Nachdem alle gewaschen waren - bis auf das Becken, das nun ein wenig getrübt wirkte - trat die Truppe wieder Formation und marschierte ein Stückchen weiter. Dort ließ der Priester sie erst einmal stehen, um seine Helfershelfer zu holen, was dem Subpräfekt die Möglichkeit gab, sich mit ein paar spöttischen Kommentaren Luft zu machen:
"So ein Schwachsinn, also wirklich. Ist das normal, dass man nach jeder Kreuzigung so einen Zirkus machen muss?"
Der angesprochene Soldat zuckte mit den Schultern.
"Wird schon seine Gründe haben."
"Vielleicht hätten wir lieber keine Soldaten werden sollen, wenn wir Angst vor Totengeistern haben..."
fügte der junge Petronier auf diese ausweichende Antwort an. Das war genau der Grund, warum diese Sklavenseelen es nie zum Offizier bringen würden - sie trauten sich einfach nicht, irgendwas infrage zu stellen! Wer nie selbst mitdachte - und wenn, dann falsch - der brauchte sich nicht wundern, dass niemand auf seine Meinung Wert legte!
Bevor er aber weiter über Religion lästern konnte, erschien der Priester mit einer kleinen Prozession von Tempeldienern. Die jungen Männer trugen Schalen, von denen der Weihrauch nur so qualmte.
"Beginnen wir mit dem zweiten Teil der Zeremonie. Ich bitte um Ruhe und Konzentration!"
kündigte der Priester an und machte eine gestische Regie-Anweisung, auf die hin die Tempeldiener mit ihren Weihrauchschalen sich an den vier Ecken der Formation postierten. Lucius hustete, als eine Weihrauchschwade ihm genau ins Gesicht wehte.
Der Priester öffnete die Hände, den Blick zu Boden, dann zum Himmel.
"O Serapis, Allgott, Aion, Herr der Ewigkeit, der Lebenden und der Toten!
Du thronst über der Unterwelt. Du richtest die Seelen, du wiegst sie und bestimmst sie für Elysium oder Verdammnis.
Doch ebenso herrscht du über die Welt der Lebenden. Du lässt die Sonne scheinen über alle, die auf Erden wandeln. Jahr um Jahr schenkst Du den Feldern Fruchtbarkeit und lässt die Pflanzen sprießen, um allem Leben das Seine zu geben. Du errettest die Kranken vor dem Tode und gewährst ihnen Heilung.
Sieh gütig auf diese Deine Diener. Gereinigt in deinem heiligen Wasser des Niles treten sie vor dich, um abzuwaschen die Blutschuld von ihren Händen.
Du Richter der Lebenden und der Toten: Nimm an ihre Sühne und sprich sie frei von ihrer Verdammnis! Wie der Rauch dieser Kräuter verrauche dein Zorn über ihr schändliches Handeln!"
Die Tempeldiener traten näher und begannen, im Kreis um die Soldaten herumzumarschieren. Immer wieder musste der Subpräfekt husten - der Rauch brannte in seiner Nase, dazu wurde ihm fast ein bisschen schlecht von dem komischen Geruch - hoffentlich war es bald vorbei!
"Du Herr über die Seelen der Toten: Verschließe die Geister ihrer Opfer in deinem Reich und hindere sie, die Lebenden zu quälen. Vergilt ihnen ihren Anspruch mit ihrer Sühneleistung!"
Wieder räusperte sich Lucius, als der Weihrauch an ihm vorbeigetragen wurde. Es wurde höchste Zeit, dass dieses komische Gebrabbel aufhörte - was hatte das bitte zu bedeuten? War Serapis jetzt der Herrscher der Toten oder auch der Lebenden? Wenn letzteres stimmte, dann war die Bitte des Priesters völlig unlogisch - dann würde Serapis die Totengeister ja eben auch ins Reich der Lebenden lassen können, womit die ganze Zeremonie schon aus rationalen Gründen erfolglos sein musste!
Wie gut, dass Lucius nicht an Totengeister glaubte...
Anstatt allerdings wie erhofft nun mit diesem Part fertig zu sein, begann der Priester plötzlich auf ägyptisch zu sprechen. Die Tempeldiener kreisten weiter wie Geier um das Aas und verströmten den Gestank dieser angeblich wohlriechenden Kräuter...