklid von Alexandria, dessen Lehrbuch über die Arithmetik und Geometrie eine hervorragende Zusammenfassung dieser Lehren ist. Ihr Nutzen für alle Bereiche derdie mit Flächen und Größenordnungen zu tun haben, z.B. die Landwirtschaft, die Architektur oder die Vermessung.


    Ein gutes Beispiel ist die Vermessung, die dem Staat als Grundlage für die Besteuerung, für die Abschätzung von Ernte-Erträgen auf kaiserlichen Gütern oder ,für die die Berechnung von Baumaterial bei der Bebauung von Grundstücken oder die gerechte Aufteilung von Grundstücken hilft. Hier können Euklids Sätze angewendet werden, um beispielsweise auf Strecken oder Flächen zu schließen, die in der Natur nicht ordentlich abgemessen werden können. Für die Berechnung von Flächen kann etwa das erste Buch von Euklids Elementen über Dreiecke und Parallelogramme viele Möglichkeiten zeigen.
    Es gibt noch viele weitere Mathematiker, zum Beispiel Thales von Milet, Pythagoras, Demokrit, Platon, Eudoxos von Knidos oder Archimedes. Ihre Erkenntnisse und die Anwendungsmöglichkeiten sind so zahlreich, dass sie hier nicht angemessen abgehandelt werden können.
    Manches davon wird auch schon in der römischen Landvermessung verwendet.


    Außer der Mathematik sind die griechischen Philosophen uns auch in der Logik voraus. Einer der wichtigsten ist Aristoteles. Er erklärt beispielsweise in der Dialektik allgemeine Regeln für logisch gültige Argumente und kritisiert etwa, dass die Induktion nur beschränkt zwingend iste Schlüsse bietet. Diese Überlegungen können nicht nur Philosophen, sondern auch jedem Römer helfen, den Wahrheitsgehalt von fremden Aussagen oder Argumentationen zu überprüfen, die nicht selbst zu überprüfen sind. Darauf aufbauend bietet er auch ein Rhetorik an, die nicht nur auf emotionales, dummes Publikum abzielt, sondern sachlich bleibt und mit Logik besticht.


    Diese Bereiche können uns auch helfen, die Natur besser zu verstehen. Demokrit bietet etwa eine Theorie über den Aufbau der Welt. Dabei geht er von der logischen Einsicht aus, dass ich, wenn ich einen Gegenstand immer weiter zerteile, ich am Ende zu einem Punkt komme, an dem ich ein nicht mehr teilbares Teilchen habe, das Atom. Diese sind der Grundbaustein für die gesamte Welt und es existiert nichts außer den Atomen und dem leeren Raum. Das kann die Angst vor dem Tod oder Naturphänomenen nehmen, die keine gezielten Wirkmächte, sondern die Bewegung dieser Teilchen sind.


    Dieses rationale Nachdenken über die Grundlagen der Welt kann uns schließlich auch die Angst vor den Göttern nehmen. Wenn wir erkennen, nach welchen Gesetzen die Natur funktioniert, bleibt weniger Raum für Spekulationen über unsichtbare Wesen oder Geister, vor denen viele sich fürchten. Die Griechen haben auch im Bereich der Technik viele erstaunliche Dinge hervorgebracht, obwohl wir Römer hier ebenfalls recht geschickt sind. Als Beispiel ist kann Archimedes gelten, der hier in Aegyptus eine Art Pumpe erfunden hat, um Wasser recht unkompliziert in die Höhe zu befördern. Dies ist vor allem für Bewässerungsanlagen nützlich, was in heißen Regionen wie hier sehr nützlich ist.


    Die Griechen haben auch eine rationale Medizin entwickelt, indem sie den Körper genau analysiert haben. Empedokles hat, basierend auf den Überlegungen wie die von Demokrit, erforscht, woraus der Körper aufgebaut ist. Er hat dabei vier Elemente entdecktals Grundstoff der Welt entdeckt. Das hat wiederum die Medizin darauf gebracht, dass auch im Körper bestimmte Elemente wirken. Schon Hippokrates, ein Grieche, hat festgestellt, dass der Aufb das Verhältnis der vier Säfte nämlich schwarze und gelbe Galle, Phlegma, Blut die Gesundheit des Menschen bestimmten. Damit ist es möglich, rationale Therapien für Krankheiten zu finden. Dazu forscht auch das Museion in Alexandria sehr intensiv.


    Außer den Krankheiten haben griechische Mediziner sich auch sehrbahnbrechende Entdeckungen bei der menschlichen Anatomie gemacht. Herophilos von Alexandria war der erste, der hier in Alexandria menschliche Körper öffnete und die Zusammenhänge untersucht hat. Mit Erlaubnis des damaligen Königs Ptolemaios I. auch bei zum Tode verurteilten Verbrechern. Das hatte gegenüber der Praxis in Rom und anderswo den Vorteil, dass man am lebendigen Körper sehr viel besser erkennen kann, wie die Organe zusammenhängen. Damit lassen sich Krankheiten sehr deutlicher erkennen und heilen.


    Auch für die Medizin ist die Astrologie nützlich. Denn die Planeten und Sterne sind nicht nur für die Orientierung, zum Beispiel in der Seefahrt, nützlich, sondern auch sie haben außerdem Einfluss auf den menschlichen Körper. Bei der Erforschung der Sterndes Himmels sind neben den Babyloniern die Griechen wieder viel wichtiger als die Römer. Hipparchos von Nicaea hat beispielsweise ein Instrument zur Bestimmung von Koordinaten auf der Himmelssphäre, das Astrolabium. Damit hat er auch Sternkarten erstellt, die der Orientierung dienen können.


    Fazit: Die Griechen sind in vielen Bereichen der rationalen Wissenschaften sehr viel wichtiger als die Römer. Wir können von ihnen vor allem eine rationale Sicht der Welt lernen. Wir haben schon viel entwickelt und gelernt, was die Griechen in der Technik erfunden haben. Wir können müssen auch in der ganzen Weltsicht, in der Medizin und der logischen, weniger emotionalen Argumentation von ihnen lernen.

    http://gdurl.com/3RSu
    L Petr Crispus
    Subprafectus Classis[/FONT]

    Lucius war vom Hundertsten ins Tausendste gekommen - die Sterne und Sternbilder, die Anatomie und Medizin, die vier Säfte und und und! Alexandria war der perfekte Ort, um so etwas zu lernen - hier hatten die größten Genies in so vielen Bereichen gelehrt und geforscht und ihr Wissen lag komplett hier in der Bibliothek! Was brauchte er die theoretischen Beweise von Euklid, wenn er so viel praktischere Wissenschaften direkt vor der Nase hatte? Natürlich half ihm sein geschultes, logisches Denken - von wegen nutzlos, wie der Alte immer behauptet hatte - aber er hatte gerade erst vom Kelch der Wissenschaft genippt. Jetzt war es Zeit, ihn bis zum Boden zu leeren!


    Trotzdem musste er zuerst seine Strafarbeit abschließen. Also machte er dort weiter, wo er am ersten Tag aufgehört hatte und reihte ein wenig lustlos seine ersten Erkenntnisse Satz für Satz aneinander. Am Ende hatte er genug zusammen, wie er fand:

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    Die Griechen sind den Römern vor allem in den Wissenschaften überlegen. Sie sind die Erfinder der Logik und haben sie in vielen Bereichen ausgeb durchdacht. Ein besonders bekanntes Beispiel dafür ist Euklid von Alexandria, dessen Lehrbuch über die Arithmetik und Geometrie eine hervorragende Zusammenfassung dieser Lehren ist. Ihr Nutzen für alle Bereiche derdie mit Flächen und Größenordnungen zu tun haben, z.B. die Landwirtschaft, die Architektur oder die Vermessung.


    Ein gutes Beispiel ist die Vermessung, die dem Staat als Grundlage für die Besteuerung, für die Abschätzung von Ernte-Erträgen auf kaiserlichen Gütern oder ,für die die Berechnung von Baumaterial bei der Bebauung von Grundstücken oder die gerechte Aufteilung von Grundstücken hilft. Hier können Euklids Sätze angewendet werden, um beispielsweise auf Strecken oder Flächen zu schließen, die in der Natur nicht ordentlich abgemessen werden können. Für die Berechnung von Flächen kann etwa das erste Buch von Euklids Elementen über Dreiecke und Parallelogramme viele Möglichkeiten zeigen.
    Es gibt noch viele weitere Mathematiker, zum Beispiel Thales von Milet, Pythagoras, Demokrit, Platon, Eudoxos von Knidos oder Archimedes. Ihre Erkenntnisse und die Anwendungsmöglichkeiten sind so zahlreich, dass sie hier nicht angemessen abgehandelt werden können.
    Manches davon wird auch schon in der römischen Landvermessung verwendet.


    Außer der Mathematik sind die griechischen Philosophen uns auch in der Logik voraus. Einer der wichtigsten ist Aristoteles. Er erklärt beispielsweise in der Dialektik allgemeine Regeln für logisch gültige Argumente und kritisiert etwa, dass die Induktion nur beschränkt zwingend iste Schlüsse bietet. Diese Überlegungen können nicht nur Philosophen, sondern auch jedem Römer helfen, den Wahrheitsgehalt von fremden Aussagen oder Argumentationen zu überprüfen, die nicht selbst zu überprüfen sind. Darauf aufbauend bietet er auch ein Rhetorik an, die nicht nur auf emotionales, dummes Publikum abzielt, sondern sachlich bleibt und mit Logik besticht.


    Diese Bereiche können uns auch helfen, die Natur besser zu verstehen. Demokrit bietet etwa eine Theorie über den Aufbau der Welt. Dabei geht er von der logischen Einsicht aus, dass ich, wenn ich einen Gegenstand immer weiter zerteile, ich am Ende zu einem Punkt komme, an dem ich ein nicht mehr teilbares Teilchen habe, das Atom. Diese sind der Grundbaustein für die gesamte Welt und es existiert nichts außer den Atomen und dem leeren Raum. Das kann die Angst vor dem Tod oder Naturphänomenen nehmen, die keine gezielten Wirkmächte, sondern die Bewegung dieser Teilchen sind.


    Dieses rationale Nachdenken über die Grundlagen der Welt kann uns schließlich auch die Angst vor den Göttern nehmen. Wenn wir erkennen, nach welchen Gesetzen die Natur funktioniert, bleibt weniger Raum für Spekulationen über unsichtbare Wesen oder Geister, vor denen viele sich fürchten. Die Griechen haben auch im Bereich der Technik viele erstaunliche Dinge hervorgebracht, obwohl wir Römer hier ebenfalls recht geschickt sind. Als Beispiel ist kann Archimedes gelten, der hier in Aegyptus eine Art Pumpe erfunden hat, um Wasser recht unkompliziert in die Höhe zu befördern. Dies ist vor allem für Bewässerungsanlagen nützlich, was in heißen Regionen wie hier sehr nützlich ist.


    Die Griechen haben auch eine rationale Medizin entwickelt, indem sie den Körper genau analysiert haben. Empedokles hat, basierend auf den Überlegungen wie die von Demokrit, erforscht, woraus der Körper aufgebaut ist. Er hat dabei vier Elemente entdecktals Grundstoff der Welt entdeckt. Das hat wiederum die Medizin darauf gebracht, dass auch im Körper bestimmte Elemente wirken. Schon Hippokrates, ein Grieche, hat festgestellt, dass der Aufb das Verhältnis der vier Säfte nämlich schwarze und gelbe Galle, Phlegma, Blut die Gesundheit des Menschen bestimmten. Damit ist es möglich, rationale Therapien für Krankheiten zu finden. Dazu forscht auch das Museion in Alexandria sehr intensiv.


    Außer den Krankheiten haben griechische Mediziner sich auch sehrbahnbrechende Entdeckungen bei der menschlichen Anatomie gemacht. Herophilos von Alexandria war der erste, der hier in Alexandria menschliche Körper öffnete und die Zusammenhänge untersucht hat. Mit Erlaubnis des damaligen Königs Ptolemaios I. auch bei zum Tode verurteilten Verbrechern. Das hatte gegenüber der Praxis in Rom und anderswo den Vorteil, dass man am lebendigen Körper sehr viel besser erkennen kann, wie die Organe zusammenhängen. Damit lassen sich Krankheiten sehr deutlicher erkennen und heilen.


    Auch für die Medizin ist die Astrologie nützlich. Denn die Planeten und Sterne sind nicht nur für die Orientierung, zum Beispiel in der Seefahrt, nützlich, sondern auch sie haben außerdem Einfluss auf den menschlichen Körper. Bei der Erforschung der Sterndes Himmels sind neben den Babyloniern die Griechen wieder viel wichtiger als die Römer. Hipparchos von Nicaea hat beispielsweise ein Instrument zur Bestimmung von Koordinaten auf der Himmelssphäre, das Astrolabium. Damit hat er auch Sternkarten erstellt, die der Orientierung dienen können.


    Fazit: Die Griechen sind in vielen Bereichen der rationalen Wissenschaften sehr viel wichtiger als die Römer. Wir können von ihnen vor allem eine rationale Sicht der Welt lernen. Wir haben schon viel entwickelt und gelernt, was die Griechen in der Technik erfunden haben. Wir können müssen auch in der ganzen Weltsicht, in der Medizin und der logischen, weniger emotionalen Argumentation von ihnen lernen.

    http://gdurl.com/3RSu
    L Petr Crispus
    Subprafectus Classis[/FONT]


    Siegel drauf - fertig! Jetzt konnte er sich endlich in Ruhe der Medizin widmen, die er zumindest dank dieser dämlichen Strafarbeit entdeckt hatte.

    Lucius fixierte sein Gegenüber, einen vielschrötigen Centurio, der sich hinter seine Parma duckte. Der alte Mann war nicht mehr so wendig wie der Petronier, aber dafür wahnsinnig erfahren - es glich sich mehr oder weniger aus. Und das wusste der Subpräfekt, der immer wieder versuchte, den Alten aus der Reserve zu locken, um ihn noch träger zu machen - nur so hatte er eine Chance, die Parade zu durchdringen.
    Finte - Ausfallschritt - Rückzug. Immer wieder und wieder. Der Centurio war ein Peregrinus - ein Meder, der sich aber den römischen Namen Quintus Turbo gegeben hatte. Er hatte sich hochgedient wie Lucius' Vater auch: Ex caligae vom Tiro bis zum Centurio. Er hatte an verschiedenen Fronten gekämpft, in den Wüsten Africas und in den Wäldern Britannias. Die Classis hier würde sein letzter Posten sein. Er wollte an einem Ort in Ruhestand gehen, wo es warm und zivilisiert war. Zuvor sollte er aber noch ein bisschen von seiner Erfahrung an den jungen Petronier weitergeben.
    Turbo stieß vor und rammte seinen Schild gegen das Gladius seines Gegners, um es beiseite zu drängen. Doch Lucius reagierte gerade noch rechtzeitig und parierte mit dem Schild. Mit aller Kraft versuchte er, sein Schwert freizukriegen - seine Faust schrammte das Holz der Parma entlang. Es brannte, aber das machte Lucius nur noch grimmiger - er hatte sich Turbo als Trainingspartner ausgesucht, weil er erfahren war, aber trotzdem nicht zimperlich war. Sie beide hatten von ihren Trainingseinheiten Schrammen und blaue Flecken davongetragen. Er machte einen Schritt zurück und löste sich von dem Centurio, um kurz über die aufgekratzten und brennenden Knöchel zu lecken - warmes, rostig schmeckendes Blut. Leider sein eigenes...


    Jetzt war es an Lucius zuzuschlagen. Die Parma vor machte er einen Schritt nach vorn und stieß in Richtung der ungedeckten Schulter Turbos. Mit erstaunlicher Geschicklichkeit tauchte der alte Mann jedoch ab und startete aus der Hocke heraus einen Gegenangriff auf Lucius' Oberschenkel. Damit hatte der Subpräfekt nicht gerechnet - die hölzerne Kappe auf der Schwertspitze, die beim Training schlimmere Verletzungen vermeiden sollte, traf hart auf den Muskel. Lucius stöhnte vor Schmerz - der Treffer würde einen schönen blauen Fleck geben.


    Der Centurio ließ die Waffen sinken.
    "Außer Gefecht, würd' ich sagen."
    Der junge Petronier spuckte auf den staubigen Boden. Turbo hatte recht - sogar der stumpfe Treffer tat so weh, dass er kaum auftreten konnte. Aber er hasste es, zu verlieren - vor allem gegen einen Gegner, der so alt war und ihn irgendwie an den Alten erinnerte. Vielleicht würde er später zum Trost einen Rekruten zum Training zwingen und ihn so richtig vermöbeln. Aber er musste auch ernsthaft üben, wenn er seine Kampfkraft nicht einbüßen wollte. Also...
    "Nochmal!"
    Ohne eine Antwort abzuwarten, riss er die Arme hoch und deckte den etwas überrumpelten Centurio mit einer Serie von Schlägen ein.

    Immerhin ersparte dieser Aristobulos ihm weitere Belehrungen über das Griechische und seine Aussprache oder so. Stattdessen wurde es jetzt tatsächlich konkreter und der Ausgangspunkt Epikurs klang ziemlich rational: Ich muss Schmerz vermeiden und sonst meine Lust befriedigen. Da war es logisch, auch in die Zukunft zu planen und die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Logisch war dann auch, seine Ressourcen einzuteilen und - wenn man es konsequent dachte - dass Gerechtigkeit eigentlich nur dann empfehlenswert war, wenn sie den eigenen Interessen nutzte. Oder ihnen nicht schadete - ein Verbrechen, von dem man etwas hatte, das aber so perfekt war, dass es niemals aufgedeckt werden würde, war akzeptabel. Das klang in Lucius' Ohren ziemlich vernünftig.


    Die zweite Sache war dem jungen Petronier dagegen schon wieder ein bisschen weniger einleuchtend - er wusste sehr gut, dass es zwar manchmal anstrengend war, Macht zu gewinnen, dafür aber auch unglaublich erregend, sie auszuüben. Von Rangeleien, bei denen er die Oberhand gewonnen hatte, über die Lupanare in Rom, wo er es genoss, absolute Kontrolle über die Lupae auszuüben, bis zum Gefühl, als Magister Vici und jetzt als Subpraefectus Untergebene herumzukommandieren und gefürchtet zu werden. Wahrscheinlich war Epikur eher ein Schwächling, der sich gerne herumschubsen ließ - diesen Ratschlag verstand der Subpräfekt jedenfalls nicht.

    Am nächsten Tag begann Lucius, in die Medizin einzutauchen. Alexandria schien dafür der perfekte Ort zu sein - er stellte rasch fest, dass vor allem die menschliche Anatomie hier grandiose Fortschritte erzielt hatte. Besonders spannend klangen die Experimente eines gewissen Herophilos von Chalkedon und seines Schülers Erasistratos, die etwa herausgefunden hatten, dass die Intelligenz im Gehirn lag und auch etwas über die Wege des menschlichen Blutes herausgefunden hatten - und all das nicht durch das Nachplappern irgendwelcher alten Philosophen, sondern durch empirische Experimente! Angeblich hatten sie sogar zum Tode Verurteilte bei lebendigem Leib aufgeschnitten und analysiert - eine faszinierende Idee, die die Augen des jungen Petroniers leuchten ließ. Das war vielleicht etwas, was man dem Statthalter auch empfehlen sollte - dann waren die Todgeweihten wenigstens noch der Wissenschaft von Nutzen.


    Die Astrologie war aber auch ein interessantes und vor allem mathematisch anspruchsvolles Ding. Ein gewisser Eratosthenes hatte durch die Beobachtung der Gestirne nicht nur festgestellt, dass die Erde rund war - eine Sache, die Lucius auf See auch schon aufgefallen war - sondern sogar errechnet, auf welcher Bahn die Sonne um die Erde kreiste. Außerdem stellte er fest, dass die Sterne nicht nur mit Göttern in Verbindung gebracht wurden - was natürlich völliger Unsinn war - sondern angeblich auch Einfluss auf den menschlichen Körper hatten... eine auf den ersten Blick auch nicht gerade einleuchtende These...

    Die Kategorisierung der Begierden schien einerseits einleuchtend und klar, bei näherem Hinsehen aber auch wieder ein bisschen willkürlich. Warum war Gesundheit notwendig? Es gab ja auch genügend Leute, die ihr ganzes Leben kränkelten. Oder im Krieg lebten - das war nicht sehr schön, aber eben auch nicht automatisch tödlich. Andererseits war die Sache aber vielleicht auch gar nicht so relevant, wenn er bedachte, dass das ganze eine Richtschnur für die Frage sein sollte, welche Begierden zu befriedigen und welche abzutöten waren. Am Ende schien es ja nur darum zu gehen: Kann ich die Begierde befriedigen oder nicht?


    So dachte der junge Petronier noch nach, als Aristobulos ihn plötzlich unerwartet aufrief. Etwas erschrocken riss Lucius die Augen auf und kramte hektisch in seinem Gedächtnis. Es war eine Ewigkeit her, dass er versucht hatte, die Sätze auswendig zu lernen - wie sollte er sich daran erinnern?
    "Ich - äh - ich - weiß nicht..."
    Er hatte wirklich nicht den Hauch einer Ahnung - wozu sollte man sich diese Lehrsätze auch Nummer für Nummer merken?


    Schließlich meldete sich neben ihm ein ägyptisch aussehender Jugendlicher, der mit ein bisschen Arroganz in der Stimme erklärte:
    "Alle Begierden, die nicht zu einer Schmerzempfindung führen, wenn sie nicht befriedigt werden, sind nicht notwendig, sondern erzeugen ein Verlangen, das leicht zu vertreiben ist, wenn es sich erweist, dass sie auf schwer Beschaffbares oder gar Schädliches zielen.


    Außerdem: Die natürlichen Begierden, die keine Schmerzen verursachen, wenn sie nicht befriedigt werden, obwohl das angespannte Bemühen um Befriedigung erhalten bleibt, entstehen aus einer leeren Meinung; und wenn sie nicht beseitigt werden können, dann liegt es nicht an ihrer eigenen Natur, sondern an der Neigung des Menschen zu leeren Meinungen."
    Lucius war entlastet und neidisch zugleich - er fühlte sich bloßgestellt und das von diesem Peregrinus, der wahrscheinlich nicht einmal das römische Bürgerrecht hatte!